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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 12.07.2001
Aktenzeichen: 2b Ss 81/01 - 40/01 IV
Rechtsgebiete: StPO
Vorschriften:
StPO § 34 | |
StPO § 341 | |
StPO § 244 Abs. 6 |
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS
2b Ss 81/01 - 40/01 IV + 4 Ws 248/01
In der Strafsache
gegen
wegen Betruges
hat der 4. Strafsenat
durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht S und die Richter am Oberlandesgericht K und B auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der 10. kleinen Strafkammer des Landgerichts Kleve vom 04. September 2000 - 11 Ns 22/00 - nach Anhörung des Angeklagten und der Generalstaatsanwaltschaft
am 12. Juli 2001
einstimmig beschlossen:
Tenor:
1. Dem Angeklagten wird auf seine Kosten (§ 473 Abs. 7 StPO) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Kleve vom 04. September 2000 gewahrt.
2. Das angefochtene Urteil wird mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsmittels - an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen (§ 349 Abs. 4 StPO).
Gründe:
Das Amtsgericht hat gegen den Angeklagten wegen Betruges eine Freiheitsstrafe von 18 Monate verhängt, deren Vollstreckung zur Bewahrung ausgesetzt wurde. Durch das angefochtene Urteil hat das Landgericht die Berufung des Angeklagten als unbegründet verworfen. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Gleichzeitig hat der Angeklagte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumnis der Revisionseinlegungsfrist beantragt.
Dem Beschwerdeführer war auf seinen zulässig gestellten Antrag (§ 45 StPO) Wiedereinsetzung zu gewahren, weil er die Frist zur Einlegung der Revision gemäß § 341 StPO unverschuldet versäumt hat (§ 44 StPO). Die hiernach fristgemäße und auch ansonsten zulässige Revision dringt mit der ordnungsgemäß erhobenen Verfahrensrüge durch und fuhrt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.
I.
Die Revision beanstandet zu Recht die nach ihrer Auffassung fehlerhafte Zurückweisung dreier Beweisanträge. Die in Rede stehenden Beweisanträge der Verteidigung hat die Strafkammer mit der Begründung abgelehnt, die behaupteten Tatsachen seien für die Entscheidung ohne jede Bedeutung. Die Ablehnung der Beweisanträge begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Abgesehen davon, dass die Strafkammer den ordnungsgemäß gestellten Beweisanträgen, die ersichtlich in einem entscheidungserheblichen Zusammenhang mit der in den Urteilsgründen wiedergegebenen Einlassung des Angeklagten stehen, hatte nachgehen müssen, ist die Ablehnung bereits wegen fehlender ausreichender Begründung rechtsfehlerhaft.
1.
Gemäß § 244 Abs. 6 StPO bedarf die Ablehnung eines Beweisantrages eines Gerichtsbeschlusses, der wiederum gemäß § 34 StPO zu begründen ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss der Beschluss, mit dem ein Beweisantrag wegen Unerheblichkeit der behaupteten Tatsachen abgelehnt wird, die Erwägungen anführen, aus denen der Tatrichter ihnen keine Bedeutung für den Schuld- oder Rechtsfolgenausspruch beimisst. Der Gerichtsbeschluss muss erkennen lassen, ob diese Erwägungen rechtlicher oder tatsächlicher Natur sind. Wird die Bedeutungslosigkeit aus tatsächlichen Umständen gefolgert, so müssen diese angegeben werden. Das ist insbesondere deshalb erforderlich, damit sich der Antragsteller auf die dadurch geschaffene Verfahrenslage einstellen kann (BGHSt 2, 284, 286; BGH NStZ 1981, 309, 310 = StV 1981, 166; NStZ 1981, 410; NStZ 1985, 14 (P/M); StV 1990, 246; StV 1991, 408, 409 = BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Bedeutungslosigkeit 15; NStZ 2000, 267; KK-Herdegen, StPO, 4. Aufl. 1999, Rz. 75 zu § 244; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45. Aufl. 2001, § 244, Rz. 43f;) Die Begründung ist jedenfalls dann unzureichend, wenn sie sich - wie hier - in der