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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 14.05.2002
Aktenzeichen: 24 U 139/01
Rechtsgebiete: MV, BGB, ZPO


Vorschriften:

MV § 2 Nr. 1 Abs. 2
MV § 2 Nr. 1 Abs. 2 S. 2
MV § 2 Nr. 1 Abs. 3
BGB § 133
BGB § 157
BGB § 542 n.F.
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 543 Abs. 2 n.F.
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

24 U 139/01

Verkündet am 14. Mai 2002

In dem Rechtsstreit

hat der 24. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die am 30. April 2002 geschlossene mündliche Verhandlung unter Mitwirkung seiner Richter Z, E und T

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 31. Mai 2001 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung von 35.000,00 EUR abzuwenden, es sei denn der Beklagte leistet vorher Sicherheit in gleicher Höhe.

Tatbestand:

Durch Vertrag vom 01. März 1986 vermietete die Klägerin an den Beklagten noch in der Errichtung befindliche Gewerberäume zum Betrieb einer Apotheke mit einer Laufzeit von 15 Jahren ab Bezugfertigkeit. In § 2 Nr. 1 Abs. 2 S. 2 Mietvertrag (MV) heißt es zum Mietverhältnis:

"Es verlängert sich jeweils um 5 Jahre (Option), wenn eine der Parteien nicht spätestens ein Jahr vor Ablauf der Mietzeit der Verlängerung widerspricht."

Der Beklagte übernahm die Räume am 15. Oktober 1986. Spätestens im Jahre 1993 verlegte er den Apothekenbetrieb nur wenige Grundstücke entfernt in ein dort errichtetes Ärztehaus. Verhandlungen der Parteien über eine andere Nutzung der hier in Rede stehenden Mietsache scheiterten. Mit Schreiben vom 22. Februar 2000 teilte der Beklagte der Klägerin folgendes mit:

"Betr.: Mietvertrag Ladenlokal ...

Sehr geehrte Frau [Klägerin],

hiermit kündige ich das Mietverhältnis...fristgerecht zum 28.02.2001.

Um kurzfristige Bestätigung wird gebeten."

Mit Schreiben vom 13. Oktober 2000 erklärte die Klägerin "die Ausübung des mietvertraglich vereinbarten Optionsrechtes zur Verlängerung des Mietvertrags um weitere 5 Jahre."

Die Klägerin ist der Ansicht, die Erklärung des Beklagten vom 22. Februar 2000 habe das Mietverhältnis mangels unzutreffender Fristberechnung nicht zum 28. Februar 2001 beenden können. Dementsprechend - so behauptet sie - habe sie bereits mit Schreiben vom 01. März 2000 die Kündigungserklärung zurückgewiesen und um eine fristgerechte Kündigung gebeten, falls der Beklagte eine solche wünsche. Mangels einer solchen Kündigung sei deshalb das Mietverhältnis auch nicht zum 14. Oktober 2001 beendet worden. Durch das fristgerecht durch sie selbst in Anspruch genommene Optionsrecht sei das Mietverhältnis vielmehr um fünf Jahre, nämlich bis zum 14. Oktober 2006 verlängert worden.

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, dass das Mietverhältnis zwischen den Parteien über die Anmietung von Apothekenräumen im Erd- und Kellergeschoss des Hauses W Str., O. durch die Kündigung des Beklagten vom 22. Februar 2000 nicht zum 28. Februar 2001 beendet worden ist und mindestens bis zum 14. Oktober 2006 noch fortbesteht.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist dem Vorbringen der Klägerin entgegengetreten und hat insbesondere behauptet, das Schreiben vom 01. März 2000 habe er nicht erhalten.

Das Landgericht hat durch das angefochtene Urteil unter Abweisung der weitergehenden Klage festgestellt, dass die Kündigung des Beklagten das Mietverhältnis nicht zum 28. Februar 2001 beendet hat und es bis zum 14. Oktober 2001 fortbesteht.

Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit welcher sie ihr erstinstanzliches Ziel weiterverfolgt. Sie wiederholt und vertieft ihr früheres Vorbringen und macht ergänzend geltend: Die unwirksame Kündigungserklärung des Beklagten könne allenfalls als ein Angebot zur Vertragsaufhebung aufgefasst werden. Weil dieses aber nicht angenommen worden sei, habe sich das Mietverhältnis automatisch verlängert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Das Rechtsmittel der Klägerin bleibt ohne Erfolg.

