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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 28.05.2002
Aktenzeichen: 24 U 133/01
Rechtsgebiete: BGB, AGBG, ZPO


Vorschriften:

BGB § 242
BGB § 546 a Abs. 1 n.F.
BGB § 557 Abs. 1 a.F.
AGBG § 9
AGBG § 6
ZPO § 91
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
ZPO § 543 Abs. 2 n.F.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF Urteil

24 U 133/01

Verkündet am 28. Mai 2002

In dem Rechtsstreit

hat der 24. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die am 30. April 2002 geschlossene mündliche Verhandlung unter Mitwirkung seiner Richter Z, E und T

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 28. Mai 2001 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg -Einzelrichterin- abgeändert:

Die Klage abgewiesen.

Die Kosten beider Rechtszüge werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

Das Rechtsmittel der Beklagten, mit welchem sie ihre Verurteilung zur Zahlung von Nutzungsentschädigung nach beendetem Mietverhältnis bekämpft (22.443,56 DM nebst Zinsen), hat Erfolg. Die beklagte Mieterin schuldet der klagenden Vermieterin nichts mehr.

I.

1. Zu Unrecht ist das Landgericht der Auffassung, die Beklagte schulde der Klägerin für die Monate September und Oktober 1999 die vereinbarte Miete gemäß § 557 Abs. 1 BGB a.F. (§ 546a Abs. 1 BGB n.F.) als Nutzungsentschädigung, weil sie die Mietsache der Klägerin vorenthalten habe. Ein Vorenthalten der Mietsache kann nicht festgestellt werden.

a) Ein Vorenthalten im Sinne des § 557 Abs. 1 BGB a.F. (§ 546a Abs.1 BGB n.F.) liegt nach ganz herrschender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur nur dann vor, wenn der Mieter die Mietsache nach beendetem Mietverhältnis nicht zurückgibt und dass das gegen den Willen des Vermieters geschieht (BGH NJW 1960, 909; WM 1973, 323; NJW 1983,112 = MDR 1983, 396; MDR 1984, 662; MDR 1996, 896; Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 8. Aufl. Rn. 113; Bub/Treier/Scheuer, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl. Anm. V 57; MünchKomm/Voelskow, BGB, 3. Aufl., § 557 Rn. 4).

b) Von diesem rechtlichen Verständnis geht auch das Landgericht im Ansatz zutreffend aus. Es meint jedoch, die Mietsache sei weder zurückgegeben worden noch habe sich die Klägerin mit der Rücknahme der Mietsache im Annahmeverzug befunden, so dass ein Vorenthalten im Sinne des Gesetzes gegeben sei. Dem kann nicht in allen Punkten gefolgt werden.

aa) Richtig ist allerdings, dass es trotz der Beendigung des Mietverhältnisses mit Ablauf des 31. August 1999 nicht zu einer Rückgabe der Mietsache vor dem 07. Oktober 1999 (Übersendung der Schlüssel durch die Post) gekommen und die Beklagte bis dahin in ihrem Besitz geblieben ist.

bb) Das allein löst indes noch nicht den gesetzlichen Anspruch auf eine Nutzungsentschädigung aus. Hinzukommen muss vielmehr, dass der Mieter den rechtsgrundlosen Besitz gegen den Willen des Vermieters aufrechterhält. Das kann für den Streitfall nicht festgestellt werden.

