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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 14.05.2001
Aktenzeichen: 2a Ss (OWi) 369/00 - (OWi) 24/01 III
Rechtsgebiete: StPO, SchwarzArbG, HwO


Vorschriften:

StPO § 274
StPO § 258 Abs. 2 u. 3
SchwarzArbG § 1 Abs. 3
HwO § 1 Abs. 2
1.

Entfällt die formelle Beweiskraft des Hauptverhandlungsprotokolls wegen widersprüchlicher Vermerke und verbleiben nach freibeweislichen Erhebungen Zweifel, ob der Betroffene das letzte Wort hatte, gehen diese zu seinen Lasten.

2.

Die Asphaltierung einer ca. 400 m² großen Hoffläche kann zu den wesentlichen Tätigkeiten im Sinne des § 1 Abs. 2 Handwerksordnung gehören. Auf die Unterscheidung zwischen öffentlichem und privatem Straßenverkehr kommt es dabei nicht an.

3.

Für die Abgrenzung des Straßenbauer-Handwerks von dem Gewerbe des Garten- und Landschaftsbauers kommt es auf den Gesamtcharakter der hergestellten Anlage an.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

2a Ss (OWi) 369/00 - (OWi) 24/01 III

In der Bußgeldsache

wegen Ordnungswidrigkeit

hat der 3. Senat für Bußgeldsachen durch den Richter am Landgericht R am

14. Mai 2001

auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil Amtsgerichts Remscheid vom 11. September 2000 nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft

beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde wird als unbegründet verworfen. Der Betroffene trägt die Kosten der Rechtsbeschwerde.

Gründe:

Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen "Schwarzarbeit" zu einer Geldbuße von 5.000 DM verurteilt. Die hiergegen gerichtete und auf die Verfahrens- und Sachrüge gestützte Rechtsbeschwerde des Betroffenen bleibt ohne Erfolg.

1.

Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Rechtsbeschwerderechtfertigung hat keine Verfahrensfehler ergeben.

a) Die vom Betroffenen erhobene Aufklärungsrüge ist nicht in einer den §§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO, 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG genügenden Form ausgeführt und damit unzulässig.

Die Zulässigkeit der Aufklärungsrüge setzt u.a. voraus, dass der Betroffene darlegt, aufgrund welcher ihm bekannter Umstände sich das Gericht zur Beweisaufnahme hätte gedrängt sehen müssen (KK-OWiG-Senge, 2. Aufl., § 77 Rdnr. 51 m.w.N.).

Dem wird die Rechtsbeschwerdebegründung nicht gerecht. Die darin mitgeteilten Tatsachen lösen eine Aufklärungspflicht des Gerichts nicht aus. Dazu hätte der Betroffene jedenfalls darlegen müssen, welche über den Inhalt der Merkblätter "Berufsbild für das Straßenbauer-Handwerk" "Berufsbild für das Maurer-Handwerk" hinausgehenden Auskünfte der Zeuge Sch zu welchem Zeitpunkt von welcher (zuständigen) Behörde erhalten hatte und wie dieser die erlangten Informationen anschließend im einzelnen an den Betroffenen weitergab.

Diesen Erfordernissen genügt die Rechtsbeschwerdebegründung in keinem der genannten Punkte. Es bleibt insbesondere offen, wann der Zeuge welche der "beteiligten Behörden" aufsuchte, ob es bei diesem Behördengang konkret um die hier zu Grunde liegenden Asphaltierungsarbeiten der Fa. K in R ging und - sollten nicht lediglich die vorbezeichneten Merkblätter übergeben worden sein - welche konkreten Auskünfte dem Zeugen hierzu mit welcher Begründung gegeben wurden.

b) Die zu einem Verstoß gegen das Recht des letzten Wortes (§§ 258 Abs. 2 und 3 StPO, 71 Abs. 1 OWiG) erhobenen Verfahrensrüge ist unbegründet. Dies folgt - auch wenn die Befragung des Betroffenen nach § 258 Abs. 3 StPO als wesentliche Förmlichkeit i.S.d. § 273 Abs. 1 StPO anzusehen ist (KK-Engelhardt, StPO, 4. Aufl., § 273 Rdnr. 4 m.w.N.; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Aufl., § 258 Rdnr. 31) - allerdings nicht schon aus dem Sitzungsprotokoll. Dessen Beweiskraft (§ 274 StPO), entfällt, da es Widersprüche aufweist und damit offenkundig fehlerhaft ist (vgl. KK-Engelhardt, a.a.O., § 274 Rdnr. 8 m.w.N.). Der Protokollvermerk "Der Betroffene - der Verteidiger hatten das letzte Wort." Schließt sich bei einer sinnvollen Auslegung gegenseitig aus (vgl. KK-Engelhardt a.a.O., Rdnr. 11).

