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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 18.04.2000
Aktenzeichen: 24 U 123/99
Rechtsgebiete: BGB, VerbrKG, AGBG, HaustürWG, ZPO


Vorschriften:

BGB § 139
BGB § 187 Abs. 1
BGB § 557 Abs. 1
BGB § 581 Abs. 2
BGB § 812 Abs. 1 S. 1
BGB § 812 Abs. 1
BGB § 818 Abs. 2
BGB § 1007 Abs. 3 S. 2
BGB § 993
VerbrKG § 1 Abs. 1
VerbrKG § 7 Abs. 1
VerbrKG § 7 Abs. 2 S. 2
VerbrKG § 2 Nr. 3
VerbrKG § 1 Abs. 2
VerbrKG § 2
VerbrKG § 7 Abs. 4
AGBG § 6 Abs. 1
HaustürWG § 3
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
ZPO § 546 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Verkündet am 18. April 2000

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 24. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 21. März 2000 unter Mitwirkung seiner Richter Z, T und S

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg -Einzelrichter- vom 19. April 1999 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

Das Rechtsmittel des Klägers, mit welchem er den von seiner Zahlungsklage (16.590,00 DM nebst Zinsen) abgewiesenen Teil in Höhe von (16.590,00 DM - 6.733,98 DM) 9.856,02 DM nebst Zinsen weiterverfolgt und klageerweiternd die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung weiteren Pachtzinses in Höhe von 21.266,40 DM nebst Zinsen für die Zeit von September 1998 bis Mai 1999 erstrebt, bleibt ohne Erfolg. Der Kläger hat unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Zahlungsansprüche gegen den Beklagten.

I.

Der von dem Kläger geltend gemachte Pachtzinsanspruch (§§ 581 Abs. 2, 535 S. 2 BGB) besteht nicht. In diesem Zusammenhang bedarf der Streit der Parteien darüber, ob und in welchem Umfange der vereinbarte Pachtzins wegen umstrittener Fehler der Pachtsache gemindert ist und ob die vom Beklagten wegen dieser Mängel ausgesprochene Kündigung zur Beendigung des Vertragsverhältnisses geführt hat, keiner Entscheidung. Zwischen den Parteien ist nämlich zu keinem Zeitpunkt ein wirksames Vertragsverhältnis begründet worden. Der Beklagte hat die ihm im Pachtvertrag (PV) auferlegte Getränkebezugsverpflichtung (Nr. 6 PV) wirksam widerrufen; mit deren Unwirksamkeit ist der gesamte Pachtvertrag unwirksam, § 139 BGB.

1.

Die genannte Getränkebezugsverpflichtung unterliegt als Kreditgeschäft besonderer Art (§§ 1 Abs. 1 und 2, 2 Nr. 3 VerbrKG) den Bestimmungen des Verbraucherkreditgesetzes. Der Kläger als Getränkegroßhändler ist Kreditgeber im Sinne des § 1 Abs. 1 VerbrKG, der Beklagte ist zwar nicht Verbraucher im Sinne der genannten Bestimmung. Er ist dem Verbraucher aber als so genannter Existenzgründer rechtlich gleich gestellt.

2.

Die Bezugsverpflichtung ist nicht wirksam geworden. Die diesbezügliche Vertragserklärung des Beklagten unterliegt gemäß § 7 Abs. 1 VerbrKG dem Widerrufsrecht. Dieses Recht hat der Beklagte ausgeübt, womit die bis dahin schwebend unwirksame Bezugsverpflichtung endgültig unwirksam geworden ist.

a)

Der wirksame Widerruf der Bezugsverpflichtung scheitert nicht daran, dass der Begriff "Widerruf" in der Kündigungserklärung des Beklagten vom 29. Juni 1998 (GA 36) nicht gebraucht wird. Maßgeblich ist nicht die Begrifflichkeit, sondern der aus der Erklärung erkennbare Wille (§§ 133, 157 BGB), die vertragliche Bindung nicht (mehr) anerkennen zu wollen (vgl. dazu BGH NJW 1993, 128 und 1996, 1964 zu der vergleichbaren Regelung des § 1b AbzG). Es unterliegt keinem vernünftigen Zweifel, dass der Beklagte mit der Kündigung des gesamten Pachtvertrags auch die Bindung an die (widerrufliche) Bezugsverpflichtung nicht (mehr) anerkennen wollte.

