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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 31.05.2000
Aktenzeichen: 2a Ss (OWi) 68/00 - (OWi) 30/00 II
Rechtsgebiete: OWiG


Vorschriften:

OWiG § 17 Abs. 3
Leitsatz

OWiG § 17 Abs. 3

Bei der Ahndung von Verkehrsordnungswidrigkeiten dürfen die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen in der Regel unberücksichtigt bleiben, wenn wegen der Zuwiderhandlung eine Geldbuße von nicht mehr als 500,-- DM verhängt wird.

Oberlandesgericht Düsseldorf 2. Senat für Bußgeldsachen Beschluß vom 31. Mai 2000 2a Ss (OWi) 68/00 - (OWi) 30/00 II


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

2a Ss (OWi) 68/00 - (OWi) 30/00 II 71 Js 884/99 StA Duisburg

In der Bußgeldsache

gegen

wegen Verkehrsordnungswidrigkeit

hat der 2. Senat für Bußgeldsachen durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Steffen, den Richter am Oberlandesgericht Braunöhler und die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Redick am

31. Mai 2000

auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Duisburg-Hamborn vom 30. November 1999 nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft

beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde wird auf Kosten des Beschwerdeführers als unbegründet verworfen.

Gründe:

Durch das angefochtene Urteil hat das Amtsgericht gegen den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit eine Geldbuße von 300,DM festgesetzt und ihm für die Dauer eines Monats verboten, Kraftfahrzeuge jeder Art im Straßenverkehr zu führen. Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde des Betroffenen ist unbegründet, da die Überprüfung des Urteils auf die allein erhobene Sachrüge keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben hat.

I.

Die Feststellungen des Amtsgerichts tragen den Schuldspruch wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 31 km/h (§§ 41 Abs. 2 Nr. 7, 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO). Da hier ausweislich der Urteilsgründe mit dem Meßgerät "Riegl LR 90 235 P" ein weithin standardisiertes Geschwindigkeits-Meßverfahren zur Anwendung kam, stellt hinsichtlich der Darlegungen zum objektiven Tatbestand der Geschwindigkeitsüberschreitung bereits die Mitteilung des Meßverfahrens, der tatsächlich ermittelten Geschwindigkeit und des Toleranzabzugs für etwaige Meßfehler eine hinreichende Nachprüfungsgrundlage für das Rechtsbeschwerdegericht dar (vgl. hierzu BGHSt 39, 291ff.; BGH DAR 98, 110, 111f.; Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 34. Auflage, § 3 StVO Rn. 56 a.E. m.w.N.). Soweit das Amtsgericht die im fraglichen Bereich zulässige Höchstgeschwindigkeit mit 30 km/h angegeben hat und angesichts des festgestellten Meßergebnisses von 84 km/h sowie einer berücksichtigten Toleranz von 3 km/h gleichwohl von einer Geschwindigkeitsüberschreitung um "nur" 31 km/h ausgeht, ist der Betroffene nicht beschwert.

Mit den Einwänden des Betroffenen gegen die Zuverlässigkeit der durchgeführten Messung hat sich das Amtsgericht bei der Würdigung der erhobenen Beweise ausführlich und rechtsfehlerfrei auseinandergesetzt. Das Rechtsbeschwerdevorbringen erschöpft sich insoweit in unzulässigen Angriffen gegen die Beweiswürdigung, die grundsätzlich allein der tatrichterlichen Beurteilung obliegt. Das Rechtsbeschwerdegericht hat im Rahmen der allgemeinen Sachrüge anhand der Urteilsausführungen lediglich zu überprüfen, ob der Tatrichter an den Begriff der richterlichen Überzeugung zu geringe Anforderungen gestellt hat oder ob die Beweiswürdigung Widersprüche, Unklarheiten, Lücken beziehungsweise Verstöße gegen Denkoder Erfahrungssätze erkennen läßt. Dies ist hier entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - nicht der Fall.

II.

Auch die Begründung des Rechtsfolgenausspruchs im angefochtenen Urteil läßt keinen Rechtsfehler erkennen.

1. Wie das Amtsgericht zutreffend erkannt hat, sieht die Bußgeldkatalogverordnung (lfd. Nr. 5.3.3 der Tabelle 1a) für Geschwindigkeitsüberschreitungen um 31 km/h innerhalb geschlossener Ortschaften eine Regelgeldbuße von 200,- DM sowie ein einmonatiges Fahrverbot als Regelfolge im Sinne von §§ 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BKatV, 25 Abs. 1 S. 1 StVG vor.

2. Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, daß das Amtsgericht im Rahmen des ihm gemäß § 17 OWiG zustehenden Ermessens die Geldbuße unter Berücksichtigung der nicht tilgungsreifen verkehrsrechtlichen Vorbelastung des Betroffenen auf 300,- DM erhöht hat, ohne Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen zu treffen.