Die vom Senat daher im Rahmen des Freibeweises durchgeführten Erhebungen haben den vom Betroffenen behaupteten Verfahrensfehler, sein Verteidiger habe vor der Urteilsverkündung als letzter gesprochen, selbst unter Berücksichtigung der gleichlautenden anwaltlichen Versicherung seines Verteidigers nicht nachweisen lassen. Die dienstlichen Äußerungen der zur Verfügung stehenden Gerichtspersonen haben das Vorbringen des Betroffenen nicht bestätigt. Im Gegenteil hat der Amtsrichter mitgeteilt, dass ihm "irgendwelche Besonderheiten... nicht im Gedächtnis haften geblieben [seien], insbesondere nicht, dass der Verteidiger nach dem "letzten Wort" des Betroffenen noch Erklärungen abgegeben" habe. Noch deutlicher ist die Stellungnahme des Protokollführers selbst. Nach dessen positiver Erinnerung wurden "derartige Anträge seitens der Verteidigung nach der Gewährung des letzten Wortes nicht mehr gestellt". Im Hinblick auf die klar gefasste Formulierung der dem Protokollführer vorgelegten Frage geht der Senat davon aus, dass dieser den Begriff "Anträge" nicht im engen juristischen Sinne verwendet hat, sondern damit jegliche Ausführungen des Verteidigers ausschließen wollte. Es verbleiben damit allenfalls Zweifel an einem im Hinblick auf die §§ 258 Abs. 3 StPO, 71 Abs. 1 OWiG ordnungsgemäßen Verfahren. Diese gehen zu Lasten des Betroffenen, da der Grundsatz "in dubio pro reo" insoweit nicht gilt (BGHSt 16, 164, 167; 21, 4, 10; NJW 1978, 1390; NStZ 94, 196).

2.

Auch die auf die Sachrüge erfolgte Nachprüfung des Urteils hat keine Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben.

a) Die vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen tragen die Verurteilung aus § 1 Abs. 1 Nr. 3 SchwArbG.

aa) Nach dieser Vorschrift handelt u.a. derjenige ordnungswidrig, der ein Handwerk als stehendes Gewerbe selbständig betreibt, ohne in die Handwerksrolle eingetragen zu sein.

Nach den Urteilsfeststellungen asphaltierte die allein für das Maurer- und Betonbauerhandwerk in die Handwerksrolle eingetragene A GmbH, deren alleiniger Geschäftsführer der Betroffene ist, den Hof des Getränkehändlers K in R im Juli 1999 auf einer Fläche von etwa 400 m² für einen Festpreis von 2.500 DM.

Diese Tätigkeit der GmbH stellt ein selbständiges Betreiben eines stehenden Gewerbes dar und ist dem Betroffenen als alleinigem gesetzlichen Vertreter der GmbH (§ 35 GmbHG) damit als besonderes persönliches Verhältnis i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 3 OWiG (vgl. KK-OWiG-Rogall, a.a.O., § 9, Rdnr. 29) zuzurechnen. Das Asphaltieren der Hoffläche ist auch dem unter Gruppe I Nr. 5 der Anlage A der Handwerksordnung genannten eintragungspflichtigen Straßenbauer-Handwerk zuzuordnen.

Für die Frage der fachlichen Zugehörigkeit einer Tätigkeit zu einem handwerksfähigen Gewerbe können die in den Verordnungen über Berufsbilder und Prüfungsanforderungen in der Meisterprüfung veröffentlichten Berufsbilder herangezogen werden (BVerwGE 25, 66, 67; 87, 191, 193; GewArch 92, 107, 108). Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung über das Berufsbild und über die Prüfungsanforderungen im praktischen und fachtheoretischen Teil der Meisterprüfung für das Straßenbauer-Handwerk (Straßenbauermeisterverordnung) vom 2. September 1987 (BGBl. I S. 2135) sind dem Straßenbauer-Handwerk die Planung, Herstellung und Instandsetzung von Verkehrsflächen, insbesondere Straßen, Wegen und Plätzen, die dem Straßenverkehr zu dienen bestimmt sind u.a., aus wasser-, bitumen-, teer-, zement- und kunststoffgebundenen Materialien zuzurechnen.

