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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 04.10.2002
Aktenzeichen: 23 U 92/02
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 114
ZPO § 233
ZPO § 517
ZPO § 522 Abs. 1 Satz 2 n. F.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

23 U 92/02

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 23. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht D............, den Richter am Oberlandesgericht Dr. ........... und den Richter am Landgericht K..... am 4. Oktober 2002

beschlossen:

Tenor:

1. Der Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Berufungsfrist wird zurückgewiesen.

2. Die Berufung des Klägers gegen das am 19. März 2002 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Kleve wird verworfen.

3. Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren wird zurückgewiesen.

4. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Gründe:

I.

Mit Urteil vom 19. März 2002 hat das Landgericht Kleve die im wesentlichen auf Zahlung von Werklohn gerichtete Klage des Klägers in vollem Umfang abgewiesen. Das Urteil ist den erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des Klägers am 21. März 2002 zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 21. Mai 2002, eingegangen beim Oberlandesgericht Düsseldorf an demselben Tag, haben die jetzigen Prozessbevollmächtigten des Klägers Berufung eingelegt und diese begründet. Gleichzeitig haben sie die Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sowie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt.

Zur Begründung trägt der Kläger vor, sein erstinstanzlicher Prozessbevollmächtigter habe ihm mit E-Mail vom 25. März 2002 sowie zusätzlich auf dem Postweg mit Schreiben von demselben Tag die Erfolgsaussichten der Berufung erläutert und ihm - zutreffend - den 22. April 2002 als den Tag genannt, an dem die Berufungsfrist abläuft. Daraufhin habe er an seinen Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 4.4.2002 den Auftrag erteilt, Berufung einzulegen. Dieses Schreiben habe er an demselben Tag als Anhang zu einer E-Mail abgesandt, es sei aber bei seinem Prozessbevollmächtigten nicht angekommen. Nachdem er längere Zeit nichts mehr von dem Fortgang der Angelegenheit gehört habe, habe er mit E-Mail vom 13. Mai 2002 bei seinem Prozessbevollmächtigten nach dem Stand der Bearbeitung nachgefragt. Dabei habe sich herausgestellt, dass der Rechtsmittelauftrag nicht eingegangen sei.

Der Kläger beantragt neben der Ankündigung eines Berufungsantrags,

1. ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren,

2. ihm Prozesskostenhilfe für die Berufungsinstanz zu gewähren und ihm Rechtsanwalt Dr. H.............beizuordnen,

Der Beklagte hat im Berufungsverfahren noch nicht Stellung genommen.

II.

1. Die Berufung ist gemäß § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO n. F. zu verwerfen, weil sie nicht in der Monatsfrist des § 517 ZPO eingelegt worden ist. Die Berufungsfrist lief am 22. April 2002 ab, während die Berufungsschrift erst am 21. Mai 2002 beim Oberlandesgericht einging.

2. Dem Kläger ist auch nicht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 233 ZPO zu gewähren. Er hat nicht glaubhaft gemacht, dass er ohne Verschulden verhindert war, die Berufungsfrist einzuhalten, nämlich dass er die Sorgfaltspflichten eingehalten hat, die einen Mandanten bei Erteilung eines Rechtsmittelauftrags per E-Mail treffen.

Dabei geht der Senat mit Blick auf die eidesstattlichen Versicherungen des erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des Klägers und seiner Angestellten einerseits sowie der Frau K........... und des Klägers andererseits davon aus, dass der Kläger zwar einen Sendeversuch unternommen hat, die E-Mail den Rechtsanwalt aber nicht erreicht hat. Der Kläger hat aber nicht in ausreichendem Umfang ausgeräumt, dass von ihm verschuldete Fehler die Ursache waren.

a) Einen unbemerkt gebliebenen Defekt des Computers will der Kläger als Ursache der unterbliebenen Übermittlung offenbar nicht behaupten. Diese Störung ist später aufgetreten und hindert das derzeitige Abrufen damals gespeicherter Daten. Am 13.5.2002, dem Datum der Nachfrage bei dem Prozessbevollmächtigten, funktionierte der Computer aber jedenfalls noch.

