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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 06.07.2001
Aktenzeichen: 24 U 199/00
Rechtsgebiete: BGB, StBerG, AGBG, ZPO


Vorschriften:

BGB § 134
BGB § 138 Abs. 1
BGB § 181
BGB § 278
BGB § 285
BGB § 288 n.F.
BGB § 535 S. 1
BGB § 554 Abs. 1 S. 1
BGB § 554 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
BGB § 554 Abs. 1 S. 3
BGB § 556 Abs. 1
BGB § 557 Abs. 1 S. 1
BGB § 571 Abs. 1
StBerG § 57 Abs. 1
StBerG § 57 Abs. 2 S. 2
StBerG § 57 Abs. 4 Nr. 1
AGBG § 6 Abs. 2
AGBG § 9
AGBG § 9 Abs. 2 Nr. 1
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

24 U 199/00

Verkündet am 6. Juli 2001

In dem Rechtsstreit

hat der 24. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 22. Mai 2001 unter Mitwirkung seiner Richter Z, E und T

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das am 27. September 2000 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 19. Februar 2001 wegen des Zinsausspruchs teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt,

1. an den Kläger 13.920,00 DM nebst 5 % Zinsen über dem Leitzinssatz der Europäischen Zentralbank, höchstens aber 8,42 % Zinsen aus jeweils 6.960,00 DM seit dem 23. Mai und dem 05. Juni 2000 zu zahlen und

2. die Büro-, Werkstatt- und Nebenräume im Gebäude H. Straße 12, D. zu räumen und an den Kläger herauszugeben.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch eine in bar oder in Gestalt einer selbstschuldnerischen und unbefristeten Bürgschaft eines im Gebiet der Europäischen Union zugelassenen Kreditinstituts zu leistenden Sicherheit in Höhe von 80.000,00 DM abzuwenden, es sei denn der Kläger leistet vorher Sicherheit in gleicher Art und Höhe.

Tatbestand:

Der Kläger, von Beruf Steuerberater, war mit zwei weiteren Gesellschaftern an einer Grundstückgesellschaft (nachfolgend GbR genannt) beteiligt gewesen, in deren Eigentum das Gewerbegrundstück H. Straße 12 in D. gestanden hatte. Das genannte Grundstück vermietete die GbR an die beklagte (mehrgliedrige) Gesellschaft , an der der Kläger als Gesellschafter beteiligt ist und deren alleiniger Geschäftsführer er unter Befreiung vom Verbot des Selbstkontrahierens bis zum 16. Mai 2000 gewesen ist. Nachdem der Kläger das in Rede stehende Gewerbegrundstück zu Alleineigentum erworben hatte, schloss er am 01. März 1999 unter Aufhebung des ursprünglichen Mietvertrags (nachfolgend: MV alt) mit der von ihm vertretenen Beklagten einen neuen Mietvertrag (nachfolgend: MV neu) zu im Wesentlichen gleichen Konditionen ab. Geändert wurde aber das Folgende:

* Das ursprünglich bis zum 28. Februar 2003 mit zweimaliger Optionsausübung von jeweils fünf Jahren zugunsten der Beklagten befristet abgeschlossene Mietverhältnis (Nr. II MV alt,) wurde in ein unbefristetes mit einer Kündigungsfrist von sechs Monaten umgewandelt (Nrn. II und VIII.1 MV neu,).

* Es wurde eine zur außerordentlichen Vertragsbeendigung führende Klausel eingefügt (Nr. VIII.3 MV neu), die wie folgt lautet:

Scheidet der Vermieter als Geschäftsführer und/oder Gesellschafter aus der Gesellschaft des Mieters aus, so endet dieser Vertrag automatisch ohne dass es einer Kündigung, anderer Mitteilung oder Fristsetzung bedarf, einen Monat nach Eintritt des genannten Ereignisses. Der Grund des Ausscheidens aus der Gesellschaft des Mieters in (richtig: ist) unerheblich.

In beiden Verträgen identisch geregelt ist eine zur außerordentlich fristlosen Kündigung berechtigende Klausel (Nr. VIII. 2 MV alt und neu), die, soweit sie hier von Belang ist, wie folgt lautet:

Der Vermieter hat das Recht, eine außerordentliche Kündigung zum jeweils nächsten Monatsersten oder mit sofortiger Wirkung auszusprechen, wenn der Mieter seine in diesem Vertrag übernommene Verpflichtung nicht erfüllt, insbesondere, wenn er mit den Zahlungen des Mietzinses nach fruchtloser Mahnung länger als einen Monat im Rückstand ist ...

