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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 30.09.2003
Aktenzeichen: 23 U 204/02
Rechtsgebiete: ZPO, EGBGB, BGB, AGBG
Vorschriften:
ZPO § 513 I | |
ZPO § 529 | |
ZPO § 540 Abs. 1 Nr. 1 | |
EGBGB Art. 229 § 5 | |
BGB § 150 Abs. 2 | |
BGB § 242 | |
BGB § 288 I | |
BGB § 633 Abs. 3 | |
BGB § 635 | |
AGBG § 6 | |
AGBG § 9 | |
AGBG § 9 Abs. 1 | |
AGBG § 9 Abs. 2 Nr. 1 |
Zu den Auswirkungen einer Komplettheitsklausel in einem BGB-Pauschalpreisvertrag
a. Handelt es sich um einen Detail-Pauschalvertrag, bei dem das Leistungsverzeichnis vom Auftragnehmer stammt, kann mit einer vereinbarten Komplettheitsklausel dem Auftragnehmer das Risiko für in seinem Leistungsverzeichnis nicht berücksichtigte Mehrmengen auferlegt werden. Bei der Vertragsauslegung ist die Reichweite der Komplettheitsklausel danach zu bestimmen, was der Auftragnehmer nach seinem Empfängerhorizont als Komplettheitsanforderung erkennen konnte.
b. Hätte der Auftragnehmer bei sorgfältiger Prüfung der ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen und Möglichkeiten der eigenen Untersuchung erkennen können, dass seine Mengenberechnungen im Leistungsverzeichnis mit Unwägbarkeiten verbunden waren, steht ihm zur Abdeckung seiner Mehrkosten auch kein Ausgleich nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage zu.
2.
Eine Klausel in den allgemeinen Geschäftsbedingungen des Auftraggebers, dass für Bauschuttbeseitigung 0,9 % von der Schlussrechnungssumme in Abzug gebracht werden, ist wegen Verstoßes gegen das AGBG unwirksam (BGH NJW 2000, 3348). Daran ändert nichts die weitere Vereinbarung, dass der Auftragnehmer anfallenden Bauschutt in Container des Auftraggebers entsorgen könne.
3.
Bei einer Individualvereinbarung, dass der Auftragnehmer den Gewährleistungseinbehalt durch eine Bürgschaft auf erstes Anfordern ablösen darf, steht dem Auftragnehmer ein Anspruch auf Zahlung des Sicherheitseinbehalts Zug um Zug gegen Gewährung der Bürgschaft zu.
Tenor:
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf vom 3.9.2002 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 7.879,21 (= 15.410,40 DM ) nebst 10% Zinsen hieraus seit dem 02.08.2000 zu zahlen.
Die Beklagte wird darüber hinaus verurteilt, an die Klägerin weitere EUR 25.090,85 (= 49.073,43 DM ) zu zahlen, Zug um Zug gegen Hergabe einer Bankbürgschaft entsprechend des diesem Urteil als Urteilsbestandteil beigefügten Bürgschaftsmusters.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 18%, die Beklagte 82 %. Die Kosten des Vergleichs werden gegeneinander aufgehoben.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Jede Partei darf die Vollstreckung der anderen Partei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Die Klägerin verlangt von der Beklagten restlichen Werklohn für die Verstärkung von Stahlbetondecken im 2. + 3. OG des Geschäftshauses S..Str.-20 in Düsseldorf gemäß Auftragserteilung vom 14.7.1999 nebst Nachträgen. Der Auftragserteilung liegen die Vertragsbedingungen der Beklagten zugrunde. Die VOB/A+B sind abbedungen. Die Auftragserteilung, der vorangegangen war das Angebot der Klägerin vom 9.9.1999 nebst detailliertem Leistungsverzeichnis, enthält folgende Klausel:
"Dem Vertrag liegen folgende zusätzliche Bedingungen zugrunde: Vereinbart wird ein pauschaler Einheitspreis für die komplette Verstärkung der Decken auf 5,00KN/qm entsprechend ihrem Angebot in Höhe von 455,00 DM/qm zzgl. Mwst. Darin sind alle notwendigen -auch wenn sie in ihrem Angebot nicht aufgeführt sein sollten- Leistungen enthalten. Somit ergibt sich eine vorläufige Auftragssumme von 1.400 qm x 455,00 DM/qm = 637.000 DM zzgl. Mwst. Die Abrechnung erfolgt nach tatsächlich sanierten Deckenflächen anhand eines Aufmaßes."
