Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 18.09.2002
Aktenzeichen: 2a Ss (OWi) 272/01 - (OWi) 71/01 II
Rechtsgebiete: OWiG


Vorschriften:

OWiG § 33 Abs. 1 Nr. 9
OWiG § 66
OWiG § 80 Abs. 2 Nr. 1
OWiG § 80 Abs. 5
OWiG § 80 a
1.

Ist gegen den Betroffenen eine Geldbuße von nicht mehr als einhundert EURO festgesetzt worden und hat der Einzelrichter des Rechtsbeschwerdesenats die Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des Rechts zugelassen, so entscheidet er allein über die Begründetheit.

2.

Ist es geboten zu klären, ob ein Verfahrenshindernis vorliegt, so steht der Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht entgegen, dass dieses Hindernis allenfalls vor Erlass des erstinstanzlichen Urteils eingetreten ist.

3.

Zum Zeitpunkt des Erlasses eines auf elektronischem Weg unter Einsatz eines Datenverarbeitungsgeräts erstellten Bußgeldbescheids.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

2a Ss (OWi) 272/01 - (OWi) 71/01 II

In der Bußgeldsache

wegen Verkehrsordnungswidrigkeit

hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Düsseldorf durch den Richter am Oberlandesgericht B. als Einzelrichter gemäß § 80 a Abs. 2 OWiG am

18. September 2002

auf den Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Viersen vom 10. August 2001 nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft

beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Die Rechtsbeschwerde wird als unbegründet auf Kosten des Betroffenen verworfen.

Gründe:

I.

Durch das angefochtene Urteil hat das Amtsgericht Viersen gegen den Betroffenen eine Geldbuße von 200,-. DM wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften verhängt.

Dagegen hat der Betroffene Rechtsbeschwerde eingelegt und deren Zulassung beantragt. Er ist der Auffassung, die Verfolgung der Ordnungswidrigkeit sei bereits vor Erlass des amtsgerichtlichen Urteils verjährt gewesen.

II.

Nach den vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen überschritt der Betroffene am 17. Juli 2000 die durch Zeichen 274 angeordnete zulässige Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h außerhalb geschlossener Ortschaften um 36 km/h. Die Sachbearbeiterin des Kreises V. hatte am 11. Oktober 2000 die ihr vorliegenden Angaben an ihrem Arbeitsplatz mittels ihres Computers abschließend verarbeitet, gespeichert und anschließend zur elektronischen Übermittlung an das Kommunale Rechenzentrum in M. freigegeben. Dort war der Bußgeldbescheid in der darauffolgenden Nacht mit dem Datum des 11. Oktober 2002 zum Ausdruck gelangt. Die Sachbearbeiterin hatte am 17. Oktober 2000 den Ausdruck einer formalen Sichtkontrolle unterzogen, mit ihrer Paraphe versehen und daraufhin in den Postgang gegeben.

Das Amtsgericht ist von einer wirksamen Unterbrechung der Verjährungsfrist gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 9 OWiG ausgegangen, da der Bußgeldbescheid am 11./12. Oktober 2000 erlassen worden sei.

Der Betroffene ist der Auffassung, dass der Bußgeldbescheid nicht datenverarbeitungsmäßig erstellt worden sei, vielmehr von einem Erlass des Bußgeldbescheides erst am 17. Oktober 2000 auszugehen sei.

III.

1.

Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 1 OWiG zur Fortbildung des Rechts zuzulassen.

a)

Gemäß § 80 a Abs. 2 Nr. 2 OWiG entscheidet der Bußgeldsenat im Verfahren über die Zulassung der Rechtsbeschwerde in der Besetzung mit einem Richter. Dies gilt uneingeschränkt für die Entscheidung, ob die Rechtsbeschwerde nach § 80 Abs. 1, 2 OWiG zuzulassen ist oder nicht (vgl. Senatsbeschluss vom 27.7.2002 = VRS 101, 215, 216 mwN; OLG Köln VRS 96, 451, 452; NStZ-RR 1998, 345; KK-Steindorf, 2. Aufl., § 80 a OWiG Rdnr. 5). Der Einzelrichter ist aber auch für die Entscheidung über die Begründetheit einer nach § 80 Abs. 2 Nr. 1 OWiG zugelassenen Rechtsbeschwerde zuständig. Auf den bestehenden Meinungsstreit (vgl. dazu KK-Steindorf, 2. Aufl., § 80 a OWiG Rdnr. 6 mwN) kommt es vorliegend nicht an, denn der Gesetzgeber hat lediglich in den Fällen des § 80 Abs. 1 Nr. 1 OWiG die Entscheidung des vollen Senats iSd § 80 a Abs. 1 OWiG für geboten betrachtet (vgl. Senatsbeschluss vom 27.7.2001 = VRS 101, 215, 217). Im Fall der Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 80 Abs. 2 Nr. 1 OWiG hat der Einzelrichter über die Begründetheit der Rechtsbeschwerde allein zu befinden.

Ausgehend von der Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs zur Frage der Senatsbesetzung im Zusammenhang mit einem Fahrverbot (vgl. BGHSt 44, 145 ff) kann es angesichts der Regelungskonstruktion in § 80 a Abs. 2 Nrn. 1 und 2, Abs. 3 OWiG keinem Zweifel unterliegen, dass in allen anderen Fällen der Einzelrichter zu entscheiden hat (so auch OLG Hamm NZV 2002, 381; OLG Köln NStZ-RR 1998, 345, 346).

b)

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des Rechts dient dazu, bei der Auslegung von Rechtssätzen und der rechtsschöpferischen Ausbildung von Gesetzeslücken Leitsätze aufzustellen und zu festigen. Mit der Zulassung der Rechtsbeschwerde soll das Rechtsbeschwerdegericht Gelegenheit erhalten, seine Rechtsauffassung in einer für die nachgeordneten Gerichte richtunggebenden Weise zum Ausdruck zu bringen. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass die in Rede stehende Rechtsfrage entscheidungserheblich und klärungsbedürftig ist (vgl. OLG Hamm NJW 1995, 2937 mwN). Davon ist vorliegend auszugehen.

Der Zulassung der Rechtsbeschwerde steht im vorliegenden Fall die Regelung des § 80 Abs. 5 OWiG nicht entgegen. Zwar sind Verfahrenshindernisse im Zulassungsverfahren grundsätzlich unbeachtlich, wenn sie vor Erlass des Urteils bereits vorgelegen haben und der Rechtsfehler des Urteils gerade darin liegt, dass sie nicht beachtet worden sind. Indessen ist das Rechtsbeschwerdegericht nicht gehindert, die Rechtsbeschwerde wegen der Frage der wirksamen Unterbrechung der Verjährung zuzulassen, wenn es geboten erscheint, hierzu ein klärendes Wort zu sprechen (vgl. BGHSt 36, 59; OLG Hamm aaO; OLG Zweibrücken zfs 1996, 195; Göhler, 12. Aufl., § 80 OWiG Rdnr. 23 mwN).

2.

Die Rechtsbeschwerde kann jedoch keinen Erfolg haben, weil entgegen der Auffassung des Betroffenen eine wirksame Unterbrechung der Verjährung gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 9 OWiG durch einen vor Ablauf der Verjährungsfrist wirksam erlassenen Bußgeldbescheid eingetreten ist.

Der Umstand, dass der Bußgeldbescheid im vorliegenden Fall datenverarbeitungsmäßig erstellt worden ist und keine Unterschrift trägt, berührt dessen Wirksamkeit nicht. Denn ein Bußgeldbescheid in dieser Form entspricht den formellen Anforderungen des § 66 OWiG, da das Gesetz lediglich Schriftform und keine Unterzeichnung verlangt. Voraussetzung ist allein, dass aus dem Bescheid hervorgeht, dass er eine gewollte Erklärung der für seinen Erlass zuständigen Behörde enthält, die für den Empfänger erkennbar ist (vgl. BGH VRS 93, 117, 118; OLG Brandenburg VRS 88, 291, 292; OLG Frankfurt NJW 1976, 337, 338 mwN; OLG Hamm NJW 1995, 2937).

