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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 23.05.2002
Aktenzeichen: 2a Ss 97/02 - 41/02
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 223
Nächtliche Telefonanrufe, die reine Befindlichkeitsstörungen ohne einen medizinisch bedeutsamen Krankheitswert verursachen, stellen keine Körperverletzung dar.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

2a Ss 97/02 - 41/02

In der Strafsache

wegen Körperverletzung

hat der 2. Strafsenat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht S., den Richter am Oberlandesgericht B. und die Richterin am Oberlandesgericht H.-R. am

23. Mai 2002

auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der 6. kleinen Strafkammer des Landgerichts Duisburg vom 7. Dezember 2001 nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gemäß §§ 349 Abs. 4, 354 Abs. 2 StPO einstimmig

beschlossen:

Tenor:

Das angefochtene Urteil wird mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere Strafkammer des Landgerichts Duisburg zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Das Landgericht hat die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Oberhausen, mit dem gegen ihn wegen Körperverletzung in fünf Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten verhängt worden war, verworfen. Dagegen hat der Angeklagte Revision eingelegt, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt.

Das Rechtsmittel hat Erfolg, weil die Feststellungen des angefochtenen Urteils den Schuldspruch nicht tragen.

II.

Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen rief der Angeklagte bei dem Telefonanschluss des Zeugen Z. am 9. November 2000 um 0.43 Uhr, 1.12 Uhr und 1.15 Uhr sowie am 12. November 2000 um 4.30 Uhr und 4.32 Uhr an und machte Mitteilungen unterschiedlichen Inhalts im Zusammenhang mit einer vermeintlich begründeten Geldforderung gegen die V.-K. GmbH, bei welcher der Zeuge Z. beschäftigt war. Die Familie des Zeugen wurde "durch die Telefonate jedesmal empfindlich in ihrer Nachruhe gestört, aus dem Schlaf gerissen und konnte zunächst nicht wieder einschlafen, da sie mit einem erneuten Anruf rechnen musste. Am jeweils nächsten Tag fühlten sie sich unausgeglichen, müde, gerädert und nervös".

Diese Feststellungen sind unzureichend, um den objektiven Tatbestand des § 223 Abs. 1 StGB zu erfüllen.

Eine körperliche Misshandlung oder Gesundheitsschädigung iSd § 223 StGB erfordert den Eintritt eines - wenn auch nur vorübergehenden - pathologischen, somatisch objektivierbaren Zustands. Dabei muss die Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit mehr als nur unerheblich sein (vgl. LK-Lilie, 11. Aufl., § 223 StGB Rdnrn. 9, 16).

Eine bloß psychische Einwirkung, die lediglich das seelische Wohlbefinden berührt, ist keine Gesundheitsbeschädigung, sofern nicht darüberhinausgehend die Nerven in einen krankhaften Zustand versetzt werden (vgl. OLG Köln VRS 75, 104, 106 mwN; LK-Lilie, aaO, § 223 StGB Rdnr. 15). Insoweit reichen Angst, Schrecken und Erregung allein nicht aus, vielmehr muss bei psychischen Beeinträchtigungen ein medizinisch relevanter Krankheitszustand in einem nicht nur unerheblichen Umfang eingetreten sein (vgl. BGH NStZ 1997, 123; NJW 1996, 1068, 1069; OLG Hamm MDR 1958, 939; Lackner-Kühl, 24. Aufl., § 223 StGB Rdnr. 4). Zwar kann das körperliche Wohlbefinden im Einzelfall auch durch nächtliche Störanrufe in einem relevanten Umfang beeinträchtigt werden. Indessen ist dazu erforderlich, dass infolge einer Erschütterung des seelischen Gleichgewichts eine erhebliche Reizung der die sinnlichen Eindrücke vermittelnden Empfindungsnerven eintritt, die in der Folge zu einer schweren, körperlich in Erscheinung tretenden Alteration, einem Kollaps oder einer sog. Schrecklähmung führen kann (vgl. OLG Hamm MDR 1958, 939 mwN).

Derartige Feststellungen hat das Landgericht nicht getroffen. Die beschriebenen Zustände stellen reine Befindlichkeitsstörungen ohne einen medizinisch bedeutsamen Krankheitswert dar. Ein Gefühl der Unausgeglichenheit, Müdigkeit, Zerschlagenheit oder Nervosität stellt sich bei vielen Menschen ein, ohne dass damit die konkrete Beschreibung eines pathologischen, somatisch objektivierten Befundes verbunden wäre. Auch soweit das Landgericht auf eine durch Telefonklingeln ausgelöste Adrenalinausschüttung abgestellt hat, die eine gewisse Zeit anhalte, sich bei mehrfachen Anrufen potenziere und den Angerufenen in eine Erwartungshaltung versetze, ist damit kein konkretes Krankheitsbild in dem vorausgesetzten Umfang erfasst. Adrenalinausstoß allein ist eine alltägliche Erscheinungsform menschlicher Reaktionen auf Umwelteinflüsse, die keine erhebliche Gesundheitsbeeinträchtigung beinhaltet. Die bei einem Angerufenen eintretende Erwartungshaltung bezüglicher weiterer Anrufe zur Nachtzeit in dem von der Strafkammer festgestellten Umfang und die damit verbundene Beeinträchtigung eines sofortigen Wiedereinschlafens ist eine die Erheblichkeitsschwelle nicht übersteigende allgemeine Störung der körperlichen Befindlichkeit und entspricht nicht einem typischen, medizinisch objektivierbaren Krankheitssymptom.

III.

Im übrigen weist der Senat darauf hin, dass die Annahme von fünf Einzeltaten im Hinblick auf den engen zeitlichen Zusammenhang der am 9. und 11. November 2000 in kurzen Abständen erfolgten Anrufe bedenklich erscheint, zumindest einer näheren Begründung bedurft hätte.

Ferner hält die Ablehnung von § 21 StGB einer Nachprüfung bereits deshalb nicht stand, weil konkrete Angaben zur Trinkzeit und Alkoholmenge fehlen. Schließlich hätte sich das Landgericht im Rahmen der Erörterungen hinsichtlich einer Strafaussetzung zur Bewährung eingehend mit der Frage beschäftigen müssen, ob trotz der abschließenden Regelung der finanziellen Ansprüche des Angeklagten durch den gerichtlichen Vergleich noch davon ausgegangen werden kann, dass auch jetzt noch weitere Störanrufe bei der Familie des Zeugen Z. zu erwarten sind.

Ende der Entscheidung

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