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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 17.08.2000
Aktenzeichen: 2b Ss 161/00 - 48/00 I
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 60 Nr. 2
Tatbeteiligt im Sinne des Vereidigungsverbotes des § 60 Nr. 2 StPO ist nicht nur der Teilnehmer im Sinne der §§ 25 ff StGB, sondern jeder, der bei dem zur Aburteilung anstehenden Vorgang in strafbarer Weise in derselben Richtung wie der Beschuldigte mitgewirkt hat, so etwa auch der Abnehmer der von dem Beschuldigten vertriebenen Betäubungsmittel.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

2b Ss 161/00 - 48/00 I 60 Js 5405/98 StA Düsseldorf

In der Strafsache

gegen

pp.

wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz

hat der 1. Strafsenat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Schröter und die Richter am Oberlandesgericht Stüttgen und Bischop auf die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Neuss vom 9. Dezember 1999 nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft am 17. August 2000 gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig

beschlossen:

Tenor:

Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Neuss zurückverwiesen.

Gründe:

Das Amtsgericht - Strafrichter - hat die Angeklagte durch das angefochtene Urteil wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe verurteilt. Hiergegen hat die Angeklagte Berufung eingelegt und vor Ablauf der Revisionsbegründungsfrist bestimmt, daß das Rechtsmittel als Revision behandelt werden solle. Sie macht das Verfahrenshindernis der nicht hinreichend konkretisierten Anklage geltend und erhebt mehrere Verfahrensrügen und die Sachrüge.

I.

Bedenken gegen die Zulässigkeit der (Sprung-)Revision ergeben sich nicht deshalb, weil die Angeklagte zunächst gegen das Urteil des Amtsgerichts das Rechtsmittel der Berufung eingelegt hat. Nach einhelliger Meinung ist der Übergang zur Revision nach Berufungseinlegung innerhalb der Revisionsbegründungsfrist zulässig (Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Aufl. § 335 Rdnr. 9 und 10 m. w. N.).

II.

Die von Amts wegen vorzunehmende Prüfung der Prozeßvoraussetzungen hat ein Verfahrenshindernis nicht ergeben. Insbesondere liegt das von der Angeklagten geltend gemachte Hindernis nicht vor.

Die Anklageschrift vom 28. September 1999 genügt den Mindestanforderungen des § 200 StPO. Die angeklagten Taten sind dort hinreichend konkretisiert. Die Tat im strafprozessualen Sinne wird mit Zeit und Art ihrer Begehung als historisches Ereignis in der Weise geschildert, daß die Identität des gemeinten geschichtlichen Vorgangs klargestellt wird (Kleinknecht/Meyer-Goßner, a. a. O. § 200 Rdnr. 7 m. w. N.). Die Tat muß sich von anderen gleichartigen strafbaren Handlungen desselben Täters unterscheiden lassen (Kleinknecht/Meyer-Goßner a. a. O.). Da die Anklageschrift vom 28. September 1999 den Tatzeitraum, die Menge der verkauften Amphetamine, die Örtlichkeit und insbesondere die Person der Erwerberin mitteilt, wird das der Angeklagten zur Last gelegte strafbare Verhalten hinreichend genau bezeichnet. Denn es wird dadurch erkennbar, welche bestimmten Taten der Angeklagten vorgeworfen werden. Der Angabe der exakten Tatzeiten bedurfte es nicht.

III.

Die Revision führt mit der zulässigen Verfahrensrüge der Verletzung des § 60 Nr. 2 StPO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht. Eines Eingehens auf die weiteren Verfahrensrügen und auf die Sachrüge bedarf es danach nicht.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Zuschrift vom 10. August 2000 an den Senat zu der vorbezeichneten Verfahrensrüge ausgeführt:

"Die Zeugin Y S ist entgegen dem Verbot aus § 60 Nr. 2 StPO vereidigt worden. Nach dieser Vorschrift ist bei Personen, die der Tat, welche den Gegenstand der Untersuchung bildet, oder der Beteiligung an ihr oder der Begünstigung, Strafvereitelung oder Hehlerei verdächtig oder deswegen bereits verurteilt sind, von der Vereidigung abzusehen. Der Begriff der Beteiligung ist weit auszulegen (vgl. Senge in KK, a. a. O., § 60 Rdnr. 13). Tatbeteiligt ist nicht nur der Teilnehmer im Sinne der §§ 25 ff. StGB, sondern jeder, der bei dem zur Aburteilung anstehenden Vorgang in strafbarer Weise und in derselben Richtung wie der Beschuldigte mitgewirkt hat (zu vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, a. a. O., § 60 Rdnr. 12). So z. B. ist auch der Abnehmer der von dem Angeklagten vertriebenen Betäubungsmittel Tatbeteiligter (vgl. Senge in KK, StPO, 4. Aufl. § 60 Rdnr. 13 m. w. N.; BGH in StV 1994, S. 225).

Nach den Feststellungen des Amtsgerichts handelte es sich bei der Zeugin S um die Abnehmerin des von der Angeklagten verkauften Rauschgifts. Sie war somit an den Taten der Angeklagten beteiligt.

Das Urteil beruht auch auf diesem Verfahrensverstoß. Denn der Tatrichter hat die Überführung der Angeklagten, die sich nicht zur Sache eingelassen hatte, maßgeblich auf die eidlichen Bekundungen der Zeugin gestützt (vgl. UA S. 3). Daß das Gericht der Aussage der Zeugin auch dann gefolgt wäre, wenn es nach § 60 Nr. 2 StPO von der Vereidigung abgesehen hätte, ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen."

Dem tritt der Senat bei.

Die Aufhebung des Urteils beruht auf § 353 StPO. Die Zurückverweisung der Sache folgt aus § 354 Abs. 2 StPO.



Ende der Entscheidung

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