In der Folgezeit kam es zum Zerwürfnis zwischen dem Kläger und den beiden anderen Gesellschaftern, was dazu führte, dass der Kläger seine Funktion als Geschäftsführer der Beklagten beendete. Zu neuen Geschäftsführern wurden die beiden anderen Gesellschafter bestimmt. Die Zahlung des noch ausstehenden Mietzinses (6.000,00 DM monatlich zzgl. MwSt, Nr. III.1 S. 1 MV alt und neu) für den Monat Mai 2000, der monatlich im Voraus geschuldet wird (Nr. III.1 S. 5 MV alt und neu), mahnte der Kläger mit Schreiben vom 17. Mai 2000 an. Nachdem auch der Mietzins für den Monat Juni 2000 ausgeblieben war, kündigte der Kläger das Vertragsverhältnis mit Schreiben vom 05. Juni 2000 fristlos und verlangte Räumung und Herausgabe der Räume.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen,

1. an ihn 13.920,00 DM nebst 8,42 % Zinsen seit dem 23. Mai 2000 zu zahlen und

2. Büro-, Werkstatt- und Nebenräume im Gebäude H. Straße 12, D. zu räumen und an ihn herauszugeben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat geltend gemacht: Der neue Mietvertrag sei unwirksam, weil der Kläger die darin im Vergleich zum alten Mietvertrag abgeänderten Klauseln bewusst zum Nachteil der Beklagten gestaltet habe. Deshalb werde dieser Vertrag (vorsorglich) auch wegen arglistiger Täuschung angefochten. Die Absicht des Klägers, zum Nachteil der Beklagten zu handeln, habe sich in vielfacher Weise gezeigt. So habe er Werkzeug im Wert von 9.000,00 DM zum Preis von 400.000,00 DM namens der Beklagten erworben. Den Kaufpreis habe er aber nicht an die Verkäuferin, sondern auf ein auf seinen Namen lautendes Treuhandkonto überwiesen. Schließlich habe er sich Investitionen in das Grundstück im Werte von 90.000,00 DM, die nach dem Mietvertrag nicht geschuldet gewesen seien, von der Beklagten bezahlen lassen. Die Unwirksamkeit des Mietvertrags folge auch daraus, dass der Kläger als Steuerberater nicht gleichzeitig als Geschäftsführer der Beklagten hätte tätig werden dürfen.

Schließlich habe der Kläger auch keinen Mietzins zu fordern, weil er trotz Aufforderung keine Aufklärung über die Ungereimtheiten seiner Geschäftsführung erteilt habe. So habe der Kläger die Mietsicherheit (18.000,00 DM) doppelt kassiert, nämlich einmal auf der Grundlage des alten und einmal auf der Grundlage des neuen Mietvertrags. Wegen dieser Position und der nicht geschuldeten Renovierungskosten hat die Beklagte hilfsweise die Aufrechnung erklärt.

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Es hat offen gelassen, welcher der beiden Mietverträge maßgeblich für das Klagebegehren sei, weil die entscheidenden Klauseln identisch formuliert seien; die Hilfsaufrechnung hat das Landgericht mangels vorheriger Anzeige (Nr. IV MV alt und neu) für nicht zulässig gehalten.

Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und betont, die vom Landgericht für unzulässig gehaltene Aufrechnung komme aus Rechtsgründen gar nicht zum Zuge. Vielmehr sei die Mietzinsforderung gar nicht erst entstanden, weil die überzahlte Kaution und die nicht geschuldeten Renovierungskosten wie eine Mietzinsvorauszahlung wirkten. Die Beklagte habe gegen den Kläger zahlreiche weitere (im Einzelnen näher dargelegte) Gegenforderungen, die die Klageforderung überstiegen.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Der Kläger bittet um

Zurückweisung der Berufung.

Auch er wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Das zulässige Rechtsmittel der Beklagten führt nur hinsichtlich des Zinsausspruchs teilweise zu einer Abänderung des angefochtenen Urteils. Im Übrigen muss es bei dem landgerichtlichen Urteil verbleiben, weil es der Sach- und Rechtslage entspricht.