(1) Die Beklagte hat nämlich bewiesen, dass die Klägerin nicht bereit gewesen ist, die Mietsache zurückzunehmen, weil sich die Räume in vertragswidrigem Zustande befunden haben sollen. Denn der zu diesem Beweisthema im ersten Rechtszug vernommene Zeuge P. hat nämlich bekundet, der Zeuge Sch. als Vertreter der Klägerin habe anlässlich eines fernmündlichen Gesprächs erklärt, die Klägerin sei an der Übergabe der Schlüssel so lange nicht interessiert, als der von der Beklagten eingebrachte Fußbodenoberbelag (Parkettboden) nicht entfernt und die eingezogene, von der Beklagten hergestellte Deckenverkleidung nicht beseitigt worden sei. Dass die Klägerin ein solches Verlangen gestellt hat, ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit aus den Schreiben vom 19. und 31. August 1999. Der zum gleichen Beweisthema vernommene Zeuge Sch. hat bekundet, sich an ein solches fernmündliches Gespräch zwar nicht erinnern zu können. Er hält es aber für unwahrscheinlich, weil er in diesem Fall einen "Hausjuristen" zugezogen hätte. Mit dieser Erwägung wird die Bekundung des Zeugen P nicht unglaubhaft. Für deren Richtigkeit spricht nämlich, dass der Zeuge Sch., wäre er vom Ausbleiben eines Vertreters der Beklagten am 31. August 1999 (dem ursprünglich vorgesehenen Rückgabetermin) überrascht worden, das in seinem Schreiben vom gleichen Tage zum Ausdruck gebracht hätte. Statt dessen hat er (nach Besichtigung der Mieträume) nur das im Schreiben vom 19. August 1999 erhobene Beseitigungsverlangen bezüglich der Decke um den Fußbodenoberbelag erweitert. Von einer verweigerten Rückgabe ist in dem Schreiben gerade nicht die Rede. Das wäre aber zu erwarten gewesen, wenn die Klägerin an einer alsbaldigen Rückgabe interessiert gewesen wäre.

(2) Die Klägerin war nicht berechtigt, die Rücknahme der Räume zu verweigern, auch wenn sie sich in vertragswidrigem Zustand befunden haben sollten (vgl. dazu noch unten unter Nr. 3). Die Rückgabeverpflichtung erfüllt der Mieter schon, aber auch nur dann, wenn er die Mietsache räumt und die Verfügungsgewalt über sie vollständig aufgibt. Bei Räumen geschieht das in der Regel durch die Schlüsselübergabe (BGH NJW 1988, 2665 und 1994, 3232). Werden in den Räumen Sachen zurückgelassen (ausgenommen in geringem Umfange), liegt schon keine (vollständige) Räumung vor. Ein Vermieter kann dann die Rücknahme verweigern, ohne in Annahmeverzug zu geraten (BGH aa0). Hat indessen die Räumung stattgefunden, befindet sich die Mietsache aber nicht in vertragsgerechtem Zustand, gerät der Vermieter in Annahmeverzug, wenn er die Rücknahme verweigert (BGH WM 1974, 260; OLG Hamburg MDR 1990, 247; (Bub/Treier/ Scheuer, aaO Anm. V Rn. 71; Wolf/Eckert/Ball, aaO Rn. 1114, 4. Spiegelstrich; MünchKomm/Voelskow, aaO 5, 4. Spiegelstrich; insoweit auch OLG Düsseldorf -10. ZS- MDR 1997, 342 und 1999, 538).

Der Annahmeverzug des Gläubigers hat aber nicht nur eine Verschiebung des Haftungsrisikos zu seinen Lasten zur Folge (§ 300 Abs. 1 BGB)., sondern auch, dass der rückgabewillige Mieter die Mietsache dem Vermieter nicht (mehr) vorenthält (BGH aa0; OLG Hamburg aa0 und die vorstehend angegebenen Autoren). Auch der Senat vertritt diese Auffassung in ständiger Rechtsprechung. Ein Vorenthalten liegt deshalb nicht mehr vor, weil der Besitz beim rückgabewilligen Mieter, der geräumt hat, mit dem Willen des Vermieters verbleibt. Insofern unterscheidet sich dieser Fall nicht von dem rechtsähnlich gelagerten, in dem der Mieter nach wirksamer Kündigung die Räume zur Rückgabe anbietet, der Vermieter die Rücknahme indes verweigert, weil er die Kündigung nicht anerkennt und das beendete Mietverhältnis fortsetzen will (vgl. dazu BGH NJW 1960, 909 und WM 1973, 383; Wolf/Eckert/Ball, aaO, 1. Spiegelstrich; MünchKomm/Voelskow, aaO, 1. Spiegelstrich; Bub/Treier/Scheuer, aaO Rn. 70 jew. m.w.N.).

