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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 18.09.2000
Aktenzeichen: 24 W 53/00
Rechtsgebiete: GKG, BGB, BRAGO


Vorschriften:

GKG § 25 Abs. 3 S. 1
GKG § 19 Abs. 3
GKG § 25 Abs. 4
BGB § 250 S. 1
BRAGO § 118 Abs. 1
BRAGO § 118 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

24 W 53/00

In dem Streitwertfestsetzungsverfahren

hat der 24. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf unter Mitwirkung seiner Richter Z, E und T am 18. September 2000

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Beklagten wird der im Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf - Einzelrichterin - bestimmte Streitwert abgeändert und anderweitig auf 10.225,40 DM festgesetzt.

Gründe:

Die gemäß § 25 Abs. 3 S. 1 GKG zulässige Beschwerde ist begründet. Die Verteidigung des Beklagten gegen den vom Kläger mit der Klage verfolgten Gebührenanspruch (Teilbetrag einer Verkehrsanwaltsgebühr nebst Nebenforderungen in Höhe von 10.225,40 DM) stellt sich bei zutreffender rechtlicher Beurteilung nicht als Anwendungsfall des § 19 Abs. 3 GKG (Streitwerterhöhung durch Hilfsaufrechnung) dar.

I.

1.

Verteidigt sich ein Mandant, wie das hier geschehen ist, mit der Behauptung, die Gebührenforderung beruhe auf einer fehlerhaften (Kosten-)Beratung des Rechtsanwalts, macht er in der Sache einen Schadensersatzanspruch wegen positiver Verletzung des Rechtsanwaltsdienstvertrags geltend. Das hat das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung (dem rechtskräftig gewordenen Urteil folgend) richtig gesehen.

a)

In Rechtsprechung und Schrifttum ist umstritten, wie im Gebührenprozess des Rechtsanwalts der Schadensersatzeinwand des Mandanten rechtlich zu behandeln ist (vgl. Vollkommer, Anwaltshaftungsrecht Rn. 172 m. w. N.).

aa)

Die eine Auffassung der das Landgericht gefolgt ist, geht dahin, dass die fehlerhafte Kostenberatung den Gebührenanspruch des Rechtsanwalts unberührt lasse; er sei lediglich dem auf Geldersatz gerichteten Schadensersatzanspruch des Mandanten ausgesetzt, der im Wege der Aufrechnung geltend zu machen sei (so Vollkommer, aaO). Träfe diese Auffassung zu, wäre der angefochtene Beschluss nicht zu beanstanden. Denn der Beklagte hatte den geltend gemachten Gebührenanspruch in erster Linie mit der Begründung bestritten, er sei vertraglich ausgeschlossen gewesen. Erst in zweiter Linie hatte der Beklagte ihm einen Schadensersatzanspruch auf Freihaltung (GA 41 unten), hilfsweise auf Geldersatz entgegen gesetzt, wobei er wegen des Geldersatzanspruchs hilfsweise die Aufrechnung erklärt hatte (GA 42 oben). Da das Landgericht über die Hilfsaufrechnung entschieden hat, wäre der Streitwert gemäß § 19 Abs. 3 GKG um die zur Aufrechnung gestellte Schadensersatzforderung zu erhöhen.

bb)

