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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 17.07.2000
Aktenzeichen: 2b Ss 164/00 - 54/00 I
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 164 Abs. 1
1. Zur tatrichterlichen Feststellung der Absicht des Täters der falschen Verdächtigung.

2. Die falsche Verdächtigung ist nicht vollendet, wenn der Verdächtigende seine mündliche Erklärung durch eine noch mit seiner Behauptung in zeitlichem und räumlichem Zusammenhang stehende Gegenerklärung bei seiner noch nicht abgeschlossenen polizeilichen Vernehmung richtigstellt.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

2b Ss 164/00 - 54/00 I 311 Js 1044/98 StA Düsseldorf

In der Strafsache

gegen

pp.

wegen Diebstahls

hat der 1. Strafsenat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Schröter und die Richter am Oberlandesgericht Heidemann und Kosche auf die Revision der Angeklagten gegen das Urteil der XXIII. kleinen Strafkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 2. Februar 2000 auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft und nach Anhörung der Beschwerdeführerin gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO

am 17. Juli 2000

einstimmig beschlossen:

Tenor:

Das angefochtene Urteil wird im gesamten Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

In diesem Umfang wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, daß die Verurteilung wegen - tateinheitlich begangener - falscher Verdächtigung (§ 164 Abs. 1 StGB) entfällt.

Gründe:

Das Amtsgericht - Strafrichter - Düsseldorf hat die Angeklagte am 29. Oktober 1999 wegen Diebstahls in vier Fällen und wegen falscher Verdächtigung in Tateinheit mit Mißbrauch von Ausweispapieren zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Auf ihre Berufung hat das Landgericht durch das angefochtene Urteil den Schuldspruch des Amtsgerichts bestätigt und die Angeklagte zu einer Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 80,00 DM verurteilt. Hiergegen wendet sich die Angeklagte mit ihrer Revision, mit der sie die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.

Die Verfahrensrüge ist nicht ausgeführt und daher unbeachtlich (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).

Die Sachrüge führt zu dem - von der Angeklagten insbesondere erstrebten - Wegfall ihrer Verurteilung wegen - tateinheitlich begangener - falscher Verdächtigung, zur Aufhebung des gesamten Rechtsfolgenausspruches und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz im Umfange der Urteilsaufhebung.

I.

Das Landgericht hat festgestellt:

"Am 1.10.1998 begab sich die Angeklagte in der Innenstadt Düsseldorf in die Verkaufsräume der Firma K KG L und steckte dort ein Elektrogrillgerät (Minipimer) im Wert von 129,95 DM in eine ihrer beiden mitgeführten Taschen und verließ das Geschäft, ohne die Ware bezahlt zu haben. Anschließend begab sie sich in das Geschäft B auf der S, brachte Textilien im Wert von 539,90 DM in den Taschen unter und verließ das Geschäft ohne Bezahlung der Textilien. In der Parfümerie D auf der S entwendete sie in gleicher Weise Pflegeprodukte der Marke Lancome im Wert von 150,00 DM. Anschließend begab sie sich in die Geschäftsräume der Fa. V D auf der B und entwendete dort in gleicher Weise zwei Hosen im Gesamtwert von 567,00 DM.

Bei dem Diebstahl zum Nachteil der Fa. v D war sie von dem Privatdetektiv V beobachtet worden. Er sprach sie nach Verlassen des Geschäftes an und man wartete schließlich gemeinsam auf das Eintreffen der Polizei, die der Zeuge V herbeigerufen hatte. Gegenüber den Polizeibeamten räumte sie ein, die Gegenstände, die diese in den mitgeführten Taschen fanden, wie geschildert entwendet zu haben. Nachdem sie von der Polizei anschließend aufgefordert worden war, sich auszuweisen, legte sie einen Bundespersonalausweis vor, der für R C ausgestellt war zusammen mit den Polizeibeamten und dem Privatdetektiv begab sich die Angeklagte nunmehr in das Büro des Detektivs im Hause der Firma K. Dort händigte die Angeklagte den Polizeibeamten noch einen Studentenausweis, ausgestellt auf den Namen R C aus. Sie erklärte den Beamten auch, warum die im Studentenausweis angegebene Anschrift nicht aktuell sei.