Die Asphaltierung einer Hoffläche eines Getränkehandels ist als die Herstellung eines dem Straßenverkehr zu dienen bestimmten Platzes aus u.a. bitumengebundenen Materialien anzusehen. Dass diese Hoffläche dem Straßenverkehr zu dienen bestimmt ist, ergibt sich entgegen der Auffassung des Betroffenen aus dem funktionalen Zusammenhang mit dem Getränkehandel und dem daraus ohne weiteres resultierenden praktischen Bedürfnissen wie etwa dem Liefer-, Lager- und Kundenverkehr mittels Lkw, Pkw, Gabelstapler u.a. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die fraglichen Flächen dem öffentlichen Straßenverkehr gewidmet sind. Eine derartige Unterscheidung ist mit dem Ziel der Handwerksordnung nicht zu vereinbaren. Die Zuordnung gewerblicher Tätigkeiten zu dem Berufsbild eines in der Anlage A aufgeführten Handwerks soll den Vertragspartnern der Gewerbetreibenden die Gewehr bieten, dass die Arbeiten bestimmungsgemäß, fachgerecht und in guter Qualität ausgeführt werden. Es macht in diesem Zusammenhang aber keinen Unterschied, ob auf der betreffenden Fläche öffentlicher oder privater Straßenverkehr stattfindet (BVerwG GewArch 92, 107, 108).

Die vorliegende, den Kernbereich des Straßenbauer-Handwerks betreffende "wesentliche" Tätigkeit (§ 1 Abs. 2 HandwO) ist auch nicht dem nichthandwerklichem Gewerbe des Garten- und Landschaftsbauers zuzurechnen. Zwar dürfen Angehörige des Garten- und Landschaftsbaugewerbes ohne Rücksicht auf die Art und den Umfang des erteilten Auftrags Wege- und Platzbefestigungen auch dann ausführen, wenn sich die betreffenden Flächen räumlich innerhalb einer landschaftsgärtnerischen Anlage befinden oder sich doch zumindest in sonstiger Weise als Teil einer solchen Anlage darstellen (Erbs/Kohlhaas/Ambs, § 1 HandwO Rdnr. 8; BVerwG GewArch 92, 240, 241; BVerwG GewArch 93, 329, 330 f.; OLG Hamm GewArch 95, 423). Für die danach maßgebliche landschaftsgärtnerische Prägung der von der A GmbH hergestellten Hoffläche finden sich in den Urteilsfeststellungen aber keine Anhaltspunkte - sie erscheinen im Hinblick auf den sich aus dem angefochtenen Urteil ergebenden funktionalen Zusammenhang mit dem Getränkehandel auch ausgeschlossen.

bb) Die erbrachte Werkleistung hatte im Hinblick auf die Größe der hergestellten Flächen von 400 m² auch erheblichen Umfang i.S.d. § 1 Abs. 1 SchwArbG (vgl. Senatsbeschluss vom 24. September 1998 - 2 Ss (OWi) 205/98 - (OWi) 73/98 III).

b)

Auch die Zumessungserwägungen des Amtsgerichts enthalten keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen.

aa) Das Amtsgericht hat den von ihm festgestellten Irrtum des Betroffenen über die Eintragungspflicht nach § 1 HandwO rechtsfehlerfrei als vermeidbaren Verbotsirrtum nach § 11 Abs. 2 OWiG behandelt (vgl. OLG Koblenz GewArch 86, 139, 141; 86, 199, 200 Erbs/Kohlhaas/Ambs, § 1 SchwArbG Rdnr. 34). Auch wenn die Ausführungen des angefochtenen Urteils nicht erkennen lassen, dass sich der Tatrichter der daraus resultierenden Milderungsmöglichkeit bewusst war (vgl. Göhler, OWiG, 12. Aufl., § 11 Rdnr. 29 m.w.N.), so kann der Senat im Hinblick auf das angesichts des sich aus § 1 Abs. 2 SchwArBG ergebenden Höchstbetrags von 200.000 DM niedrige Bußgeld von 5.000 DM ausschließen, dass das Urteil auf diesem Rechtsfehler beruht.

bb) Den Bußgeldbescheid aus November 1996 wegen Schwarzarbeit, dessen Warneffekt sich - trotz fehlender Mitteilung des Eintrittes der Rechtskraft - schon daraus ergibt, dass der Betroffene als Reaktion einen Meister des Maurer- und Betonbauerhandwerks einstellte und die entsprechende Eintragung in die Handwerksrolle herbeiführte (UA S. 2), konnte das Amtsgericht rechtsfehlerfrei bußgelderhöhend berücksichtigen. Einer Verwertung dieser Vorbelastung stünde die aus § 153 Abs. 1 Nr. 2 GewO resultierende Tilgung der entsprechenden Eintragung im Gewerbezentralregister erst 5 Jahre nach Eintritt der Rechtskraft entgegen - hier also frühestens ab November 2001 - (vgl. KK-OWiG-Steindorf, a.a.O., § 17 Rdnr. 81; Göhler a.a.O. § 17 Rdnr. 20 b).

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 473, Abs. 1 StPO, 46 Abs. 1 OWiG.

Ende der Entscheidung

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