In der zweiten Instanz streiten die Parteien noch über folgende vier Positionen:
(A) Zusatzvergütung für Mehrstärke der Feinbetonschicht (211.334,90 DM), (B) Schadenersatzanspruch der Beklagten wegen Entfernung von Heizungsrohren durch Mitarbeiter der Klägerin (43.066,22 DM abzgl. anerkannter 8.000 DM), (C) 0,9 % Abzug von der Schlussrechnungssumme für Kosten der bauseitigen Schuttabfuhr gem. Nr. 8.12 der Vertragsbedingungen der Beklagten, (D) 5% Abzug von der Schlussrechnungssumme als Sicherheitseinbehalt der Beklagten (gegen Bankbürgschaft auf erstes Anfordern gemäß Muster der Beklagten).
Gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO wird wegen der tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zu den in der zweiten Instanz noch streitigen Positionen ausgeführt:
Durch die Pauschalierung des Vertragspreises sei zwischen den Parteien vereinbart worden, dass die Höhe der zu zahlenden Vergütung unabhängig von der zur Erreichung des vereinbarten Erfolges notwendigen Leistungsmenge sei und nur die tatsächlich sanierte Deckenfläche für die Berechnung maßgeblich sei. Die Voraussetzungen für eine Vertragsanpassung lägen nicht vor. Zum Schadensersatzanspruch der Beklagten habe die Beweisaufnahme ergeben, dass Mitarbeiter der Klägerin Heizungsrohre beseitigt hätten, deren Instandsetzung Kosten von insgesamt 43.066,22 DM erfordere. Der Abzug für die Schuttabfuhr sei gerechtfertigt, da nach dem Inhalt des Nachtragsangebots nicht für alle Abfälle eine Entsorgung durch die Klägerin vorgesehen gewesen sei, sondern teilweise Schutt in die dafür vorgesehenen Container entsorgt werden sollte. In Höhe von 5 % sei die Forderung der Klägerin wegen des individuell vereinbarten Sicherheitseinbehalts nicht fällig.
Die Klägerin hat Berufung eingelegt. Sie führt zur Begründung aus:
Das Landgericht habe seiner Entscheidung rechtsfehlerhaft zugrunde gelegt, dass mit der vereinbarten Pauschalierung das Massenrisiko insgesamt pauschaliert worden sei. Es liege ein Detail-Pauschalvertrag vor, nach dem sie, die Klägerin, nur die in ihrem Angebot vom 9.7.1999 detailliert beschriebenen Leistungen schulde. Nach Abgabe dieses Angebots sei zwischen den Parteien über eine Änderung des Leistungsinhalts nicht mehr gesprochen worden. Jedenfalls stehe ihr ein Anspruch auf Anpassung der Vergütung nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage zu. Es liege keine von ihr, der Klägerin, zu vertretende Unvollständigkeit der Leistungsbeschreibung vor. Erst nach Entfernung des alten Estrichbelags sei für sie erkennbar geworden, dass die Rohbetondeckenoberfläche Vertiefungen und grobe Unebenheiten aufwies. Hinsichtlich der Frage, ob ihre, der Klägerin, Mitarbeiter Heizungsrohre entfernt hätten, habe das Landgericht die erhobenen Beweise falsch gewürdigt und ihr Bestreiten zur Schadenshöhe übergangen. Die Vertragsbedingung der Beklagten über den Abzug von 0,9% der Schlussrechnungssumme für bauseitige Schuttabfuhr sei unwirksam. Ebenfalls unwirksam sei die Vertragsklausel über den Sicherheitseinbehalt und die Stellung einer Bürgschaft auf 1. Anfordern. Die Beklagte befinde sich im Annahmeverzug, weil sie die ihre angebotene einfache Bankbürgschaft abgelehnt habe. Ihr verbleibe allenfalls ein Zurückbehaltungsrecht.
