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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 08.05.2000
Aktenzeichen: 2a Ss 114/00-21/00 III
Rechtsgebiete: StPO, StGB


Vorschriften:

StPO § 349 Abs. 2
StPO § 331 Abs. 1 StPO
StPO § 354 Abs. 1
StPO § 358 Abs. 2
StPO § 268 a Abs. 1
StPO § 268 a Abs. 3
StPO § 473 Abs. 1
StPO § 473 Abs. 4
StGB § 55 Abs. 1 Satz 1
StGB § 53 Abs. 2 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

2a Ss 114/00-21/00 III 511 Js 433/99 StA Wuppertal

In der Strafsache

wegen Betruges u.a.

hat der 3. Strafsenat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht B, den Richter am Oberlandesgericht S und die Richterin am Amtsgericht B am

8. Mai 2000

auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der 8. kleinen Strafkammer des Landgerichts Wuppertal vom 26. Oktober 1999 nach Anhörung des Beschwerdeführers und der Generalstaatsanwaltschaft auf deren Antrag einstimmig

beschlossen:

Tenor:

1. Das Urteil wird im Gesamtstrafenausspruch aufgehoben. Die Gesamtstrafenbildung mit der Geldstrafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Wuppertal vom 4. September 1998 - 26 Cs 27 Js 747/98 - entfällt.

2. Der Angeklagte wird wegen Betruges und falscher Verdächtigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 8 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird.

3. Im übrigen wird die Revision als unbegründet verworfen (§ 349 Abs. 2 und 3 StPO).

4. Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des Rechtsmittels.

Gründe:

Das Amtsgericht Wuppertal hat den Angeklagten wegen Betruges und übler Nachrede zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 8 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Hierbei hat es von der Einbeziehung einer gesamtstrafenfähigen Geldstrafe wegen Urkundenfälschung aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Wuppertal vom 4. September 1998 - 26 Cs 27 Js 747/98 - abgesehen.

Die hiergegen gerichtete Berufung des Angeklagten hat das Landgericht mit der Maßgabe verworfen, daß "der Angeklagte wegen Betruges und wegen falscher Verdächtigung unter Einbeziehung der Strafe aus dem Verfahren 26 Cs 27 Js 747/98 Amtsgericht Wuppertal zu einer Gesamtstrafe von 9 Monaten Freiheitsstrafe unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt" wird.

Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten, der die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt hat den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg.

I.

Die Revision ist hinsichtlich des Schuldspruchs und der verhängten Einzelstrafen unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat insoweit keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

II.

Keinen Bestand hingegen hat der Gesamtstrafenausspruch von neun Monaten Gesamtfreiheitsstrafe.

1.

Die Einbeziehung der Geldstrafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Wuppertal vom 4. September 1998 - 26 Cs 27 Js 747/98 - in die Gesamtstrafenbildung des angefochtenen Urteils stellt einen sachlich rechtlichen Mangel dar, der zur Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs führt.

Im tatrichterlichen Berufungsverfahren gilt § 331 Abs. 1 StPO. Danach darf das Berufungsgericht das Urteil in Art und Höhe der Rechtsfolgen nicht zum Nachteil des Angeklagten abändern, wenn - wie vorliegend - nur der Angeklagte Berufung eingelegt hat. Die Vorschrift will sicherstellen, daß der Angeklagte bei seiner Entscheidung darüber, ob er von dem ihm zustehenden Rechtsmittel Gebrauch machen will, nicht durch die Besorgnis beeinträchtigt wird, es könne ihm durch die Einlegung des Rechtsmittels ein Nachteil in Gestalt höherer Bestrafung entstehen (BGHSt 7, 86, 87; KK-Ruß, StPO, 4. Auflage, § 331 Rdnr. 1).

Hat der Richter im ersten Rechtszug abgelehnt, aus einer Geld- und einer Freiheitsstrafe eine Gesamtfreiheitsstrafe zu bilden, hat er zu dieser Frage mithin eine Entscheidung getroffen, dann hat es bei alleiniger Berufung des Angeklagten damit sein Bewenden. Dem Rechtsmittelgericht ist es in einem solchen Fall durch das Verschlechterungsverbot des § 331 Abs. 1 StPO verwehrt, die erstinstanzliche Entscheidung nach §§ 55 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 2 Satz 2 StGB zu korrigieren. Da Freiheitsstrafe im Verhältnis zu Geldstrafe das schwerere Übel ist, würde der Angeklagte durch die mit einer Erhöhung der Freiheitsstrafe verbundene Einbeziehung einer Geldstrafe gegenüber dem Rechtszustand im Zeitpunkt des ersten Urteils eine Verschlechterung erfahren (BGH bei Holz MDR 1997, 109; BGHSt 35, 208, 212; OLG Düsseldorf JMBl NW 1998, 23, 24; Kleinknecht/Meyer-Goßner, 44. Auflage, StPO, § 331 Rdnr. 20 m.w.N.).

