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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 30.10.2001
Aktenzeichen: 24 U 77/01
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 390 S. 2
BGB § 535
BGB § 558
BGB § 548 a.F., n.F.
Ist der Schadensersatzanspruch des Vermieters während des fortdauernden Mietverhältnisses verjährt, ohne dass der Vermieter sich aus der Mietkaution befriedigt hat, so kann er gegen den Kautionsrückzahlungsanspruch des Mieters nach Mietende nicht mehr aufrechnen.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

24 U 77/01

Verkündet am 30. Oktober 2001

In dem Rechtsstreit

hat der 24. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 2. Oktober 2001 durch seine Richter Z, E und D

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 6. März 2001 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsrechtszuges trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Klagender Mieter (M) verlangt von der beklagten Vermieterin (VM) Rückzahlung der Mietkaution. Während des Mietverhältnisses waren Schadensersatzansprüche des VM entstanden und verjährt, wie der Senat in einem Vorprozess rechtskräftig entschieden hat. Das Mietverhältnis endete ca. 5 Monate nach Verjährungseintritt. Der Senat hat die nunmehr von VM gegen den Kautionsrückzahlungsanspruch erklärte Aufrechnung mit den verjährten Ersatzansprüchen nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Das Landgericht hat zu Recht entschieden, dass die Beklagte dem Kautionsrückzahlungsanspruch des Klägers ihre verjährte Schadensersatzforderung nicht im Wege der Aufrechnung entgegenhalten kann.

1.

Der Beklagten ist einzuräumen, dass nach § 390 Satz 2 BGB ein Vermieter grundsätzlich nicht gehindert ist, gegenüber dem Anspruch des Mieters auf Rückzahlung der Kaution mit einem gemäß § 558 BGB verjährten Ersatzanspruch aufzurechnen, so auch die vom Senat im Vorprozess 24 U 140/99 (ZMR 2001, 267/268; OLGR 2001, 200) zitierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGHZ 101, 244, 252 = NJW 1987, 2372, 2373). Dies beruht darauf, dass der auf Geld gerichtete Ersatzanspruch in der Regel mit Beendigung des Mietverhältnisses entsteht und auch fällig wird und der Kautionsrückzahlungsanspruch vor Ablauf einer im Regelfalle auf sechs Monate bemessenen Überlegungsfrist des Vermieters zwar noch nicht fällig, aber bereits erfüllbar ist; denn die Erfüllbarkeit genügt zum Bestehen einer Aufrechnungslage im Sinne des § 387 BGB (Palandt/Heinrichs, BGB, 60. Aufl., § 387 Rdnr. 12 m.w.N.).

Für Schadensersatzansprüche, die den Voraussetzungen des § 326 BGB unterliegen, gilt ab Umwandlung von Erfüllungs- in Zahlungsansprüche grundsätzlich dasselbe. Eine Ausnahme ist nur für den Fall zu machen, dass der Vermieter den Erfüllungsanspruch verjähren lässt, bevor er in den Zahlungsanspruch übergehen konnte; denn in diesem Falle stünden sich ungleichartige und deshalb nicht aufrechenbare Ansprüche gegenüber (Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gesamten Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 8. Aufl., Rdnr. 1225 f; dann soll der Vermieter sich allerdings auf ein Zurückbehaltungsrecht berufen dürfen).

2.

Der oben erörterte Grundsatz, dass § 390 Satz 2 BGB auch im Verhältnis zwischen dem Kautionsrückzahlungsanspruch des Mieters und verjährten Schadensersatzansprüchen des Vermieters zur Geltung komme und dies auch dann nicht ausgeschlossen ist, wenn der Vermieter sich mit der Abrechnung der Kaution länger als die angemessene Frist Zeit lässt (vgl. BGH NJW 1987, 2372, 2373), ändert jedoch nichts daran, dass im konkreten Falle auch die in der genannten Vorschrift aufgeführte Voraussetzung erfüllt sein muss, nämlich, dass die verjährte Forderung zu der Zeit, zu welcher sie gegen die andere Forderung aufgerechnet werden konnte, noch nicht verjährt war, also eine Aufrechnungslage bestand.

Das Bestehen dieser Voraussetzung hat das Landgericht zu Recht im Verhältnis der Ansprüche der Parteien zueinander verneint.

a)

Der Kautionsrückzahlungsanspruch des Mieters entsteht entweder erst mit der Beendigung des Mietverhältnisses bei Fälligwerden nach Ablauf der Überlegungsfrist des Vermieters (so Wolf/Eckert a.a.O., 7. Aufl., Rdnr. 1221) oder er besteht: bis zum Ende des Mietverhältnisses als aufschiebend bedingter Anspruch (vgl. Emmerich/Sonnenschein, Miete, 7. Aufl., § 550 b Rdnr. 11; Bub/Treier/Scheuer, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete Kap. V Rdnr. 288; so jetzt Wolf/Eckert, a.a.O., 8. Aufl., Rdnr. 768; Palandt a.a.O. Rdnr. 94 vor § 535). In beiden Fällen kann der Vermieter mit eigenen Ansprüchen vor dem Ende des Mietverhältnisses nicht wirksam aufrechnen; denn der Anspruch ist entweder noch gar nicht entstanden oder seine Entstehung stand unter der Bedingung, dass ein künftiges Ereignis noch eintrat, nämlich die Beendigung des Mietverhältnisses. Gegen einen solchen aufschiebend bedingten Anspruch kann noch nicht aufgerechnet werden, er ist noch nicht erfüllbar (vgl. BGH MDR 19,88, 667; Palandt, § 387 Rdnr. 12); denn vor Eintritt der Bedingung ist noch keine Rechtswirkung gegeben, wie aus § 158 Abs. 1 BGB folgt (wie hier auch Bub/Treier/Scheuer, a.a.O. Rdnr. 292; vgl. auch Wolf/Eckert a.a.O., 8. Aufl., Rdnr. 1225).