I.

Das Landgericht hat die (weitergehende) Feststellungsklage, nämlich dass das Mietverhältnis zwischen den Parteien bis (mindestens) zum 14. Oktober 2006 (statt nur bis zum 14. Oktober 2001) fortdauere, zu Recht abgewiesen. Das Mietverhältnis ist gemäß § 542 BGB n.F. (§ 564 a.F.) in Verbindung mit § 2 Nr. 1 Abs. 2 MV (GA 5) durch die "Kündigungserklärung" des Beklagten vom 22. Februar 2000 (GA 9) mit Ablauf des 14. Oktober beendet worden.

1. Unter den Parteien ist im zweiten Rechtszug unstreitig, dass das Mietverhältnis (nach Bezugsfertigkeit) am 15. Oktober 1986 begonnen hatte. Gem. § 2 Nr. 1 Abs. 2 MV endete es deshalb nach 15 Jahren, also mit Ablauf des 14. Oktober 2001.

2. Zu einer Verlängerung um weitere fünf Jahre gem. § 2 Nr. 1 Abs. 3 MV ist es nicht gekommen, weil der Beklagte rechtzeitig vorher, nämlich spätestens bis zum Ablauf des 14. Oktober 2000 einer Verlängerung widersprochen hat.

a) Der Wirksamkeit des Widerspruchs vom 22. Februar 2000 steht nicht entgegen, dass der Beklagte nicht diesen oder einen ähnlichen Begriff gewählt, sondern davon gesprochen hat, das Mietverhältnis kündigen zu wollen und dass er die Kündigung "fristgerecht zum 28.02.2001" erklärt hat.

aa) Die zwischen den Parteien vereinbarte Verlängerungsklausel sollte dann wirksam werden, wenn keine Mietvertragspartei der gleichsam automatisierten Verlängerung widersprach. Das Schweigen der Mietvertragsparteien sollte demnach entgegen dem allgemein geltenden Rechtsgrundsatz, dass Schweigen keine Willenserklärung ist, hier rechtsbegründende Wirkung haben. Um diese Rechtsfolge zu vermeiden, musste die mit der Vertragsverlängerung nicht einverstandene Vertragspartei aktiv werden, also ihren Beendigungswillen gegenüber der anderen Vertragspartei bekunden (vgl. Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 8. Aufl. Rn. 818). Dieser Beendigungswille, im Vertrag als Widerspruch bezeichnet, kann durch jede beliebige Wortwahl zum Ausdruck gebracht werden (§§ 133, 157 BGB). Er muss nur eindeutig auf Vertragsbeendigung gerichtet sein (vgl. BGH ZMR 1987, 143 für die Begriffswahl "Rücktritt", wo rechtlich zutreffend "Kündigung" gemeint war).

Die hier vom Beklagten erklärte "Kündigung" ist in diesem Sinne eindeutig auf Vertragsbeendigung gerichtet. Die Klägerin konnte vom Standpunkt eines objektiven Betrachters keine Zweifel daran haben, dass der Beklagte das Vertragsverhältnis mit ihr nicht fortführen wollte.

bb) Dieser Beurteilung steht die im Vertrag innerhalb der Verlängerungsklausel erwähnte "(Option)" nicht entgegen. Das darauf Bezug nehmende Schreiben der Klägerin vom 13. Oktober 2000 bleibt deshalb ohne Rechtswirkungen.

Unter einer Option wird allerdings regelmäßig das Recht verstanden, durch einseitige, rechtsgestaltende Erklärung das bestehende Mietverhältnis um eine bestimmte oder auf unbestimmte Zeit zu verlängern (BGH WM 1967, 935 und NJW 1982, 2770). Darin unterscheidet sie sich begrifflich von bloßen Verlängerungsklauseln, die Rechtswirkungen durch bloßes Schweigen herbeiführen. Deshalb werden beide Rechtsinstitute in Mietvertragsvordrucken deutlich gegeneinander abgegrenzt, sind aber bei richtigem Gebrauch nicht miteinander unvereinbar (vgl.Wolf/Eckert/Ball, aaO Rn. 831ff).