I. Zahlungsbegehren

1. Der Zahlungsanspruch des Klägers beruht für die Zeit vom 01. Mai 2000 bis 04. Juni 2000 auf § 535 S. 1 BGB (Mietzins), für die Zeit vom 05. Juni 2000 (Zugang der fristlosen Kündigung) bis 30. Juni 2000 in unveränderter Höhe auf § 557 Abs. 1 S. 1 BGB (Nutzungsentschädigung; wegen der Beendigung des Mietverhältnisses infolge fristloser Kündigung wird auf die nachstehenden Ausführungen unter Nr. II Bezug genommen) in Verbindung mit der vertraglichen Zahlungsvereinbarung. Zu Recht hat das Landgericht die Frage offen gelassen, ob für das Zahlungsbegehren des Klägers der Alt- oder Neumietvertrag maßgeblich ist. Der zwischen den Parteien vereinbarte Mietzins ist in beiden Verträgen mit 6.000,00 DM (zzgl. MwSt) vereinbart worden. Wird der Mietzins auf der Grundlage des Altmietvertrages geschuldet, ist der Kläger als neuer Eigentümer allein forderungsberechtigt, § 571 Abs. 1 BGB.

2. Diese Frage könnte nur dann nicht offen bleiben, wenn nicht nur die Nichtigkeit des von der Beklagten beanstandeten Neumietvertrags, sondern mit Blick auf die im Streitfall in der Person des Klägers kumulierenden Positionen und Funktionen auch die Nichtigkeit des Altmietvertrags in Betracht zu ziehen wäre. Indes ist der am 27. Februar 1998 geschlossene Altmietvertrag wirksam.

a) Da der Kläger vom Selbstkontrahierungsverbot (§ 181 BGB) satzungsrechtlich befreit und dieser Dispens auch im Handelsregister eingetragen worden ist (vgl. dazu BGH NJW 1993, 1676; Altmeppen, NJW 1995, 1185, 1186), stand der Wirksamkeit des Mietvertrags, den der Kläger auf Vermieterseite als Mitglied der Grundstücksgesellschaft und auf Mieterseite als Geschäftsführer der Beklagten mit sich selbst abschloss, unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt von vornherein nichts entgegen.

b) Auch der Umstand, dass der Kläger als Steuerberater die Position des Geschäftsführers der gewerblich tätigen beklagten Gesellschaft eingenommen hatte, macht den von ihm auf Mieterseite unterzeichneten Altmietvertrag nicht nichtig.

aa) Richtig ist allerdings, dass es dem Kläger, auch wenn ein Anstellungsvertrag nicht abgeschlossen worden war, gemäß § 57 Abs. 2 S. 2, Abs. 4 Nr. 1 StBerG nicht gestattet war, neben seinem ausgeübten Beruf als Steuerberater die Funktion eines Geschäftsführers auszuüben (seine Stellung als Gesellschafter ist dagegen unschädlich). Es entspricht ganz einhelliger Auffassung, dass eine solche, - wie hier - nicht nur vorübergehende Tätigkeit mit der besonderen Stellung des Steuerberaters (§ 57 Abs. 1 StBerG) unvereinbar ist (vgl. Charlier/Peter, StBerG, 3. Aufl., § 57 Rn. 217 und 222; Gehre, StBerG, 4. Aufl., § 57 Rn. 89; vgl. auch BGHSt 42, 55). Schon die bloße Gefahr, dass er in seiner beruflichen Stellung als unabhängiger und der Verschwiegenheitspflicht unterliegender Steuerberater an Betriebsgeheimnisse seiner Mandanten gelangt, welche er in seiner Funktion als Geschäftsführer im "eigenen" Unternehmen verwerten könnte, führt zur Inkompatibilität beider Tätigkeitsbereiche.

bb) Der Verstoß des Klägers gegen die berufsständische Vorschrift führt indes nicht zur Nichtigkeit der Verträge, welche der Kläger in seiner Funktion als Geschäftsführer der Beklagten unterzeichnet hat, und deshalb auch nicht zur Unwirksamkeit des hier in Rede stehenden Mietvertrags. Das die Berufsausübung regelnde Gesetz ist eine Disziplinarbestimmung, welche sich nur an den Steuerberater richtet und kein (absolutes) Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB darstellt (Charlier/Peters, aaO Rn. 10ff; Gehre aaO Rn. 4; BGH NJW 1981, 399 [Makler] und NJW 1996, 1954, 1955 [Dienstvertrag]). In erster Linie soll dafür gesorgt werden, dass der Steuerberater die schon im Interesse des Berufsstandes zu wahrende Unabhängigkeit, Eigenverantwortlichkeit, Gewissenhaftigkeit und Verschwiegenheit durch berufsfremde Dienstverhältnisse nicht einbüßen kann. Deshalb schreibt das Gesetz ganz unabhängig vom Gefahrenpotential im Einzelfall die generelle berufliche Beschränkung vor. Zur Nichtigkeit berufswidriger Rechtsgeschäfte führt das indes nur dann, wenn im Zeitpunkt des Vertragsschlusses das umstrittene Rechtsgeschäft gezielt oder doch mit hoher Wahrscheinlichkeit die Einflussnahme auf den Steuerberater herbeigeführt hat und seine Unabhängigkeit und Eigenverantwortlichkeit mehr als nur abstrakt bedroht sind (vgl. dazu BGH NJW 1996, 1954, 1955f).

