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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 08.09.2000
Aktenzeichen: 3 W 288/00
Rechtsgebiete: ZVG


Vorschriften:

ZVG § 100
ZVG § 83 Nr. 1
ZVG § 74 a
ZVG §§ 100, 83 Nr. 1; 74 a

Wird nach rechtskräftiger Festsetzung des Verkehrswertes für eine zur Zwangsversteigerung stehende Eigentumswohnung ein Sondernutzungsrecht an einem ihr zugeordneten Pkw-Stellplatz eingetragen, so erfordert dieses nach der Verkehrsanschauung mit Blick auf das gesamte Versteigerungsobjekt wesentliche Bewertungsmerkmal eine Wertanpassung vom Amts wegen auch in dem nach Zuschlagsverweigerung wegen Nichterreichens der 7/10-Grenze anberaumten weiteren Versteigerungstermin.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

3 W 288/00 6 T 387/00 LG Wuppertal 7 K 71/98 AG Solingen

In dem Zwangsversteigerungsverfahren

betreffend den im Grundbuch des Amtsgerichts Solingen S eingetragenen 81.503/1.000.000 Miteigentumsanteil an dem Grundstück Gemarkung Flurstück Gebäude- und Freifläche, 19 qm, Flurstück Gebäude- und Freifläche, Größe: 64 qm, Flurstück Verkehrsfläche, Größe: 144 qm und Flurstück, Gebäude- und Freifläche, Größe: 861 qm, verbunden mit dem Sondereigentum an den im Aufteilungsplan mit Nr. 11 bezeichneten Räumen und dem Sondernutzungsrecht am Pkw-Stellplatz Nr. 18,

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 6. gegen den Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal vom 18. April 2000 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. Gottschalg, der Richterin am Oberlandesgericht Schaefer-Lang und des Richters am Oberlandesgericht von Wnuck-Lipinski am 8. September 2000

beschlossen:

Tenor:

Das Rechtsmittel des Beteiligten zu 6 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Wert des Beschwerdegegenstandes: 100.000,- DM.

Gründe:

I.

In dem die eingangs bezeichnete Immobilie betreffenden Zwangsversteigerungsverfahren hat das Amtsgericht am 17. Dezember 1998 in Anlehnung an das schriftliche Gutachten des Sachverständigen B vom 16. November 1998 den Verkehrswert auf 315.000,- DM festgesetzt.

In dem Versteigerungstermin vom 11. Januar 2000 ist der Beteiligte zu 6 mit einem Gebot von 157.400,- DM Meistbietender geblieben.

Mit Beschluss vom selben Tage hat der Rechtspfleger auf Antrag des Beteiligten zu 3 dem Beteiligten zu 6 den Zuschlag wegen Nichterreichens der 7/10-Grenze versagt.

Vor dem auf den 18. April 2000 bestimmten neuen Versteigerungstermin, nämlich am 11. April 2000, ist in das Grundbuch eingetragen worden, dass das Sondernutzungsrecht am Stellplatz Nr. 18 dem jeweiligen Eigentümer des Sondereigentums Nr. 11 (Blatt 7253) eingeräumt worden ist.

In dem neuen Termin "zur Zwangsversteigerung des im Wohnungsgrundbuch von Blatt auf den Namen des K eingetragenen Wohnungseigentums ... (und des) SNR am Pkw-Stellplatz Nr. 18" gab der Rechtspfleger bekannt, dass der Verkehrswert durch rechtskräftigen Beschluss auf 315.000,- DM festgesetzt sei.

Meistbietender in diesem Termin blieb wiederum der Beteiligte zu 6 mit dem Gebot eines durch Zahlung zu berichtigenden Betrages von 175.500,- DM.

Gegen den dem Beteiligten zu 6 am 18. April 2000 erteilten Zuschlag hat die Beteiligte zu 3 sofortige Beschwerde eingelegt.

Sie hat geltend gemacht, durch die unterbliebene Berücksichtigung des Sondernutzungsrechts an dem Stellplatz beim Verkehrswert seien die Versteigerungsbedingungen verletzt, es liege ein Zuschlagsversagungsgrund nach § 83 Nr. 1 ZVG vor.

