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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 22.02.2000
Aktenzeichen: 24 U 16/99
Rechtsgebiete: BGB, BauGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 675
BGB § 667
BGB § 280
BGB § 157
BGB § 133
BGB § 779
BauGB § 134
BauGB § 242 Abs. 1
ZPO § 92 Abs. 1
ZPO § 100 Abs. 9
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
ZPO § 546 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Verkündet am 22. Februar 2000

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 24. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 7. Dezember 1999 unter Bitwirkung seiner Richter Z E und T

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das Urteil der 17. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal vom 10. Dezember 1998 teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten zu 1) bis 5) werden verurteilt, als Gesamtschuldner 44.524,66 DM auf ein von ihnen zu errichtendes und von ihnen sowie den Beklagten zu 6) und 7) zu führendes, auf die Namen U K/G H lautendes Anderkonto einzuzahlen und über das Guthaben einschließlich anfallender Zinsen nicht ohne Zustimmung der Klägerin zu verfügen. Die weitergehende gegen die Beklagten zu 6) und 7) gerichtete Klage wird abgewiesen.

Die Gerichtskosten beider Rechtszüge fallen der Klägerin zu 18 %, allen Beklagten als Gesamtschuldnern zu 10 % und den Beklagten zu 1) bis 5) als Gesamtschuldnern zu weiteren 72 % zur Last. Die außergerichtlichen Auslagen für beide Rechtszüge werden wie folgt verteilt: Die Klägerin trägt die den Beklagten zu 6) und 7) erwachsenen zu jeweils 95 %; alle Beklagte tragen als Gesamtschuldner die der Klägerin erwachsenen zu, 10 % und die Beklagten zu 1) bis 5) als Gesamtschuldner zu weiteren 72 %; im übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

Das Rechtsmittel der Klägerin, mit welchem sie die Abweisung ihrer auf Sicherheitsleistung (44.524,66 DM) gerichteten Klage bekämpft, hat hinsichtlich der Beklagten zu 1) bis 5) uneingeschränkten Erfolg; ohne wesentlichen Erfolg bleibt es hinsichtlich der Beklagten zu 6) und 7). Der Klägerin steht gegen die Beklagten zu 1) bis 5) als Gesamtschuldner ein Schadensersatzanspruch gemäß §§ 675, 667, 280 BGB zu.

Konto eingegangen, ist unzutreffend. Die Beklagten zu 1) bis 4) als die Mitglieder der Sozietät, die den Treuhandvertrag geschlossen haben, haben sich als Treuhänder der Klägerin in gleicher Weise wie als Treuhänder des Streitgegners verpflichtet. Das ergibt sich aus den Umständen, unter denen es zur Einrichtung des Anderkontos gekommen war und dem Sinn und Zweck, die die Vereinbarung zwischen der Klägerin und dem Streitgegner hatte (§§ 157, 133 BGB).

a)

Hintergrund der Vereinbarung war ein Streit zwischen der Klägerin und H (künftig auch Kaufvertragsparteien genannt) aus der Durchführung des zwischen ihnen geschlossenen notariellen Grundstückskaufvertrages vom 23. Mai 1975 (UR-Nr. 711/1975 des Notars Dr. B in W-B gewesen. Die Klägerin und andere Grundstückserwerber sahen eine für sie aufwendungsfreie Erschließung des erworbenen Grundstücks gefährdet, nachdem der Verkäufer H einen Erschließungsvertrag mit der Stadt W geschlossen hatte, der die S S, an der auch das von der Klägerin erworbene Grundstück gelegen ist, gar nicht erfasste (vgl. GA 167), der beurkundende Notar aber die auch von der Klägerin in Erfüllung des genannten Kaufvertrags gezahlten Erschließungskosten an H weiter geleitet hatte. Der der Klägerin benachbarte Grundstückserwerber K hatte H deshalb gerichtlich auf Rückzahlung des Kaufpreisanteils in Anspruch genommen, der seiner Meinung nach erforderlich sein würde, die S S zu erschließen (7 O 66/79 LG Wuppertal). Dieser Rechtsstreit endete durch einen Vergleich vom 3. Dezember 1979. Darin hatte H die Verpflichtung anerkannt, den Gegner "... von dem Erschließungsbeitrag freizustellen, der für die in § 18 Ziffer 2 des Erschließungsvertrags vom 11.08.1975 genannten Maßnahmen entstehen wird" (Nr. 1 des Vergleichs). Ferner hatte sich H "zur Sicherstellung dieses Anspruchs verpflichtet ... 20.000,00 DM zu hinterlegen" wobei vereinbart wurde, dass der Betrag "auf ein von dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten einzurichtendes Festgeldkonto hinterlegt (wird)" (Nr. 2 des Vergleichs). Vereinbarungsgemäß hatten die Beklagten zu 1) bis 4) das Festgeldkonto eingerichtet, auf welches H zu Gunsten des K den vereinbarten Betrag einzahlte.