Die Klägerin beantragt,
das am 03.09.2002 verkündete Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf - 32 O 155/00 - teilweise abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 164.921,15 EUR (DM 322.557,75) nebst 10% Zinsen seit dem 02.08.2000 zu zahlen,
hilfsweise, darauf 5% der gerechtfertigten Brutto-Schlussrechnungssumme abzüglich 0,8% Umlage nur Zug um Zug gegen Hingabe einer unbefristeten selbstschuldnerischen Bankbürgschaft zu zahlen,
weiter hilfsweise, festzustellen, dass in Höhe der vorgenannten Summe die Beklagte zur Zahlung nach Ablauf der Verjährung der Gewährleistungsansprüche verpflichtet ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt vor:
Die Frage der Verstärkung der Decken sei seit der ersten Besprechung zwischen den Parteien das Hauptthema und auch der Grund dafür gewesen, dass die Klägerin vor Abgabe ihres Angebots eine Reihe von Ortsterminen wahrgenommen und mit Schreiben vom 30.6.1999 mitgeteilt habe, sie könne ihr endgültiges Angebot erst abgeben, wenn sie das Ergebnis der von Prof. S... durchgeführten Betonuntersuchungen kenne. Die Individualvereinbarung vom 14.7.1999 enthalte eine wirksam ausgehandelte Komplettheitsklausel, die zur Folge habe, dass die Klägerin das Risiko für die erforderlichen Mehrstärken der Feinbetonschicht trage. Die Klägerin habe vor Erstellung ihres Angebots selbst die beim Bauamt der Stadt D......... vorhandenen Unterlagen eingesehen, am 27.4. und 30.6. 1999 das Bauvorhaben besichtigt, selbst einen Statiker mit der Überprüfung der Decken beauftragt und schließlich die Ergebnisse der Untersuchungen des Ingenieurbüros S., des Sachverständigen Prof. S... und des Materialprüfungsamts Wiesbaden mitgeteilt bekommen. Die übrigen in zweiten Instanz noch streitigen Abzugsposten habe das Landgericht mit zutreffender Begründung abgewiesen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung ist teilweise begründet. Die Entscheidung des Landgerichts beruht teilweise auf einer Rechtsverletzung (§§ 513 Abs. 1, 546 ZPO), die nach § 529 ZPO zugrundezulegenden Tatsachen rechtfertigen teilweise eine andere Entscheidung, § 513 I ZPO.
Die begründete Restwerklohnforderung der Klägerin ergibt sich aus folgender Berechnung:
Auf das Schuldverhältnis der Parteien finden die bis zum 31.12.2001 geltenden Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches gemäß Art. 229, § 5 EGBGB Anwendung.
A.
Zusatzvergütung für Mehrstärke der Feinbetonschicht:
Die insoweit klageabweisende Entscheidung des Landgerichts ist rechtsfehlerfrei.
1. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, die Feinbetonschicht zur Reprofilierung der Rohbetonoberflächen nach der tatsächlichen durchschnittlichen Materialstärke abzurechnen. Eine Einigung auf der Grundlage der Einheitspreise gemäß Angebot der Klägerin vom 9.7.1999 ist nicht zustande gekommen. Die Beklagte hat vielmehr in ihrem Auftragserteilungsschreiben vom 14.7.1999 inhaltliche Änderungen vorgenommen und damit gemäß § 150 Abs. 2 BGB ein neues Angebot mit einer sogenannten Komplettheitsklausel unterbreitet, das die Klägerin durch Unterzeichnung des Auftragserteilungsschreibens angenommen hat. Die Komplettheitsklausel ist ihrem Wortlaut nach eindeutig und konnte von der Klägerin nicht anders verstanden werden, als dass sie nunmehr die komplette Verstärkung der Decken auf 5 KN/qm gegen ein pauschales Entgelt schuldete, welches nur noch im Hinblick auf die noch nicht feststehende Menge der tatsächlich zu sanierenden Deckenflächen vorläufig war. Dem steht nicht entgegen, dass in der Auftragserteilung auf das Angebot der Klägerin vom 9.7.1999 Bezug genommen worden ist. Diese Bezugnahme diente lediglich der näheren Beschreibung des geschuldeten Erfolges, der darin bestand, dass die für die Nutzbarkeit als Verkaufsfläche baurechtlich notwendige Verstärkung der Decken auf 5 KN/qm bewirkt werden sollte. Die Klägerin behauptet nicht, dass mündlich vom schriftlichen Vertrag Abweichendes vereinbart worden sei. Ihr Vortrag aus Seite 2 ihres Schriftsatzes vom 