Eine solche konkrete Gefahr hatte im Streitfall nicht bestanden. Durch die Geschäftsführerfunktion ist der Kläger in seiner Unabhängigkeit und Eigenverantwortlichkeit als Steuerberater nicht beeinträchtigt. Das Weisungsrecht der Gesellschafter bezieht sich nur auf seine Funktion als Geschäftsführer, nicht auf seine berufliche Stellung als Steuerberater, nicht einmal auf seine steuerberatende Tätigkeit, die der Kläger auch für die Beklagte entfaltet hat. Zwar ist nicht zu verkennen, dass die Gesellschafter der Beklagten über ein Weisungsrecht als Auftraggeber Einfluss auf den Kläger auch im Rahmen des steuerberatenden Mandats ausüben konnten. Doch darin unterscheidet sich die Weisungsbefugnis der Beklagten nicht von derjenigen eines jeden anderen Auftraggebers (vgl. § 665 BGB).

Es blieb die abstrakte Gefahr, dass der Kläger der Verschwiegenheitspflicht unterliegende Informationen Dritter, die er als Steuerberater erfahren hatte, zu eigenem Nutzen bei der Beklagten einsetzen konnte. Diese abstrakte Gefahr rechtfertigt aber nicht die Nichtigkeitssanktion (vgl. BGH aaO).

3. Der Mietzinsanspruch ist nicht durch die Erklärung der Aufrechnung mit behaupteten Gegenforderungen erloschen und seine Durchsetzung scheitert auch nicht an dem von der Beklagten beanspruchten Zurückbehaltungsrecht. Dabei kann der Senat offen lassen, ob der Beklagten aufrechenbare Gegenforderungen oder Rechte zustehen, die zur Zurückbehaltung der Leistung berechtigen könnten.

a) Die Ausübung der in Rede stehenden Gegenrechte scheitert an der Ankündigungsklausel (Nr. IV MV alt und neu), wie das Landgericht zutreffend erkannt hat. Nach dieser Vertragsbestimmung kann gegen den Mietzins mit einer Gegenforderung erst aufgerechnet und ein Zurückbehaltungsrecht erst ausgeübt werden, wenn der Mieter dies mindestens einen Monat vor Fälligkeit des Mietzinses dem Vermieter angezeigt hat. Es handelt sich um ein beschränktes Aufrechnungsverbot sowie um die Beschränkung des gesetzlichen Zurückbehaltungsrechts. Eine solche Beschränkung ohne Differenzierung nach unstreitigen und rechtskräftig festgestellten Gegenforderungen einerseits und solchen streitiger Art andererseits ist auch formularmäßig ohne Verstoß gegen § 9 AGBG zulässig. Der Mieter wird nur in unwesentlichem Umfang in seinen Rechten eingeschränkt (vgl. BGH NJW 1988, 1201 und 1995, 255, 256).

b) An einer solchen (rechtzeitigen) Anzeige fehlt es bezogen auf die hier umstrittenen Zahlungstermine für die Monate Mai und Juni 2000. Offen bleiben kann, ob das außergerichtliche Schreiben der Bevollmächtigten der Beklagten vom 22. Mai 2000 überhaupt eine Aufrechnungserklärung enthält, was sehr zweifelhaft erscheint. Jedenfalls enthält es die Erklärung des Zurückbehaltungsrechts, was (im Falle des Bestehens von Gegenforderungen) zur Leistungsverweigerung führen konnte. Die Erklärung ist dem Kläger aber nicht mindestens einen Monat vor der Fälligkeit der Entgelte zugegangen. Gemäß Nr. III.1 S. 5 MV alt und neu war der Mietzins jeweils bis zum Ablauf des dritten Werktags eines Monats fällig. Der Mietzins Mai 2000 war demgemäß am 04. Mai, der für Juni 2000 am 05. Juni 2000 fällig gewesen. Um in zulässiger Weise gegen den Mietzins aufrechnen oder die Leistung zurückhalten zu können, hätte eine diesbezügliche Erklärung dem Kläger, bezogen auf den Mietzins für Mai 2000, spätestens am 04. April 2000 und, bezogen auf den Mietzins für Juni 2000, spätestens am 05. Mai 2000 zugehen müssen. Die Erklärung vom 22. Mai 2000 konnte deshalb allenfalls Rechtswirkungen für die Zahlungsverpflichtung des Monats Juli 2000 herbeiführen, um die es im vorliegenden Rechtsstreit aber nicht geht.