b)

Mit dem außergerichtlichen Schreiben vom 15. Februar 1980 an H (GA 10) knüpfte die Klägerin, die von denselben Bevollmächtigten vertreten wurde wie K in dem genannten landgerichtlichen Verfahren, an diese Vergleichsregelung unter Androhung gerichtlicher Schritte an und forderte für sich die gleiche Regelung. Die Beklagten zu 1) bis 4) als die damaligen Bevollmächtigten H kannten diesen Hintergrund. Als sich H vor dem 5. März 1980 (vgl. GA 12) wegen des an ihn herangetragenen Ansinnens der Klägerin erneut in die Beratung der Beklagten zu 1) bis 4) begeben hatte, mussten diese erkennen, dass es ihr darum ging, in gleicher Weise wie K sicher gestellt zu werden, zumal sich die Bevollmächtigten der Klägerin mit diesem Anliegen schon zuvor im Schreiben vom 14. Januar 1980 an die Beklagten zu 1) bis 4) gewandt hatten (GA 8 f). Wenn sie zu jenem Zeitpunkt auch noch nicht von H bevollmächtigt gewesen sein mögen, mit der Klägerin eine diesbezügliche Vereinbarung zu treffen, so war ihnen aber spätestens im März 1980 nach Beratung H bekannt, dass dieser die Forderung der Klägerin nach Absicherung zu erfüllen gedachte. Sinn der von H der Klägerin (nach Beratung mit den Beklagten zu 1) bis 4)) am 5. März 1980 bestätigten Vereinbarung (GA 12) war es, einen Rechtsstreit mit der Klägerin zu vermeiden, sie wegen des noch für möglich gehaltenen Erschließungsaufwands der S S zu sichern und in Erfüllung dieser Sicherung einen Betrag von 20.000,00 DM zu hinterlegen. Die Form der Sicherung sollte in Anknüpfung an die mit K getroffene Vereinbarung ebenfalls durch ein von den Beklagten zu 1) bis 4) einzurichtenden und zu verwaltenden Festgeldkontos geschehen. Das hatten die Beklagten zu 1) bis 4) den Bevollmächtigten der Klägerin auf deren Anfrage vom 18. März 1980 mit Schreiben vom 26. März 1980 bestätigt (GA 13). Damit war auch ein Treuhandverhältnis im Verhältnis zur Klägerin begründet. Dass die Beklagten zu 1) bis 4) das tatsächlich auch so verstanden hatten, wird im übrigen bestätigt durch die der Klägerin erteilten Auskünfte über die Kontenstände vom 24. Mai 1993 (GA 16) und vom 6. Dezember 1984 (GA 15).

c)

