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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 25.02.2003
Aktenzeichen: 23 U 35/02
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 254
BGB § 278
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

23 U 35/02

Verkündet am 25. Februar 2003

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 23. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 28. Januar 2003 durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht D.............., den Richter am Oberlandesgericht Dr. M........ und den Richter am Landgericht K....

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 15. Januar 2002 verkündete Grundurteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Kleve wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand: Der Kläger, der eine Gärtnerei betreibt, macht Schadensersatz wegen Frostschäden geltend, die an den in seinem Gewächshaus befindlichen Pflanzen eintraten.

Die Heizung dieses Gewächshauses wird von einem Klimacomputer gesteuert, den der Kläger im Jahre 1998 von der Beklagten erwarb. Die Beklagte befestigte das Gerät im Gewächshaus des Klägers, schloss es an und übergab dem Kläger ein Handbuch des Herstellers. Der Computer hat insbesondere die Aufgabe, die Temperatur in dem Gewächshaus nach bestimmten voreingestellten Werten zu regeln. Dabei wird die Heizung bei einem Absinken der Temperatur auf einen einzustellenden Wert automatisch eingeschaltet. Die Temperaturwerte, bei deren Erreichen sich die Heizung ein- bzw. ausschaltet, wurden bei der Installation durch die Beklagte nach Vorgaben des Klägers eingegeben. Der Klimacomputer misst darüber hinaus auch den Kohlendioxidgehalt der Innenluft. Der Klimacomputer verfügt zusätzlich über eine Alarmfunktion. Hierzu ist er über eine Leitung mit dem Wohnhaus des Klägers verbunden und löst dort Alarm aus, wenn die Temperatur im Gewächshaus eine bestimmte, eingestellte Schwankungsbreite über- oder unterschreitet. Der untere Wert war auf 0 Grad Celsius eingestellt.

Am 16.1.2001 nahm die Beklagte im Auftrag des Klägers eine Reparatur an den Sensoren vor, die für die Messung des Kohlendioxidgehalts maßgeblich sind. Gegenstand der Klage ist ein Frostschaden in Höhe von insgesamt 78.000,-- DM wegen des Absinkens der Temperatur in dem Gewächshaus in der darauffolgenden Nacht zum 17.1.2001. Der Frostalarm wurde in dieser Nacht nicht ausgelöst.

Der Kläger hat behauptet, die Beklagte habe am 16.1.2001 den Klimacomputer zur Durchführung der Reparatur abgeschaltet und versäumt, nach der Wiederinbetriebnahme die zuvor vorhanden gewesenen Einstellungen wieder korrekt vorzunehmen. Dies sei der Grund dafür gewesen, dass in der Nacht zum 17.1.2001, in der starker Frost geherrscht habe, weder die Heizung angesprungen noch der Frostalarm ausgelöst worden seien. Die Temperatur sei in dieser Nacht so stark auf Werte weit unter 0 Grad abgesunken, dass Frostschäden an den Pflanzen in dem Gewächshaus in einer Gesamthöhe von 78.000,-- DM entstanden seien.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 78.000,-- DM nebst 7,5 % Zinsen ab dem 26.5.2001 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat behauptet, sie habe bei der Reparatur die eingestellten, für den Frostalarm relevanten Werte nicht verändert, sondern nur die Parametereinstellungen für den Kohlendioxidsensor angepasst. Sie habe sich zuvor bei der Erst-Installation des Computers an das Benutzerhandbuch gehalten. Wie sie erst nach dem Vorfall erfahren habe, müsse bei der Einstellung der Werte für Heizung und Frostalarm folgendes berücksichtigt werden: Wenn der Klimacomputer eine Kohlendioxidkonzentration von mehr als 3.000 ppm messe, so werde die Heizung auch dann nicht eingeschaltet, wenn die Innentemperatur unter den eingestellten Wert absinke. Da die Heizanlage nämlich Kohlendioxid erzeuge, solle auf diese Weise ein Absinken der Kohlendioxidkonzentration erreicht werden. Unabhängig davon könnten für den (Frost-)Alarm nach der damaligen Fassung des Handbuchs, an das sie - die Beklagte - sich gehalten habe, untere bzw. obere Temperaturwerte in einem Bereich von 0 bis 50 Grad eingestellt werden. Vom Hersteller voreingestellt sei der Wert 0 Grad. Diesen Wert habe sie - die Beklagte - beim Einbau der Anlage auch nicht verändert. Was sie damals nicht gewusst habe, sei der Umstand, dass bei dieser Einstellung der Frostalarm deaktiviert sei. Um ihn zu aktivieren, müsse mindestens ein Wert von 0,1 Grad eingestellt werden. Sie meint, hierfür nicht zu haften, weil sie davon erst nachträglich erfahren habe.

