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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 20.12.1999
Aktenzeichen: 24 U 76/99
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, BRAGO


Vorschriften:

BGB § 612 Abs. 1
BGB § 138 Abs. 1
BGB § 627 Abs. 1
BGB § 628 Abs. 1 S. 2
BGB § 626
BGB § 196 Abs. 1 Nr. 15
BGB § 201 S. 1
BGB § 208
BGB § 781
BRAGO § 3
BRAGO § 118 I Nr. 1 u. Nr. 2
BRAGO § 12 Abs. 2 S. 1
BRAGO § 16 S. 1
BRAGO § 18 Abs. 1 S. 1 u. 2
ZPO § 288
ZPO § 532
ZPO § 290
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Verkündet am 20. Dezember 1999

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 24. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die am 07. Dezember 1999 geschlossene mündliche Verhandlung unter Mitwirkung seiner Richter Z, E und

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 1. Zivilkammer - Einzelrichterin - des Landgerichts Düsseldorf vom 11. Februar 1999 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

Das Rechtsmittel des Beklagten, mit welchem er seine nach Aufhebung des klageabweisenden Versäumnisurteils vom 24. September 1998 erfolgte Verurteilung zur Zahlung von Anwaltshonorar in Höhe von 22.117,95 DM nebst Zinsen bekämpft, bleibt ohne Erfolg.

I.

1.

Die Behauptung des Beklagten, die beauftragte, vom Zeugen G vertretene Rechtsanwaltssozietät habe die nachgesuchte und auch erbrachte außergerichtliche Beratungstätigkeit honorarfrei versprochen, ist in verfahrensrechtlich zulässiger Weise nicht unter Beweis gestellt.

a) Der Beklagte ist beweispflichtig für seine Behauptung, der beauftragte Rechtsanwalt habe die Rechtsanwaltsdienstleistung unentgeltlich zugesagt. Diese Beweislastverteilung ergibt sich daraus, dass die rechtliche Beratung nicht nur üblicherweise zu vergüten ist, wie jede andere berufsmäßig erbrachte Dienstleistung auch (§ 612 Abs. 1 BGB), sondern, dass es darüber hinaus und im Gegensatz zu sonstigen dienstvertraglichen Leistungen standeswidrig und deshalb sittenwidrig im Sinne des § 138 Abs. 1 BGB ist, rechtsanwaltliche Dienstleistungen honorarfrei zu versprechen. Im Regelfall hat der Mandant die gesetzliche Vergütung für beanspruchte rechtliche Beratung zu entrichten. Der Bundesgerichtshof hat deshalb zu § 3 BRAGO in der zuletzt durch Gesetz vom 13. Juni 1980 geänderten Fassung (BGBl I S. 677) entschieden, dass der Mandant, der behauptet, eine geringere als die gesetzliche Vergütung zu schulden, für diesen Vortrag beweisbelastet ist (BGH NJW 1997, 1285). Wer behauptet, es sei vereinbarungsgemäß keine Vergütung geschuldet, geht weiter als derjenige, der behauptet, es sei eine geringere als die gesetzliche Vergütung geschuldet. Er behauptet aber wie jener, dass die Gebührenordnung vereinbarungsgemäß keine Anwendung finden soll. Das rechtfertigt es, ihn in gleicher Weise wie jenen mit der Beweisführung zu belasten.

b) Ein nach der Prozessordnung zulässiges Beweismittel bietet der Beklagte nicht an. Es gibt keinen Anlass, seiner Anregung nachzukommen, ihn selbst zu seiner beweisdürftigen Behauptung anzuhören. Eine Aufklärung des streitigen Sachverhalts auf diesem Wege ermöglicht das Gesetz (§ 448 ZPO) nur unter ganz engen Voraussetzungen. Zu ihnen gehört, dass die streitige Tatsache in gewissem Umfange nach dem gesamten Inhalt der Verhandlung wahrscheinlich ist, also Indizien bereits festgestellt sind, die die Behauptung eher als richtig denn als falsch erscheinen lässt. Derartige Indizien liegen nicht vor. Das Gegenteil ist der Fall. Unstreitig ist nämlich, dass der außergerichtlich Bevollmächtigte des Beklagten Rechtsanwalt U in dessen Namen darum gebeten hatte, den in der Honorarnote zugrunde gelegten Gegenstandswert zu reduzieren (GA 33). Wem versprochen worden ist, unentgeltlich rechtlich beraten zu werden, verhandelt gewöhnlich nicht um die Honorarhöhe, sondern nimmt die versprochene Unentgeltlichkeit in Anspruch (vgl. dazu noch unten unter Nr. 4 c). An sein erstinstanzliches Geständnis (GA 33) ist der Beklagte gemäß §§ 288, 532 ZPO auch zweitinstanzlich gebunden. Die Voraussetzungen eines Widerrufs gem. § 290 ZPO legt der Beklagte nicht dar.