Diese Auslegung entspricht auch der erkennbaren Interessenlage der Kaufvertragsparteien. Keine Seite sollte das jeweils in Betracht zu ziehende Insolvenzrisiko der jeweils anderen Seite befürchten müssen. Auch der Klägerin war es ersichtlich nur noch um die Vermeidung des Insolvenzrisikos des Streitgegners gegangen, wie der von ihren Bevollmächtigten zu verantwortende Schriftwechsel in dem Rechtsstreit K ./. H (GA 176, 177) zeigt. Demgegenüber war H daran interessiert, keine Mittel (endgültig) aus der Hand zu geben, von denen noch nicht sicher war, ob sie für die Erschließung notwendig sein würden. H hatte zu jenem Zeitpunkt niemals in Abrede gestellt, das er für die Erschließung der S S den Grundstückserwerbern hafte und dass er sie, falls die Stadt W Erschließungsbeiträge von den Grundstückseigentümern erheben werde, davon freistellen werde (GA 170). Er war lediglich der Auffassung, alle Pflichten aus dem Kaufvertrag erfüllt zu haben und dass die Grundstückserwerber - und damit auch die Klägerin - keinen Anspruch auf Sicherstellung hätten. Die Erklärung H in seinem an die Bevollmächtigten der Klägerin gerichteten Schreiben vom 5. März 1980 (GA 12), nach der die Hinterlegung "ohne Anerkenntnis einer Schuld" geschehe, ist (nur) vor diesem Streithintergrund, der auch den Beklagten zu 1) bis 4) bekannt gewesen ist, zu verstehen. Der Freistellungsanspruch der Klägerin sollte nicht in Abrede gestellt werden. H blieb bei seiner schon immer (auch im Rechtsstreit mit K) vertretenen Ansicht trotz des Freistellungsanspruchs nicht verpflichtet zu sein, diesen Anspruch in irgendeiner Weise zu sichern. Zur Vermeidung einer gerichtlichen Auseinandersetzung mit der Klägerin hatte er sich ohne anerkannte Verpflichtung, aber eben im Sinne des § 779 BGB vergleichsweise und damit durch neugeschaffenen Rechtsgrund gegenüber der Klägerin zur Sicherstellung verpflichtet. Der jetzt entbrannte Streit der Parteien darüber, ob H zur Erschließung der S Straße verpflichtet gewesen ist, ist ohne Bedeutung, weil diese Rechtsfrage nach dem außergerichtlichen Vergleich nicht mehr zum Streitgegenstand zwischen der Klägerin und H werden kann.

d)

Der Umstand, dass H seinerzeit Mandant der Beklagten zu 1) bis 4) gewesen ist, steht der Annahme einer treuhänderischen Bindung auch zur Klägerin nicht entgegen.

Allerdings ist und war es dem Rechtsanwalt stets verboten, in einer Angelegenheit gegenläufige Interessen von Parteien zu vertreten (§ 45 Nr. 1 BRAO a. F. i. V. m. § 356 StGB, § 45 Nr. 2 BRAO a. F.; § 45 Abs. 1 Nr. 3 und 4, Abs. 3 BRAO n. F.). Als Verwalter des hinterlegten Vermögens haben die Beklagten jedoch gegenläufige Interessen nicht vertreten, solange sie im Streitfalle auf keiner Seite als Interessenvertreter auftraten. Zur Zeit des Gebrauchs der Richtlinien zur Ausübung des Anwaltsberufs (vgl. dazu BVerfGE 76, 176 ff) sah § 44 Richtlinien vor, dass der Rechtsanwalt als Treuhänder besondere Sorgfalt anzuwenden und hierbei zu beachten habe, dass er Pflichten gegenüber allen am Treuhandverhältnis Beteiligten hat und zuwiderlaufende Sonderinteressen eines Auftraggebers dabei nicht berücksichtigen darf. Die Eigenschaft eines gegnerischen Beteiligten am Treuhandverhältnis als Auftraggeber wurde von dieser Richtlinie demnach vorausgesetzt. Es entsprach und entspricht auch heute noch täglicher anwaltlicher Praxis, derartige treuhänderische Funktionen auszuüben, sei es um die Abwicklung einer Zug-um-Zug-Leistung zu gewährleisten, sei es um eine Vollstreckung aus einem vorläufig vollstreckbaren Urteil durch Entgegennahme einer Sicherheitsleistung der Gegenseite für die eigene Partei oder der eigenen Partei für die Gegenseite abzuwenden, um nur die in der anwaltlichen Praxis am häufigsten vorkommenden Fallgestaltungen zu nennen (vgl. dazu OLG Hamm AnwBl. 1987, 42, 43; Lingenberg/Hummel/Zuck/Eich, RA-Richtlinien, 2. Aufl. § 44 Rn. 8 ff, Rinsche, Die Haftung des Anwalts und des Notars, 6. Aufl., Rn. I 43 ff, Vollkommer, Anwaltshaftungsrecht Rn. 241). Eine so genannte Doppeltreuhand kommt immer dann zustande, wenn die Umstände keinen Zweifel daran lassen, dass eine Seite einen der beteiligten Rechtsanwälte mit Aufgaben betraut, die nicht mehr allein der Wahrung seiner Parteiinteressen dienen, sondern weitergehend dazu dienen, auch die Interessen der Gegenseite zu wahren, (vgl. dazu Rinsche, a.a.O. Rn. I 44; Vollkommer, a.a.O. Rn. 242). Ein solcher Fall liegt hier vor.