b)

Der Widerruf ist auch rechtzeitig, nämlich innerhalb der offenen Widerrufsfrist erfolgt. Im Streitfall beträgt die Widerrufsfrist abweichend von § 7 Abs. 1 VerbrKG nämlich nicht nur eine Woche, sondern gemäß § 7 Abs. 2 S. 2 VerbrKG ein Jahr. Die Wochenfrist ist nur dann maßgeblich, wenn der Verbraucher/Existenzgründer über sein Recht zum Widerruf in der Weise belehrt worden ist, wie das in § 7 Abs. 2 S. 2 VerbrKG vorgeschrieben ist. Daran fehlt es hier. Die Widerrufsbelehrung vom 17. Februar 1998 (GA 11) ist in zweifacher Hinsicht fehlerhaft:

aa)

Der angegebene Beginn der Widerrufsfrist "ab Aushändigung der Vertragsurkunde" ist falsch. Ist für den Anfang einer Frist ein Ereignis maßgebend (hier: Abgabe der auf die Bezugsverpflichtung gerichteten Willenserklärung des Beklagten), wird gemäß § 187 Abs. 1 BGB bei der Berechnung der Frist der Tag nicht mitgerechnet, in welchen das Ereignis fällt. Das bedeutet für die Berechnung der einwöchigen Widerrufsfrist des § 7 Abs. 1 VerbrKG, dass der 17. Februar 1998 bei der Fristberechnung unberücksichtigt bleiben muss (vgl. BGH WM 1993, 589, ZIP 1994, 884 und WM 1995, 1231). Die unrichtige Widerrufsbelehrung war generell dazu geeignet, den Beklagten am letzten Tag der Widerrufsfrist von der Ausübung seines Rechts abzuhalten, worauf es für die gesetzlichen Folgen einer unrichtigen Widerrufsbelehrung (Fristverlängerung auf ein Jahr) allein ankommt.

bb)

Falsch ist die vertragliche Widerrufsbelehrung auch insoweit, als in ihr als widerruflich nicht nur die von § 2 Nr. 3 VerbrKG allein erfasste Bezugsverpflichtung, sondern der gesamte Pachtvertrag bezeichnet wird. Der Pachtvertrag selbst ist nach dem Verbraucherkreditgesetz gar nicht widerruflich, weil er kein Kreditgeschäft im Sinne des § 1 Abs. 2, § 2 VerbrKG darstellt (BGH ZIP 1990, 203). Die Widerrufsbelehrung soll den Verbraucher über seine gesetzlichen Rechte aufklären. Will der Kreditgeber die (widerrufliche) Bezugsverpflichtung mit (nicht widerruflichen) sonstigen Vertragspflichten in der Weise von einander abhängig machen, dass die wegen des Widerrufs unwirksam gewordene Bezugsverpflichtung auch das andere Geschäft gemäß § 139 BGB unwirksam machen soll (vgl. dazu noch nachfolgend unter Nr. 3b), dann gehört eine solche (vertragliche) Erklärung nicht in die Widerrufsbelehrung. Solche Verknüpfungen in der Widerrufsbelehrung sind gesetzwidrig, weil sie geeignet sind, den Verbraucher/Existenzgründer von der Ausübung seiner Rechte abzuhalten.

3.

Die Unwirksamkeit der Bezugsverpflichtung führt im Streitfall zur Unwirksamkeit des gesamten Pachtvertrags.

a)

Das folgt aus § 139 BGB. Nach dieser Bestimmung ist das ganze Rechtsgeschäft unwirksam, wenn ein Teil davon unwirksam ist, es sei denn, es kann angenommen werden, dass der an sich wirksame Teil auch ohne den unwirksamen Teil abgeschlossen worden wäre. Davon kann im Streitfall nicht ausgegangen werden.