Bei einer anschließenden Durchsuchung der Angeklagten wurden mehrere Ausweispapiere, die den richtigen Namen der Angeklagten enthielten, aufgefunden. Die Angeklagte gab dann ihre richtigen Personalien an.

Die Angeklagte wußte bei Vorlage der falschen Ausweise, daß ein Ermittlungsverfahren gegen R C eingeleitet werden würde, wenn man ihre, der Angeklagten, richtige Personalien nicht feststellen würde."

II.

1.

Soweit das Landgericht die Angeklagte aufgrund der getroffenen Feststellungen des Diebstahls in vier Fällen und des Mißbrauchs von Ausweispapieren für schuldig befunden hat, begegnet dies keinen rechtlichen Bedenken. Die Überprüfung des Schuldspruchs aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat insoweit keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten aufgezeigt (§ 349 Abs. 2 und 3 StPO).

2.

Dagegen tragen die Feststellungen und Erwägungen des Landgerichts den Schuldspruch wegen falscher Verdächtigung nicht.

a)

Die Einlassung der Angeklagten, sie habe - mit der Vorlage der fremden Ausweispapiere nicht - beabsichtigt, daß ein Ermittlungsverfahren gegen Frau C eingeleitet werde, ihr Ziel sei lediglich gewesen, Ermittlungen von sich abzuwenden, hat die Strafkammer als widerlegt angesehen und dazu ausgeführt:

"Soweit die Angeklagte die Auffassung vertritt, eine Verurteilung wegen falscher Verdächtigung komme nicht in Betracht, da sie nicht in der Absicht gehandelt habe, daß ein Verfahren gegen R C eingeleitet wird, konnte dem nicht gefolgt werden.

Voraussetzung für die Verurteilung wegen falscher Verdächtigung ist, daß der Täter weiß, daß seine falsche Anschuldigung ein behördliches Verfahren zur Folge haben wird und er dies auch wollte. Darauf, daß sein Beweggrund möglicherweise die Vorstellung eines anderen, außergesetzlichen Erfolges ist, kommt es nicht an (vgl. BGH St 18, 204, 206"). Voraussetzung ist somit, daß der Täter weiß und will, daß ein Verfahren die notwendige Folge seiner Handlung ist (vgl. Tröndle/Fischer, 49. Aufl., § 164 Rz. 16).

Eine lediglich irrtümliche Hingabe des falschen Ausweises scheidet vorliegend aus. Die Angeklagte führte den fremden Ausweis in ihrem Portemonnaie mit sich und hat auch bei Erörterung der Personalien diese nicht richtiggestellt, sondern zur Verstärkung noch den Studentenausweis der R C vorgelegt. Sie hat sogar noch Erklärungen für die falsche Anschrift im Studentenausweis gefunden. Der Angeklagten war somit bewußt, daß sie R C durch die Vorlage dieser Papiere des Diebstahls bezichtigte.

Der Angeklagten war auch bewußt, daß gegen R C ein Verfahren eingeleitet werden würde, wenn man ihren Erklärungen Glauben schenkte. Denn die Polizei war schon hinzugezogen und es gab keine Anhaltspunkte dafür, daß der Diebstahl nicht weiter verfolgt werden würde. Die Verfolgung konnte sich nach der Vorstellung der Angeklagten auch nur gegen R C richten, da nur deren Personalien dem Detektiv und der Polizei bekannt waren."

b)

aa)

Zutreffend ist das Landgericht zwar davon ausgegangen, daß der einer Straftat Verdächtigte sich der falschen Verdächtigung schuldig machen kann, wenn er bei seiner Vernehmung gegenüber einem Polizeibeamten einen falschen Namen angibt bzw. - wie hier - sich mit fremden Personalpapieren ausweist. Das Landgericht hat jedoch verkannt, daß dieses Verhalten allein nicht genügt. Er kann damit zwar den Verdacht auf den wirklichen Namensträger lenken. Der falschen Verdächtigung macht er sich jedoch nur schuldig, wenn er in der Absicht handelt, gegen den Träger des Namens ein behördliches Verfahren oder andere behördliche Maßnahmen herbeizuführen oder fortdauern zu lassen. Unter Absicht ist hier der direkte Vorsatz zu verstehen. Bloßer bedingter Vorsatz reicht nicht aus. Der Täter muß also wissen und wollen, daß aufgrund der falschen Verdächtigung gegen den wirklichen Namensträger ein behördliches Verfahren eingeleitet wird (BGHSt 18, 204 ff).