Das Landgericht hat den Klageanspruch dem Grunde nach im wesentlichen mit der Begründung für gerechtfertigt erklärt, dass die Beklagte sich die fehlerhaften Angaben in dem Handbuch gemäß § 278 BGB zurechnen lassen müsse.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgt.

Zur Begründung wiederholt sie ihren erstinstanzlichen Vortrag und trägt ergänzend vor. Sie ist der Ansicht, eine Haftung ihrerseits komme nicht in Betracht, weil sie die seinerzeitige Fehlerhaftigkeit des Handbuchs nicht habe erkennen können. § 278 BGB sei nicht anwendbar, weil der Hersteller im Verhältnis zum Käufer nicht Erfüllungsgehilfe des Verkäufers sei.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er nimmt auf seinen erstinstanzlichen Vortrag Bezug und trägt ergänzend vor. Er meint, der Vortrag der Klägerin, die Reparatur fehlerfrei durchgeführt zu haben, werde schon dadurch widerlegt, dass die Beheizung des Gewächshauses und der Frostalarm bis zum 16.1.2001 einwandfrei funktioniert habe.

Im übrigen wird für den Sachvortrag der Parteien auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten bleibt in der Sache ohne Erfolg. Das Landgericht hat die Klage zu Recht dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Der Senat nimmt auf die zutreffenden Ausführungen der angefochtenen Entscheidung Bezug. Die Berufungsbegründung gibt zu keiner abweichenden Beurteilung, sondern nur zu den folgenden Ergänzungen Anlass.

I.

Der Kläger hat nach dem eigenen Vortrag der Beklagten dem Grunde nach einen Schadensersatzanspruch des Klägers wegen der Frostschäden aus positiver Vertragsverletzung.

1. Zwar kann dieser Anspruch auf der Grundlage des Vortrags der Beklagten nicht auf die Verletzung vertraglicher Pflichten durch die Beklagte bei der Durchführung der Reparatur am 16.1.2001 gestützt werden. Die Beklagte hat nach ihrem eigenen Vortrag die Reparatur ordnungsgemäß ausgeführt. Letztere bezog sich allein auf einen Austausch der Sensoren zur Messung der Kohlendioxidkonzentration. Die Voreinstellungen der Heizautomatik und des Frostalarms waren nach dem Vortrag der Beklagten davon nicht berührt.

Die Beklagte hat aber nach ihrem eigenen Vortrag eine Pflicht aus dem Vertragsverhältnis verletzt, das dem Erwerb der Klimaanlage durch den Kläger im Jahre 1998 zugrunde lag, wobei offen bleiben kann, ob es sich dabei - wie vom Landgericht angenommen - um einen Werklieferungsvertrag (§ 651 BGB) oder um einen Kaufvertrag (§ 433 BGB) mit werkvertraglicher Nebenleistungspflicht (Montage, Anschluss) handelte.