Gemäß § 17 Abs. 3 OWiG orientiert sich die Bemessung der Geldbuße in erster Linie an der Bedeutung der Ordnungswidrigkeit und an dem Vorwurf, der den Täter trifft. Die wirtschaftlichen Verhältnisse kommen nur als zusätzlicher Gesichtspunkt "in Betracht" und bleiben bei "geringfügigen" Ordnungswidrigkeiten "in der Regel unberücksichtigt". Es kann dahinstehen, ob die "Geringfügigkeitsgrenze" des § 17 Abs. 3 S. 2 HS. 2 OWiG mit dem für die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde maßgeblichen Schwellenwert des § 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 OWiG gleichzusetzen (so für die alte Fassung der Vorschrift: OLG Frankfurt VRS 57, 358f.; OLG Koblenz VRS 69, 60, 63, VRS 60, 422, 424 und VRS 70, 224, 225; OLG Stuttgart Justiz 86, 97; OLG Schleswig SchlHA 84, 76) und daher seit dessen Änderung durch Gesetz vom 26. Januar 1998 bei 500,- DM anzusiedeln ist (so - sehr weitgehend OLG Zweibrücken NStZ 2000, 95f.). Unabhängig von dieser Frage hat die Anhebung des Schwellenwerts für die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde nach Ansicht des Senats jedenfalls für den Bereich der Verkehrsordnungswidrigkeiten zur Folge, daß die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen in der Regel unberücksichtigt bleiben dürfen, wenn die Zuwiderhandlung nach ihrer Bedeutung und unter Berücksichtigung des den Täter treffenden Vorwurfs mit einer Geldbuße von nicht mehr als 500,- DM zu ahnden ist. Die gegenteilige Ansicht, die offenbar auch nach der Änderung des OWiG insoweit an einem Grenzwert von 200,- DM festhalten will (OLG Düsseldorf - 1. Strafsenat - JMBl. NW 1999, 267, 268 und 280), vermag der Senat nicht zu teilen.

Unter der Geltung des § 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 OWiG a. F. ging ein großer Teil der Rechtsprechung - zu Recht davon aus, daß der Verzicht auf eine Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen im Bereich der massenhaft und gleichartig begangenen Verkehrsordnungswidrigkeiten bei Geldbußen bis zu 200,DM auch ohne eine Zuordnung dieser Fälle zum Kreis der geringfügigen Ordnungswidrigkeiten in der Regel zulässig sei, da in diesen Verfahren der Gedanke der Verfahrensvereinfachung und der möglichst weitgehenden Gleichbehandlung im Vordergrund stehe (OLG Düsseldorf JMBl . NW 84, 238f. , VRS 70, 35, 38 und VRS 80, 376, 380; BayObLG bei Janiszewski NStZ 86, 259; vgl. auch Göhler, OWiG, 12. Auflage, § 17 Rn. 24; Göhler NStZ 84, 62, 63 und NStZ 85, 62, 63). Der für die Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse maßgebliche, in späteren Entscheidungen nicht mehr näher hinterfragte Schwellenwert von 200,- DM fand seinen Ursprung ausschließlich in der Überlegung, daß der Gesetzgeber mit der Festlegung der Wertgrenze für die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde gemäß § 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 OWiG a.F. auch zugleich allgemein den Bereich markiert habe, der einer gewissen Schematisierung im Interesse der Verfahrensvereinfachung und -beschleunigung zugänglich sei (so noch ausdrücklich OLG Frankfurt VRS 57, 358f.; OLG Düsseldorf JMBl. NW 84, 238, 239; OLG Koblenz VRS 69, 60, 63, VRS 60, 422, 424 und VRS 70, 224, 225).

Folgt man dieser Ausgangsüberlegung, die der Senat für zutreffend hält, so muß die Änderung des § 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 OWiG durch Gesetz vom 26. Januar 1998 zwangsläufig auch zu einer Anpassung des durch die Oberlandesgerichte zuvor festgelegten Schwellenwerts führen, denn durch die Anhebung der Wertgrenze für die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde gemäß § 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 OWiG hat der Gesetzgeber zu erkennen gegeben, daß er im Interesse des fortbestehenden Bedürfnisses nach Verfahrensvereinfachung und -straffung insbesondere bei den massenhaft vorkommenden Verkehrsordnungswidrigkeiten (vgl. hierzu BT-Drucks. 13/5418 S. 1, 7, 10; BT-Drucks. 13/8655 S. 1) in weitergehendem Maße als bisher Schematisierungen für erfordderlich hält. Eine unzumutbar Beeinträchtigung schutzwürdiger Belange des Bürgers ist hiermit nicht verbunden, denn die seit dem Inkrafttreten des OWiG im Jahre 1968 erstmalige Anhebung des Grenzwerts gemäß § 79 Abs. 1 S. Nr. 1 OWiG tragt zu einem wesentlichen Teil lediglich der zwischenzeitlich Eingetretenen Steigerung des Preis-/Lohnniveaus Rechnung.

Ist mithin nach alledem eine Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen jedenfalls im Bereich der Verkehrsordnungswidrigkeiten bei Geldbußen bis zu 500,- DM in der Regel verzichtbar, so kann andererseits dahinstehen, ob etwas anderes zu gelten hat, wenn im Einzelfall Anhaltspunkte für außergewöhnlich gute oder schlechte wirtschaftliche Verhältnisse des Betroffenen bestehen. Eine Prüfung dieser Frage im Rahmen der hier ausschließlich erhobenen Sachrüge ist aufgrund der Feststellungen des angefochtenen Urteil für den vorliegenden Fall nicht veranlaßt.

3. Auch die tatrichterliche Entscheidung zur Verhängung des Fahrverbots ist frei von Rechtsfehlern materieller Art. Ausweislich der Urteilsgründe hat das Amtsgericht die Umstände des konkreten Falles in seine Bewertung und Entscheidung einbezogen und von der grundsätzlich bestehenden Möglichkeit eines Verzichts auf die Nebenfolge unter gleichzeitiger Erhöhung der Geldbuße bewußt keinen Gebrauch gemacht. Einer weitergehenden begründenden Darlegung zur Angemessenheit des Fahrverbots bedarf es im Anwendungsbereich des § 2 Abs. 1 S. 1 BKatV nicht (BGHSt 38, 125, 136).

III.

De Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.



Ende der Entscheidung

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