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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 05.11.2002
Aktenzeichen: 24 U 21/02
Rechtsgebiete: BGB, ZPO
Vorschriften:
BGB § 126 a.F. | |
BGB § 150 Abs. 2 | |
BGB § 166 | |
BGB § 565 | |
BGB § 565 Abs. 2 a.F. | |
BGB § 566 a.F. | |
BGB § 566 S. 1 | |
BGB § 566 S. 2 a.F. | |
ZPO § 97 Abs. 1 | |
ZPO § 543 Abs. 2 | |
ZPO § 708 Nr. 10 | |
ZPO § 711 |
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am 05. November 2002
In dem Rechtsstreit
hat der 24. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 01. Oktober 2002 durch seine Richter Z, E und R
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 12. Dezember 2001 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Duisburg abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist hat in der Sache Erfolg. Der Kläger kann gegen die Beklagte aus dem Mietvertrag der Parteien vom 21. März 1999 keinen Anspruch auf Zahlung der Miete für den Monat April geltend machen. Das Mietverhältnis wurde durch die Kündigungserklärung der Beklagten vom 02. August 2000 zum 31. März 2001 beendet. Durch die formunwirksame Nachtragsvereinbarung über die Reduzierung der Mietfläche um einen Kühlraum entsprach der Mietvertrag nicht mehr der Schriftform des § 566 BGB a.F., so dass er nach Ablauf eines Jahres nach der Änderung gekündigt werden konnte. Im Einzelnen gilt Folgendes:
I.
Dem Landgericht ist darin zu folgen, dass der ursprüngliche Mietvertrag vom 21. März 1999 nach §§ 566, 126 BGB a.F. wirksam für die Dauer der Vertragslaufzeit abgeschlossen wurde.
1. Ein für längere Zeit als ein Jahr geschlossener Mietvertrag über ein Grundstück genügt dann der Schriftform des § 566 BGB, wenn sich die wesentlichen Vertragsbedingungen - insbesondere Mietgegenstand, Mietzins sowie Dauer und Parteien des Vertrages - aus der Vertragsurkunde ergeben (BGH NJW 1999, 2591 mit weiteren Nachweisen). Bei einer aus mehreren Seiten bestehenden Urkunden ist zur Wahrung der Schriftform eine feste Verbindung der Vertragsseiten nicht zwingend erforderlich. Ausreichend ist es, wenn sich die Einheitlichkeit des Vertrages aus einer fortlaufenden Paginierung der Seiten, einer fortlaufenden Nummerierung der einzelnen Vertragsbestimmungen, einheitlicher graphischer Gestaltung, inhaltlichem Zusammenhang des Textes oder vergleichbaren Merkmalen zweifelsfrei ergibt (BGHZ 136, 357 f.). Auch eine Unterschrift aller Seiten und eine eindeutige Verweisung auf Anlagen in der Mietvertragsurkunde genügt der Schriftform (BGH NJW 1999, 1104 f.).
Dies trifft auf den vorliegenden Mietvertrag vom 21. März 1999 zu. Eine feste Verbindung der Vertragsseiten und Anlagen - deren Fehlen von der Beklagten gerügt wird - war im Hinblick auf die im übrigen gegebene äußere Einheitlichkeit des Vertrages zur Wahrung der Schriftform nicht erforderlich. Die Seiten des Mietvertrages weisen ein einheitliches Schriftbild auf, die einzelnen Abschnitte des Vertragstextes sind fortlaufend in Paragraphen gegliedert und entsprechend nummeriert. Zudem wurden sämtliche Seiten des Vertrages von dem Kläger und dem Zeugen G. mit Paraphen versehen.
Hinsichtlich der Anlagen ergibt sich die Einheitlichkeit von Vertragstext und Plänen zum einen aus der erfolgten Unterzeichnung bzw. Paraphierung der Anlagen durch die Parteien. Zudem wird in § 1 des Mietvertrage ausdrücklich auf den beigefügten Lageplan und die darin vorgenommenen farbigen Kennzeichnungen zur Bezeichnung des Mietgegenstandes Bezug genommen.
Soweit die Beklagte sich pauschal darauf berufen hat, die Anlagen zum Mietvertrag hätten zu keinem Zeitpunkt vorgelegen, ist ihr Vorbringen unbeachtlich, da es in tatsächlicher Hinsicht widersprüchlich ist. Die Beklagte hat nämlich nicht in Abrede gestellt, dass die auf den Vertragsunterlagen befindlichen Unterschriften von dem Zeugen G. stammen, was aber notwendig voraussetzt, dass ihm diese vorgelegen haben. Auch ist sie dem Vorbringen des Klägers nicht entgegen getreten, dass es der Zeuge G. war, der die Mietfläche in den Plänen (Anlagen K 1. 8 f.) farbig markiert hat.
