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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 02.12.1999
Aktenzeichen: 2b Ss (OWi) 333/99 - (Owi) 131/99 I
Rechtsgebiete: StVO, OWiG


Vorschriften:

OWiG § 80 Abs. 1
StVO § 26 Abs. 1
OWiG § 80 Abs. 1; StVO § 26 Abs. 1

1. Zur Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des sachlichen Rechts.

2. Zur Feststellung eines fehlerhaften Verhaltens des Fahrzeugführers an einem Fußgängerüberweg.

OLG Düsseldorf, 1. Senat für Bußgeldsachen, Beschluß vom 02.12.1999 - 2b Ss (OWi) 333/99 - (OWi) 131/99 I


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

2b Ss (Owi) 333/99 - (Owi) 131/99 I 916 Js 636/99 StA Düsseldorf

In der Bußgeldsache

gegen

wegen Verkehrsordnungswidrigkeit

hat der 1. Senat für Bußgeldsachen durch den Richter am Oberlandesgericht S auf den Antrag des Betroffenen, die Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Düsseldorf vom 22. Juli 1999 zuzulassen, nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft am 2. Dezember 1999 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag wird als unbegründet auf Kosten des Betroffenen verworfen.

Gründe:

Das Amtsgericht hat gegen den Betroffenen wegen einer fahrlässig begangenen Verkehrsordnungswidrigkeit nach §§ 26 Abs. 1, 49 StVO, 24 StVG eine Geldbuße von 100,-- DM festgesetzt. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, deren Zulassung er beantragt. Er rügt die Verletzung materiellen Rechts.

Der zulässige Antrag erweist sich in der Sache als unbegründet.

I.

Das Amtsgericht hat festgestellt:

"Am 12. Januar 1999 gegen 16.25 Uhr befuhr der Betroffene mit seinem Pkw in Düsseldorf die Gerresheimer Straße/Wetterstraße in Fahrtrichtung Ackerplatz.

Hierbei übersah er eine ältere Dame, die aus Sicht des Betroffenen rechts am Fahrbahnrand stand, um den dortigen Fußgängerüberweg in Richtung Langestraße zu überqueren. Bei Herannahen des Betroffenen mit seinem Fahrzeug stand die Fußgängerin bereits ca. vier Sekunden am Fahrbahnrand und mußte mit dem Überqueren der Fahrbahn abwarten, bis der Betroffene den Fußgängerüberweg mit seinem Fahrzeug passiert hatte."

Das Amtsgericht hat die Einlassung des Betroffenen, ihm sei kein Fußgänger aufgefallen, der erkennbar den Überweg habe benutzen wollen, aufgrund der Bekundungen des als Zeugen vernommenen Polizeibeamten , der zur Vorfallszeit den Fußgängerüberweg gezielt beobachtete, als widerlegt angesehen. Dieser Zeuge hat nach seinen vom Tatrichter für glaubhaft erachteten und in den Urteilsgründen im wesentlichen wiedergegebenen Bekundungen beobachtet, daß eine ältere Dame den Fußgängerüberweg erkennbar habe benutzen wollen, um die Straße in Richtung Langestraße zu überqueren. Sie habe bereits etwa vier Sekunden am Fahrbahnrand vor dem Fußgängerüberweg gestanden, als sich der Betroffene mit seinen Pkw genähert habe. Sie habe deshalb warten müssen, weil der Betroffene nicht angehalten habe.

II.

Bei einer Geldbuße von nicht mehr als zweihundert Deutsche Mark wird die Rechtsbeschwerde nur zugelassen, wenn es geboten ist, die Nachprüfung des Urteils zur Fortbildung des sachlichen Rechts zu ermöglichen oder das Urteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben (§ 80 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 OWiG).

Keine dieser Voraussetzungen ist hier erfüllt.

