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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 28.05.2002
Aktenzeichen: 24 U 8/02
Rechtsgebiete: GVG, KostO


Vorschriften:

GVG § 17a
KostO § 156
1. Hatte das erstinstanzliche Gericht zu einer Vorabentscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs keine Veranlassung und hat es seine Zuständigkeit konkludent bejaht, so ist das Berufungsgericht daran gebunden (im Anschluss an BGH NJW 1994, 387)

2. Materiellrechtliche Einwendungen gegen die vollstreckbare Kostenrechnung eines Notars kann der Kostenschuldner nur mit der Beschwerde, nicht aber mit der Vollstreckungsgegenklage geltend machen.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

24 U 8/02

Verkündet am 28. Mai 2002

In dem Rechtsstreit

hat der 24. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 28. Mai 2002 durch seine Richter Z, E und T

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Erstbeklagten wird das am 12. Dezember 2001 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Kleve abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Im Jahre 1984 erteilte der beklagte Notar der Klägerin für Beurkundungen drei Kostenrechnungen, die er im Jahre 1985 mit Vollstreckungsklauseln - in zwei Fällen durch den Zweitbeklagten als seinen amtlich bestellten Vertreter - versah.

Im Jahre 2001 betrieb der Erstbeklagte wegen der Rechnungsbeträge die Zwangsvollstreckung gegen die Klägerin.

Die Klägerin erhob daraufhin zunächst gegen beide Beklagten Vollstreckungsabwehrklage und berief sich auf Erfüllung und Verjährung, hilfsweise auf Verwirkung. Vor dem Landgericht hat die Klägerin die Klage gegen den Zweitbeklagten zurückgenommen.

Durch das angefochtene Urteil hat das Landgericht die Zwangsvollstreckung aus den vollstreckbaren Kostenberechnungen des Erstbeklagten sämtlich für unzulässig erklärt.

Dagegen richtet sich die Berufung des Erstbeklagten, der die Vollstreckungsgegenklage für unzulässig hält, weil der Rechtsweg wegen der Einwendungen gegen seine Kostenrechnungen zum Prozessgericht nicht eröffnet sei, die Klägerin vielmehr die Einrede der Verjährung mit der Kostenbeschwerde nach § 156 KostO geltend machen müsse.

Entscheidungsgründe:

I.

Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg. Sie führt zur Abweisung der Klage als unzulässig.

1.

Zwar ist dem Erstbeklagten zuzugeben, dass der Senat an einer Prüfung der Zulässigkeit des Rechtswegs gemäß § 17 a Abs. 5 GVG gehindert ist.

In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist anerkannt, dass im Verhältnis zwischen freiwilliger Gerichtsbarkeit und ordentlicher streitiger Gerichtsbarkeit die §§ 17 bis 17 b GVG entsprechend anwendbar sind. Die Unterschiede der beiden Verfahrensarten rechtfertigen es, Kompetenzkonflikte zwischen ihnen wie Rechtswegstreitigkeiten zu behandeln (BGH NJW 2001, 2181; BGHZ 115, 275, 284). Dies gilt uneingeschränkt, soweit es um die sogenannten echten Streitverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit geht (vgl. BGHZ a. a. O.), also um die Verfahren, in denen das Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit materiell rechtskräftig über subjektive Rechte zwischen den Beteiligten entscheidet, die sich im entgegengesetzten Interesse gegenüberstehen. Gleiches gilt für Antragsverfahren, zu denen das Beschwerdeverfahren nach § 15 Abs. 2 BNotO gehört (BGH NJW 2001, 2181). Auf der anderen Seite wird die analoge Anwendung des § 17 a GVG einheitlich abgelehnt, soweit es um Amtsverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit geht.

Es mag davon ausgegangen werden, dass den Amtsverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit eine Anwendung von § 17 a GVG entgegensteht. Solche Gründe finden sich indessen nicht für das Verfahren der Notarkostenbeschwerde. Bei ihm handelt es sich typischerweise um ein Antragsverfahren, mit dem Ziel, eine streitige Kostenrechnung des Notars gerichtlich überprüfen zu lassen. Zwar nimmt der Notar auch in diesem Verfahren nicht die Stelle eines Beschwerdegegners oder eines sonstigen Verfahrensbeteiligten ein, sondern diejenige einer ersten Instanz. Deshalb ist für die Anfechtung der Kostenrechnung des Notars sogleich die Beschwerde zu den Landgerichten gegeben. Ungeachtet dessen ist aber dem Notar in diesen Beschwerdeverfahren nach § 156 KostO die Stellung eines Verfahrensbeteiligten einzuräumen, weil er durch die angestrebte Abänderung der Kostenrechnung in eigenen Rechten beeinträchtigt würde. In diesem Rahmen steht ihm auch das Rechtsmittel der weiteren Beschwerde gemäß § 156 Abs. 2 KostO zur Verfügung. Diese Umstände machen das vorliegende Verfahren zu einem so genannten echten Streitverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit (ebenso KG DNotZ 1973, 42; ZZP 1973, 441 m. Anm. Grunsky).