Bei Schriftstücken, die auf elektronischem Weg unter Einsatz von Datenverarbeitungsgeräten erstellt werden und auch ohne Unterzeichnung zur Unterbrechung der Verjährung geeignet sind, ist für den Unterbrechungszeitpunkt der Tag des mechanischen Ausdrucks, der dem Datum des Bußgeldbescheides entspricht, maßgeblich. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Sachbearbeiter der Verwaltungsbehörde im üblichen elektronischen Verfahren, dessen Arbeitsabläufe streng schematisiert sind und einer ausschließlich formellen Prüfung unterliegen, die erforderlichen Daten eingibt und anschließend deren Übermittlung an einen anderen Rechner zum Ausdruck freigibt, ansonsten aber nicht in den Programmablauf eingreift und keine Programmänderung herbeiführt (vgl. OLG Frankfurt zfs 1991, 322; NJW 1976, 337, 339; VRS 61, 370, 372; VRS 60, 213; OLG Stuttgart VRS 63, 370; OLG Zweibrücken zfs 1996, 195, 196).

Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte ist der Bußgeldbescheid im vorliegenden Fall unmittelbar nach der abschließenden Dateneingabe vom 11. Oktober 2000 im Kommunalen Rechenzentrum M. ausgedruckt und damit wirksam erlassen worden. Nach den vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen hat die Sachbearbeiterin des Kreises V. vom 11. Oktober 2000 die ihr vorliegenden Angaben über die zugrundeliegende Ordnungswidrigkeit und den Betroffenen abschließend elektronisch verarbeitet, im Rechner gespeichert und anschließend zur elektronischen Übermittlung an das Kommunale Rechenzentrum freigegeben. Dies entspricht dem üblichen Ablauf beim Einsatz elektronischer Dateneingabegeräte. Da nach den Feststellungen ersichtlich weder ein Eingriff in den Programmablauf noch eine Programmänderung vorgenommen worden sind, kann rechtsfehlerfrei davon ausgegangen werden, dass der Bußgeldbescheid mit dem vermerkten Datum des 11. Oktober 2000 zum Ausdruck gelangt ist. Ob vorliegend der Ausdruck in der auf den 11. Oktober 2000 folgenden Nacht - und damit u.U. erst am 12. Oktober 2000 - erfolgt ist, wie dies nach den Urteilsgründen die Sachbearbeiterin ausgesagt hat, kann letztlich dahinstehen. Zwar spricht viel dafür, dass der Zeitpunkt des Ausdrucks mit dem ausgedruckten Datum des Bußgeldbescheids übereinstimmt (vgl. OLG Frankfurt NJW 1976, 337, 339). Indessen war vorliegend auch am 12. Oktober 2000 noch keine Verjährung eingetreten.

Entgegen der Auffassung des Betroffenen kommt dem Umstand der mit Datum vom 17. Oktober 2000 versehenen Paraphe der Sachbearbeiterin keine entscheidungserhebliche Bedeutung zu. Denn damit ist lediglich eine formale Überprüfung durch Sichtkontrolle und die Freigabe des Bußgeldbescheids in den Postgang dokumentiert worden. Eine inhaltlich-sachliche Überprüfung der von ihr bereits am 11. Oktober 2000 abschließend getroffenen und nicht weiter veränderten computerisierten Bußgeldentscheidung war damit nicht mehr verbunden.

Auch im übrigen hat die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Rechtsbeschwerdebegründung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben (§§ 79 Abs. 3 OWiG, 349 Abs. 2 und 3 StPO).

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 1 StPO.

Ende der Entscheidung

Zurück