Wiedergabe des Gesetzeswortlautes erschöpft (BGH, NStZ 1985, 14 (P/M); NStZ 2000, 267, 268; OLG Düsseldorf, 1. Strafsenat, MDR 1980, 868, 869; Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.O., Rz. 42). Auf die hier fehlende umfassende Begründung der Entscheidung über die vom Angeklagten gestellten Beweisanträge könnte nur dann verzichtet werden, wenn die Überheblichkeit der unter Beweis gestellten Tatsachen auf der Hand gelegen hätte, sich also von selbst verstanden hätte (BGH NStZ 1981, 310; StV 1990, 246; NStZ 2000, 267, 268; Gollwitzer in Löwe-Rosenberg, StPO, 25. Aufl. 1999, § 244 Rdnr. 224 m.w.N.). Dies ist vorliegend indessen nicht der Fall. Die Beweisanträge stehen - wie von der Verteidigung dargelegt wird - ersichtlich mit der in den Urteilsgründen wiedergegebenen Einlassung des Angeklagten in Verbindung, die 70.000,-- DM seien für die Betreuung des Zeugen U H in der Haft sowie für die "gemeinsame geschäftliche Zukunftsplanung" gedacht gewesen (S. 6 UA). Diese Einlassung hat die Strafkammer als widerlegt angesehen, und zwar nach Würdigung der Aussagen der Zeugin B -H (S. 7 UA) und des Zeugen H . Hierzu hat die Strafkammer ausgeführt (S. 9 UA):
"Auf Grund der ebenfalls eidlichen und die Kammer überzeugenden Aussage des Zeugen H hat auch nie ein von ihm und dem Angeklagten geführter Betrieb bestanden. Insoweit ist man über unverbindliche Überlegungen und Pläne nicht hinausgelangt."
Ausweislich ihrer Begründung zielen die Beweisanträge darauf, diese Angaben des Zeugen zu widerlegen; bei verständiger Würdigung betreffen sie die Einlassung des Angeklagten, Hintergrund der von der Zeugin B -H auf das Konto des Angeklagten überwiesenen 70.000,-- DM seien nicht von ihm gegenüber den Zeugen angepriesene Geldanlagegeschäfte gewesen, sondern die Vorbereitung und Anbahnung einer von den Zeugen tatsächlich betriebenen Firma, für die er - der Angeklagte - als Geschäftsführer tätig gewesen sei. Damit ist die Bedeutungslosigkeit der in den Beweisanträgen behaupteten Tatsachen nicht offenkundig, so dass deren Ablehnung nach den oben beschriebenen Grundsätzen ausführlich zu begründen gewesen war.
2.
Das Urteil beruht entgegen der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft auch auf diesem Verfahrensfehler (§ 337 Abs. 1 StPO). In der Regel kann das Beruhen des Urteils auf einer unzureichenden Begründung der Ablehnung eines Beweisantrages in der Hauptverhandlung nicht verneint werden. Insbesondere fehlt es an der Ursächlichkeit zwischen der Gesetzesverletzung und dem Urteil nicht bereits deshalb, weil der Beweisantrag mit einer anderen als der von dem Tatrichter - unzureichend - angeführten Begründung hatte abgelehnt werden können. Die Bescheidung des Beweisantrages soll den Antragsteller in die Lage versetzen, sich auf die neue - durch die Ablehnung seines Beweisantrages entstandene -Prozesssituation einzustellen und zu reagieren und gegebenenfalls einen neuen - anderen - Antrag zu stellen (BGH, NStZ 1997, 286; Gollwitzer, a.a.O., Rz. 365). Deshalb ist Ursächlichkeit des in Rede stehenden Verfahrensmangels dann anzunehmen, wenn - was regelmäßig der Fall ist - der Antragsteller durch die unterbliebene oder unzureichende Mitteilung der Ablehnungsgründe in seiner Prozessführung behindert worden und nicht auszuschließen ist, dass bei Kenntnis der Ablehnungsgründe andere Beweisanträge gestellt worden waren (BGH, a.a.O.; OLG Frankfurt, StV 1981, 172; KK-Herdegen, a.a.O., Rz. 61). Einen von dieser Regel abweichenden Ausnahmefall kann der Senat unter Berücksichtigung des bereits aus den Urteilsgründen ersichtlichen Verteidigungsverhaltens des Angeklagten nicht feststellen.
II.
Das angefochtene Urteil war demnach aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen (§§ 353, 354 Abs. 2 Satz 1 StPO).
Ende der Entscheidung
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