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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 07.05.2001
Aktenzeichen: 2a Ss 97/01 - 26/01 II
Rechtsgebiete: StPO, StGB


Vorschriften:

StPO § 349 Abs. 4
StPO § 354 Abs. 2
StGB § 253
StGB § 51
StGB § 46
StGB § 47 Abs. 1
StGB § 56 Ab s. 3
StGB § 59 Abs. 1 Nr. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

2a Ss 97/01 - 26/01 II 6 Js 228/00 StA Mönchengladbach

In der Strafsache

wegen Erpressung

hat der 2. Strafsenat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht am

7. Mai 2001

auf die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil der 6. kleinen Strafkammer des Landgerichts Mönchengladbach vom 31. Oktober 2000 auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft gemäß §§ 349 Abs. 4, 354 Abs. 2 StPO einstimmig

beschlossen:

Tenor:

Das angefochtene Urteil wird mir den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere Strafkammer des Landgerichts Mönchengladbach zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Das Landgericht hat die wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Berufungen der Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Mönchengladbach, mit welchem gegen die Angeklagten Freiheitsstrafen von je zwei Jahren und vier Monaten wegen Erpressung verhängt worden waren, verwerfen.

Die dagegen eingelegten Revisionen haben mit der Sachrüge (vorläufigen) Erfolg.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme vom 20. April 2001 folgendes ausgeführt:

"Nach wirksamer Beschränkung der Berufungen auf den Rechtsfolgenausspruch (Bd. I Bl. 224 d.A.; Bd. II Bl. 276 d.A.) ist das Urteil des Amtsgerichts Mönchengladbach vom 4. Juli 2000 in Rechtskraft erwachsen.

Die Revisionen haben mit der Sachrüge Erfolg. Der Rechtsfolgenausspruch hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand, weil die Strafzumessungserwägungen in mehrfacher Hinsicht lückenhaft sind und daher rechtlichen Bedenken begegnen.

Im angefochtenen Urteil ist bei der Darlegung der Strafzumessungserwägungen unter anderem ausgeführt:

'Insgesamt ist die Kammer zu der Überzeugung gelangt, dass nach Abwägung aller für und gegen die Angeklagten sprechenden Umstände, gemessen an dem dargestellten Ausmaß der kriminellen Umstände, gemessen an dem dargestellten Ausmaß der kriminellen Energie der Angeklagten und der für die Person des Opfers drohenden Folgen der Tat für jeden der beiden Angeklagten eine Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 4 Monaten tat- und schuldangemessen ist. Ein solches, annähernd in der Mitte des gesetzlich vorgesehenen Strafrahmens der gesetzlichen Norm des § 253 StGB liegendes Strafmaß sowohl zur Einwirkung auf die Angeklagten als auch zur Abschreckung potentieller anderer Täter sowie zur Verteidigung der Rechtsordnung erforderlich und unumgänglich. Daher hat die Strafkammer nicht verkannt, dass bei den Angeklagten eine besondere Vollzugsempfindlichkeit im Hinblick auf ihr Vorleben, das im Rahmen der Vollstreckung der Freiheitsstrafe auch in der Justizvollzugsanstalt sicherlich nicht unbekannt bleiben wird, vorliegen dürfte. Diese besonderen, ihrer Person liegenden Umstände sind den Angeklagten allerdings bei der Begehung ihrer Tat bekannt gewesen, ohne dass sie sich von den möglicherweise auf sie zukommenden besonderen Konsequenzen für den Fall der Aufdeckung der Tat und ihrer Verurteilung von der Tatbegehung selbst dann haben abhalten lassen, als das Opfer von der erfolgten Einschaltung der Polizei berichtet hatte. Auch diese besonderen persönlichen Umstände vermochten nach Auffassung der Kammer weder die Verhängung einer Freiheitsstrafe von nicht mehr als 2 Jahren zu rechtfertigen oder gar zu gebieten.'

Diese Strafzumessungserwägungen sind insoweit lückenhaft, als sie eine nähere Auseinandersetzung mit den Auswirkungen der bislang erlittenen Untersuchungshaft der Angeklagten vermissen lassen. Insbesondere bei Erstverbüßern, die durch Freiheitsentzug als Konsequenz einer Straftat unter Umständen noch besonders beeindruckt werden können, kommt eine strafmildernde Berücksichtigung der erlittenen Untersuchungshaft ungeachtet deren Anrechnung nach § 51 StGB in Betracht (zu vgl. Tröndle/Fischer, StGB, 50. Auflage, § 46 Rdn. 72 [richtig: § 46 Rdnr. 35 g unter Hinwels auf BGH (5 StR 683/93) = NStZ 1994, 198 = StV 1994, 242]; OLG Düsseldorf, Beschluss vom B. Mai 2000 - 16/00 II -). Im vorliegenden Fall lag hierin ein die Strafzumessung unter Umständen wesentlich beeinflussender Gesichtspunkt, dessen Prüfung nach dem festgestellten Sachverhalt ernsthaft in Betracht kam und dessen Erörterung in den Urteilsgründen daher auch erforderlich war. Denn die Angeklagten befinden sich ausweislich der Urteilsfeststellungen als Erstverbüßer zur Zeit der angefochtenen Entscheidung bereits seit über neun Monaten unter den Einwirkungen der Untersuchungshaft.

