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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 06.03.2002
Aktenzeichen: 3 W 276/01
Rechtsgebiete: EuGVÜ, AVAG


Vorschriften:

EuGVÜ Art. 5
AVAG § 12
Ein in Schweden vor der Schwedischen Versicherungskasse geschlossener und nach dortigem Recht vollstreckbarer Unterhaltsvertrag gehört gem. Art. 50 EuGVÜ zu den Titeln, die in der Bundesrepublik Deutschland für vollstreckbar erklärt werden können.

Im Verfahren der Vollstreckbarerklärung sind nur rechtshemmende oder rechtsvernichtende Einwendungen zulässig (§ 12 AVAG), nicht dagegen solche, mit denen der Sache nach ein Abänderungsgrund i. S. d. § 323 ZPO geltend gemacht wird. Unzulässig ist daher der Einwand mangelnder finanzieller Leistungsfähigkeit infolge Veränderung der persönlichen und/oder wirtschaftlichen Verhältnisse.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

3 W 276/01

In dem Verfahren auf Vollstreckbarerklärung eines schwedischen Titels (hier: Unterhaltsvereinbarung)

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Vorsitzenden der 1. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal vom 22.05.01 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgerichts Dr. Gottschalg, des Richters am Oberlandesgericht von Wnuck-Lipinski und der Richterin am Oberlandesgericht Dr. Löhr am 06.03.02

beschlossen:

Tenor:

Das Rechtsmittel wird auf Kosten des Antragsgegners zurückgewiesen.

Der Antragstellerin wird zu ihrer Rechtsverteidigung im Beschwerdeverfahren ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin ist das eheliche Kind des Antragsgegners aus dessen Ehe mit der Kindesmutter. Diese schloss mit dem Antragsgegner vor der schwedischen Versicherungskasse den Unterhaltsvertrag vom 30.03.1995. Darin verpflichtete sich der Antragsgegner zur Zahlung von Unterhalt für die Antragstellerin in Höhe von monatlich 1.020 schwedischen Kronen (SEK) ab dem 01.04.1995 bis zum vollendeten 18. Lebensjahr der Antragstellerin.

Nach dem schwedischen Gesetz über die Änderung von Unterhaltsbeiträgen vom 16.12.1966 werden "Unterhaltsbeiträge, die ein Verpflichteter in Erfüllung seiner gesetzlichen familienrechtlichen Unterhaltspflicht zu bestimmten Zeitpunkten in schwedischer Währung an einen Ehegatten, einen vormaligen Ehegatten oder ein eigenes bzw. fremdes Kind zu zahlen hat.....der Geldwertveränderung angepasst."

Aufgrund dessen hat die Antragstellerin beantragt,

Der von der Schwedischen Versicherungskasse bestätigte Unterhaltsvertrag vom 30.03.1995, durch den der Antragsgegner verpflichtet wurde, für die Antragstellerin ab 01.04.1995 laufenden monatlichen Unterhalt in Höhe von 1.020 schwedische Kronen (skr) zu zahlen, wird unter Berücksichtigung der seither in Schweden vollzogenen Unterhaltserhöhungen sowie der vom Unterhaltsschuldner erbrachten Zahlungen mit folgender Vollstreckungsklausel versehen:

Der Antragsgegner ist verpflichtet, der Antragstellerin

ab 01.06.1998 laufenden monatlichen Unterhalt in Höhe von 1.030 SEK zu zahlen.

Der Vorsitzende der 1. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal hat die beantragte Anordnung getroffen.

Hiergegen wendet sich der Antragsgegner mit seiner Beschwerde, mit der er beantragt,

unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Beschlusses den Antrag der Klägerin insoweit abzuweisen, wie der Antragstellerin eine Vollstreckungsklausel erteilt worden ist, wonach der Unterhaltsvertrag vom 31.03.1995 wegen höherer Beträge für vollstreckbar erklärt wurde als die nachstehend genannten:

Für die Zeit vom 01.12.1998 bis zum 30.06.1999 mehr als 894,69 skr monatlich,

für die Zeit vom 01.07.1999 bis 31.05.2000 mehr als 890,67 skr monatlich,

für die Zeit vom 01.06.2000 bis 31.03.2001 mehr als 601,00 skr monatlich,

für die Zeit vom 01.04.2001 bis zum 30.06.2001 mehr als 619,73 skr monatlich,

und für die Zeit ab 01.07.2001 mehr als 609,85 skr monatlich.

Er macht geltend, seit dem Abschluss des Unterhaltsvertrages hätten sich seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse geändert. Er habe am 03.12.1997 wieder geheiratet, und aus dieser Ehe seien drei Kinder hervorgegangen. Seit 1998 habe er nur ein monatliches Bruttoeinkommen von ca. 4.000,- DM. Aus diesen Gründen sei er nicht ausreichend leistungsfähig.

Die Antragstellerin tritt dem entgegen.

II.

Das Rechtsmittel ist statthaft (Art. 36 Abs. 1, 37 EUGVÜ, § 11 AVAG) und auch innerhalb der vorgeschriebenen Frist eingelegt worden, sachlich aber nicht begründet. Der Vorsitzende der 1. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal hat zu Recht durch den angefochtenen Beschluss die Zwangsvollstreckung aus dem Unterhaltsvertrag vom 30.03.1995 unter Berücksichtigung der Indexanpassung nach dem schwedischen Gesetz zugelassen.