bb)

Es kommt somit entscheidend darauf an, welche Vorstellungen die Angeklagte bei der Vorlage der Ausweispapiere der R C hatte. Die Strafkammer führt zwar aus, der Angeklagten sei bewußt gewesen, daß sie R C durch die Vorlage ihrer Papiere des Diebstahls bezichtigte und daß gegen sie ein Verfahren eingeleitet werde, wenn man ihren - der Angeklagten - Erklärungen glauben schenkte. Die Strafkammer folgert dies jedoch allein aus der Vorlage des Personalausweises und des Studentenausweises der R C, ohne zu bedenken, daß das Verhalten der Angeklagten bei der gegebenen Sachlage mehrere Deutungen zuläßt, so z.B. die, daß die Angeklagte davon ausging, das Verfahren werde gegen sie unter dem Namen der R C eingeleitet und diese bleibe unbehelligt. Diese Deutung ist nicht so fernliegend, daß sie unerörtert bleiben durfte. Das gilt um so mehr, als die Angeklagte die Diebstähle zugegeben hatte und es ihr angesichts ihrer beruflichen Stellung als auch des Verhältnisses zu ihrem Ehemann peinlich gewesen sein mag, des - mehrfachen - Diebstahls unter ihrem richtigen Namen überführt und bestraft zu werden. Wenn die Strafkammer sich auch für eine Deutung entscheiden durfte, so mußte sie doch die anderen in Betracht kommenden Möglichkeiten erörtern und nachprüfbar darlegen, worauf sie ihre Annahme gründe (BGH aaO S. 206). Dies hat sie unterlassen, so daß der Schuldspruch wegen falscher Verdächtigung keinen Bestand haben kann.

Der - teilweisen - Aufhebung des Schuldspruchs und der Zurückverweisung der Sache insoweit bedarf es jedoch nicht, weil aus einem weiteren - nachfolgend erörterten sachlichrechtlichen Fehler eine Verurteilung der Angeklagten wegen falscher Verdächtigung auch dann entfällt, wenn der Strafkammer der zuvor festgestellte Rechtsfehler nicht unterlaufen wäre.

c)

Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme zur Revision der Angeklagten nämlich u.a. zutreffend ausgeführt:

"Das angefochtene Urteil - gemeint ist ersichtlich der Schuldspruch wegen falscher Verdächtigung - kann keinen Bestand haben, weil seine Annahme, die Tat sei bereits vor der Auffindung des richtigen Personalausweises der Angeklagten und der daraufhin erfolgten Richtigstellung ihrer Personalien vollendet gewesen, unzutreffend ist.

Das Landgericht hat dazu ausgeführt:

"Das Delikt war auch durch Vorlage der falschen Ausweispapiere vollendet. Die Angeklagte hatte mit Vorlage der falschen Papiere alles getan, um zu bewirken, daß Strafverfolgungsmaßnahmen gegen R C eingeleitet wurden.

Die Angeklagte hat den falschen Verdacht auch nicht gleichzeitig richtiggestellt. Denn die Richtigstellung erfolgte erst nach einer Durchsuchung der Angeklagten und Auffinden der richtigen Ausweispapiere der Angeklagten. Mit der Durchsuchung der Angeklagten war ein neues Stadium der Ermittlungen eingeleitet worden, so daß die spätere Richtigstellung keine gleichzeitige Richtigstellung und auch kein freiwilliger Rücktritt vom Versuch war. Denn die Richtigstellung erfolgte nur aufgrund des Auffindens der tatsächlichen Ausweispapiere der Angeklagten, nicht aber aus freiem Antrieb."