Die Gegenmeinung, der vor allem der Bundesgerichtshof (NJW 1988, 3013, 3015) folgt und der sich der Senat angeschlossen hat (NJW 2000, 1650, 1651 = OLGR 2000, 169), vertritt die Auffassung, es liege ein Fall unzulässiger Rechtsausübung 242 BGB) vor; der Gebührenanspruch des Rechtsanwalts sei nur in der Höhe durchsetzbar, in welcher er ohne die fehlerhafte Kostenberatung entstanden wäre (so genannter "doloagit"-Einwand; vgl. dazu auch Rinsche, Die Haftung des Rechtsanwalts und Notars, 6. Aufl., Rn. I 213 und BGH NJW 1994, 1114, 1116 = VersR 1994, 938; allg. dazu Palandt/Heinrichs, BGB, 59. Aufl., § 242 Rn. 52 und BGH NJW 1992, 900). Der Anspruch des Mandanten richtet sich auf Freistellung von der Gebührenforderung im Umfange des behaupteten Schadensersatzanspruchs. Eine Aufrechnungserklärung ist weder notwendig noch rechtlich möglich, weil der Freihaltungsanspruch (vgl. dazu Rinsche, aaO und Palandt/Heinrichs, aaO, vor § 249 Rn. 46) wegen Ungleichartigkeit nicht aufrechnungsfähig ist (Palandt/Heinrichs, aaO, § 387 Rn. 10 m. w. N.).

Bei richtiger rechtlicher Qualifizierung handelt es sich dem nach nicht um eine (hilfsweise) erklärte Aufrechnung, sondern um einen Fall, der der "Anrechnung" von Gegenpositionen vergleichbar ist (vgl. dazu Zöller/Herget, ZPO, 21. Aufl., § 3 Stichwort "Aufrechnung", Unterstichwort "Abrechnung"). Es ist dogmatisch weder geboten noch der Praxis dienlich, den Mandanten wegen des Freihaltungsanspruchs auf das Zurückbehaltungsrecht (§ 273 Abs. 1 BGB) oder auf den Weg des § 250 S. 1 BGB (Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung) zu verweisen, um den Befreiungsanspruch in einen liquiden (§ 250 S. 2 BGB), der Aufrechnung erst zugänglichen Geldanspruch umzuwandeln.

b)

Der hier vom Landgericht als Hilfsaufrechnungsfall behandelte Abrechnungs- oder Anrechnungsfall löst die Rechtsfolge des § 19 Abs. 3 GKG nicht aus (Zöller/Herget, aaO); der durch die Klageforderung bestimmte Streitwert bleibt unberührt.

2.

Auch die weitergehende Verteidigung des Beklagten die Gebührenforderung sei um einen Betrag von 7.226,37 DM zu kürzen, weil der Kläger es unterlassen habe, die vorgerichtlich berechnete und bezahlte Geschäftsgebühr aus § 118 Abs. 1 BRAGO gemäß § 118 Abs. 2 BRAGO auf die Verkehrsanwaltsgebühr anzurechnen, ist entgegen der im angefochtenen Beschluss vertretenen Auffassung kein Anwendungsfall des § 19 Abs. 3 GKG, auch wenn er im Urteil - insoweit für das Streitwertfestsetzungsverfahren unverbindlich - als solcher rechtlich behandelt worden ist. Der Beklagte hatte nicht einen Bereicherungsanspruch geltend gemacht, mit welchem er die Aufrechnung erklärt hat oder hätte erklären müssen. Er hatte den Anspruch, auf rechtmäßige Abrechnung geltend gemacht, dem der Kläger nicht nachgekommen sei. Es handelt sich demgemäß auch hier um einen bloßen, den Streitwert unberührt lassenden Anrechnungsfall.

II.

Der Senat hat keinen Anlass, über den vom Beklagten erstinstanzlich gestellten Antrag auf Berichtigung der Kostenentscheidung zu befinden. Dieses Antragsbegehren ist dem Senat nicht angefallen, weil das Landgericht über ihn nicht entschieden hat und auch nicht zu entscheiden brauchte. Der Berichtigungsantrag war für den Fall der Streitwertänderung gestellt worden, die das Landgericht aber abgelehnt hat. Es wird nunmehr Aufgabe des Landgerichts sein, über den Berichtigungsantrag zu befinden, nachdem die Grundlage dafür durch die Abänderung der Streitwertentscheidung geschaffen worden ist.

III.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weil das Beschwerdeverfahren gerichtsgebührenfrei ist und außergerichtliche Kosten nicht erstattungsfähig sind, § 25 Abs. 4 GKG.

Ende der Entscheidung

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