Der Streit zwischen der Klägerin und H war durch die Annahme des von der Klägerin vorgeschlagenen Vergleichs beigelegt. Es ging dann auch für die Beklagten zu 1) bis 4) ersichtlich um die Umsetzung des Vergleichs, also darum, die vereinbarte Hinterlegung zur Sicherung der Klägerin herbeizuführen. Es ist offensichtlich, dass die Auslegung der Vereinbarung in dem Sinne, wie es die Beklagten für richtig halten, ungeeignet ist, die vereinbarte und angestrebte Sicherheit der Klägerin herbeizuführen. Dies konnte nur verwirklicht werden, wenn der Treuhänder über das bei ihm hinterlegte Geld nur mit Zustimmung beider Seiten, jedenfalls nicht ohne Zustimmung auch der Klägerin verfügte, worauf es in diesem Rechtsstreit nur ankommt.

2.

Das Sicherungsrecht der Klägerin haben die Beklagten zu 1) bis 5) durch die Freigabe der Sicherheit verletzt. Mangels anderslautender Regelung waren sie zur Freigabe nur mit Zustimmung der Klägerin (so, wie der Sicherungsnehmer K in seinem Fall nach Einigung mit dem Sicherungsgeber H verfahren war) oder erst dann berechtigt, wenn die Zustimmung der Klägerin durch einen vollstreckbaren Titel ersetzt worden wäre (vgl. dazu OLG Hamm AnwBl. 1987, 42, 43).

3.

Ohne Erfolg machen die Beklagten geltend, die Klägerin wäre zur Zustimmung der Freigabe verpflichtet gewesen, so dass ihr nach hypothetischem Ereignisablauf letztendlich kein Schaden entstanden sei. Denn von einer Zustimmungspflicht der Klägerin kann keine Rede sein, weil sich im Vergleich zur Ausgangslage bei Vertragsschluss am Sicherungsgrund nichts geändert hatte.

a)

Ausweislich der vom Einzelrichter des Senats eingeholten Auskunft der Stadt W vom 6. Juli 1999 (GA 137) ist die Frage, ob die Klägerin als Eigentümerin des Grundstücks S Straße in W gemäß § 134 BauGB erschließungsbeitragspflichtig oder gemäß § 242 Abs. 1 BauGB (früher § 180 Abs. 2 BBauG) vom Erschließungsbeitrag befreit ist, bestandskräftig bisher nicht entschieden. Daran vermag auch nichts der Umstand zu ändern, dass die Stadt W ihre diesbezügliche Rechtsauffassung in der Zeit zwischen dem Grundstückserwerb (1975) und heute mehrfach gewechselt hat.

