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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 18.07.2001
Aktenzeichen: 2a Ss (OWi) 10/00 - (OWi) 33/00 II
Rechtsgebiete: StPO, LadenschlussG, BauO, OWiG
Vorschriften:
StPO § 264 | |
StPO § 467 Abs. 1 | |
StPO § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 | |
LadenschlussG § 24 Abs. 1 Nrn. 2a | |
LadenschlussG § 3 | |
BauO NW § 63 Abs. 1 | |
BauO NW § 64 | |
OWiG § 46 Abs. 1 |
2. Eine einheitliche Tat im verfahrensrechtlichen Sinne liegt vor, wenn landwirtschaftliche Erzeugnisse unter Verstoß gegen das Sonntagsverkaufsverbot angeboten werden und auf den Verkauf durch Werbetafeln unter Verstoß gegen baurechtliche Vorschriften hingewiesen wird.
3. Wird das Verfahren wegen eines Verfahrenshindernisses eingestellt, das bereits vor Erlass des Bußgeldbescheides eingetreten ist, sind die Kosten und notwendigen Auslagen des Betroffenen der Staatskasse aufzuerlegen.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS
In der Bußgeldsache
gegen
wegen Verstoßes
gegen die Bauordnung NW
hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Düsseldorf durch den Richter am Oberlandesgericht B als Einzelrichter gemäß § 80 a Abs. 2 Nr. 1 OWiG am
18. Juli 2001
auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Viersen vom 23. November 1999 nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft
beschlossen:
Tenor:
Das Verfahren wird eingestellt.
Die Kosten des Verfahrens und die dem Betroffenen entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.
Gründe:
I.
Durch das angefochtene Urteil hat das Amtsgericht gegen den Betroffenen wegen vorsätzlicher Errichtung und Nutzungsänderung baulicher Anlagen ohne die erforderliche Baugenehmigung eine Geldbuße von 5.000,- DM verhängt. Gegenstand des Verfahrens ist nach den vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen der Vorwurf, in der Zeit zwischen 23. September 1997 und 26. Mai 1998 auf den Grundstücken B 1 und 3 in N ohne Genehmigung Gemüse, Obst und Blumenverkauft sowie auf die Verkaufstätigkeit hinweisende Werbeanlagen an den Gebäuden angebracht zu haben. Dagegen hat der Betroffene Rechtsbeschwerde eingelegt, die er mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts begründet hat.
II.
Das Verfahren ist gemäß §§ 46 Abs. 1 OWiG, 206 a StPO einzustellen, weil das Verfahrenshindernis des Doppelbetrafungsverbots (ne bis in idem) besteht.
1. Ist ein Bußgeldbescheid rechtskräftig geworden oder hat das Gericht über eine Tat als Ordnungswidrigkeit rechtskräftig entschieden, so kann dieselbe Tat nicht mehr als Ordnungswidrigkeit verfolgt werden (§ 84 Abs. 1 OWiG, Art. 103 Abs. 3 GG).
Der Tatbegriff ist hier - wie im Strafrecht - im verfahrensrechtlichen Sinne (§ 264 StPO) zu verstehen. Er umfasst den vom Bußgeldbescheid betroffenen Vorgang einschließlich aller damit zusammenhängenden und sich darauf beziehenden Vorkommnisse, die geeignet sind, das in diesen Bereich fallende Handeln des Betroffenen unter irgendeinem Gesichtspunkt als strafbar oder ordnungswidrig erscheinen zu lassen. Der Tatbegriff erfasst das gesamte Verhalten des Betroffenen, soweit es mit dem durch den Bußgeldbescheid bezeichneten geschichtlichen Vorkommnis nach der Lebensauffassung einen einheitlichen Vorgang bildet, ohne Rücksicht darauf, ob sich bei der rechtlichen Beurteilung eine oder mehrere ordnungswidrige Handlungen im materiellen Sinn neben der im Bußgeldbescheid bezeichneten Handlung ergeben. Dabei müssen die einzelnen Handlungen nach dem Ereignis selbst innerlich dergestalt miteinander verknüpft sein, dass ihre getrennte Würdigung und Ahndung als unnatürliche Aufspaltung eines einheitlichen Lebensvorganges empfunden würde (vgl. BayObLG LRE 14, 263, 264/265 mwN; OLG Stuttgart DJ 1980, 394). Vorliegend sind gegen den Betroffenen zumindest dreizehn rechtskräftige Bußgeldbescheide der Gemeinde N ergangen, die Verstöße zwischen 25. Mai 1997 und 28. Juni 1998 gegen § 24 Abs. 1 Nrn. 2 a, 3 Ladenschlüsse zum Gegenstand haben. Die geahndeten Verstöße gegen das Sonntagsverkaufsverbot betreffen einen einheitlichen Lebensvorgang, nämlich den des ungenehmigten Verkaufs von Lebensmitteln auf dem Grundstück in B . Damit im untrennbaren Zusammenhang steht bei natürlicher Betrachtungsweise auch die ungenehmigte Anbringung von Werbetafeln mit dem Hinweis auf die vom Betroffenen ausgeübte Verkaufstätigkeit. Es handelt sich um in engster zeitlicher und räumlicher Verbindung stehende Missstände, die von einem einheitlichen Verschulden des Betroffenen getragen waren. Deren Aufspaltung nach ihrem rechtlichen Gehalt hinsichtlich der Verstöße gegen das Ladenschlussgesetz und die Bauordnung NW würde die gebotene einheitliche Betrachtung eines einheitlichen Lebensvorganges außer Acht lassen. Es handelt sich somit um eine Tat im verfahrensrechtlichen Sinn, so dass die rechtskräftigen Bußgeldbescheide einer Ahndung des Geschehens unter dem Gesichtspunkt des Verstoßes gegen bauordnungsrechtliche Vorschriften von Anfang an entgegenstanden.