Dabei soll keineswegs übersehen werden, dass die Einwendungen gegen die Kostenberechnung nach § 156 Abs. 1 S. 1 KostO im Wege der Beschwerde nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung geltend zu machen sind. Denn es ist anerkannt, dass die Beschwerdekammer des Landgerichts die zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen von Amts wegen zu veranlassen und die ihm notwendig und geeignet erscheinenden Beweise von Amts wegen gemäß § 12 FGG zu erheben hat (vgl. OLG Frankfurt/Main MDR 1997,686; Schleswig DNotZ 1985, 480; Korintenberg/Ackermann/Lappe, Kostenordnung, § 156 Rn. 47; Hartmann, Kostengesetze 31. Aufl., § 156 KostO Rn. 25).

Gemäß § 17 a Abs. 5 GVG ist der Senat gehindert, die Zulässigkeit des Rechtswegs zu prüfen und abweichend vom Urteil des Landgerichts zu verneinen. Zwar setzt § 17 a Abs. 5 GVG nach allgemeiner Meinung voraus, dass die Verfahrensgrundsätze des § 17 a GVG eingehalten werden (BGHZ 120, 204; NJW 1994, 387). Davon ist hier aber auszugehen. Das Landgericht hatte nämlich keine Veranlassung, eine Vorabentscheidung nach § 17 a Abs. 3 S. 2 GVG zu treffen, weil die Beklagten die Zulässigkeit des Rechtswegs im erstinstanzlichen Verfahren nicht gerügt hatten. Auch wenn die Beklagten dort unter anderem auf § 156 KostO Bezug genommen hatten, konnte diesem Vorbringen selbst im Wege der Auslegung nicht eine Rüge der Zulässigkeit des Rechtswegs entnommen werden. Denn die Beklagten erörterten ausschließlich die Frage, ob die Einrede der Verjährung eine Einwendung gegen die Kostenberechnung im Sinne von § 156 Abs. 1 KostO darstellte. Erstmals mit der Berufungsbegründung hat der Erstbeklagte auch geltend gemacht, dass der ordentliche Rechtsweg für alle Ansprüche nach der Kostenordnung ausgeschlossen sei. Hat aber das erstinstanzliche Gericht durch Urteil den Zivilrechtsweg konkludent bejaht, in dem es durch Endentscheidung im übrigen der Klage stattgegeben hat, muss es dabei sein Bewenden haben (vgl. BGH NJW 1994, 387).

2.

Die Vollstreckungsabwehrklage ist indessen, wie der Erstbeklagte zutreffend ausgeführt hat, unzulässig.

a)

Für Einwendungen gegen Kostenrechnungen der Notare ist die Vollstreckungsgegenklage in entsprechender Anwendung von § 767 ZPO, der unmittelbar nur durch Urteil titulierte Ansprüche betrifft, ein nicht statthafter Rechtsbehelf. Über § 795 ZPO scheidet eine Anwendung von § 767 ZPO schon deshalb aus, weil die notarielle Kostenberechnung im Sinne von § 154 KostO nicht zu den sonstigen Vollstreckungstiteln im Sinne von § 794 Abs. 1 ZPO zählt (vgl. Korintenberg a. a. O.. Vor §§ 154-157 Rn. 6). Die Notarkostenrechnung stellt keinen Kostenfestsetzungsbeschluss nach § 794 Abs. 1 Nr. 2 ZPO dar, weil es sich dabei um eine gerichtliche, wenn auch nicht richterliche, Entscheidung handeln muss. Es liegt aber auch keine mit dem Rechtsmittel der Beschwerde anfechtbare Entscheidung im Sinne von § 794 Abs. 1 Nr. 3 ZPO vor. Auch wenn dies im weitesten Sinne zu verstehen ist (vgl. nur Thomas/Putzo, ZPO, § 794 Rn. 43 m. w. N.), fallen unter diesen Abschnitt nur gerichtliche Entscheidungen, nicht aber notarielle Handlungen wie die Kostenberechnung. Schließlich scheidet auch die Anwendung von § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO aus, weil es sich bei der Kostenberechnung nicht um eine von dem deutschen Notar aufgenommene Urkunde handelt und sich der Kostenschuldner darin auch nicht wegen der Kostenforderung der Zwangsvollstreckung unterworfen hat.