Die Frage, ob die Klägerin von der gesetzlichen und deshalb von Ermessungserwägungen der Verwaltungsbehörde unabhängig entstehenden Erschließungsbeitragspflicht nicht erfasst wird hängt von der Beantwortung der in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht sehr schwierigen Frage ab, ob die S Straße im hier relevanten Anbaugebiet eine "vorhandene Erschließungsanlage" (so genannte "fertige Straße") im Sinne des § 242 Abs. 1 BauGB darstellt (dann keine Beitragspflicht, vgl. OVG NW ZMR 1999, 858 m. w. N.) oder nicht (dann Beitragspflicht bei endgültiger Herstellung, § 133 Abs. 2 BauGB). Die von der Stadt W in ihr günstiger Weise geäußerten Rechtsauffassungen vermitteln der Klägerin keine gesicherte Rechtsposition, auf welche sie sich bei geänderter Rechtsauffassung der Stadt zur Abwehr von Erschließungsbeiträgen berufen könnte. Rechtsauffassungen eines gemeindlichen Erschließungsträgers bleiben so lange unverbindlich, wie sie nicht in einem bestandskräftigen Verwaltungsakt (Beitragsbescheid oder Negativbescheid) Eingang gefunden haben, wobei es hier keiner Untersuchung bedarf, ob in Angelegenheiten des Erschließungsbeitragsrechts Negativbescheide überhaupt zulässig sind. Maßgeblich ist nämlich, dass die Klägerin einen solchen nicht erhalten hat. Es ist deshalb unerheblich, ob die von den Beklagten im Senatstermin aufgestellte und von ihnen im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 7. Dezember 1999 unter Beweis gestellte Behauptung zutrifft, die Stadt W habe auch gegenüber der Klägerin bis in das Jahr 1996 hinein die Rechtsauffassung vertreten, das Grundstück der Klägerin werde durch eine "fertige Straße" erschlossen und sei deshalb nicht beitragspflichtig.

b)

Die Frage der Beitragspflichtigkeit kann der Senat in diesem Rechtsstreit nicht inzidenter entscheiden. Abgesehen davon, dass es an Vortrag der Beklagten fehlt, auf dessen Grundlage der Senat imstande wäre, die objektiven und subjektiven Voraussetzungen festzustellen, die den Rechtsbegriff der "vorhandenen Erschließungsanlage" ausfüllen (vgl. dazu OVG NW a.a.O.), wäre die Rechtsauffassung des Senats erschließungsbeitragsrechtlich unerheblich. Eine Bindungswirkung im Verhältnis der Klägerin zum gemeindlichen Erschließungsträger könnte sie nicht entfalten, den zwischen den Kaufvertragsparteien vereinbarten Sicherungsgrund deshalb auch nicht beseitigen.

c)

Die Stadt W plant den endgültigen Ausbau der S Straße im hier umstrittenen Anbaugebiet (vgl. die der Klägerin erteilte Auskunft von Dezember 1994, GA 210). Die Klägerin muss deshalb mangels entgegenstehender verbindlicher Regelungen unverändert mit dem Erlass eines Beitragsbescheides rechnen, je nachdem, welche Rechtsauffassung die Stadt W im Zeitpunkt der Herstellung der Erschließungsanlage zur Frage der "fertigen Straße" gerade vertritt. Vor diesem Risiko aber sollte die Klägerin nach dem Inhalt der Sicherungsabrede gerade geschützt werden.

4.

Unrichtig ist auch die Auffassung der Beklagten zur Höhe des eingetretenen Schadens. Die Haftung erfasst nicht nur das freigegebene Sicherungskapital (20.000,00 DM), sondern (zumindest) auch die bis zur Freigabe aufgelaufenen Zinsen in Höhe von 24.524,66 DM, welche die Klägerin hier nur geltend macht.

Wird, wie es im Streitfall geschehen ist, abredegemäß eine bare Sicherheitsleistung verzinslich angelegt, dann geschieht das, wenn nicht ausdrücklich etwas Anderes vereinbart worden ist, nach der Verkehrsauffassung (§§ 133, 157 BGB) nicht nur im Interesse des Sicherungsgebers. Der Sicherungsnehmer wird vom inflationären Wertverlust der Sicherheitsleistung in gleicher Weise wie der Sicherungsgeber bedroht, weil das gesicherte Risiko (hier die in Betracht zu ziehenden Erschließungskosten) im Laufe der Zeit erfahrungsgemäß deutlich wächst. Im gewerblichen Mietrecht ist deshalb z. B. anerkannt, dass Zinsen einer vom Mieter erbrachten Barkaution die Sicherheit erhöhen und deshalb an ihn nur bei Ausfall des Sicherungsgrunds (mit dem Kapitalbetrag) auszukehren sind (vgl. Wolf/Eckert, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 7. Aufl. Rn. 774; vgl. auch § 550 b Abs. 2 S. 3 BGB, der dies für das Wohnraummietrecht gesetzlich vorschreibt). Es gibt keinen Grund, die verzinsliche Anlage der Sicherheitsleistung im Streitfall anders zu beurteilen.