2.

Die Behauptung des Beklagten, nicht der klagende Rechtsanwalt allein, sondern nur die gesamte Sozietät sei anspruchsberechtigt, ist widerlegt. Alle Rechtsanwälte der Sozietät haben ihre Ansprüche an den Kläger abgetreten (GA 66 - 76). Der Beklagte hat auf die Vorlage der Urschriften der Urkunden im Senatstermin vom 07. Dezember 1999 verzichtet. Einwendungen gegen die Echtheit der Urkunden erhebt der Beklagte nicht, womit der erforderliche Beweis geführt ist. Der Umstand, dass die Urkunden nicht datiert sind, ist ohne Belang. Auf das Datum kommt es nicht an. Maßgeblich könnte es nur werden, wenn der Zeitpunkt der Abtretung auf den Lauf der Verjährungsfrist Einfluss haben könnte. Das ist indes nicht der Fall, wie sogleich noch auszuführen sein wird (nachfolgend unter Nr. 4 c).

3.

Richtig ist der Einwand des Beklagten, er habe das Mandat gekündigt (§ 4 dazu nachfolgend unter Nr. 4 a). Die Kündigung des Mandats durch den Beklagten durch sein Schreiben vom 17. Mai 1995 (GA 36) bleibt aber auf das von den beauftragten Rechtsanwälten verdiente Honorar sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach ohne Einfluss.

a) Wird ein Rechtsanwaltsdienstvertrag, der jederzeit ohne Angabe von Gründen und sogar grundlos gekündigt werden kann (§ 627 Abs. 1 BGB), vor Erledigung des Auftrags beendet, wie es hier durch den Beklagten geschehen ist, beeinflusst das die bis zur Beendigung des Mandats bereits verdiente Vergütung nur dann, wenn der Rechtsanwalt dem Mandanten durch vertragswidriges Verhalten Anlaß zur Kündigung gegeben hat, § 628 Abs. 1 S. 2 BGB. Das kann zu Lasten der beauftragten. Rechtsanwälte nicht festgestellt werden. Dabei kann zugunsten des Beklagten unterstellt werden, dass ihn der Schriftsatz der beauftragten Rechtsanwälte vom 08. Mai 1995 (GA 37) entgegen der Ankündigung vom 05. Mai 1995 erst nach dem 17. Mai 1995 erreicht hatte. Der Vorwurf "schlampiger" Bearbeitung des Mandats ist damit nicht dargelegt.

Richtig ist, dass Fristen, mit deren Ablauf Rechtsverluste eintreten können, unbedingt eingehalten werden müssen und dass deren Nichteinhaltung regelmäßig die Kündigung eines Mandats aus wichtigem Grunde im Sinne der §§ 628 Abs. 1 S. 2, 626 BGB indiziert. Droht ein derartiger Rechtsverlust aber nicht, dann rechtfertigt die Versäumung einer einfachen Frist die Kündigung aus wichtigem Grunde ohne vorherige Abmahnung nur dann, wenn Interessen des Mandanten in besonders schwerwiegender und erkennbarer Weise beeinträchtigt werden. Dazu trägt der Beklagte aber nichts vor. Indiziell gegen solche Umstände spricht sein Kündigungsschreiben vom 17. Mai 1995 (GA 36), in welchem zwar in einem Klammerzusatz das Nichteintreffen des angekündigten Schriftsatzes erwähnt, aber nicht als Kündigungsgrund genannt wird. Als Kündigungsgrund genannt wird vielmehr der zu seinen Gunsten veränderte Sachstand der Auseinandersetzung mit dem Streitgegner, der jetzt Vergleichsbereitschaft signalisiert hatte. Gegen die Verletzung überragender Interessen des Beklagten spricht auch die Schlusswendung des Kündigungsschreibens, in welchem der Beklagte ankündigt, "gerne (des beauftragten Rechtsanwalts) kompetente Hilfe in Anspruch nehmen (zu wollen)", falls "wider Erwarten doch noch eine gerichtliche Auseinandersetzung nötig werden (sollte)". Das geht entgegen der Ansicht des Beklagten über eine bloße Höflichkeitsfloskel weit hinaus.

