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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 05.06.2000
Aktenzeichen: 2a Ss 98/00
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 301
StPO § 327
StPO § 337
Leitsatz

StPO §§ 301, 327, 337

1. Über zulässige Berufungen sowohl der Staatsanwaltschaft als auch des Angeklagten ist aufgrund einer einheitlichen Hauptverhandlung zu entscheiden, wenn sie dieselbe Tat zum Gegenstand haben.

2. Entscheidet das Berufungsgericht auf die Berufung der Staatsanwaltschaft zuungunsten des Angeklagten, ohne dessen Berufung zu bescheiden, so liegt ein auf die zulässige Verfahrensrüge zu beachtender Rechtsfehler vor, auf dem das Urteil jedoch in der Regel nicht beruht.

OLG Düsseldorf, 3. Strafsenat Beschluß vom 5. Juni 2000 - 2a Ss 98/00 - 16/00 III


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

2a Ss 98/00 - l6/00 III 111 Js 67/99

StA Wuppertal

In der Strafsache

gegen

wegen Sachbeschädigung

hat der 3. Strafsenat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht B , den Richter am Oberlandesgericht B und die Richterin am Amtsgericht B am 5. Juni 2000 auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der 13. kleinen Strafkammer des Landgerichts Wuppertal vom 1. Dezember 1999 auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft und nach Anhörung des Beschwerdeführers einstimmig

beschlossen:

Tenor:

Die Revision wird als unbegründet verworfen.

Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des Rechtsmittels.

Gründe:

Das Amtsgericht S hat den Angeklagten unter Freisprechung im übrigen wegen "Sachbeschädigung - begangen im Zustand verminderter Schuld - zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 25,-- DM" verurteilt. Gegen dieses Urteil habe sowohl der Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt. Auf die Berufung der Staatsanwaltschaft hat das Landgericht das amtsgerichtliche Urteil aufgehoben und den Angeklagten wegen Sachbeschädigung zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.

Die Revision ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

Die Verfahrensrüge der Verletzung des § 327 StPO ist zwar zulässig, insbesondere in der nach § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO vorgeschriebenen Form erhoben, sie führt jedoch nicht zu einem Erfolg des Rechtsmittels.

1. Das angefochtene Urteil ist rechtsfehlerhaft, weil die Strafkammer nicht über die von dem Angeklagten, sondern lediglich über die von der Staatsanwaltschaft eingelegte Berufung entschieden hat. Werden mehrere Berufungen gegen ein Urteil eingelegt und beziehen sie sich auf eine Tat im verfahrensrechtlichen Sinn (§ 264 StPO) und auf einen Angeklagten, so muß über diese mehreren Rechtsmittel aufgrund einer Berufungshauptverhandlung entschieden werden (vgl. RGSt 67, 250; Löwe-Rosenberg (LR) - Gollwitzer, StPO, 24. Aufl., § 327 Rdnr. 17). Über eine bestimmte Tat eines Angeklagten kann, auch wenn verschiedene Beteiligte Berufung eingelegt haben, notwendigerweise nur durch ein Urteil entschieden werden (Karlsruher Kommentar (KK) - Ruß, StPO, 4. Aufl., § 327 Rdnr. 9). Eine Verfahrenstrennung ist nur zulässig, wenn sich die Berufungen auf verschiedene Taten im verfahrensrechtlichen Sinne oder verschiedene Angeklagte beziehen (vgl. KK-Ruß, a. a. O.). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Das Landgericht mußte demzufolge in einer Hauptverhandlung und durch ein Urteil insgesamt über die eingelegten Rechtsmittel entscheiden. Das ist hier nicht geschehen.

2. Der aufgezeigte Rechtsfehler führt jedoch hier nicht zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung an die Vorinstanz. Das Urteil beruht nicht auf der Verletzung des § 327 StPO (§ 337 Abs. 1 StPO).

Ein Gesetzesverstoß begründet die Revision nur, wenn das Urteil bei richtiger Anwendung des Gesetzes anders ausgefallen wäre (Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Aufl., § 337 Rdnr. 37). Zwischen dem Verfahrensfehler und dem Urteil muß ein Kausalzusammenhang bestehen. Die Ursächlichkeit ist bereits dann anzunehmen, wenn nur die Möglichkeit besteht, daß das Urteil ohne den Gesetzesverstoß anders ausgefallen wäre (vgl. BGHSt 20, 160, 164; 21, 288, 290; 22, 278, 280; LRHanack, a. a. O., § 337 Rdnr. 254; KK-Pikant, a. a. O., § 337 Rdnr. 33 jeweils m. w. N.). Dies ist vorliegend auszuschließen.

Jedes von der Staatsanwaltschaft eingelegte Rechtsmittel hat die Wirkung, daß die angefochtene Entscheidung auch zugunsten des Beschuldigten abgeändert oder aufgehoben werden kann (§ 301 StPO). § 301 StPO beinhaltet, daß mit dem von der Staatsanwaltschaft zuungunsten des Beschuldigten eingelegten Rechtsmittel die Sache auch zugunsten des Beschuldigten anhängig bleibt (Systematischer Kommentar - Frisch, StPO, 15. Aufbau - Lfg., § 301 Rdnr. 7). Das zuungunsten des Beschuldigten eingelegte Rechtsmittel führt stets zu einer Gesamtüberprüfung der angefochtenen Entscheidung; Rechtsfehler zum Nachteil des Beschuldigten sind ebenso zu beseitigen wie solche zu seinem Vorteil (LR-Gollwitzer, a. a. O., § 301 Rdnr. 3). Durch die Regelung des § 301 StPO werden im Grunde zwei Rechtsmittel eingelegt, und zwar eines mit der erklärten Zielrichtung "zuungunsten" und das andere kraft gesetzlicher Vorschrift "zugunsten" des Angeklagten (vgl. Heidelberger Kommentar - Rautenberg, StPO, 2. Aufl., § 301 Rdnr: 5).

Dies führt vorliegend dazu, daß das Landgericht - wenn es auch die Berufung des Angeklagten rechtsfehlerhaft nicht ausdrücklich beschieden hat - kraft gesetzlicher Regelung zugleich auch über das zugunsten des Angeklagten eingelegte Rechtsmittel entschieden hat.

Da nach alledem ausgeschlossen ist, daß das angefochtene Urteil anders ausgefallen wäre, wenn das Landgericht auch die Berufung des Angeklagten ausdrücklich beschieden hätte, hat sich der aufgezeigte Rechtsfehler erkennbar auch nicht zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt (vgl. KK-Kuckein a. a. O., § 349 Rn 24).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.

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