2. Durch die Anlagen zum Mietvertrag (K 1.8 bis K 1.11) selbst wird der Umfang des Mietobjektes auch entgegen den Rügen der Beklagten hinreichend bestimmt. Im Hinblick darauf, dass die anzumietenden Räumlichkeiten und die Halle noch umgebaut werden sollten, ist es ohne weiteres nachvollziehbar, dass die Bezeichnungen in den Plänen (z.B. Bäckerei, etc.), nicht der entgültigen Nutzung als Getränkemarkt entsprochen hat.
Anlage K 1.8 enthält offensichtlich eine Grundrisszeichnung der Mieträume, die in dem Plan auch bereits als "Getränkeabhollager, Groß- und Einzelhandel mit Getränken..." bezeichnet wird. Aus der weiteren Anlage K 1.9 ist bei Vergleich mit der Anlage K 1.8 eindeutig zu ersehen, dass es sich hierbei um eine Grundrisszeichnung des Gesamtobjektes handelt, in der auch die weiteren im Gesamtobjekt befindlichen Räume eingezeichnet sind. Anlage K 1.10 ist erkennbar eine Aufsichtzeichnung des Mietobjektes, der Straße und zum Teil der angrenzenden Grundstücke, in der die Mietfläche deutlich hervorgehoben und zusätzlich mit dem Zusatz "Verkaufsfläche innen 1050 m²" gekennzeichnet ist, was der im Mietvertrag angenommenen Fläche entspricht. Anlage K 1.11 zeigt schließlich eine Übersicht über die umliegende Bebauung.
Dass durch diese Anlagen die vermieteten Flächen des Objektes hinreichend gekennzeichnet wurden, ergibt sich auch daraus, dass die Beklagte das Objekt unstreitig während der gesamten Mietdauer nutzte, ohne dass es jemals zu Schwierigkeiten oder Unklarheiten hinsichtlich Umfangs der zu nutzenden Mietfläche gekommen wäre.
3. Der Annahme der Einhaltung der Schriftform steht auch die Behauptung der Beklagten nicht entgegen, dass ihrem Geschäftsführer Sch. bei Unterzeichnung der Vertragsurkunde die Anlagen zum Mietvertrag nicht vorgelegen haben. Selbst wenn dies der Fall gewesen wäre, muss sich die Beklagte so behandeln lassen, als wären ihrem Geschäftsführer die Anlagen zum Mietvertrag bekannt gewesen. Denn dieser muss sich im Rahmen der Vertragserklärungen gemäß § 166 BGB die Kenntnis des Zeugen G. vom vollständigen Vertragsinhalt zurechnen lassen.
II. Der ursprünglich den Anforderungen des § 566 BGB a.F. entsprechende Mietvertrag ist jedoch durch die später vorgenommene und nicht schriftlich vereinbarte Reduzierung der Mietfläche um einen Kühlraum und die entsprechende Verminderung des Mietzinses formunwirksam i.S.d. § 566 S.1 BGB geworden, so dass er gemäss § 566 S. 2 BGB mit Ablauf eines Jahres nach der vereinbarten Abänderung gekündigt werden konnte.
1. Zwischen den Parteien ist eine Vereinbarung über eine Abänderung des Mietvertrages getroffen worden.
Soweit der Kläger bei seinem Vortrag im Berufungsrechtszug davon ausging, dass er den auf der rechten Seite, in der Anlage BB 1 als Kühlraum 2 bezeichneten Raum aus dem Vertrag "herausgenommen" habe, mag er zwar seinerzeit irrtümlich davon ausgegangen sein, dass dieser Raum von der Beklagten gemeint war. Aus dem Schreiben vom 04.Februar 2000, in dem die Beklagte eine Mietreduzierung von 360,-DM vorgenommen hatte, was nach dem vereinbarten Quadratmeterpreis einer Fläche von 36 m² entspricht, war aber für den Kläger, der zunächst nur die Herausnahme einer geringeren Fläche (nämlich 3,6 x 8,8 m²) angeboten hatte, erkennbar, dass die Beklagte abweichend von seinem Angebot offensichtlich einen anderen, größeren Raum aus der Mietfläche herausnehmen wollte. Da er dieser Erklärung nicht widersprochen hat, die Beklagte daraufhin den von ihr gekennzeichneten Bereich unstreitig nicht weiter nutzte und der Kläger das Mietverhältnis unverändert fortsetzte, kann sein Verhalten objektiv nur so verstanden werden, dass er der geänderten Annahmeerklärung der Beklagten, die nach § 150 Abs. 2 BGB ein neues Angebot darstellte, zustimmen wollte. Hierfür spricht insbesondere auch seine Erklärung im vorliegenden Rechtsstreit, dass eine Einigung über die Herausnahme der von der Beklagten in dem Schreiben 04. Februar 2000 bezeichneten Fläche erfolgt sei.
2. Hinsichtlich der Vertragsänderung ist die Schriftform, die im Hinblick auf die Laufzeit vorgeschrieben ist, nicht eingehalten worden.