b)

Die Beendigung des Mietverhältnisses ist nicht mit dem faktischen Ende gegeben, also etwa dem vorzeitigen Auszug des Mieters und der Inbesitznahme der Mieträumlichkeiten durch den Vermieter, sondern erst mit dem rechtlichen Ende des Mietvertrages. Dem Vermieter stehen z.B. auch bei vorzeitigem, unberechtigtem Auszug des Mieters regelmäßig noch Mietzinsansprüche zu. Für einen solchen Fall kann das Ende des Mietverhältnisses nicht in eine vorzeitige faktische Beendigung und eine nachfolgende rechtliche Beendigung aufgespalten werden. Entgegen der in der Berufungsbegründung vertretenen Meinung der Beklagten lässt sich ein Abstellen auf die rein tatsächliche Beendigung auch nicht der bereits zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofes von 1987 entnehmen. Dort ist lediglich von der Beendigung des Mietvertrages die Rede (S. 2373), und das ist - wie ausgeführt - grundsätzlich die rechtliche Beendigung.

c)

Die (rechtliche) Beendigung des Mietvertrages trat hier nach der eigenen Darlegung der Beklagten, die sich der Kläger hilfsweise zu eigen gemacht hat, am 30. Juni 1999 ein. Dies hat im übrigen das Landgericht im angefochtenen Urteil ausdrücklich ausgeführt, ohne dass die Beklagte dem entgegengetreten wäre. Der Vergleich der Parteien vom 29. Oktober 1999 steht diesem Beendigungszeitpunkt ebenfalls nicht entgegen. Er stellt nur fest, dass das Mietverhältnis beendet ist, aber nicht den Zeitpunkt.

Die Beendigung des Mietverhältnisses zum 30. Juni 1999 hat zur Folge, dass der Kautionsrückzahlungsanspruch des Klägers erst von diesem Zeitpunkt an erfüllbar war und rechtswirksam, wenn auch noch ohne Fälligkeit, bestand, also gegen ihn auch erst von diesem Datum an aufgerechnet werden konnte. Wie der Senat aber in seinem Urteil im Vorprozess 24 U 140/99 entschieden hat, war die Verjährung sämtlicher Schadensersatzansprüche der Beklagten spätestens Mitte Januar 1999 eingetreten, zum Teil bereits Mitte September 1998, zum Teil sechs Monate nach Zugang des Anwaltsschreibens vom 25. Juni 1998, äußerstenfalls mit Zugang des Schreibens vom 10. Juli 1998 (vgl. Senatsurteil S. 13, 15). Hieran ist festzuhalten, und insoweit erhebt auch die Beklagte keine Beanstandungen. Somit waren die Schadensersatzansprüche der Beklagten Ende Juni 1999, als die Aufrechnungsmöglichkeit gegenüber dem Kautionsrückzahlungsanspruch für sie erstmals gegeben war, bereits verjährt. § 390 Satz 2 BGB lässt aber die Aufrechnung mit einer verjährten Gegenforderung nur zu, wenn die verjährte Forderung zu der Zeit, zu welcher sie gegen die andere Forderung aufgerechnet werden konnte, noch nicht verjährt war. Somit fehlt es hier an dem Erfordernis, dass jemals eine Aufrechnungslage zwischen beiden Forderungen bestand.

Die eingangs zitierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes vermag hieran nichts zu ändern, weil sie nicht die Voraussetzungen des § 390 Satz 2 BGB zwischen Mieter und Vermieter entfallen lässt, sondern nur den Grundsatz aufstellt, dass diese Vorschrift auch zwischen ihnen gilt und deren Anwendbarkeit nicht von vornherein ausgeschlossen ist.

Dem steht nicht entgegen, dass der Vermieter schon während des Mietverhältnisses zur Verwertung der Kaution berechtigt sein kann (vgl. BGH WuM 1972, 57; Wolf/Eckert a.a.O., Rdnr. 769; Bub/Treier/von Martius a.a.O., Kap. III Rdnr. 768). Denn von dieser Möglichkeit hat die Beklagte niemals Gebrauch gemacht, so dass offen bleiben kann, ob eine Verwertungsbefugnis nur im Falle unbestrittener Forderungen des Vermieters besteht (vgl. dazu Bub/Treier/von Martius a.a.O. m.w.N.).

Die Verneinung der Aufrechnungslage im hier zu beurteilenden Fall ist lediglich auf die Besonderheit zurückzuführen, dass die Schadensersatzansprüche der beklagten Vermieterin hier entgegen dem Regelfall bereits lange vor der Beendigung des Mietverhältnisses entstanden und vor diesem Zeitpunkt auch verjährten. Den Nachteil dieser Besonderheit hat die Beklagte zu tragen, die ihre Ansprüche hat verjähren lassen.

Anders als in dem Urteil des Senats vom 27. Juni 2000 ist die Rechtsfrage hier entscheidungserheblich und im vorgenannten Sinne zu entscheiden. Im damaligen Urteil kam es auf die Frage der Rückwirkung infolge einer Aufrechnungslage für die Frage der Teilerledigung letztlich nicht an (Urteil S. 17, 3. Absatz).

II.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Es besteht kein Anlass, die Revision zuzulassen. Die Entscheidung steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes.

Streitwert für die Berufungsinstanz, zugleich Höhe der Beschwer für die Beklagte: 20.420,53 DM.

Ende der Entscheidung

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