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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 08.10.2002
Aktenzeichen: 24 U 237/01
Rechtsgebiete: BGB, NMV, WoBindG, ZPO


Vorschriften:

BGB § 288
BGB § 291
BGB § 535
NMV § 20
NMV § 20 Abs. 3
WoBindG § 8 a
ZPO § 92 Abs. 1
ZPO § 101
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 543 Abs. 2
ZPO § 711
ZPO § 713
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

24 U 237/01

Verkündet am 8. Oktober 2002

In dem Rechtsstreit

hat der 24. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 17.September 2002 durch die Richter Z, T und R

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Kläger wird - unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen - das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg vom 27. November 2001 abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger als Gesamthandsgläubiger 12.063,25 € nebst 4 % Zinsen seit dem 12. Juni 2001 zu zahlen.

Der Beklagten werden die Kosten des Rechtsstreits sowie die Kosten der Streithelferin auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Kläger und die als Unterstützungserklärung auszulegende Berufung der Streithelferin haben in der Sache im wesentlichen Erfolg. Sie führen zur Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 12.063,25 € nebst 4 % Zinsen ab Rechtshängigkeit.

I.

Die Berufung der Streithelferin ist als eine Unterstützungserklärung der Nebenintervenientin im Rahmen der Berufung der Kläger und nicht als selbständiges Rechtsmittel zu werten.

Dabei kann dahinstehen, ob die Berufung der Streithelferin deshalb als unzulässig anzusehen ist, weil sie das Rechtsmittel nicht innerhalb der für die Kläger laufenden Berufungsfrist eingelegt hat. Maßgeblich ist auch für den Nebenintervenienten die Rechtsmittelfrist, die für die Partei läuft, da für ihn - von hier nicht vorliegenden Ausnahmefällen abgesehen (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 23. Aufl. § 69 Rn. 7 m.w.N.) - eine gesonderte Rechtsmittelfrist nicht gegeben ist. (BGH NJW 1985, 2480/2481; 1990,190; Thomas/Putzo, ZPO, 24. Auflage, § 67 Rz. 4).

Die eingelegte Berufung der Nebenintervenientin ist jedenfalls deshalb nicht als unzulässig zu verwerfen weil sie als Unterstützungserklärung für die Berufung der Kläger zu bewerten ist. Da die Berufungen der Hauptpartei und des Nebenintervenienten als einheitliches Rechtsmittel der Hauptpartei zu werten sind, kommt der Berufung der Streithelferin keine eigenständige Bedeutung zu; ihre "Berufung" im Anschluss an die Berufung der Hauptpartei gilt als Unterstützungserklärung und nicht als ein selbständiges Rechtsmittel (vgl. BGH NJW 1990, 190/191; Baumbach/Hartmann, ZPO, 60. Auflage § 67 Rn.12).

II.

Ansprüche der Kläger auf die geltend gemachten und der Höhe nach unstreitigen Nebenkostenforderungen ergeben sich aus § 5 des Mietvertrages vom 4. April 1991 i.V.m. § 535 BGB. Die Kläger sind an der Nachforderung der Nebenkosten weder durch § 20 NMV (Neubaumietenverordnung) noch durch Verjährung oder Verwirkung gehindert.

1.

Ansprüche der Kläger auf Nebenkostennachforderungen für die Jahre 1993 bis 1997 sind nicht ausgeschlossen, weil die Abrechnung der Kläger nicht nach § 20 Abs. 3 NMV innerhalb eines Jahres nach Ablauf des Abrechnungszeitraums erfolgte. Diese Vorschrift findet auf das vorliegende Mietverhältnis keine Anwendung, da es sich um ein gewerbliches, und nicht um ein Wohnraummietverhältnis handelt.

Die Vorschriften des WoBindG und damit auch der im Rahmen der Berechnung der Kostenmiete nach § 8 a WoBindG anwendbare § 20 NMV (vgl. Schubert/Kohlenbach/Bohndick: Wohnungsbau, Kommentar, Stand: 12/01 zu § 20 NMV Anm.1) sollen sicherstellen, dass die mit staatlichen Mitteln geförderten Wohnungen ihrer Zweckbestimmung entsprechend genutzt werden, nämlich zugunsten der Bevölkerungskreise, für die die Fördermittel des sozialen Wohnungsbaus bestimmt sind (Schubert/Kohlenbach a.a.O. § 1 WoBindG Anm.1). Dieser Schutzzweck entfällt bei sonstigen Mietverhältnissen.