Im Streitfall kommt der "Option" jedoch keine eigenständige Bedeutung zu. Der Begriff ist von Rechtslaien gebraucht und, wie der Klammerzusatz zeigt,als Erläuterung der Verlängerungsklausel , gleichsam als "Verlängerungsoption" gedacht. Diese Variante, in der Verlängerungsklausel und Vertragsoption zu ihrem gemeinsamen Oberbegriff "Vertragsverlängerung" zusammenfließen, besagt für sich gesehen nicht, wie es zur Vertragsverlängerung kommt. In der hier umstrittenen Klausel ist das verbindlich für beide Seiten in dem oben unter lit. aa) dargelegten Sinne geregelt, ohne dass die andere Vertragsseite dem Widerspruchsrecht eine eigene rechtsgestaltende Erklärung im kontradiktorischen Sinne entgegensetzen könnte.

b) Unschädlich ist es auch, dass der Beklagte den Beendigungszeitpunkt (unrichtig) auf den 28. Februar 2001 datierte. Eine Beendigungsfrist muss weder in einer Kündigung noch in einem Verlängerungswiderspruch angegeben werden, um ein Mietverhältnis wirksam zu beenden. Wird eine solche Frist dennoch mitgeteilt, so geht das über eine geäußerte Rechtsansicht nicht hinaus. Daraus folgt, dass eine falsche Fristangabe ohne rechtliche Wirkung auf die Erklärung und auf den Beendigungszeitpunkt des Vertrages bleibt. Wirksam wird die Erklärung vielmehr zum rechtlich nächst möglichen Termin (Wolf/Eckert/Ball, aaO Rn. 865; Bub/Grapentin Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl. Anm. IV Rn. 9; Staudinger/Sonnenschein, BGB, 13. Aufl. § 564 Rn. 73; MünchKomm/Voelskow, BGB, 3. Aufl. § 564 Rn. 16 ).

3. Der Sichtweise der Klägerin, nach der das in Rede stehende Schreiben des Beklagten als ein Angebot auf vorzeitige Vertragsauflösung (zum 28. Februar 2001) auszulegen ist und dieses mangels Annahme zu keiner Vertragsaufhebung geführt hat mit der Folge, dass das Vertragsverhältnis mangels Widerspruchs fortgeführt wird, kann nicht gefolgt werden. Eine solche Auslegung widerspricht den Grundsätzen der §§ 133, 157 BGB, wonach der erkennbare wirkliche Wille des Erklärenden maßgeblich ist, und zwar unter Berücksichtigung seiner erkennbaren Interessenlage. Hier ging es dem Beklagten - für die Klägerin erkennbar - darum, das Vertragsverhältnis, das ihm schon seit 1993, als er die Apotheke in andere Räume verlegt hatte, nicht mehr nützlich war, mit der Klägerin nicht länger als nötig fortzuführen.Dabei knüpfte das Wort "fristgerecht" ersichtlich an die vertraglich vereinbarte Lösungsmöglichkeit erstmals nach 15 Jahren an, wenn auch die Berechnung des Fristendes (ersichtlich) falsch gewesen ist. Die anwaltlich vertretene Klägerin konnte nämlich unschwer erkennen, dass der Beklagte seiner Fristberechnung irrtümlich das Datum des Vertragsschlusses statt des Mietzeitbeginns zu Grunde gelegt hatte.Die von dem Beklagten erbetene "Bestätigung" der Klägerin diente ersichtlich auch nicht dazu, ein Vertragsangebot zu unterbreiten, sondern eine Verständigung über den Vertragsinhalt herbeizuführen, um möglichst künftigem Streit vorzubeugen. Dieser Bitte hat der anwaltliche Vertreter der Klägerin entsprochen, indem er dem Beklagten in seinem Schreiben vom 01. März 2000 den wirklichen Endtermin mitteilte. Der in dieser Mitteilung gleichzeitig unternommene und im Rechtsstreit verteidigte Versuch, der Erklärung des Beklagten eine andere rechtliche Wirkung zuzuschreiben, bleibt erfolglos, weil, wie bereits ausgeführt, Willenserklärungen nach ihrem objektiven Erklärungswert und nicht nach dem subjektiven Befinden eines Beteiligten auszulegen sind.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Der Rechtsstreit gibt dem Senat keine Veranlassung, die Revision zuzulassen § 543 Abs. 2 ZPO n. F..

Die Beschwer der Klägerin übersteigt den Wert von 20.000 EUR.

Berufungsstreitwert: 28.911,84 EUR [(12 x 4.712,22 DM) 56.546,64 DM]

Ende der Entscheidung

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