4.8.2003, zwischen der Angebotsabgabe und der Unterzeichnung der Auftragserteilung vom 14.7.1999 sei über eine Änderung des Leistungsinhalts gegenüber dem Angebot nicht gesprochen worden, insbesondere auch nicht über den Wegfall der Pos. 21 für eine etwaige Mehrstärke der Feinbetonschicht, kann als richtig unterstellt werden. Dies ändert nämlich nichts daran, dass der von der Beklagten formulierte Wortlaut der Auftragserteilung vom 14.7.1999 eine Abänderung gegenüber dem Angebot der Klägerin vom 9.7.1999 beinhaltete, die der Klägerin bei aufmerksamen Lesen hätte auffallen und Anlass für einen Vorbehalt geben müssen, wenn sie weiter auf zusätzlicher Bezahlung in ihrem Angebot nicht berücksichtigter Feinbetonmengen Wert legte. Die streitige Vertragsklausel entspricht, worauf die Beklagte zutreffend hinweist, der vor allem in der Literatur erörterten Komplettheitsklausel. Deren Wirksamkeit hängt von dem jeweiligen Typ des Pauschalpreisvertrages ab. Wird ein sogenannter Global-Pauschalvertrag, dem nur eine das Leistungsziel beschreibende und keine detaillierte Leistungsbeschreibung zugrunde liegt, geschlossen, ist eine Komplettheitsklausel stets zulässig, weil der Auftragnehmer aufgrund der globalen (und damit unzweifelhaft erkennbar lückenhaften und unvollständigen) Ausschreibung das Risiko der möglichen Vervollständigung der in der Leistungsbeschreibung erfassten Bauleistung bewusst übernimmt (BGH NJW 1997, 61). Etwas anderes gilt für den Detail-Pauschalvertrag, der auf der Grundlage eines detaillierten Leistungsverzeichnisses geschlossen wird. Bei einem solchen Vertrag ist zu unterscheiden, wer das Leistungsverzeichnis verfasst hat. Stammt es vom Auftraggeber, ist die in Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Auftraggebers enthaltene Komplettheitsklausel in der Regel wegen Verstoßes gegen § 9 AGBG unwirksam, während bei individuell vereinbarter Komplettheitsklausel grundsätzlich die Verantwortung des Auftraggebers für seine falsche Planung erhalten bleibt (Kapellmann- Messerschmidt, VOB, § 2 Rdn. 244; Werner-Pastor, Der Bauprozess, 10. Aufl., Rdn 1196). Im vorliegenden Fall besteht die Besonderheit, dass das dem Vertrag zugrunde liegende Leistungsverzeichnis vom Auftragnehmer, also der Klägerin, stammt. In einem solchen Fall bestehen grundsätzlich keine Bedenken, dass der Auftraggeber sowohl individuell als auch in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen regeln kann, dass der Auftragnehmer die Vollständigkeits- und Richtigkeitsverantwortlichkeit trägt (Kapellmann a.a.O. Rdn. 266). Grundsätzlich unbedenklich ist es in einem solchen Fall auch, dass nach Vorgabe des Auftraggebers durch eine Komplettheitsklausel dem Auftragnehmer das Risiko für in seinem Leistungsverzeichnis nicht berücksichtigte Mehrmengen auferlegt wird. Soweit die Klägerin auf Seite 4 ihres Schriftsatzes vom 4.8.2003 die Auffassung vertritt, durch eine Komplettheitsklausel könne dem Auftragnehmer das Risiko von Defiziten der Bausubstanz nicht auferlegt werden, kann ihr nicht uneingeschränkt gefolgt werden. Richtig ist lediglich, dass auch Komplettheitsklauseln die allgemeinen Auslegungsregeln nicht außer Kraft setzen. Deswegen bestimmt sich ihre Reichweite danach, was der Auftragsnehmer nach seinem Empfängerhorizont als Komplettheitsanforderung erkennen konnte. Für die Klägerin war aber erkennbar, dass sich die Beklagte darauf verließ, dass sie, die Klägerin, mit ihrem Angebot nebst detailliertem Leistungsverzeichnis zugleich die Aufgabe übernommen hatte, zu prüfen, welche Leistungen zu erbringen waren, um die für eine Nutzung als Geschäftshaus erforderliche Tragfähigkeit von 5 KN/qm zu erzielen. Dem steht nicht entgegen, dass die Beklagte vorbereitend das Ingenieurbüro S. mit der Untersuchung der Belastbarkeit der Decken und den Sachverständigen S. mit der Untersuchung der Betongüte beauftragt hatte. Es war Aufgabe der Klägerin, auf der Grundlage eigener Untersuchungen und der Feststellungen des Ingenieurbüros S. sowie des Sachverständigen S. in ihrem Angebot die detaillierte Ausführung des Teilgewerks "Instandsetzung und Ertüchtigung von vorhandenen Stahlbetonkonstruktionen der Böden im 2. + 3. OG des Gebäudes S..Str.