Bei dem Mietvertrag der Parteien handelt es sich nicht um einen Wohnraum-, sondern einen Gewerberaummietvertrag. Werden Räume von Unternehmen oder Behörden zum Zwecke der Weitervermietung an Dritte (Wohnungsbenutzer) vermietet, ist nach ständiger Rechtsprechung ein Gewerbemietvertrag und kein Wohnraummietverhältnis anzunehmen. Es kommt in diesem Fall ausschließlich auf den von den Vertragsteilen gewollten Zweck an. Da der vertragsgemäße Gebrauch im vorliegenden Fall nicht im Wohnen, sondern in der Weitervermietung besteht, ist das zugrundeliegende Vertragsverhältnis als Gewerbemietraumverhältnis zu beurteilen (vgl. BGH ZMR 1981, 332; OLG Stuttgart ZMR 1985, 14; VGH Kassel ZMR 1993, 388/390; Schmidt-Futterer/Blank: Wohnraumschutzgesetze 6. Auflage, 1988, B 9 mit weiteren Nachweisen). Entscheidend ist deshalb auch nicht, ob der Hauptmieter eigene wirtschaftliche Interessen verfolgt. Auch bei Anmietung eines Hauses durch einen gemeinnützigen Verein zur Förderung der Rehabilitierung psychisch Kranker ist ein gewerblicher Mietvertrag anzunehmen, wenn einzelne Zimmer an die Kranken weitervermietet werden sollen (OLG Karlsruhe RE vom 21. Oktober 1983, zitiert nach Juris, dort Seite 3 = WuM 1984, 10 f.; Schmidt-Futterer/Blank a.a.O., B 9). Dem Umstand, dass die Wohnungen letztlich - wie im Streitfall - im Rahmen der Sozialbindung zu Wohnzwecken genutzt werden, kommt dabei in Bezug auf das Mietverhältnis zwischen Vermieter und Hauptmieter keine Bedeutung zu, da ihr Verhältnis nach dem zwischen ihnen maßgeblichen Vertragsinhalt zu beurteilen ist (vgl. BGH ZMR 1981, 332; OLG Stuttgart ZMR 1985, 14).

Dem steht auch nicht der Einwand der Beklagten entgegen, die Kläger müssten sich im Verhältnis zu ihr ebenfalls den Beschränkungen des öffentlichen Wohnungsbaus unterwerfen, weil sie diese im Mietvertrag an die Beklagte weitergegeben hätten und weil ihnen die öffentlichen Fördermittel zugute gekommen seien. Dem widerspricht nämlich die vertragliche Ausgestaltung des Mietvertrages. Die öffentliche Bindung und die daraus folgende Beschränkung der Weitervermietung unter Zugrundelegung der Kostenmiete hat im Rahmen des von der Beklagten zu entrichtenden monatlichen Mietzinses Berücksichtigung gefunden. Für den Fall, dass die Wohnung an die Endmieter frei vermietbar gewesen wären, ist davon auszugehen, dass im Hauptmietvertrag zwischen den Parteien ein höherer Quadratmeterpreis als 6,70 DM/m² vereinbart worden wäre, da dies für den freien Markt einen niedrigen Mietzins darstellt.

Zudem war das wirtschaftliche Risiko der Untervermietung nach § 4 des Vertrages allein der Beklagten auferlegt.

2.