b) Der dem Grunde nach berechtigte Anspruch ist auch in seiner Höhe nicht zu beanstanden. Auf die (richtige) Berechnung in der Kostennote vom 11. Juli 1997 (GA 23) wird Bezug genommen. Gegen das ausgeübte Ermessen zum Ansatz je einer 9/10-Gebühr gemäß § 118 I Nr. 1 und Nr. 2 BRAGO gibt es nichts zu erinnern. Insbesondere ist eine Gutachtenerstattung der Rechtsanwaltskammer gemäß § 12 Abs. 2 S. 1 BRAGO nicht einzuholen, weil der Beklagte den Ansatz der Rahmengebühr nicht beanstandet.

4.

Der Anspruch ist schließlich auch nicht verjährt.

a) Der Senat folgt allerdings nicht der vom Kläger verteidigten Ansicht des Landgerichts, das Schreiben des Beklagten vom 17. Mai 1995 (GA 36) stelle keine Kündigung des Mandats dar. Die Kündigung ist einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung. Sie ist, wie jede einseitige Willenserklärung, aus der Sicht des Empfängers aber objektiviert in der Weise, wie sie vernünftigerweise und unbeeinflusst von subjektiven Interessen zu verstehen ist, auszulegen. Unter Anlegung dieses Maßstabes wollte der Beklagte am 17. Mai 1995 das Mandat beenden. Der Beklagte brachte klar zum Ausdruck, dass "weitere Aktivitäten ... nicht nötig (sind)" und dass er den angekündigten Schriftsatz nicht mehr benötigte. Insbesondere stellt es einen deutlichen Hinweis auf das Mandatserde dar, dass die den Rechtsanwälten übergebenen und für eine weitere Bearbeitung dringend notwendigen Unterlagen zurückgesendet werden sollten. Schließlich wollte er sich mit Unterstützung eines befreundeten Rechtsanwalts um einem Vergleichsabschluß kümmern.

Die vom Landgericht in den Mittelpunkt der Betrachtungen gestellten Formulierungen, dass die Aktivitäten "zur Zeit" nicht nötig seien und die Unterlagen "einstweilen" zurückgesandt werden sollen, sprechen nicht gegen den Beendigungswillen. Sie sind im Zusammenhang mit der Ankündigung zu lesen, dass der Beklagte Beratungsleistungen der Rechtsanwälte gerne dann in Anspruch nehmen wollte, wenn eine gerichtliche Auseinandersetzung mit dem Streitgegner erforderlich werden sollte, was der Beklagte aber nicht erwartete ("wider Erwarten"). Auch die Schlussformulierung ("Für Ihre Mühe besten Dank") bedeutet Abschied.

b) Mit dem Ablauf des Jahres 1995 setzte der Lauf der zweijährigen Verjährungsfrist ein, §§ 196 Abs. 1 Nr. 15, 201 S. 1 BGB; denn mit der Beendigung des Mandats wird die Vergütung fällig (§ 16 S. 1 BRAGO). Der Lauf der Verjährungsfrist bleibt unbeeinflusst davon, dass der Rechtsanwalt die Vergütung trotz Fälligkeit erst dann einfordern kann, wenn er sie ordnungsgemäß abgerechnet hat (§ 18 Abs. 1 S. 1 und 2 BRAGO). Vorbehaltlich einer Unterbrechung oder Hemmung der Frist endete sie mit Ablauf des 31. Dezember 1997.