b) Der Kläger hat nicht glaubhaft gemacht, dass ihm bei der Adressierung der E-Mail kein Eingabefehler, der ihm als fahrlässig zuzurechnen wäre, unterlaufen ist. Derartige Tippfehler stellen in der Praxis den häufigsten Grund dafür dar, dass eine E-Mail den Empfänger nicht erreicht, weil hier bereits kleinste Abweichungen von der korrekten Adresse eine ordnungsgemäße Übermittlung nicht nur erschweren, sondern ausschließen. Dies stellt einen erheblichen Unterschied bei den Übermittlungsrisiken zwischen einer E-Mail und einem auf dem Postweg versandten Schreiben dar. Bei letzterem verhindert ein kleinerer Schreibfehler in aller Regel die Übermittlung nicht, sondern verzögert sie allenfalls. Deshalb ist die Glaubhaftmachung einer korrekten Adressierung bei Versand einer E-Mail besonders sorgfältig zu prüfen, was regelmäßig anhand des Sendeprotokolls, das die Adresseneingabe enthält, geschehen kann. Das ist im vorliegenden Fall nicht möglich, weil der Kläger unter Hinweis auf einen Defekt des Computers lediglich einen Ausdruck des E-Mail-Anhangs, nicht aber der E-Mail selbst, aus der sich die Adressierung ergeben würde, vorgelegt hat. Auch im übrigen fehlt es an einer ausreichenden Glaubhaftmachung. Zwar enthält die eigene eidesstattliche Versicherung des Klägers vom 17.5.2002 die Angabe der richtigen E-Mail Adresse des Prozessbevollmächtigten, an die er den Rechtsmittelauftrag abgesandt haben will. Diese nachträglichen Angaben schließen jedoch nicht aus, dass dem Kläger mehrere Wochen zuvor bei Absendung der E-Mail ein unbewusster Eingabefehler in einem kleinen Detail unterlaufen ist. Die Zeugin Kuehnelt macht zu der tatsächlichen Adresseneingabe keine Angaben.

c) Selbst wenn man von einer korrekten Adressierung der E-Mail durch den Kläger ausgeht, hat er nicht glaubhaft gemacht, dass ein Verschulden seinerseits an der unterbliebenen Übermittlung nicht vorgelegen hat. Letzteres kann noch andere Ursachen haben. Hierzu zählt nach den Erfahrungen des Senats zum Beispiel der Fall, dass das E-Mail-Postfach des Empfängers bereits belegt ist, weil hierfür häufig nur eine bestimmte Speicherkapazität auf dem Empfängerserver zur Verfügung steht. Aber auch in diesem Fall wird die E-Mail ebenso wie bei Eingabe einer nicht existierenden Adresse automatisch an den Absender, hier also den Kläger, als unzustellbar zurückgeschickt. Weil derartige Übermittlungsfehler in der Praxis durchaus eintreten können, durfte der Kläger nicht wegen der Absendung der E-Mail allein auf den ordnungsgemäßen Zugang beim Adressaten vertrauen. Er hätte vielmehr eine gewisse Kontrolle durchführen müssen, wobei die Anforderungen nicht zu hoch angesetzt werden dürfen. In einem vergleichbaren Fall einer gescheiterten Übermittlung eines Rechtsmittelauftrags per Fax hat der Bundesgerichtshof darauf abgestellt, dass das Sendegerät des Mandanten eine "OK-Meldung" ausgedruckt hatte (BGH NJW 1997, 1311). Entsprechende Sorgfaltspflichten treffen auch den Absender einer E-Mail. Beispielsweise kann er von einer Funktion Gebrauch machen, über die E-Mail-Programme regelmäßig verfügen: Dabei erhält der Absender eine automatische Rückmeldung, wenn die E-Mail bei dem Adressaten angekommen ist. Das entspricht der "OK-Meldung" bei der Absendung eines Faxes. Es würde aber nach Auffassung des Senats auch genügen, die E-Mail-Eingänge eine kurze Zeit, längstens einen Tag, nach Absendung der E-Mail zu beobachten, weil Fehler bei der Übermittlung dazu führen, dass die E-Mail umgehend an den Absender zurückgesandt wird. Erhält der Absender bei korrekter Adressierung eine solche Rücksendung nicht innerhalb kurzer Zeit nach Absendung der E-Mail, so kann er mit einem Zugang beim Empfänger rechnen. Dass eine E-Mail tatsächlich spurlos im Netz verschwindet, mag theoretisch nicht ausgeschlossen sein, ist aber nach den Erfahrungen des Senats jedenfalls äußerst selten, wenn es in der Praxis überhaupt vorkommen sollte. Der Kläger hätte schließlich, nachdem er den Rechtsmittelauftrag ca. 3 Wochen vor Ablauf der Berufungsfrist an den erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten abgesandt haben will, dort auch anrufen können, weil er bis zum Ablauf der Berufungsfrist keinerlei Reaktion erhalten hat. Dazu wäre er allerdings nach Auffassung des Senats zusätzlich zu den zuvor geschilderten Maßnahmen nicht verpflichtet gewesen. Der Kläger hat indes keinerlei derartige Kontrollmaßnahmen glaubhaft gemacht.

3. Die beantragte Prozesskostenhilfe ist nicht zu bewilligen, da die Berufung aus den oben dargelegten Gründen keine Aussicht auf Erfolg hat, § 114 ZPO.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 34.373,66 €.

Ende der Entscheidung

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