Die Verletzung einer aus diesem Vertrag folgenden (Neben-)Pflicht liegt darin, dass die Beklagte den Kläger seinerzeit bei der Lieferung des Computers nicht in ausreichendem Umfang auf die Funktionsweise der Klimaanlage hingewiesen hat. Für den Betrieb eines Gewächshauses ist ein zuverlässiger Schutz gegen Frost wesentlich. Gerade zum Schutz der Pflanzen gegen Witterungseinflüsse wird ein Gewächshaus betrieben; eine Klimaanlage erfüllt vor allem den Zweck, für ein möglichst günstiges Wachstumsklima zu sorgen und die Pflanzen vor witterungsbedingten Schäden zu schützen. Die Beklagte als Lieferantin der Anlage musste deshalb den Kläger im Rahmen ihrer (kauf-)vertraglichen Nebenpflichten zumindest auf solche Besonderheiten bei der Funktionsweise deutlich hinweisen, die ein besonders hohes Risiko einer Fehlbedienung bergen und als deren Folge die Klimaanlage ihren eigentlichen Zweck (Schutz der Pflanzen) nicht mehr erfüllt.

Hier ergab sich aus dem Zusammenspiel der verschiedenen Regelungsmechanismen, wie sie die Beklagte eingehend und nachvollziehbar vor allem in ihrem Schriftsatz vom 13.12.2001 geschildert hat, eine regelrechte "Falle": Steigt der Kohlendioxidgehalt der Luft nämlich über den bislang vorgegebenen Wert von 3.000 ppm an, so funktioniert die automatische Heizung auch dann nicht mehr, wenn die Temperatur unter den eingestellten Wert (5 Grad) sinkt. Gleichzeitig war aber auch der Frostalarm, der über eine Telefonleitung mit dem Wohnhaus des Klägers verbunden ist, als Folge der werkseitigen, von der Beklagten nach ihrem Vortrag auch nicht geänderten Einstellung von 0° als Grenzwert abgeschaltet. Gerade diese Auswirkungen sind ganz ungewöhnlich und von einem Laien (und wohl auch von einem Fachmann, wie der vorliegende Fall zeigt) weder zu erwarten noch überhaupt zu erkennen.

Auf diese Umstände, die in ihrem Zusammenspiel ohne weiteres geeignet sind, erhebliche Frostschäden zu verursachen, hätte die Beklagte den Kläger bei Installation des Geräts hinweisen müssen. Nur so hätte der Kläger die Voreinstellungen - ggf. unter Abwägung von Frostgefahr und Nachteilen/Vorteilen eines hohen Kohlendioxidgehalts der Luft - zuverlässig auswählen und ändern bzw. eine Änderung bei der Beklagten in Auftrag geben können. Hingewiesen hat die Beklagte hierauf unstreitig nicht - sie wusste seinerzeit selbst nicht um diesen Regelungsmechanismus. Auch die Bedienungsanleitung, die die Beklagte dem Kläger mit der Anlage übergab, enthielt keine entsprechenden Hinweise.

2. Hinsichtlich dieser Verletzung von Hinweispflichten hat die Beklagte auch schuldhaft gehandelt. Zur Erfüllung ihrer Pflichten, den Kläger jedenfalls auf die grundlegenden Regelungsmechanismen der Anlage hinzuweisen, übergab die Beklagte ihm eine Bedienungsanleitung, die fehler-, weil lückenhaft war. Das insoweit nicht weiter problematische Verschulden des Erstellers dieser Fassung der Bedienungsanleitung (des französischen Herstellers der Klimaanlage oder auch des Herstellers der Übersetzung, falls die Lücken durch einen Fehler der Übersetzung hervorgerufen sein sollten, wie die Beklagte auch vorgetragen hat) muss die Beklagte sich gemäß § 278 BGB zurechnen lassen.