Aber schon vorher, nämlich zwischen dem 18. Juli 1997 (Datum der Kostennote, GA 23) und dem 18. August 1997 (Datum der reduzierten Kostennote, GA 25 ff.) hatte der dazu bevollmächtigte Vertreter des Beklagten, Rechtsanwalt U, sich zum Bestand der Forderung im Sinne des § 208 BGB bekannt (GA 32). Der Beklagte scheint das Anerkenntnis des § 208 BGB mit dem Schuldanerkenntnis des § 781 BGB zu verwechseln, wenn er bestreitet, die Forderung anerkannt zu haben. Zwar wird jedes Schuldanerkenntnis im Sinne des § 781 BGB auch ein Anerkenntnis im Sinne des § 208 BGB sein. Das gilt aber nicht umgekehrt. Das Anerkenntnis des § 208 BGB ist der Sache nach ein Bekenntnis, nämlich ein rein tatsächliches Verhalten, aus dem sich das Bewusstsein des Schuldners vom Bestehen der Schuld ergibt (Palandt/Heinrichs, BGB 58. Aufl., § 208 Rn. 2 m. w. N.). Ein Schuldner, der sich des Bestehens der Schuld bewusst ist, sich zu ihr bekennt, ist im Sinne des Verjährungsrechts nicht schutzwürdig. Sinn der Verjährungsfristen ist u. a., es nach einer bestimmten Frist nicht mehr zum Streit über die der Verjährung unterliegende Forderung kommen zu lassen, weil abstrakt gesehen die Aufklärung des Sachverhalts mit zunehmendem Zeitablauf schwieriger wird. Wer sich zur Schuld aber bekennt, bringt damit zum Ausdruck, dass der Zeitablauf bis zum Bekenntnis keinen (abstrakten) Beitrag zu den vom Gesetz unterstellten zunehmenden Aufklärungsschwierigkeiten geleistet hat. Das rechtfertigt (abstrakt) die Unterbrechung des Fristlaufs und den Neubeginn einer zweijährigen Verjährungsfrist, beginnend mit dem Tag der Unterbrechung (§ 217 BGB).

c) Es kann daher dahinstehen, ob Rechtsanwalt U erklärt hat, daß der Beklagte die Rechnungsforderung anerkenne (vgl. GA 116). Denn das Bekenntnis des Beklagten ist darin zu finden, dass der nach Erteilung der Kostennote unstreitig (GA 33) darum gebeten hatte, den Rechnungsbetrag durch Reduzierung des Streitwerts um die Hälfte herabzusetzen (vgl. Antwortschreiben des Rechtsanwalts G vom 18. August 1995 GA 25 - 27). Wer um einen Teilschulderlass bittet, will nicht die Forderung bestreiten, sondern bittet den Gläubiger um ein Entgegenkommen und bekennt sich zu dem Anspruch, ohne dass das ausdrücklich gesagt werden muss (vgl. die Beispielsfälle bei Palandt, a. a. O., § 208 Rn. 3 f.).

d) An dieses im ersten Rechtszug gegebene Geständnis ist der Beklagte gemäß §§ 288, 532 ZPO auch zweitinstanzlich gebunden. Die Voraussetzungen des Widerrufs gemäß § 290 ZPO hat er nicht dargelegt. Jedenfalls aber löste die Bitte des Rechtsanwalts U um Herabsetzung der Kostennote eine Hemmung der Verjährung aus (§ 852 Abs. 2 BGB analog), die erst endete, als der Beklagte die ihm im Angebot vom 18. August 1997 gesetzte Frist zur Annahme des Vergleichs bis zum 10. September 1997 ungenutzt verstreichen ließ. Weil die Verjährung um rund drei Wochen gehemmt gewesen ist, ist sie durch die Einreichung des Mahnbescheids am 07. Januar 1998 auch unter diesem Gesichtspunkt rechtzeitig unterbrochen worden. Das gegenüber dem einen Gesamthandsgläubiger G erklärte Bekenntnis wirkte auch zugunsten der anderen Gesamthandsgläubiger. Nach dem Ergebnis der vom Landgericht durchgeführten Beweisaufnahme ist Rechtsanwalt G im Zeitpunkt des Schuldbekenntnisses noch Mitinhaber der Forderung gewesen. Die Abtretung an den Kläger erfolgte zum Zwecke der Einziehung und um Rechtsanwalt G als Zeugen zur Verfügung zu stellen. Im Zeitpunkt des Schuldbekenntnisses hatten die Parteien noch nicht über die Forderung gestritten, die Einziehung war noch nicht eingeleitet.

Der dann am 07. Januar 1998 eingereichte Mahnbescheid vermochte seine gesetzliche Unterbrechungswirkung (§ 209 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB) zu entfalten, weil die Verjährungsfrist vorher noch nicht abgelaufen war.

Ende der Entscheidung

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