Der Senat hat bereits mehrfach entschieden (Urteil vom 29. Oktober 1996 -29 U 189/95- und Urteil vom 23. März 1999 -29 U 26/96-, beide nicht veröffentlicht), dass eine Getränkebezugsverpflichtung und ein Pachtvertrag über eine Gaststätte eine wirtschaftliche Einheit im Sinne des § 139 BGB darstellen. Ist, wie im Streitfall, der Verpächter der Gaststätte ein Getränkelieferant, stellt der Pachtvertrag ein sekundäres Rechtsgeschäft dar. Ganz im Vordergrund des Interesses des Getränkelieferanten steht der Getränkeabsatz. Um dessen langfristige Sicherung geht es, wie der Senat aus jahrelanger Erfahrung im Allgemeinen, im Falle des Klägers auch im Besonderen, weiß. Der Kläger versorgt sich auf dem Markt mit Gaststätten durch Anmietung/Anpachtung bei den Eigentümern der Grundstücke, nicht um sie selbst zu betreiben, sondern um sie an Dritte unterzuvermieten oder -zuverpachten und die Betreiber mit einer Getränkebezugsverpflichtung an sich zu binden. Darin liegt das primäre Geschäft des Klägers. Anhaltspunkte dafür, dass das Interesse des Klägers im Streitfall anders gelagert gewesen ist, sind nicht vorgetragen oder sonst ersichtlich (vgl. dazu BGH WM 1995, 284, 288 -Franchisevertrag- und Wolf/Eckert, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 7. Aufl. Rn. 1738 m.w.N.).

b)

Die Rechtswirkungen des § 139 BGB werden nicht durch die in Nr. 15 PV vereinbarte salvatorische Klausel ausgeschlossen. Diese vorformulierte Klausel versagt im Streitfall. Sie gibt nur wieder, was kraft Gesetzes für vorformulierte Vertragsregelungen ohnehin gilt. Gemäß § 6 Abs. 1 AGBG tritt an die Stelle einer ganz oder teilweise unwirksamen Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen dispositives Recht. Auf Vertragsbestimmungen, die den Leistungsumfang (hier: Bezugsverpflichtung) festlegen, kann sie nicht angewandt werden, wenn der nichtige Teil eines Vertrages dem übrigen Teil des Rechtsgeschäfts den Boden entzieht (vgl. dazu Palandt/Heinrichs, BGB, 59. Aufl., § 139 Rn. 17 m.w.N.; vgl. dazu auch BGH WM 1995, 284, 288). Das ist hier der Fall. Die nichtige Bezugsverpflichtung kann nicht ersetzt werden. Im übrigen hat der Kläger durch die Formulierung der Widerrufsbelehrung zum Ausdruck gebracht, dass mit dem (wirksamen) Widerruf der Bezugsverpflichtung der gesamte Pachtvertrag dem gleichen Schicksal anheim fällt.

c)

Anhaltspunkte dafür, dass die Berufung des Beklagten auf die Rechtswirkungen des § 139 BGB in Bezug auf den Pachtvertrag gegen die Grundsätze von Treu und Glauben im Rechtsverkehr (§ 242 BGB) verstoßen könnte, sind nicht ersichtlich. Voraussetzung dafür wäre, dass der Kläger Erfüllungsbereitschaft erklärt hätte auch ohne die Bindung des Beklagten an die Bezugsverpflichtung (vgl. dazu Senat, Urteil vom 23. März 1999 -24 U 26/98- unter I.1.c)ee)). Dazu hat sich der Kläger nicht erklärt.

II.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf eine Nutzungsentschädigung gemäß §§ 557 Abs. 1, 581 Abs. 2 BGB. Voraussetzung dafür ist die Wirksamkeit des Pachtvertrags, die aus den aufgezeigten Gründen aber fehlt.

III.

Der Kläger hat auch keine feststellbaren Ansprüche aus dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 BGB. Richtig ist, dass der infolge der Rechtswirkung des § 139 BGB nichtige Pachtvertrag gemäß § 812 Abs. 1 BGB rückabzuwickeln ist und nicht gemäß § 7 Abs. 4 VerbrKG, § 3 HaustürWG (BGH WM 1995, 284, 288; Wolf/Eckert aaO m.w.N.). Diese Rechtsfolge beruht darauf, dass der Pachtvertrag nicht widerrufen worden ist, sondern nur die Bezugsverpflichtung, aus der hier keine Ansprüche geltend gemacht werden. Durch die insoweit falsche Widerrufsbelehrung kann sich der Kläger keine Rechte gemäß § 7 Abs. 4 VerbrKG, § 3 HaustürWG verschaffen.