-21 in D......." vorzugeben. Ihrem Schreiben vom 30.6.1999 (GA 421) ist zu entnehmen, dass sie sich dieser Aufgabe auch bewusst war, denn sie hat die Abgabe des endgültigen Angebots von dem Ergebnis der Untersuchungen des Sachverständigen S. abhängig gemacht. Dass die erforderliche Stärke der Feinbetonschicht problematisch war, hat die Klägerin auch teilweise erkannt und für eventuelle Mehrstärken von 1-5 mm eine Zusatzvergütung unter der Pos. 21 ihres Angebots vorgesehen. Sie kann sich jetzt nicht mit Erfolg darauf berufen, die Vertiefungen und abnormen Unebenheiten der Rohbetonplatte und das Durchhängen der Decken zwischen ihren Auflagern seien für sie damals nicht erkennbar gewesen. Sie hatte genügend Anlass für die Annahme, dass die von ihr vorgesehenen Mehrstärken von 1-5 mm möglicherweise nicht ausreichen würden, um den vertraglich geschuldeten Erfolg herbeiführen zu können. In dem ihr bekannten Gutachten des Sachverständigen S. wird mitgeteilt, dass für die Deckenplatte des 2. Obergeschosses eine uneinheitliche Stärke von 13cm bis 18cm und für diejenige des 3. Obergeschosses eine uneinheitliche Stärke von 12cm bis 17cm vorgefunden worden sei, Bombenschäden vorlägen und zumindest neun verschiedene Betonsorten verwendet worden seien. Wenn aber laut dem Gutachten die Deckenstärke bereits eine Toleranz von 5 cm aufwies, und zwar unabhängig von einer hinzutretenden Durchbiegung der Platten, waren Unwägbarkeiten bezüglich der Oberflächentoleranzen und dem Ausreichen einer 5 mm starken Feinbetonschicht zum Ausgleich möglicher Unebenheiten und Durchbiegungen für die Klägerin erkennbar. Auch wenn das vorgenannte Gutachten nicht primär der Feststellung der vorgenannten Deckenplattenstärken und einer Durchbiegung der Deckenplatten diente, mussten die dortigen Mitteilungen die Klägerin veranlassen, ihre bisherigen Annahmen zur erforderlichen Stärke der Feinbetonschicht zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen. Darüber hinaus räumt die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 02.01.2003 auf Bl. 7 selbst ein, dass - wenn auch durch unter den Decken montierte Werbeträger behindert - die Deckenunterseiten zugänglich waren und erkennbare Unebenheiten, kriegsbedingte Ausbesserungen sowie nutzungsbedingte Umbauten erkennen ließen. Diese Feststellungen reichen aus, um der Klägerin das Risiko der erforderlichen Mehrstärke für Feinbeton aufzubürden. Es entlastet sie nicht, dass - wie in der mündlichen Verhandlung erörtert - die Oberseite der Deckenplatten wegen des noch vorhandenen alten Estrichs zunächst nicht zugänglich war, wegen der Werbeträger die Besichtigung der Unterseite der Deckenplatten erschwert war und umfassende, rasterförmige Kernbohrungen die Statik der Deckenplatten beeinträchtigt hätten. Aufgrund der verbleibenden Unwägbarkeiten hätte die Klägerin entweder unter Inkaufnahme von Erschwerungen die Bausubstanz genauer untersuchen oder sich für eventuelle Mehrmengen im Vertrag vom 14.7.1999 ausdrücklich eine Zusatzvergütung vorbehalten müssen.
2. Der Klägerin steht zur Abdeckung ihrer Mehrkosten auch kein Ausgleichsanspruch nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage, § 242 BGB, zu.
Richtig ist lediglich ihr Ausgangspunkt, dass Geschäftsgrundlage des Vertrages vom 14.7.1999 ihr vorangegangenes Angebot / Leistungsverzeichnis vom 9.7.1999 war und dass ihr Leistungsverzeichnis nicht Mehrstärken für Feinbeton berücksichtigt, die den Bereich von 5 mm überschreiten. Dem Auftragnehmer steht jedoch nicht ohne weiteres für Mengenüberschreitungen ein Ausgleichsanspruch nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage zu. Das ist meist unproblematisch für sogenannte Global-Pauschalverträge, gilt aber auch für den Detail-Pauschalvertrag mit einer Komplettheitsklausel, wie sie hier zum Vertragsinhalt gemacht worden ist.