Eine analoge Anwendung der §§ 794, 795 ZPO kommt nicht in Betracht. Daran wäre allenfalls zu denken, wenn eine planwidrige Regelungslücke vorläge. Das ist indessen nicht der Fall. Denn nach § 156 Abs. 1 KostO sind Einwendungen gegen die Kostenberechnung einschließlich solcher gegen die Zahlungspflicht und die Erteilung der Vollstreckungsklausel im Wege der Beschwerde geltend zu machen. § 156 KostO weist die Entscheidung über solche Einwendungen gegen die Kostenrechnung des Notars einem besonders geregelten Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit zur ausschließlichen Zuständigkeit zu und schließt damit eine Entscheidung über denselben Gegenstand im Zivilprozess aus (BGH MDR 1988, 313, 314; 1967, 207). So ist im Verfahren nach § 156 KostO selbst dann zu entscheiden, wenn über Notarkosten für die Beurkundung eines Vertrages gestritten wird, der auf Grund mangelhafter Belehrung durch den Notar geschlossen sein soll, so dass die Nichterhebung der Kosten nach den §§ 140, 141 in Verbindung mit § 16 Abs. 1 S. 1 KostO in Betracht kommt (BGH MDR 1988, 314).

Dementsprechend ist eine negative Feststellungsklage gegen die durch eine Notarkostenrechnung begründete Zahlungspflicht als unzulässig abzuweisen (vgl. BGH a. a. O.). Gleiches gilt für die im allgemeinen nach § 767 ZPO geltend zu machenden Einwendungen (OLG Oldenburg MDR 1997, 394; MüKo/K.Schmidt, ZPO 2. Aufl. § 767 Rn. 34; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO 60. Aufl. Rn. 16). Ausgenommen davon ist nur der hier nicht zu entscheidende Fall einer Aufrechnung des Kostenschuldners mit verfahrensfremden Gegenforderungen (vgl. Stein/Jonas/Münzberg ZPO 21. Aufl. § 767 Rn. 58 unter Hinweis auf KG ZZP 86, 441).

Entsprechende Einwendungen hat die Klägerin mit der Erfüllung (im zweiten Rechtszug ist dieser Einwand von ihr fallen gelassen worden) und der Verjährung geltend gemacht. Dabei handelt es sich um typische materiellrechtliche Einwendungen (vgl. Zöller/Herget, ZPO § 767 Rn. 12).

b)

Im übrigen fehlt der Klägerin für die Vollstreckungsgegenklage auch das Rechtsschutzbedürfnis als allgemein anerkannte, ungeschriebene Prozessvoraussetzung. Es ist anerkannt, dass das Rechtsschutzbedürfnis bei Leistungsklagen ausnahmsweise fehlt, wenn der Kläger kein Urteil braucht, weil er das gleiche Ziel auf wesentlich einfacherem und billigerem Wege erreichen kann (vgl. nur Zöller a. a. O. Vor § 253 Rn. 18 b m. w. N.). Gleiches gilt für das Verhältnis der Notarkostenbeschwerde nach § 156 KostO und die Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO. Denn bei der Notarkostenbeschwerde handelt es sich um das einfachere und billigere Verfahren zur Überprüfung von materiellrechtlichen Einwendungen des Kostenschuldners. Außerdem ist auch der einstweilige Rechtsschutz des Kostenschuldners nicht verkürzt. So wie gemäß § 769 ZPO die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung durch das Prozessgericht angeordnet werden kann, kann dies nach allgemeiner Meinung auch die Beschwerdekammer des Landgerichts gemäß § 572 Abs. 3 ZPO a. F. (§ 570 Abs. 3 n. F.) tun (vgl. OLG Hamm, Rechtspfleger 1973, 441; Hartmann, a. a. O. § 156 KostO, Rn. 32).

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Zur Zulassung der Revision besteht kein gerechtfertigter Anlass gemäß § 543 Abs. 2 ZPO.

Streitwert für die Berufungsinstanz und Beschwer der Klägerin: 12.771,08 ? (24.978,06 DM)

Ende der Entscheidung

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