Die Anerkennung einer in Schweden erlassenen Entscheidung richtet sich nach dem EUGVÜ, das Schweden und die Bundesrepublik Deutschland ratifiziert haben. Nach Art. 34 Abs. 2 EUGVÜ kann der Antrag, eine ausländische Entscheidung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland anzuerkennen und für vollstreckbar zu erklären, nur aus den in Art. 27 und 28 EUGVÜ genannten Gründen abgelehnt werden. Solche Hinderungsgründe liegen hier nicht vor.

Der Unterhaltsvertrag vom 30.03.1995 gehört gem. Art. 50 EUGVÜ zu den Titeln, die für vollstreckbar erklärt werden können. Der Vertrag ist in einer öffentlichen Urkunde niedergelegt, die in Schweden aufgenommen und vollstreckbar ist (Bl. 14, 15, 22 GA). Die Vollstreckungsklausel ist auch zutreffend unter Berücksichtigung der nach schwedischem Gesetz erfolgten Anpassung auf monatlich 1.030 SEK erfolgt. Die Antragstellerin hat unwidersprochen die Indexaufstellung und die Unterhaltsrückstandsberechnung der schhwedischen Übermittlungsstelle (Försäkringskassan, Bl. 28, 23 GA) vorgelegt, aus denen sich der Betrag ergibt.

Der Einwand des Antragsgegners, er sei wegen seines geringen Einkommens und seiner jetzigen familiären Situation nicht mehr ausreichend leistungsfähig, ist im Verfahren der Vollstreckbarerklärung nicht zulässig. Der Antragsgegner beruft sich zu Unrecht auf § 12 AVAG vom 19.02.01. Die Vorschrift entspricht wörtlich - bis auf die Ersetzung der Bezeichnung "Schuldner" durch "der Verpflichtete" - dem § 13 AVAG a.F. Die dort angeführten "Einwendungen gegen den Anspruch selbst" sind anerkanntermaßen nur solche, die die Rechtskraft des ausländischen Titels unberührt lassen, aber den rechtskräftig zuerkannten Anspruch nachträglich vernichten oder in seiner Durchsetzbarkeit hemmen, also nur die eigentlichen rechtsvernichtenden oder rechtshemmenden Einwendungen im Sinne § 767 Abs. 1 ZPO. Rechtshemmende oder rechtsvernichtende Einwendungen gegen den titulierten Unterhaltsanspruch im Sinne von § 767 Abs. 1 ZPO erhebt der Antragsgegner nicht. Mit seinem Einwand macht er der Sache nach einen Abänderungsgrund im Sinne von § 323 ZPO geltend, der - bei einem Urteil - auf einen Einbruch in die Rechtskraft des Titels zielt. Es entspricht aber allgemeiner Auffassung, dass der materielle Anspruch des ausländischen Titels nicht Gegenstand des Verfahrens auf Vollstreckbarerklärung ist und grundsätzlich keiner sachlichen Nachprüfung durch das Gericht des Vollstreckbarerklärungsverfahrens unterliegt (vgl. dazu ausführlich BGH NJW 1990, 1419, 1420; von der durch den Antragsgegner angeführten Entscheidung in NJW 1987, 1146 hat sich der Bundesgerichtshof in der späteren, Entscheidung ausdrücklich distanziert). Nichts anderes besagt Art. 29 EUGVÜ: Die ausländische Entscheidung - der ausländische Titel - darf keinesfalls in der Sache selbst nachgeprüft werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Einer Wertfestsetzung bedarf es im Hinblick auf Nr. 1911 Kostenverzeichnis zum GKG nicht.

Der Antragstellerin war gem. §§ 114, 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO auf ihren Antrag ratenfreie Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Ein Rechtsanwalt war ihr nicht beizuordnen. Die Vertretung der Antragstellerin durch einen Anwalt erscheint mit Blick auf den gegenwärtigen Stand nicht angezeigt, § 121 Abs. 2 ZPO. Zwar wird die Anwaltsbeiordnung nach der Abwägung des Gesetzgebers ohne weiteres dann für erforderlich gehalten, wenn die Gegenseite - wie hier der Antragsgegner - anwaltlich vertreten ist (§ 121 Abs. 2 ZPO). Gleichwohl ist hiervon vorliegend nach dem Sinn des Gesetzes abzusehen. Denn die gesetzliche Regelung dient der Gewähr des Grundsatzes der Waffengleichheit. Diese für den Beschwerdegegner herzustellen ist aber jedenfalls dann nicht erforderlich, wenn eine sachkundige Behörde - wie hier das Bundesverwaltungsamt - das Gesuch um Beiordnung eines Rechtsanwalts zu einem Zeitpunkt stellt, in dem der Verfahrensgegenstand zugunsten der antragstellenden Partei entscheidungsreif ist, hier also das Rechtsmittel des Antragsgegners zeitgleich mit der Entscheidung über das Gesuch der Antragstellerin um Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwaltes zurückgewiesen wird. Von der Beiordnung des Rechtsanwalts kann nämlich abgesehen werden, wenn dies der Einzelfall erfordert und kein vernünftiger Grund für eine Beiordnung ersichtlich ist (OLG Hamm FAMRZ 1995, 747; Senat in 3 W 383/01).

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