Vorliegend hat das Amtsgericht davon abgesehen, die Geldstrafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Wuppertal vom 4. September 1998 in die Gesamtstrafenbildung einzubeziehen. Das Amtsgericht hat hierzu ausgeführt, daß jeder sachliche Zusammenhang zwischen der dem Strafbefehl zugrundeliegenden Straftat mit den hier in Rede stehenden Taten fehle, so daß zur Erreichung der unterschiedlichen Strafzwecke von Geld- und Freiheitsstrafe diese nebeneinander bestehen bleiben sollen.

Nachdem das Amtsgericht damit entschieden hatte, von der Bildung einer Gesamtfreiheitsstrafe unter Einbeziehung der Geldstrafe aus dem Strafbefehl abzusehen, war die Nachholung der Gesamtstrafenbildung dem Landgericht aufgrund des Verschlechterungsverbots des § 331 Abs. l StPO untersagt.

Dieser Rechtsverstoß ist von dem Senat bei einer - wie hier zulässigen Revision bereits von Amts wegen zu berücksichtigen (vgl. BGHSt 14, 5, 7; 29, 269, 270; OLG Düsseldorf StV 1986, 146; KK-Ruß, a.a.O. Rdnr. 10; Kleinknecht-Meyer/Goßner, a.a.O. Rdnr. 24 m.w.N.).

2.

Die wegen des aufgezeigten Verstoßes gegen § 331 Abs. 1 StPO erforderliche Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs führt hier - ausnahmsweise - nicht zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht. Vielmehr ist der Senat in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO selbst in der Lage, die neue Strafe festzusetzen (vgl. BGH wistra 1991, 180; OLG Düsseldorf StV 1986, 146, KK-Kuckein, a.a.O., § 35.4 Rdnr. 8; Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.O., § 354 Rdnr. 26, KMR-Paulus, StPO, 7. Auflage, § 354 Rdnr. 27; jeweils m.w.N.).

Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrundeliegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur... auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist... (§ 354 Abs. 1 StPO). Einer solchen durch das Strafgesetz bereits als absolut bezeichneten Strafe ist die Strafe gleichzusetzen, auf die das Tatsachengericht bei Vermeidung des ihm unterlaufenen Rechtsfehlers mit Sicherheit erkannt hätte und auf die auch im Falle einer Zurückverweisung das nunmehr mit der Sache befaßte Gericht erkennen würde (vgl. OLG Düsseldorf, a.a.O.). Besteht diese Gewißheit, hat das Revisionsgericht die Strafe in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO selbst festzusetzen (vgl. KK-Kuckein, a.a.O. m.w.N.). Hierbei darf das Revisionsgericht eine unter Verstoß gegen § 331 Abs. 1 erhöhte Strafe auf das Maß des Ersturteils zurückführen (vgl. KMR-Paulus a.a.O.).

So liegt der Fall hier. In den Gründen des angefochtenen Urteil ist ausdrücklich erwähnt, daß die Berufung des Angeklagten "in der Sache keinen Erfolg" hat. Sie hat lediglich "zu einer Änderung des Schuldspruchs und zu der Einbeziehung einer weiteren Strafe in die zu bildende Gesamtstrafe" geführt.

Die Strafkammer hat rechtsfehlerfrei wie schon das Amtsgericht auf eine Einsatzstrafe von 7 Monaten Freiheitsstrafe wegen Betruges und auf eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 25,- DM wegen falscher Verdächtigung erkannt. Bei dieser Sachlage kann ausgeschlossen werden, daß das Landgericht im Ergebnis zu einem anderen, gegenüber dem Amtsgericht milderen Gesamtstrafenausspruch hinsichtlich des Angeklagten gelangt wäre, wenn die Gesamtstrafenbildung mit der weiteren Geldstrafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Wuppertal unterblieben wäre.

Die Bildung der neuen Gesamtfreiheitsstrafe durch den Senat hat aus den im angefochtenen Urteil rechtsfehlerfrei festgesetzten Einzelstrafen zu erfolgen (vgl. BGH wistra 1991, 180). Diese darf wegen des Verschlechterungsverbots des § 358 Abs. 2 StPO nur so hoch bemessen werden, daß sie die mit Urteil des Amtsgerichts verhängte Gesamtfreiheitsstrafe von 8 Monaten nicht übersteigt. Diese Strafe setzt der Senat in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO selbst fest. Es ist auszuschließen, daß der neue Tatrichter im Falle einer Zurückverweisung der Sache auf eine geringere Gesamtfreiheitsstrafe erkennen würde.

Die Vollstreckung dieser Gesamtfreiheitsstrafe ist zur Bewährung auszusetzen. Das folgt aus der Bindungswirkung des § 358 Abs. 2 StPO.

3.

Die Beschlußentscheidung nach § 268 a Abs. 1 StPO und die Belehrung nach § 268 a Abs. 3 StPO muß dem Tatgericht überlassen werden (BGH StV 1996, 265, 266; KMR-Paulus, a.a.O. Rdnr. 33 m.w.N.).

4.

Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 und Abs. 4 StPO. Der Teilerfolg des Rechtsmittels ist vorliegend von so geringem Umfang, daß es nicht als unbillig anzusehen ist, den Beschwerdeführer mit den Kosten des Rechtsmittels und seinen insoweit entstandenen notwendigen Auslagen zu belasten.



Ende der Entscheidung

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