Im ungeschriebenen Tatbestand des Wegfalls der Geschäftsgrundlage lassen sich drei Tatbestandsmerkmale ausmachen, die gleichzeitig erfüllt sein müssen: (1) Nur eine wesentlichen Änderung der Geschäftsgrundlage rechtfertigt eine Anpassung (BGH NJW 1989, 289; Werner-Pastor, a.a.O. Rdn. 1203/2490). (2) Durch die Störung darf kein Risiko verwirklicht sein, das nach den Vereinbarungen der Parteien in den Risikobereich einer Partei fallen soll (BGH NJW 2000, 1714/1720). (3) Der von der Störung betroffenen Partei kann die unveränderte Vertragserfüllung nicht mehr zugemutet werden (BGH NJW 1995, 48).
Im vorliegenden Fall scheitert die Anwendung der Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage jedenfalls an der zweiten Voraussetzung. Hier gelten dieselben Überlegungen wie zu der unter 1. erörterten Auslegung der Komplettheitsklausel im Vertrag vom 14.7.1999 (Keldungs zu § 2 Nr. 7 VOB/B Rdn. 287 in Ingenstau-Korbion, VOB, 14. Aufl.). Die Klägerin hätte bei sorgfältiger Prüfung der ihr zur Verfügung stehenden Unterlagen und Möglichkeiten der eigenen Untersuchung erkennen können, dass ihre Berechnungen in ihrem Angebot zur Menge des benötigten Feinbetons mit Unwägbarkeiten verbunden waren. Sie kann sich daher nicht mit Erfolg nachträglich von der dennoch getroffenen Pauschalpreisabsprache mit der Begründung lossagen, die von ihr tatsächlich benötigte Menge sei weit größer, als von ihr bei Angebotsabgabe und Vertragsschluss angenommen.
B.
Schadensersatzanspruch der Beklagten wegen Entfernung von Heizleitungen
Auf der Grundlage des Teilvergleichs vom 09.09.2003 schuldet die Klägerin der Beklagten wegen Beschädigung von Heizleitungen während ihrer Arbeiten im Geschäftshaus S..Str.-20 in D... einen Betrag von DM 21.533,11.
C.
Abzug für bauseitige Schuttabfuhr gemäß Nr. 8.12. der Vertragsbedingungen der Beklagten
Rechtsfehlerhaft hat das Landgericht den Werklohn der Klägerin um 0,9% im Hinblick auf eine Schuttbeseitigung vermindert.
Die entsprechende Klausel in den Vertragsbedingungen der Beklagten ist als Allgemeine Geschäftsbedingung unwirksam, § 9 Abs.1, Abs.2 Nr.1 AGB-Gesetz, selbst wenn die Klägerin Teile des anfallenden Bauschutts über Container der Beklagten entsorgen sollte.
Diese Klausel über einen pauschalen Abzug für Bauschuttbeseitigung unterliegt als Preisnebenabrede der Inhaltskontrolle. Die Klausel ist eine Preisnebenabrede, weil sie die Erstattung von Mängelbeseitigungskosten im Sinne des § 633 Abs. 3 BGB oder einen Anspruch auf Ersatz der Mängelbeseitigungskosten nach § 635 BGB regelt. Würde eine wirksame vertragliche Regelung über diese Kosten der Bauschuttbeseitigung fehlen, würden die genannten gesetzlichen Vorschriften an deren Stelle treten.
Die Klausel hält einer Inhaltskontrolle nicht stand, weil sie die Klägerin als Auftragnehmer unangemessen benachteiligt. Sie weicht von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung ab (§§ 9 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 AGB-Gesetz).
Die Beseitigung des mit der Werkleistung verbundenen Bauschutts gehört vorbehaltlich abweichender vertraglicher Vereinbarung zu dem geschuldeten Werkerfolg des Auftragnehmers. Danach ist die Werkleistung des Auftragnehmers mangelhaft, wenn er den von ihm verursachten Bauschutt nicht beseitigt. Soweit die Vertragsparteien keine gesonderte Vergütung für die Bauschuttbeseitigung vereinbart haben, schuldet der Auftragnehmer die Bauschuttbeseitigung, ohne dass er dafür eine besondere Vergütung verlangen kann.