Entgegen den Ausführungen in der Berufungsbegründung ist der Hersteller der Gebrauchsanleitung sehr wohl Erfüllungsgehilfe der Beklagten, wie bereits das Landgericht zutreffend ausgeführt hat. Es ist zwar richtig, dass bei einem Kaufvertrag der Hersteller im Verhältnis des Verkäufers zum Käufer in der Regeln nicht Erfüllungsgehilfe des Verkäufers ist, weil sich die Pflicht des Verkäufers auf die Übergabe und Übereignung der Kaufsache, nicht aber auf die Herstellung der Sache erstreckt, wie die Berufungsbegründung unter Hinweis auf Palandt/Heinrichs, BGB, 61. Aufl. 2002, § 278 Rdnr. 13 ausführt. Bei Palandt a.a.O. ist aber weiter unter Hinweis auf BGHZ 47, 316 ausgeführt: Benutzt der Verkäufer zur Erfüllung der ihm obliegenden Unterweisungspflicht eine Bedienungsanleitung des Herstellerwerks, so ist dieses Erfüllungsgehilfe. Das ist genau die Konstellation des vorliegenden Falles: Die Beklagte war nach den vorstehenden Ausführungen aufgrund des Kaufvertrags verpflichtet, den Kläger auf die Besonderheiten bei dem Zusammenspiel zwischen der Messung des Kohlendioxidgehalts und der Heizautomatik sowie bei den Einstellungen des Alarms hinzuweisen. Wenn sie sich zur Erfüllung dieser Verpflichtung eines Handbuchs des Herstellers/Importeurs bedient, so ist letzterer Erfüllungsgehilfe der Beklagten.

3. Durch diese fehlerhafte Reparatur ist dem Kläger ein Schaden entstanden, über dessen Höhe hier noch nicht zu entscheiden ist. Dass überhaupt ein Schaden entstanden ist, was Voraussetzung für die Entstehung eines Schadensersatzanspruchs und damit für den Erlass eines Grundurteils ist, scheint die Beklagte bestreiten zu wollen. Dieses einfache Bestreiten ist indes nicht ausreichend, weil zum einen die Beklagte selbst nachvollziehbar die Hintergründe dafür dargelegt hat, wie es zu einem erheblichen Absinken der Temperaturen kommen konnte. Zum anderen hat der Kläger eine Bescheinigung der Landwirtschaftskammer Rheinland vom 18.1.2001 über einen Besuch des Dipl.-Ing. W..... an diesem Tag, also unmittelbar nach dem fraglichen Vorfall, vorgelegt, in der erhebliche Frostschäden an den im Gewächshaus befindlichen Pflanzen bestätigt werden. Hierzu trägt die Beklagte nichts vor.

Auch die Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schaden ist gegeben. Für den Kläger spricht der Anscheinsbeweis, nämlich eine Vermutung, dass der Kläger bei einem pflichtgemäß deutlich gestalteten Hinweis jedenfalls für eine Einstellung gesorgt hätte, die den Frostalarm nicht außer Betrieb setzte. Dabei handelt es sich nämlich um die einzig vernünftige Handlungsalternative. Andernfalls wäre die Installation des Alarms über eine Telefonleitung zum Wohnhaus des Klägers vollkommen überflüssig gewesen, weil mangels Aktivierung ein Alarm ohnehin niemals ausgelöst werden kann. Wäre der Alarm in der Nacht vom 16. auf den 17.1.2001 aktiviert gewesen, so hätte er den Kläger gewarnt und dieser hätte manuell die Heizung anstellen können. Tatsachen, die diese Vermutung erschüttern könnten, sind von der Beklagten weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

4. Ein Mitverschulden, § 254 BGB, kann nicht angenommen werden. Das Landgericht hat dazu bereits das Erforderliche ausgeführt. Der Kläger konnte sich auf eine ordnungsgemäße Funktion der Klimaanlage verlassen und musste nicht - wie die Beklagte meint - in kalten Nächten regelmäßig selbst die Temperaturen im Gewächshaus kontrollieren.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Für die Zulassung der Revision besteht kein Anlass.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 39.880,77 € (= 78.000,-- DM).

Ende der Entscheidung

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