Das Landgericht hat am 27. Juni 2000 die amtsgerichtliche Entscheidung geändert und den Zuschlag versagt.

Zur Begründung hat die Kammer ausgeführt, ein Grund für die Versagung des Zuschlages (§ 83 Nr. 1 ZVG) liege in einer unterbliebenen ordnungsgemäßen Bewertung des Versteigerungsobjekts, die der Rechtspfleger - ungeachtet der rechtskräftigen Wertfestsetzung - mit Rücksicht auf die nicht unwesentlich veränderten Verhältnisse (Sondernutzungsrecht an dem Stellplatz) von Amts wegen habe vornehmen müssen.

Dieser Verfahrensverstoß werde auch nicht gemäß § 84 Abs. 1 ZVG geheilt, da der Verfahrensfehler möglicherweise das Versteigerungsergebnis zum Nachteil der Beteiligten zu 3 oder eines anderen Beteiligten beeinflusst habe. Denn es sei denkbar, dass bei einem um den Wert des Sondernutzungsrechts an dem Pkw-Stellplatz Nr. 18 erhöhten Verkehrswert auch ein höheres Meistgebot hätte erzielt werden können.

Ein anderes Ergebnis rechtfertige sich nicht aus dem Umstand, dass es sich vorliegend um einen zweiten Versteigerungstermin gehandelt habe. Die Ansicht, in diesem Falle gebe es keine Wertfestsetzung mehr bzw. fehle für eine solche das Rechtsschutzbedürfnis, werde der Bedeutung der Bewertung der Immobilie für das Zwangsversteigerungsverfahren, die unter anderem in der Erzielung gerechter Versteigerungsergebnisse liege, nicht gerecht.

Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Meistbietenden.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die zulässige sofortige weitere Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Denn das Landgericht hat zu Recht die Zuschlagsentscheidung des Amtsgerichts wegen Verstoßes gegen die Versteigerungsbedingungen aufgehoben, §§ 100, 83 Nr. 1, 74 a ZVG.

1.

Der Verkehrswert hätte überprüft und neu festgesetzt werden müssen. Die Wertfestsetzung ist für die Beteiligten von wesentlicher Bedeutung. Ihr liegt der Gedanke zugrunde, Schuldner und Grundstückseigentümer ebenso wie schlechterrangig dinglich Berechtigte vor einer Verschleuderung des Grundstücks zu schützen (vgl. OLG Braunschweig NJW 1960, 205). Ihrer Bedeutung entspricht es, dass grundsätzlich eine Zuschlagerteilung vor rechtskräftiger Wertfestsetzung zu unterbleiben hat, andererseits eine Zuschlagerteilung nicht mit der Begründung angefochten werden kann, der rechtskräftig festgesetzte Grundstückswert sei falsch (§ 74 a Abs. 5 Satz 3 ZVG). Dies gilt jedoch nur für den bewerteten Sachverhalt und bedeutet nicht etwa, dass nach der Wertfestsetzung eintretende Wertsteigerungen unberücksichtigt bleiben müssen. Die formelle Rechtskraft des Beschlusses über die Festsetzung des Grundstückswerts steht einer Änderung des Beschlusses nicht entgegen, wenn neue Tatsachen, die durch sofortige Beschwerde nach § 74 a Abs. 5 Satz 3 ZVG nicht mehr geltend gemacht werden können, die Festsetzung eines anderen Wertes erfordern (OLG Köln ZIP 1983, 999; Zeller/Stöber ZVG 16. Auflage 1999, § 74 a Rdn. 7.20; Dassler/Schiffhauer/Gerhardt/Muth ZVG 12. Auflage 1991 § 74 a Rdz. 36). Werden dem Rechtspfleger neue Tatsachen bekannt, die eine Veränderung des rechtskräftig festgesetzten Verkehrswertes rechtfertigen, so hat er den Wert von Amts wegen den veränderten Umständen anzupassen (Zeller/Stöber a.a.O.; Dassler/Schiffhauer/Gerhardt/Muth a.a.O.).