Die Klausel weicht in mehrfacher Hinsicht von dem gesetzlichen Leitbild ab. Nach der gesetzlichen Regelung ist der Auftragnehmer verpflichtet, sein Werk mangelfrei zu errichten. Weist das Werk einen Mangel auf, ist der Auftragnehmer grundsätzlich berechtigt, den Mangel zu beseitigen. Der Auftraggeber ist gemäß § 633 Abs. 3 BGB erst berechtigt, den Mangel selbst zu beseitigen und Ersatz der Kosten oder einen Kostenvorschuss zu verlangen, wenn der Auftragnehmer mit der Beseitigung des Mangels in Verzug geraten ist. Die Klausel belastet den Auftragnehmer darüber hinaus in Höhe des pauschalen Abzugs mit der Verantwortlichkeit für Bauschutt, unabhängig davon, ob er Bauschutt verursacht und nicht beseitigt hat. Soweit der Auftragnehmer Bauschutt und damit die Mangelhaftigkeit seines Werks verursacht hat, benachteiligt ihn die Klausel im Vergleich zu den gesetzlichen Regelungen in zweifacher Hinsicht. Der Auftraggeber kann den Mangel selbst beseitigen, ohne dass er vorher den Auftragnehmer unter Fristsetzung zur Mangelbeseitigung aufgefordert und ihm damit die Möglichkeit eingeräumt hat, den Mangel selbst zu beseitigen. Für den Fall, dass der Auftragnehmer seinen vertraglichen Verpflichtungen zur Beseitigung des Bauschutts nachgekommen und den Mangel seines Werks beseitigt hat, bleibt er nach der Klausel dazu verpflichtet, die pauschalierten Beseitigungskosten zu bezahlen. Wenn der Auftragnehmer keinen Bauschutt verursacht hat, wird er durch die Klausel mit den pauschalen Beseitigungskosten belastet, obwohl Kosten für die Beseitigung von Abfall, für den er verantwortlich ist, nicht entstehen können.
(BGH NJW 2000, 3348).
Die Klausel bleibt auch dann unwirksam, wenn - wie hier - die Klägerin absprachegemäß teilweise den anfallenden Bauschutt in dafür vorgesehenen Container der Beklagten entsorgen sollte. Hierdurch wurde jedenfalls das Selbstausführungs- und Selbstnachbesserungsrecht der Klägerin wegen des Teils des Bauschutts, der nicht über diese Container entsorgt werden sollte, nicht wirksam beschränkt oder ausgeschlossen. Eine geltungserhaltende Reduktion der Vertragsklausel ist nicht möglich, § 6 AGB-Gesetz. Die Voraussetzungen für eine ergänzende Vertragsauslegung besteht nicht.
Da die Wirksamkeit der Vertragsklausel an § 9 AGB-Gesetz scheitert, kommt es nicht darauf an, dass die Parteien Vollkaufleute sind und damit die Anwendbarkeit einzelner Vorschriften des AGB-Gesetzes ausgeschlossen ist.
D.
Abzug von 5% der Schlussrechnungssumme als Sicherheitseinbehalt der Beklagten bzw. Zurückbehaltungsrecht der Beklagten bis zur Hingabe einer Bankbürgschaft
Das Landgericht hat rechtsfehlerhaft die geltend gemachte Klageforderung um den 5%-Gewährleistungseinbehalt gekürzt und die Klage insoweit als nicht fällig abgewiesen.
Der vom Landgericht festgestellte Sachverhalt rechtfertigt im Rahmen des Sicherungseinbehalts eine Zug-um-Zug-Verurteilung. Wie mit der Berufung nicht angegriffen wird, ist über einen solchen Sicherungseinbehalt und die Gestellung einer Bürgschaft auf erstes Anfordern am 14.07.1999 eine ergebnisoffene Verhandlung geführt worden, anschließend der Sicherungseinbehalt sowie die Bürgschaftsgestellung individuell und insoweit wirksam vereinbart worden (vgl. BGH BauR 2002, 1533 wegen der Unwirksamkeit einer AGB-Klausel) und begründet damit nur ein Zurückbehaltungsrecht der Beklagten im Hinblick auf 5% der Schlussrechnungssumme.