c) Die in Rede stehende Ankündigungsklausel wirkt über die wirksame fristlose Kündigung (vgl. dazu nachfolgend unter Nr. II) hinaus fort. Ihre Funktion, dem Vermieter Liquidität nicht vor Ablauf einer bestimmten (angemessenen) Frist zu entziehen (vgl. dazu BGH NJW 1988, 1201), erfüllt sie auch noch nach Kündigung des Mietverhältnisses. Das wäre nur dann anders, wenn die Beklagte die Konsequenzen aus der Kündigung gezogen und die Mietsache zurückgegeben hätte (vgl. dazu BGH NJW-RR 1988, 329; MDR 2000, 515; OLG Düsseldorf, 10. Zivilsenat, ZMR 2001, 447). Der Kläger wäre dann in der Lage gewesen, die Mieträume anderweitig zu nutzen und auf diesem Wege neue Liquidität zu schaffen. Nur unter solchen Umständen verliert die Ankündigungsklausel ihren Sinn (anders das vollständige Aufrechnungsverbot mit streitigen Gegenforderungen, vgl. dazu BGH MDR 2000, aaO), so dass eine endgültige Abrechnung der beiderseitigen Ansprüche stattzufinden hat.

4. Die (im Berufungsrechtszug vertretene) Rechtsauffassung der Beklagten, der Mietzinsanspruch des Klägers sei wegen bestehender diverser Gegenforderungen, die wie Mietzinsvorauszahlungen zu behandeln seien, gar nicht erst entstanden, ist verfehlt. Mietzinsvorauszahlungen sind Vorausleistungen des Mieters an den Vermieter, die vereinbarungsgemäß in eine Verrechnungsabrede gebracht und auf den Mietzins bezogen werden (vgl. Bub/Treier/Scheuer, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl. Rn. III 712f und V 324 m.w.N.). Dabei kann es sich um Leistungen des Mieters in Geld, um Sachleistungen (z. B Verwendungen auf die Mietsache, vgl. BGH NJW 1970, 2289) oder um Dienstleistungen handeln. Im Streitfall fehlt es an der vereinbarten Verrechnungsabrede, die auch die Beklagte nicht behauptet. Keine der von der Beklagten ins Feld geführten Gegenforderungen kann deshalb als Mietzinsvorauszahlung behandelt werden. Sie können (einseitig) nur im Wege der Aufrechnung gegen den Mietzins verwendet werden, was hier aber unzulässig ist (s.o. unter 3 c).

II. Räumungsbegehren

Die Beklagte wehrt sich auch ohne Erfolg gegen das Herausgabeverlangen des Klägers. Das Vertragsverhältnis ist beendet, so dass der Kläger Herausgabe der Mietsache gemäß § 556 Abs. 1 BGB verlangen kann.

1. Der Senat lässt ausdrücklich offen, ob der Kläger sein Herausgabeverlangen auch auf die Beendigungsklausel (Nr. VIII.3 MV neu ) stützen kann oder ob sie wegen missbräuchlicher Ausnutzung des erteilten Dispenses vom Selbstkontrahierungsverbot (§ 181 BGB) den Kläger daran hindert, sich auf das erworbene Recht zu berufen (§ 242 BGB) oder gar den ganzen Neumietvertrag wegen sittenwidriger Ausnutzung einer Rechtsposition gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig macht.