2.

Dies vorausgeschickt, hatte das Amtsgericht den mit Beschluss vom 17. Dezember 1998 rechtskräftig auf 315.000,- DM festgesetzten Verkehrswert des Versteigerungsobjekts mit Blick auf das dem jeweiligen Eigentümer des Sondereigentums Nr. 11 nunmehr eingeräumte, inzwischen eingetragene, aber noch nicht bewertete Sondernutzungsrecht am Stellplatz Nr. 18 von Amts wegen anzupassen.

a)

Es mag offen bleiben, ob die Anpassungspflicht prinzipiell bloß für den ersten Termin oder - was das Landgericht befürwortet - generell auch für den nach Zuschlagsversagung wegen Nichterreichens der 7/10-Grenze anberaumten weiteren Versteigerungstermin gilt, in dem eine Versagung des Zuschlags nach §§ 74 a, 85 a ZVG ausgeschlossen ist (im letzteren Sinne bejahend: Steiner-Storz, Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung 9. Auflage 1984 § 74 a Rdz. 112; Hornung, RPfleger 1979, 365, 366; verneinend: Zeller/Stöber a.a.O. Rdn. 7.9; Stöber, Die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen, ZVG-Handbuch 7. Auflage 1999 Rdz. 215 a); Dassler/Schiffhauer/Gerhardt/Muth a.a.O. Rdz.30; Böttcher, ZVG 2. Auflage 1996). Denn vorliegend geht es nicht darum, ein bereits in allen Bestandteilen rechtskräftig bewertetes Objekt wegen zwischenzeitlich eingetretener Veränderungen wertbildender Umstände anzupassen, sondern um die erstmalige Einbeziehung eines bislang noch nicht bewerteten Rechts, das zum Zeitpunkt des ersten Versteigerungstermins mangels Eintragung nicht zur Bewertung stand. Für diese Fallkonstellation kann - selbst wenn man mit der wohl überwiegenden Meinung eine Neubewertungssperre für den 2. Versteigerungstermin, etwa unter Hinweis auf ein fehlendes Rechtschutzbedürfnis, vom Grundsatz her befürwortet - ein Änderungsgebot jedenfalls nicht gelten.

b)

Stand hiernach der Umstand, dass es sich vorliegend um einen 2. Versteigerungstermin handelte, einer Anpassung der Wertfestsetzung nicht entgegen, so hatte der Rechtspfleger diese von Amts wegen vorzunehmen, es sei denn, die in Betracht kommende Veränderung wäre - was vorliegend nicht der Fall ist - als ganz geringfügig und unbedeutend zu vernachlässigen.

c)

Ob eine Anpassung ausscheiden kann, wenn nicht - bezogen auf die ursprüngliche Bewertung - eine bestimmte prozentuale Abweichung überschritten wird und wo diese ggf. anzusetzen ist (das OLG Köln, RPfleger 1993,258 hält eine Wertsteigerung um 10 % für wesentlich), mag offenbleiben. Denn wesentlich ist das Hervortreten eines bis dahin nicht bewerteten Rechts jedenfalls schon dann, wenn es nach der Verkehrsanschauung mit Blick auf das gesamte Versteigerungsobjekt als relevantes Bewertungsmerkmal angesehen zu werden pflegt. Dass ein Stellplatz für ein Kraftfahrzeug die Wertschätzung einer Immobilie, gerade heute, mehr als unmaßgeblich beeinflusst, was regelmäßig zu einer nicht zu vernachlässigenden Erhöhung des Verkehrswertes führt, steht indes außer Frage.

Nach alledem hat das Landgericht einen Verstoß gegen die Zuschlagsvoraussetzungen wegen einer unterbliebenen Neubewertung des Versteigerungsgegenstandes zutreffend bejaht. Eine neue Wertfestsetzung konnte nicht durch das Beschwerdegericht erfolgen, sondern ist im weiteren Verfahren dem Rechtspfleger vorzubehalten.

Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 6 war hiernach mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Ende der Entscheidung

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