1. Eine Überprüfung des angefochtenen Urteils zur Fortbildung des sachlichen Rechts ist nicht geboten. Das ist nur dann der Fall, wenn bei Auslegung von Rechtssätzen und der rechtsschöpferischen Ausfüllung von Gesetzeslücken Leitsätze aufzustellen oder zu festigen sind. Denn mit der Zulassung der Rechtsbeschwerde soll das Rechtsbeschwerdegericht Gelegenheit erhalten, seine Rechtsauffassung in einer für die nachgeordneten Gerichte richtunggebenden Weise zum Ausdruck zu bringen (vgl. BGHSt 24, 15, 21; Göhler, OWiG, 12. Aufl., § 80 Rdnr. 3). Vorliegend sind indessen entscheidungserhebliche Rechtsfragen von praktischer Bedeutung, die klärungsbedürftig, d. h. noch offen, zweifelhaft oder bestritten sind, so daß es sich aufdrängt, Leitsätze zu ihrer Auslegung bzw. zur rechtsschöpferischen Ausfüllung von Gesetzeslücken aufzustellen und/oder zu festigen (vgl. Göhler, a. a. O.), weder dem Antragsvorbringen zu entnehmen noch sonst ersichtlich. Denn zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Verurteilung wegen Verstoßes gegen § 26 Abs. 1 StVO in Betracht kommt, bestehen bereits hinreichend gefestigte Grundsätze in der Rechtsprechung (vgl. Senatsbeschlüsse vom 10. Februar 1993 - 5 Ss (OWi) 22/93 - (Owi) 9/93 1; 25. August 1992 in VRS 84, 50; 30. September 1994 - 5 Ss (Owi) 362/94 - (Owi) 170/94 I und 31. März 1998 - 5 Ss (Owi) 88/98 - (Owi) 51/98 I, sämtlich m. w. N.).

Der Senat hat in dem letztgenannten, den Artrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde des damaligen Betroffenen verwerfenden Beschluß zu der hier maßgeblichen Rechtsfrage ausgeführt, daß eine Verurteilung wegen Verstoßes gegen § 26 Abs. 1 StVO nur dann in Betracht kommt, wenn einer der Bevorrechtigten - insbesondere also ein Fußgänger - in seinem Verhalten irgendwie durch das herannahende Fahrzeug beeinflußt worden ist, was vor allem dann zutrifft, wenn er auf dem Fußgängerüberweg vermeidbar gefährdet, behindert oder belästigt würde. Das ist aber auch dann der Fall, wenn - wie hier - ein Fußgänger, der bereits eine Weile an dem Überweg in der erkennbaren Absicht wartet, diesen zu überqueren, nur dadurch daran gehindert wird, daß der Betroffene nicht anhält, sondern weiterfährt. Denn dadurch wird die bevorrechtigte Person veranlaßt, von ihrem Vorrecht keinen Gebrauch zu machen, sie also in ihrem Verhalten nachteilig beeinflußt.

An diesen Grundsätzen, die von der herrschenden Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum vertreten werden (vgl. hierzu im einzelnen Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 35. Aufl., § 26 StVO Rdnrn. 8, 10, 13 und 17 mit zahlreichen weiteren Nachweisen) hält der Senat nach erneuter Überprüfung fest.

2. Ebensowenig ist es geboten, das angefochtene Urteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben. Letzteres wäre nur dann der Fall, wenn dem Betroffenen keine Möglichkeit eingeräumt worden wäre, sich zu allen entscheidungserheblichen und ihm nachteiligen Tatsachen und Beweisergebnissen zu äußern (vgl. Göhler, a. a. O., § 80 Rdnrn. 16 a und 16 b m. w. N.). Ein solcher Verstoß ist mit der Verfahrensrüge geltend zu machen. Diese ist jedoch nicht erhoben.

3. Im Hinblick auf die Antragsbegründung weist der Senat darauf hin, daß bei geringfügigen Verkehrsordnungswidrigkeiten, die mit einer Geldbuße von nicht mehr als 200,-- DM geahndet werden, die Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nach der ausdrücklichen gesetzlichen Vorschrift des § 80 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 OWiG ausgeschlossen ist.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.



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