1.

Bereicherungsansprüche kommen von vornherein nur in Betracht, so lange der Beklagte die Gaststätte betrieben hatte. Nach der Schließung des Betriebs im Anschluss an die Kündigung hatte der Beklagte keine Gebrauchsvorteile im Sinne des § 818 Abs. 2 BGB mehr. Das gilt selbst dann, wenn der Beklagte Teile seines Inventars erst Ende Juni 1999 aus der Gaststätte "entfernt" hatte durch Übereignung an den Nachfolgebetreiber, wie der Kläger behauptet. Beziehen kann sich dieser Vortrag des Klägers ohnehin nur auf das so genannte Kleininventar, das der Beklagte gemäß Nr. 9 Abs. 1 S. 4 PV selbst einzubringen hatte. Das so genannte Großinventar hatte der Beklagte gemäß Nr. 9 Abs. 1 S. 1 PV vom Kläger nur zur Nutzung überlassen erhalten. Doch selbst dann, wenn der Beklagte eigenes Großinventar eingebracht oder gegen vorhandenes ersetzt hatte, das mangels Wirksamkeit der Surrogationsklausel der Nr. 9 Abs. 1 S. 3 PV (Folge des § 139 BGB) in seinem Eigentum verbleiben ist, fehlt es an Vortrag des Klägers zu Art und Umfang des zurückgelassenen Inventars, so dass der Senat nicht imstande ist, den Nutzungsvorteil in Gestalt etwa ersparter Lagerkosten auch nur annähernd zu bestimmen.

2.

Ob der Beklagte bis zur Schließung der Gaststätte Ende Juni 1998 noch auszugleichende Nutzungsvorteile erhalten hatte, lässt sich auf der Grundlage des unzureichenden Vortrags des Klägers zum Verkehrswert der Gebrauchsvorteile nicht feststellen. Der Beklagte hat zahlreiche Mängel der Gaststätte behauptet, die teilweise unstreitig sind und die der Kläger zum Teil erst im Laufe des Gebrauchs der Gaststätte durch den Beklagten beseitigt hatte. Ferner steht nicht fest, dass der objektive Gebrauchswert der Gaststätte dem vereinbarten Pachtzins entsprochen hatte. Der Beklagte hat das bestritten, indem er ab Mai 1998 an den Kläger keine Vergütung mehr gezahlt hatte. Der Kläger verkennt, dass er im Rahmen des § 812 Abs. 1 BGB die Darlegungs- und Beweislast für den Umfang der vom Beklagten rechtsgrundlos erlangten Gebrauchsvorteile hat. Hinzukommt, dass der Beklagte für die Monate Mai und Juni 1998 (für die Zeit davor hatte er die im Vertrag vereinbarte Vergütung gezahlt) durch das nur vom Kläger angefochtene Urteil zur Zahlung eines monatlichen Entgelts von 2.818,80 DM (10 % unter dem vereinbarten Bruttopachtzins einschließlich Betriebskostenvorauszahlung) rechtskräftig verurteilt worden ist. Dass der Verkehrswert der fehlerbehafteten Gaststätte darüber hinausgeht, ist weder vorgetragen, geschweige denn unter Beweis gestellt.

IV.

Ansprüche nach den Regeln des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses (§§ 987 ff BGB) kommen nicht in Betracht, weil mangels Vortrags des Klägers nicht feststeht, dass das Gaststättengrundstück in seinem Eigentum steht. Die Vorschriften führen im übrigen in Verbindung mit § 1007 Abs. 3 S. 2 BGB nur zu einer Haftung wegen der Ziehung von "Übermaßfrüchten", weil der Beklagte gemäß § 993 BGB nur eingeschränkt haftet. Eine derartige Fruchtziehung ist von dem Kläger aber ebenfalls nicht vorgetragen.

V.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO; die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Die Beschwer des Klägers erreicht nicht den für eine Wertrevision erforderlichen Betrag von mehr als 60.000,00 DM; der Senat sieht auch keine Veranlassung, die Revision zuzulassen, § 546 Abs. 1 ZPO.

Berufungsstreitwert: (9.856,02 DM + 21.266,90 DM) 31.122,92 DM.

Ende der Entscheidung

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