Keinen Bedenken begegnet dabei die Annahme des Landgerichts, daß die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens oder einer anderen behördlichen Maßnahme gegen den falsch Verdächtigten nicht zur Vollendung der Straftat gehört und diese schon dann vorliegt, wenn die Verdächtigung bei einer Behörde oder einem zur Entgegennahme von Anzeigen zuständigen Beamten eingegangen oder mündlich angebracht ist (zu vgl. Lackner/Kühl, StGB, 23. Auflage, § 164 Rn. 10 m.w.N.).

Gleichwohl ist anerkannt, daß es bei einer schriftlichen Verdächtigung der Vollendung der Tat entgegensteht, wenn die Anzeige widerrufen wird, bevor sie eingeht, oder wenn Anzeige und Widerruf zusammentreffen (zu vgl. RG GA 52, 246; LK-Herdegen, StGB, 24. Auflage, § 164 Rn. 32; Schönke-Schröder/Lenckner, StGB, 25. Auflage, § 164 Rn. 35). Dasselbe gilt, wenn der Verdächtigende seine mündliche Erklärung durch eine noch mit seiner Behauptung in zeitlichem und räumlichem Zusammenhang stehende Gegenerklärung bei einer noch nicht abgeschlossenen polizeilichen Vernehmung richtigstellt (zu vgl. OLG Hamm, JMBl. NW, 129; SK-Rudolphi, StGB, 6. Auflage, § 164 Rn. 36; LK-Herdegen, a.a.O.; Schönke-Schröder/Lenckner, a.a.O.; Tröndle/Fischer, StGB, 49. Auflage, § 164 Rn. 10).

Das ist im vorliegenden Fall geschehen.

Die Angeklagte hat sich zwar zunächst gegenüber den einschreitenden Polizeibeamten mit dem für R ausgestellten Personalausweis ausgewiesen. Die darin liegende Behauptung, daß es sich bei ihr um diese Person handele, hat sie zunächst - nach den Urteilsfeststellungen: im Detektivbüro im Hause der Firma K - auch noch auf der Polizeiwache, zu der sie im unmittelbaren Anschluß daran verbracht worden war, aufrechterhalten. Sie legte einen auf diese Person lautenden Studentenausweis vor und begründete sogar noch, warum die darin vermerkte Anschrift unzutreffend sei.

Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils (S. 5 UA.) hat sie diese Angaben aber berichtigt und ihre wahren Personalien angegeben, nachdem sie im Laufe ihrer weiteren Befragung durchsucht worden war. Dabei wurden unter anderem auch Personalpapiere entdeckt, die ihre tatsächliche Identität offenbarten. Diese Richtigstellung erfolgte gegenüber dem Polizeibeamten, dem sie kurz zuvor die unzutreffenden Personalien genannt hatte.

Damit ist der objektive Tatbestand des § 164 StGB durch die Angeklagte nicht erfüllt worden. Denn abweichend von der Würdigung des Tatrichters kommt es nicht darauf an, daß der ermittelnde Polizeibeamte die Angeklagte im Laufe der Vernehmung durchsucht und festgestellt hatte, daß jedenfalls Zweifel an ihren bisherigen Angaben angebracht waren. § 164 StGB setzt eine in sich abgeschlossene tatsächliche Behauptung voraus, die geeignet ist, ein behördliches Verfahren gegen einen anderen herbeizuführen. Eine solche lag hier jedoch, weil die Vernehmung noch andauerte und die Angeklagte endgültige und abschließende Angaben noch nicht gemacht hatte, nicht vor (zu vgl. OLG Hamm JMBl. NW 1964, 130)."

Der Wegfall der Verurteilung wegen - tateinheitlich begangener - falscher Verdächtigung führt zur Aufhebung des gesamten Rechtsfolgenausspruches (§ 353 StPO). Angesichts der im angefochtenen Urteil mitgeteilten Erwägungen der Strafkammer zur Strafzumessung kann nicht ausgeschlossen werden, daß die fehlerhafte Anwendung des § 164 StGB auch die Höhe der wegen der vier Fälle des Diebstahls festgesetzten Einzelgeldstrafen beeinflußt hat.

Die - teilweise - Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz beruht auf § 354 Abs. 2 StPO.



Ende der Entscheidung

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