Das Formerfordernis des § 566 BGB gilt auch für nachträgliche wesentliche Vertragsänderungen. Nicht formbedürftig sind nur geringfügige Änderungen, die entweder auf das langfristige Mietverhältnis ohne Einfluss bleiben oder nur aus Anlass des langfristigen Mietvertrages geschlossen werden, ohne wesentlicher Bestandteil des Mietvertrages zu sein. Die Einhaltung der Schriftform ist jedoch - wie vorliegend - stets erforderlich, wenn das Mietverhältnis in seinem Kern betroffen ist, weil sich der Vertragsgegenstand verändert, etwa weil die Mietfläche erheblich reduziert wird und der darauf entfallende Mietzinsanteil endgültig entfällt (Senat, Urteil vom 29.06.1999, 24 U 53/98, nicht veröffentlicht; Wolf/Eckert a.a.O. Rn. 112 mit weiteren Nachweisen; Palandt/ Weidenkaff, BGB, 60. Auflage § 566 a.F. Rn. 16 f.).
Das Schreiben der Beklagten vom 04. Februar 2000 genügt nicht der erforderlichen Schriftform. Denn es trägt lediglich die Unterschrift der Beklagten. Eine schriftliche Vereinbarung über die Verringerung der Mietfläche, die von beiden Parteien gegengezeichnet wurde, besteht nicht.
2. Die Nichteinhaltung der Form führt gemäß § 566 S. 2 BGB a.F. zur Umwandlung des befristeten Mietverhältnisses in ein unbefristetes, also mit den gesetzlichen Fristen jederzeit kündbares Mietverhältnis. Das beiderseitige Vertrauen der Vertragsparteien in die beabsichtigte Langfristigkeit des Mietverhältnisses wird aus Gründen der Rechtssicherheit und -klarheit nicht mehr geschützt, und zwar auch dann nicht, wenn es seit der formdefizitären Vertragsabänderung zu keinem das Grundstück betreffenden Veräußerungsakt gekommen ist (BGH NJW 1987, 948; Senat a.a.O.). Der Vertrag kann daher nach der Mindestlaufzeit von einem Jahr gekündigt werden, wobei diese Mindestlaufzeit mit dem Abschluss des Änderungsvertrages zu laufen beginnt (BGH NJW 1999, 54; NJW-RR 90,518; Palandt/Weidenkaff a.a.O. § 566 Rn.18).
Danach war die Beklagte berechtigt, den Mietvertrag mit Erklärung vom 02.August 2000 unter Einhaltung der Kündigungsfrist des § 565 BGB zum 31. März 2001 zu kündigen. Die zur Formunwirksamkeit führende Mietvertragsänderung ist spätestens im Anschluss an das Schreiben vom 04.Februar 2000 vorgenommen worden, so dass der Vertrag entsprechend § 566 BGB jedenfalls zum Ablauf des Monats Februar 2001 unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist kündbar war. Die Kündigung erfolgte fristgerecht bis zum 3. Werktag des letzten Quartals 2000 (Zugang 07. August 2000) und wurde daher wirksam mit Ablauf des nächsten Kalendervierteljahres, § 565 Abs. 2 BGB a.F.
3. Gegenüber diesem Formverstoß kann sich der Kläger nicht auf den Einwand einer unzulässigen Rechtsausübung durch die Beklagte berufen.
a. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Vereinbarung über die Reduzierung der Mietfläche auf Anstoß der Beklagten zustande kam oder dass diese die Einhaltung der erforderlichen Form treuwidrig verhindert hat. Der Kläger hat sein Vorbringen zum Zustandekommen der Änderungsvereinbarung trotz des Bestreitens der Beklagten nicht unter Beweis gestellt. Dies geht jedoch zu seinen Lasten, weil er nach allgemeinen Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast für die tatsächlichen Umstände eines Verstoßes der Beklagten gegen Treu und Glauben trägt.
b. Ein Verstoß gegen Treu und Glauben (Verbot des venire contra factum proprium) kommt zwar im Einzelfall auch dann in Betracht, wenn die Vertragsparteien eine Änderung übereinstimmend gewollt haben, weil diese für beide Vertragsparteien wirtschaftlich vorteilhaft war, wenn sie diese auch einvernehmlich über einen längeren Zeitraum umgesetzt haben und wenn sich schließlich eine Partei, weil ihr der Vertrag insgesamt lästig wird, zur Begründung der Kündigung auf die Formunwirksamkeit der Regelung beruft (vgl. Senat, Urteil vom 15. November 1994, 24 U 28/94, nicht veröffentlicht). Das ist hier jedoch nicht der Fall, weil die verminderte Mietfläche nur über einen Zeitraum von etwa sechs Monaten von der Beklagten genutzt, was für die Annahme eines treuwidrigen Verhaltens nicht ausreichend ist.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
IV. Die Revision ist nach § 543 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen, da die dort genannten Zulassungsgründe nicht gegeben sind.
Ende der Entscheidung
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