Die Kläger können die Zahlung der Nebenkosten für 1993 auch fordern, obwohl diese bei ordnungsgemäßer Abrechnung im Jahr 1994 bereits Ende 1998 verjährt gewesen wären. Die Nachzahlungsforderungen verjähren insgesamt erst mit Ablauf des Jahres 2003, weil die Kläger erst im Jahr 1999 eine ordnungsgemäße Abrechnung der Nebenkosten erteilt haben. Nach ständiger Rechtsprechung werden Nebenkostennachforderungen erst fällig, wenn der Vermieter eine ordnungsgemäße Abrechnung über die Nachzahlungsforderungen erteilt (BGH NJW 1991, 836; Wolf/Eckert: Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechtes, 8. Auflage, Rn. 531). Dass es damit der Vermieter in der Hand hat, durch Verzögerung der Abrechnung den Beginn der Verjährung hinauszuschieben, steht dem nicht entgegen. Der Mieter ist insofern geschützt, als er seinen Anspruch auf Abrechnung gerichtlich durchsetzen kann. Zudem erlangt auch er einen Vorteil, weil die Verjährung seines Anspruchs auf Rückzahlung überzahlter Nebenkosten ebenfalls erst mit Zugang der Abrechnung zu laufen beginnt (BGH a.a.O.; OLG Düsseldorf, 10. Zivilsenat, ZMR 2000, 215 f.; Wolf/Eckert a.a.O. Rn 531; Schmid, Handbuch der Mietnebenkosten, 6. Auflage Rn. 3228).

3.

Die Beklagte kann sich auch nicht auf eine Verwirkung aller Nebenkostenforderungen für die Jahre 1993 bis 1997 berufen. Die Beklagte durfte nicht darauf vertrauen, dass sie bezüglich der geltend gemachten Positionen Nachforderungen der Kläger nicht mehr ausgesetzt sein würde.

Die früher in der Rechtsprechung der erstinstanzlichen Gerichte vielfach vertretene Auffassung, dass der Vermieter seinen Anspruch auf Erstattung der Betriebskosten verwirke, wenn er nicht ein Jahr nach Ablauf des Abrechnungszeitraums eine Abrechnung erstellt, ist der Bundesgerichtshof eindeutig entgegengetreten (BGH NJW 1984, 1684). Demgemäß geht auch die ständige Rechtsprechung der Oberlandesgerichte dahin, dass allein durch das Unterlassen des Abrechnens der Nebenkosten noch nicht einmal das Zeitmoment einer Verwirkung eintritt, da es hierfür vielfache Ursachen geben kann, so etwa, dass die Abrechnung einfach vergessen wurde (Senat OLGR 2000, 281/282; OLG Köln NJW-RR 99, 231, jeweils mit weiteren Nachweisen). Der Verstoß gegen Treu und Glauben, der den Verwirkungstatbestand begründet, besteht nämlich in der Illoyalität der verspäteten Geltendmachung des Anspruchs, die darin zu sehen ist, dass die Forderung noch verfolgt wird, obwohl der Vertragspartner bereits darauf vertrauen durfte, dass keine Forderungen mehr geltend gemacht werden, und er sich hierauf auch bereits eingerichtet hatte (BGH NJW 1984, 1684 mit weiteren Nachweisen).

Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, dass sie sich wegen verspäteter Abrechnungen dem Einwand der Mieter nach § 20 NMV ausgesetzt sieht. Auch wenn sie sich bereits darauf eingerichtet hatte, dass die Kläger ihrerseits die Nebenkosten nicht mehr abrechnen würden, lag doch ein von den Klägern veranlasster Vertrauenstatbestand, der diese Annahme rechtfertigen würde, nicht vor. Über das bloße und auf einem Versehen beruhende Unterlassen der Abrechnung hinaus lagen nämlich keine entsprechenden Umstände vor.

a)

Bei den abgerechneten Kosten handelte es sich um Positionen, mit deren Entstehung - anders etwa bei Gartenpflege- oder Hausmeisterkosten - regelmäßig zu rechnen ist.

b)

Auch hatte die Beklagte, weil sie keinerlei Vorauszahlungen geleistet hatte, kein berechtigtes Vertrauen dahin, dass bisherige Zahlungen zur Abdeckung der Kosten ausreichend sein könnten.

c)

Zudem wurden auch von den Klägern andere Positionen nicht bereits zu einem früheren Zeitpunkt abgerechnet, so dass die Beklagte im Hinblick auf diese Abrechnungen davon ausgehen konnte, dass daneben weitere Positionen nicht geltend gemacht würden.

d)

Ein berechtigtes Vertrauen konnte die Beklagte schließlich auch nicht deswegen haben, weil die Kläger die Betriebskosten nicht innerhalb eines Jahres nach Ablauf der Abrechnungsperiode abrechneten. Die Kläger waren nach Treu und Glauben nicht gehalten, eine frühere Abrechnung zu erstellen. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des den Klägern bekannten Umstandes, dass die Beklagte im Verhältnis zu ihren Endmietern der Ausschlussfrist des § 20 NMV unterlag.