2. Infolge des von Amts wegen zu berücksichtigenden Verfahrenshindernisses ist die Einstellung des Verfahrens gemäß §§ 46 Abs. 1 OWiG, 206 a StPO auszusprechen, weil letztere Vorschrift bei Vorliegen eines nicht mehr behebbaren Prozesshindernisses im Rechtsmittelverfahren unmittelbar anzuwenden ist (so auch BGHSt 32, 275, 290; 24, 208, 212; BayObLG NJW 1987, 1711, 1712 mwN; BayObLGSt 1985, 52, 55 mwN; a.A. OLG Celle MDR 1969, 503; Kleinknecht/Meyer-Goßner, 45. Aufl., § 206 a StPO Rdnr. 6 mwN; § 349 StPO Rdnr. 29 mwN).
III.
Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf §§ 46 Abs. 1 OWiG, 467 Abs. 1 StPO. Zwar kann nach §§ 46 Abs. 1 OWiG, 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO davon abgesehen werden, die notwendigen Auslagen eines Betroffenen der Staatskasse aufzuerlegen, wenn dieser wegen einer Ordnungswidrigkeit nur deshalb nicht verurteilt wird, weil ein Verfahrenshindernis besteht.
Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass der Betroffene nur dann seine Auslagen - möglicherweise zu einem Teil - selbst tragen muss, wenn das gegebene Verfolgungshindernis das einzige einer Verurteilung entgegenstehende Hindernis darstellt, es ohne dieses also voraussichtlich zu einer Verurteilung gekommen wäre. Ist aber eine Verurteilung zweifelhaft, scheidet die Anwendung des § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO aus. Wenn bereits einem trotz verbleibender erheblicher Verdachtsmomente Freigesprochenen die Rechtswohltat des § 467 Abs. 1 StPO zukommt, so müssen erst recht demjenigen Betroffenen seine notwendigen Auslagen ersetzt werden, dessen Verfahren wegen einer fehlenden Prozessvoraussetzung eingestellt wird, ohne ihm die vorgeworfene Ordnungswidrigkeit ausreichend sicher nachzuweisen.
Im Regelfall kann diese Prognose nur getroffen werden, wenn eine Hauptverhandlung unter Erhebung von Beweisen bei voller Wahrung der Verteidigungsrechte des Betroffenen durchgeführt worden ist. Sofern keine entsprechende und damit ausreichend sichere Schuldfeststellung möglich ist, kommt eine Anwendung des § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO nicht in Betracht (vgl. Senatsbeschluss vom 5.2.1997 = OLGSt Nr. 9 zu § 467 StPO; BayObLG NJW 1987, 1711, 1712; BayObLGSt 1969, 133, 135/136; OLG Hamburg MDR 1972, 344; KK-Franke, 4. Aufl., § 467 StPO Rdnr. 10 a mwN; vgl. auch BVerfG NStZ-RR 1996, 45, 46; NJW 1992, 1612, 1613; 1990, 2741, 2742; 1987, 2427, 2428). So lässt auch der Bundesgerichtshof (vgl. NStZ 2000, 330, 331) eine Ermessensentscheidung im Rahmen des § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO nur dann zu, wenn nach weitgehender Durchführung der Hauptverhandlung bei Eintritt des Verfahrenshindernisses ein auf die bisherige Beweisaufnahme gestützter Tatverdacht besteht und keine Umstände erkennbar sind, die bei Fortführung der Hauptverhandlung die Verdichtung des Tatverdachts zur prozessordnungsgemäßen Feststellung der Tatschuld in Frage stellen würden.
Wenn das Verfahrenshindernis bereits vor Klageerhebung bzw. vor Erlass des Bußgeldbescheides eingetreten ist und damit von vornherein einer Verfolgung entgegenstand, kommt eine Anwendung der Ausnahmevorschrift des § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO nicht Betracht (vgl. KG StV 1991, 479 mwN; OLG Karlsruhe NStZ 1981, 228 mwN; OLG Zweibrücken NZV 1993, 451, 452).
Demgemäß hat es bei dem Grundsatz des § 467 Abs. 1 StPO zu verbleiben, wonach die notwendigen Auslagen des Betroffenen in vollem Umfang aus der Staatskasse zu erstatten sind.
Ende der Entscheidung
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