Die Klägerin ist mit der Gestellung der vereinbarten Bürgschaft gemäß Bürgschaftsmuster nicht vorleistungspflichtig. Haben nämlich die Parteien wie hier vereinbart, dass der Werkunternehmer den Gewährleistungseinbehalt durch eine Bürgschaft ablösen darf, kann der Werkunternehmer vom Besteller Zahlung des Sicherheitseinbehalts Zug-um-Zug gegen Gewährung der Bürgschaft verlangen, ohne die Bürgschaft diesem vorher ausgehändigt zu haben. Die Klägerin trifft dabei keine Vorleistungspflicht. Sie wäre nämlich sonst in Gefahr, dass der Auftraggeber die Bürgschaft entgegennimmt und zusätzlich seine vertragliche Verpflichtung verletzt, den Sicherungseinbehalt bar auszuzahlen. Um einen effektiven Schutz des Auftragnehmers vor vertragswidrigem Verhalten des Auftraggebers zu gewährleisten, ist es daher gerechtfertigt, ihr die Möglichkeit einzuräumen, die Austauschsicherheit Zug-um-Zug anzubieten (OLG Dresden, BauR 2002, 1274).
Dabei kommt es prozessual nicht auf den in der Berufung gestellten Hilfsantrag an. Bereits mit Schriftsatz vom 29.11.2001 hat die Klägerin klargestellt, dass der Klageantrag so zu verstehen ist, dass "die Beklagte neben dem unbedingten Zahlungsanspruch der Klägerin zu verurteilen ist, an diese 48.986,51 DM Zug um Zug gegen Herausgabe einer Gewährleistungsbürgschaft in entsprechender Höhe zu zahlen." Das Landgericht war verpflichtet, die Verurteilung Zug um Zug zu prüfen und auszusprechen.
Die Tenorierung der Zug-um-Zug-Verurteilung erfolgt dabei auf Hergabe einer Bankbürgschaft sprechend dem Bürgschaftsmuster, Bl. 225 GA, welches dem Urteil als Bestandteil beigefügt ist. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist der Gewährleistungseinbehalt nur durch eine Bürgschaft auf erstes Anfordern entsprechend dem Muster abzulösen. Die entsprechende Vereinbarung ist ausweislich der nicht mit der Berufung angegriffenen landgerichtlichen Feststellungen nicht als Allgemeine Geschäftsbedingung, sondern als Individualklausel zu bewerten. Dem steht nicht entgegen, dass die Individualvereinbarung zur Verwendung eines Bürgschaftsmusters der Klägerin - welches für sich genommen zunächst eine Allgemeine Geschäftsbedingung darstellen würde - führt. Individuell vereinbart ist nämlich nicht nur die Verwendbarkeit eines Bürgschaftsmusters, sondern auch, dass eine Bürgschaft auf erstes Anfordern zu erbringen war. Im Rahmen einer derartigen Individualvereinbarung kann ausnahmsweise die Ablösung eines Sicherungseinbehaltes durch eine Bürgschaft auf erstes Anfordern gemäß eines beigefügten Bürgschaftsmusters wirksam vereinbart werden.
III.
Der Zinsanspruch folgt aus § 288 I BGB, soweit ein Verzug der Beklagten mit der Zahlung des Werklohns wegen des bestehenden Zurückbehaltungsrechts nicht ausgeschlossen ist. Die übrigen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 98, 708 Nr.10, 711 ZPO.
Es besteht kein Anlass, die Revision zuzulassen.
Streitwert : Für die 1. Instanz: EUR 175.231,32,
Für die 2. Instanz: EUR 164.921,15,
Für den Teilvergleich vom 09.09.2003: EUR 18.951,66
(DM 43.066,22 abzüglich DM 8.000,-)
Ende der Entscheidung
Bestellung eines bestimmten Dokumentenformates:
Sofern Sie eine Entscheidung in einem bestimmten Format benötigen, können Sie sich auch per E-Mail an info@protecting.net unter Nennung des Gerichtes, des Aktenzeichens, des Entscheidungsdatums und Ihrer Rechnungsanschrift wenden. Wir erstellen Ihnen eine Rechnung über den Bruttobetrag von € 4,- mit ausgewiesener Mehrwertsteuer und übersenden diese zusammen mit der gewünschten Entscheidung im PDF- oder einem anderen Format an Ihre E-Mail Adresse. Die Bearbeitungsdauer beträgt während der üblichen Geschäftszeiten in der Regel nur wenige Stunden.