Der 10. Zivilsenat des OLG Düsseldorf (aa0) ist allerdings der Ansicht, der rückgabewillige Mieter enthalte die geräumte Mietsache dem Vermieter so lange vor und schulde deshalb so lange die Nutzungsentschädigung, wie er sich nicht des Besitzes im Wege des § 303 BGB durch schlichte Besitzaufgabe entledige. Der Senat vermag sich dieser Auffassung nicht anzuschließen. Sie widerspricht dem Anliegen des Gesetzes, den Vermieter nur gegen den vertragsuntreuen Mieter zu schützen. Ein Vermieter, der die ihm angebotene geräumte Mietsache nicht in Besitz nehmen will, ist nicht schutzbedürftig. Das hat der 10. Zivilsenat des OLG Düsseldorf in einem anderen, aber rechtsähnlichen Fall (MDR 1990, 1115) ebenso entschieden. Danach ist der (wie ein Mieter zu behandelnde) Leasingnehmer nach Vertragsablauf nicht zur Zahlung einer Nutzungsentschädigung verpflichtet, wenn er die Leasingsache nur deshalb nicht zurückgibt, weil der Leasinggeber es (verabredungswidrig) versäumt hat, den Rückgabeort zu benennen. Auch in diesem Fall ist der Gläubiger nicht schutzwürdig, ohne dass vom Schuldner erwartet wird, sich der Leasingsache zu entledigen.

Dem steht das Senatsurteil vom 8. Januar 2992 (24 U 115/01 zur Veröffentlich bestimmt) nicht entgegen, weil ihm ein anderer Sachverhalt zu Grunde lag.

2. Die Klägerin kann ihr Zahlungsbegehren auch nicht auf vertragliche Vereinbarungen stützen. Allerdings haben die Parteien in Nr. 23 Abs. 2 S. 3 Mietvertrag (MV) über § 557 Abs. 1 BGB a.F. (§ 546a Abs. 1 BGB n.F.) hinausgehend vereinbart, dass die Beklagte nach Beendigung des Mietvertrags auch nach Rückgabe der Mietsache so lange die Miete fortzuentrichten habe, als der "vertragsgemäße Rückgabezustand" der Mietsache im Sinne der Nr. 23 Abs. 1 MV ("vollständig geräumt, renoviert und ohne Schäden, wobei der natürliche Verschleiß ausgenommen bleibt") auf Veranlassung des Vermieters (Ersatzvornahme) nicht hergestellt ist.

a) Diese vorformulierte Klausel hält schon einer Angemessenheitsüberprüfung gemäß § 9 AGBG nicht stand. Das beruht darauf, dass der Mieter für den vertragswidrigen Zustand bei Rückgabe auch dann verantwortlich gemacht wird, wenn er oder seine Erfüllungsgehilfen ihn nicht verursacht haben. So etwa, wenn Schäden zufällig oder durch Einwirkung Dritter (z. B. Brandstiftung) von außen herbeigeführt worden sind, zumal sich die Beseitigungspflicht nach der gewählten Formulierung nicht auf Schäden an der Dekoration beschränken, sondern die gesamte Bausubstanz (Dach und Fach) erfassen. Das damit verbundene Risiko ist unkalkulierbar und deshalb unangemessen. Das führt insgesamt zu ihrer Unwirksamkeit und hat zur Folge (§ 6 AGBG), dass an Stelle der unwirksamen Klausel die gesetzliche Regelung tritt. Diese stellt der Klägerin, wie bereits ausgeführt, einen Ersatzanspruch nicht zur Verfügung.