5.

a)

Der Beklagte zu 5) haftet der Klägerin für den eingetretenen Schaden wie die vertragschließenden Beklagten zu 1) bis 4).

Das Treuhandverhältnis ist von der Sozietät auch nach Eintritt des Beklagten zu 5) bis zur Freigabe Anfang geführt worden. In eine Sozietät neu eintretende Rechtsanwälte haften im Zweifel für fortlaufende Vertragspflichten mit (BGHZ 124, 50). Die Beklagten tragen keine Umstände vor, die gegen die Haftungsübernahme des Beklagten zu 5 sprechen könnten.

b)

Anders verhält es sich allerdings hinsichtlich der Beklagten zu 6) und 7). Im Zeitpunkt der schadensauslösenden Pflichtverletzung (Freigabe Anfang 1995) waren sie als so genannte Scheinsozien, also als angestellte Rechtsanwälte, die nach außen wie Sozien auftreten, noch nicht in die Dienste der Beklagten zu 1) bis 5) eingetreten. Das ist nach dem insoweit nicht bestrittenen Vortrag der Beklagten (GA 32) vielmehr erst nach der Pflichtverletzung geschehen, nämlich am 15. Mai 1996 (Beklagter zu 6)) und am 11. November 1996 (Beklagter zu 7)). Für Pflichtverletzungen, die vor dem Eintritt von (Schein-)Sozien geschehen sind, besteht deren Haftung nicht (BGH NJW 1988, 1973). Die gegen die Beklagten zu 6) und 7) gerichtete Klage hat das Landgericht deshalb insoweit im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

An der künftigen Verwaltung des Treuhandkontos sind die Beklagten zu 6) und 7) allerdings zu beteiligen, weil sie als (Schein-)Sozien in das nicht beendete Vertragsverhältnis (vgl. dazu noch nachfolgend Nr. 6 b)) eingetreten waren.

6.

a)

Der Schadensausgleich durch die Beklagten zu 1) bis 5) hat, wie von der Klägerin mit dem Hauptantrag verfolgt, nach den Grundsätzen der Naturalrestitution zu geschehen. Es ist der Zustand herzustellen, der ohne das schädigende Ereignis bestehen würde. Das kann nur erreicht werden durch Errichtung eines auf den Namen der Klägerin und den des Sicherungsgebers lautenden (verzinslichen) Treuhandkontos, auf welches das Sicherungskapital einschließlich der bis zur Freigabe aufgelaufenen Zinsen einzuzahlen und von allen Beklagten bis zur Freigabereife zu verwalten ist. Der Umstand, dass (derzeit) ein Treuhandverhältnis zu H nicht wieder hergestellt werden dürfte (weil es im Verhältnis der Beklagten zu ihm durch Erfüllung erloschen sein dürfte), geht nicht zu Lasten der Klägerin. Wenn die Klägerin gleichwohl die Einrichtung des Treuhandkontos (auch) auf den Namen H verlangt, ist dem zu entsprechen, weil die Beklagten dadurch nicht mehr belastet werden, als wenn das Konto nur auf den Namen der Klägerin lauten würde.

b)

Eine Schadenswiedergutmachung auf andere Weise, etwa nach dem von der Klägerin (nach Hinweis des Senats) gestellten Hilfsantrag, wäre nur in Betracht gekommen, wenn die Beklagten das Treuhandverhältnis zur Klägerin gekündigt hätten und dazu auch berechtigt gewesen wären. Davon kann aber, wie mit den Parteien im Senatstermin erörtert worden ist, nicht ausgegangen werden.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 100 Abs. 9 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Es besteht kein Anlass, die Revision zuzulassen, § 546 Abs. 1 ZPO.

Berufungsstreitwert (zugleich Beschwer der Beklagten): 44.524,66 DM.

Ende der Entscheidung

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