2. Das Mietverhältnis ist jedenfalls infolge der Kündigungserklärung vom 05. Juni 2000 beendet worden, wie das Landgericht im Ergebnis zutreffend festgestellt hat.

a) Allerdings kann sich der Kläger entgegen den im angefochtenen Urteil angestellten Erwägungen nicht auf die Zahlungsrückstandsklausel (Nr. VIII.2 MV alt und neu) stützen. Diese ist wegen unangemessener Benachteiligung der Beklagten (§ 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG) insgesamt nichtig. Die Klausel weicht zu Lasten des Mieters von zwei gesetzlichen Regeln des § 554 Abs. 1 S. 1 BGB ab. Zum einen soll die Kündigung bei unterbliebener Erfüllung bestimmten Umfangs verschuldensunabhängig möglich sein, nämlich nicht nur bei Verzug, der Verschulden voraussetzt (§ 285 BGB), sondern auch bei bloßem "Rückstand", der auch dann eintritt, wenn ein Verschulden des Mieters nicht feststellbar ist. Zum andern wird die Kündigung ermöglicht, wenn der Mieter "Zahlungen des Mietzinses ... länger als einen Monat" unterlässt. Das bedeutet, dass schon die Nichtzahlung eines Betrages von nur einer Mark über einen Zeitraum von nur einen Monat zur Vertragsbeendigung führen kann. Der Bundesgerichtshof (NJW 1986, 424) hat schon die formularmäßige verschuldensunabhängige Rückstandsklausel allein für so benachteiligend gehalten, dass die Nichtigkeitsfolge eintritt. Wird sie , wie hier, noch verschärft, indem der Rückstandsumfang gegenüber der gesetzlichen Regelung bedeutend herabgesetzt wird, gilt das erst recht.

b) Die Kündigungserklärung, zu deren Abgabe der Kläger auch allein berechtigt gewesen ist, sofern es um die Beendigung des Altmietvertrages ging, 571 Abs. 1 BGB, hat vielmehr auf der Grundlage des § 554 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BGB, der bei Nichtigkeit der vertraglichen Kündigungsklausel zur Anwendung kommt (§ 6 Abs. 2 AGBG), den Mietvertrag beendet. Die Beklagte war im Zeitpunkt der Kündigung mit Mietzinszahlungen für zwei aufeinanderfolgende Termine (Mai und Juni 2000) im Rückstand. Der Rückstand war auch verschuldet, weshalb sich die Beklagte im Verzug befand. Spätestens am 16. Mai 2000 waren die neu bestellten Geschäftsführer der Beklagten im Besitz beider Mietverträge. Ferner waren sie anwaltlich vertreten. Sie mussten daher wissen, welcher Mietzins geschuldet war und dass ihnen (noch) kein Gegenrecht zustand, mit welchem sie die Ansprüche des Klägers auch ohne Zahlung hätte abwehren können. Falls die Beklagte durch ihre Bevollmächtigten diesbezüglich falsch beraten worden sein sollte, hat sie sich deren Verschulden gemäß § 278 BGB zurechnen zu lassen.

Schließlich ist der Mietzins (einmalig) auch angemahnt worden (GA 44) . Das verlangt zwar nicht die gesetzliche Regelung. Diese Notwendigkeit ergibt sich aber aus der Anwendung der (unwirksamen) Rückstandsklausel. Der Kläger als Klauselverwender kann sich nämlich nicht auf deren Unwirksamkeit berufen (vgl. BGH NJW 1987, 2506).

3. Die Kündigungserklärung ist nicht nachträglich unwirksam geworden. Wegen der wirksamen Ankündigungsklausel (Nr. IV MV alt und neu) konnte die Beklagte gegen die rückständigen Mietzinszahlbeträge der Monate Mai und Juni 2000 nicht mit Erfolg die Aufrechnung mit den behaupteten Gegenforderungen erklären (vgl. dazu oben unter Nr. I.3), so dass § 554 Abs. 1 S. 3 BGB nicht zur Anwendung kommen konnte.

III. Zinsen

Der Kläger kann gemäß § 288 BGB n.F. nur den gesetzlichen Zinssatz für Verzug verlangen, nach oben begrenzt durch die begehrten 8,42 % Zinsen, weil er jede Darlegung zur Frage des erlittenen Zinsschadens vermissen lässt. Wegen der Unschlüssigkeit dieses Vorbringens bleibt das diesbezügliche Schweigen der Beklagten unschädlich. Das Juni-Entgelt kann der Kläger erst ab Verzugseintritt (05. Juni 2000, § 284 Abs. 2 BGB) verzinst verlangen und nicht schon ab 23. Mai 2000, wie verlangt und zuerkannt.

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die von der Beklagten erlittene Beschwer übersteigt den Betrag von 60.000,00 DM, so dass die Wertrevision kraft Gesetzes eröffnet ist.

Berufungsstreitwert:

Zahlung 13.920,00 DM

Räumung (12 x 6.960,00 DM) 83.520,00 DM

Summe 97.440,00 DM

Ende der Entscheidung

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