bb) Im Streitfall kommt hinzu, dass die Klägerin sich aus dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben im Rechtsverkehr (§ 242 BGB) auf diese Klausel nicht berufen kann. Die Parteien haben nämlich eine von Nr. 23 Abs. 1 MV abweichende Rückabwicklung vereinbart. Die Klägerin hat im Schreiben ihres Vertreters vom 14. Oktober 1999 eingeräumt, dass sie in Anschlussmietverhandlungen mit einem Mietnachfolger gestanden habe, der Interesse bekundet habe, den Fußbodenoberbelag und die eingebaute Decke zu übernehmen und dass das auch der Beklagten mitgeteilt worden sei. Unter diesen Umständen hatten weder die Beklagte noch die Klägerin Veranlassung, den Rückbau durchzuführen. Es ging und geht der Klägerin auch gar nicht darum, diese Arbeiten durchzuführen, sondern darum, die Kosten erstattet zu bekommen, unabhängig davon, ob der Rückbau notwendig werde oder nicht. Bis zur Weitervermietung im Dezember 1999 kann nämlich nicht zu Lasten der Beklagten festgestellt werden, dass die Klägerin Arbeiten durchgeführt hatte, die mit denen übereinstimmen, um welche es der Klägerin gegangen ist. Die Nachmieterin hat offenkundig die von der Beklagten eingebrachte Decke übernommen. Die Klägerin hat ausweislich der überreichten Rechnung vom 24. November 1999 nicht die Deckenverkleidung ersetzt, sondern einzelne Elemente der Deckenverkleidung erneuert. Ausweislich der Rechnung vom 08. November 1999 ist nicht der auf 90 m² verlegte Parkettboden beseitigt und durch einen neuen Oberbelag ausgetauscht worden, sondern es ist auf einer Fläche von 6 m² PVC-Boden beseitigt und es sind sonstige Nebenleistungen erbracht worden. Daraus schließt der Senat, dass der Nachmieter auch den Parkettboden (vgl. dazu die Rechnung über den von der Beklagten veranlassten Einbau vom 30. August 1994 und das dazu gehörige Angebot vom 28. Juni 1994) übernommen hat..

Es ist mit dem Grundsatz von Treu und Glauben im Rechtsverkehr (§ 242 BGB) nicht vereinbar, wenn sich der Vermieter widersprüchlich verhält. Das hat die Klägerin hier getan. Einerseits hat sie nämlich (schriftlich) die Beklagte weiter auf Mietzins in Anspruch genommen und die Beseitigung von Einbauten verlangt, welche sie andererseits (nach mündlicher Mitteilung an die Beklagte) ihrem Nachmieter zur Nutzung anbot. Für den Mieter entsteht dadurch eine unklare Rechtslage. Ihm kann nicht vorgeworfen werden, dass er der mündlichen Mitteilung vertraut und von der Beseitigung (einstweilen) absieht. Sinn auch der Regelung der Nr. 23 Abs. 2 MV kann doch nur sein, den vertragswidrig handelnden Mieter zu sanktionieren, nicht denjenigen, der den Vermieter in seinen Bestrebungen zur Nachvermietung unterstützt.

3. Die Klägerin kann ihren Zahlungsanspruch schließlich auch nicht auf Schadensersatz stützen. Da die Klägerin eine unklare Rechtslage geschaffen hatte, ist die Beklagte mit der Beseitigung der Einbauten schon nicht wirksam in Verzug geraten.

Vor allem aber hat Klägerin aber einen Schadenseintritt nicht dargelegt. Davon könnte nur dann ausgegangen werden, wenn festgestellt werden könnte, dass eine Nachvermietung vor dem 01. Dezember 1999 an der Untätigkeit der Beklagten gescheitert ist. Das behauptet die Klägerin nicht einmal. Sie trägt nur vor, der letztlich gewonnene Nachmieter sei nicht identisch mit den Mietern, mit denen vorher verhandelt worden sei. Die Klägerin nennt aber nicht die Mieter, die vom Vertragsabschluss Abstand genommen haben. Sie behauptet auch nicht, dass einer von ihnen wegen der eingebrachten Deckenverkleidung und wegen des Fußbodenoberbelags vom Vertragsschluss abgesehen habe.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Der Senat sieht keinen Anlass, die Revision zuzulassen, § 543 Abs. 2 ZPO n.F..

Berufungsstreitwert (zugleich Beschwer für die Klägerin): 11.475,21 EUR (22.443,56 DM)

Ende der Entscheidung

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