Die Erwägung des Landgerichts, die verhängten Freiheitsstrafen seien auch zur potentiellen Abschreckung anderer Täter erforderlich und unumgänglich, werden durch die Feststellungen des angefochtener. Urteils nicht getragen.

Nach ständiger Rechtsprechung kann zwar auch der Strafzweck der Abschreckung anderer bei der Strafbemessung berücksichtigt werden (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 6. Januar 1992 - 84/91 III -; Beschluss vom 20. September 1993 - 196/93 -; BGHSt 28, 318, 326). Dabei darf jedoch der Bereich der schuldangemessenen Strafe nicht verlassen werden; die Strafe muss der persönlichen Schuld angemessen sein. Eine schwerere Strafe - als sie sonst angemessen wäre - ist aus Gründen der Abschreckung anderer möglicher Rechtsbrecher grundsätzlich nur dann gerechtfertigt, wenn bereits eine gemeinschaftsgefährliche Zunahme solcher oder ähnlicher Straftaten, wie sie zur Aburteilung stehen, festgestellt worden ist.

Angesichts des Umstandes, dass die Tat nach den getroffenen Feststellungen nur in Höhe eines Betrages in Höhe von 1.000 DM erfolgreich war und den Angeklagten überdies bewusst war, dass der Geschädigte den geforderten Betrag von 200.000 DM keinesfalls zur Verfügung hatte, kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Landgericht dem Gesichtspunkt der Generalprävention, den es im Rahmen der Strafzumessung hervorhebt, ein zu hohes Gewicht beigemessen hat. Das Landgericht hätte daher darlegen müssen, dass sie die Generalprävention nur in den oben angeführten Grenzen herangezogen hat. Dies ist jedoch nicht geschehen.

Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass der Strafzweck der Abschreckung die Bemessung der Freiheitsstrafe beeinflusst hat.

Ebenso wird die weitere Erwägung des Landgerichts, die verhängten Freiheitsstrafen seien auch zur Verteidigung der Rechtsordnung erforderlich und unumgänglich, nicht durch die Feststellungen des angefochtenen Urteils getragen.

Die Verteidigung der Rechtsordnung, in die der Gedanke der Generalprävention miteingeschlossen ist (Tröndle/Fischer, a.a.O., § 46 Rdnr. 9), wird in § 46 StGB zwar nicht genannt. Jedoch ergibt sich aus § 47 Abs. 1, § 56 Ab s. 3, und § 59 Abs. 1 Nr. 3 StGB, dass sie ein wesentlicher Leitgesichtspunkt der Strafzumessung ist und bei der Bestimmung der Höhe der Strafe im Rahmen der Schuld zu Lasten des Täters berücksichtigt werden kann (Tröndle/Fischer a.a.O., § 46 Rdn. 9; BGH 34, 151).

Unter Verteidigung der Rechtsordnung ist zu verstehen, dass die Strafe auch die Aufgabe hat, die durch die Tat verletzte Ordnung des Rechts gegenüber dem Täter durchzusetzen und künftigen Verletzungen durch ihn und andere vorzubeugen. Vor allem geht es um den Schutz der Rechtsgüter, den Verhängung und Vollzug der Strafe mit zu übernehmen haben; außerdem aber auch um die Durchsetzung der Strafrechtsordnung selbst: Die Androhung der Strafe darf nicht auf dem Papier stehen bleiben, wenn sie nicht ihre Wirkung verlieren soll. Das Vertrauen der Bevölkerung, im Schutze der Rechtsordnung als einer Friedensordnung zu leben, darf nicht erschüttert und damit auch die Rechtstreue der Bevölkerung selbst nicht gefährdet werden (Tröndle/Fischer a.a.O., § 96 Rdnr. 9; BGH 6, 127; Düsseldorf, NJW 70, 767).

Inwieweit das Vorgehen der Angeklagten geeignet ist, die genannten Voraussetzungen zu erfüllen, bedarf einer vom Tatrichter vorzunehmende Prüfung, welche dem Rechtsmittelgericht eine rechtliche Nachprüfung erlaubt. Eine solche nachvollziehbare Gesamtwürdigung lässt die angefochtene Entscheidung vermissen."

Dieser Beurteilung schließt sich der Senat an.

Ende der Entscheidung

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