Die Beklagte war nach § 5 Abs. 2 des zwischen den Parteien bestehenden Mietvertrages verpflichtet, den Endmietern die Zahlung der Betriebskosten i.S.d. § 27 Abs. 1 der II. BV aufzuerlegen. Sie hätte danach zur Absicherung ihrer wirtschaftlichen Position von den Endmietern Nebenkostenvorauszahlungen unter Kalkulation der hier streitigen Positionen erheben müssen. Bereits mit Ablauf der ersten Abrechnungsperiode hätte sie gegenüber ihren Mietern dann auch diese Positionen abrechnen müssen. Dass die Beklagte die Erhebung von Nebenkostenvorausleistungen unterlassen hat, war für die Kläger nicht erkennbar und im Hinblick auf § 5 Abs. 2 Mietvertrag aus ihrer Sicht auch nicht zu erwarten. Selbst wenn die Kläger daher - z.B. wegen des Ausbleibens der Anforderung von Belegen durch die Beklagte - hätten erkennen können, dass die Beklagte ihrer Pflicht zur Erstellung von fristgerechten Abrechnungen nach § 20 Abs. 3 NMV nicht nachkam, konnten sie jedoch berechtigt annehmen, dass die Positionen bei der Beklagten ausreichend durch Vorschusszahlungen gedeckt sein würden.

Zudem oblag der Beklagten ihrerseits im Rahmen des § 20 NMV die Verpflichtung, bei den Klägern wegen des Ausbleibens der Abrechnungen nachzufragen. Dies hätte unstreitig dazu geführt, dass Abrechnungen zeitnah erteilt worden wären, weil das Unterlassen der Abrechnung nur auf einem Versehen der Kläger beruhte. Das von der Beklagten behauptete schadensursächliche Verhalten beruht danach maßgeblich auch darauf, dass sie sich im Verhältnis zu ihren Endmietern nicht vertragstreu verhalten hat. Im Rahmen der Abrechnungsfrist nach § 20 NMV ist nämlich der Vermieter, falls er an einer Abrechnung innerhalb der Ausschlussfrist gehindert ist, verpflichtet, alle zumutbaren Bemühungen zu unternehmen, um sich die für die Abrechnung erforderlichen Unterlagen rechtzeitig zu beschaffen, die Abrechnung fristgerecht zu erstellen und zu versenden. Hierzu gehört, dass der Vermieter auf dritte Personen einwirkt, Rechnungen und Belege so rechtzeitig zu übersenden, dass er seinerseits die Abrechnung rechtzeitig erstellen kann (AG Gronau DWW 1988, 213; Schmid: Handbuch der Mietnebenkosten, 6. Auflage, 2001, Rz.3159; Palandt/Weidenkaff, 61. Auflage zum inhaltsgleichen § 556 Abs. 3 BGB n.F. Rn. 12).

e)

Gegen die Annahme einer Verwirkung spricht schließlich auch, dass sich die Beklagte bereits außergerichtlich bereit erklärt hatte, die Nebenkostenanteile für die Gewerberäume zu zahlen, obwohl auch insoweit der gleiche Zeitablauf eingetreten war. Die Beklagte ging daher offensichtlich selbst, auch unter Berücksichtigung des Zeitmomentes, nicht davon aus, dass die Ansprüche verwirkt waren.

III.

Die Kläger können allerdings eine Verzinsung der Forderung gemäß § 291 BGB in Höhe von 4 % erst ab Rechtshängigkeit der Klage, d.h. ab 12. Juni 2001 geltend machen. Die Kläger haben eine frühere Mahnung nicht hinreichend dargetan. Im übrigen kommt, da die Forderungen der Kläger vor dem 1. Mai 2000 fällig waren, § 288 BGB in seiner vor dem 1. Mai 2000 gültigen Fassung zur Anwendung, der einen gesetzlichen Zinssatz von 4 % vorsieht.

Der Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 2. Oktober 2002 gibt keinen Anlass, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 101 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

V.

Die Revision ist nach § 543 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen, da die dort genannten Voraussetzungen nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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