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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 08.02.2002
Aktenzeichen: 3 W 385/01
Rechtsgebiete: EuGVÜ, ZPO


Vorschriften:

EuGVÜ Art. 27 Nr. 2
EuGVÜ Art. 28
ZPO § 139
ZPO § 274 Abs. 3 S. 1
ZPO § 575
Die Zustellung des das Verfahren vor einem niederländischen Gericht einleitenden Schriftstückes nur eine Woche vor dem Terminstag, an dem ein Versäumnisurteil gegen den Beklagten ergeht, kann - ungeachtet der Bestimmung des § 274 Abs. 3 Satz 1 ZPO - bei Vorliegen besonderer Umstände als ausreichend i. S. von Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ angesehen werden, um dem Beklagten eine hinreichende Verteidigung zur Verhinderung eines Versäumnisurteils zu ermöglichen.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

3 W 385/01

In dem Verfahren

betreffend die Vollstreckbarerklärung einer ausländischen Entscheidung (hier: Niederlande)

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die Beschwerde der Antragsgegnerin und die Anschlussbeschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Vorsitzenden der 5. Zivilkammer des Landgerichts Krefeld vom 15. Oktober 2001 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. G..., der Richterin am Oberlandesgericht S... und des Richters am Oberlandesgericht Dr. S... am 8. Februar 2002

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde wird - unter Zurückweisung der Anschlussbeschwerde - die angefochtene Entscheidung aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung nach Maßgabe der nachstehenden Gründe - auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens - an das Landgericht zurückverwiesen.

Wert des Beschwerdegegenstandes: 41.559,67 € (91.585,05 hfl.).

Gründe:

I.

Die Antragstellerin ist die geschiedene Ehefrau des alleinigen Gesellschafters und Geschäftsführers der Antragsgegnerin. Dieser ist durch Urteil des Landgerichts in Middelburg/Niederlande vom 18.03.1998 in der Fassung des Berufungsurteils durch den Gerichtshof in SŽGravenhage vom 18.12.1998 verurteilt worden, an die Antragstellerin bis zum 30.09.1998 monatlich 1.650 hfl. und ab 01.10.1998 monatlich 5.000 hfl. Unterhalt zu zahlen.

Dieses Urteil ist durch Beschluss des Vorsitzenden der 4. Zivilkammer des Landgerichts Krefeld vom 05.08.1999 zugunsten der Antragstellerin in der Bundesrepublik Deutschland für vollstreckbar erklärt worden, soweit die Antragstellerin die Zwangsvollstreckung in Anbetracht der dem damaligen Antragsgegner gegen die C... GmbH, Krefeld, zustehenden Ansprüche betreiben wollte.

Durch Versäumnisurteil des Kantongerichts in Terneuzen/Niederlande vom 31.05.2000 ist die Antragsgegnerin verurteilt worden, den von ihrem Alleingesellschafter geschuldeten rückständigen Unterhalt von insgesamt 90.173,45 hfl. nebst Kosten in Höhe von 1.411,60 hfl. an die Antragstellerin zu zahlen.

Die Antragstellerin hat beantragt,

das Urteil des Gerichts in Terneuzen in der Bundesrepublik Deutschland für vollstreckbar zu erklären.

Sie hat dazu angegeben, die zu vollstreckende Entscheidung laute:

1.

Der Antragsgegner ist verpflichtet, an die Antragstellerin für die Zeit vom 18.03.1998 bis zum 30.09.1998 laufenden monatlichen Unterhalt von 1.650 hfl. zu zahlen.

2.

der Antragsgegner ist ferner verpflichtet, an die Antragstellerin für die Zeit ab 01.10.1998 laufenden monatlichen Unterhalt von 5.000 hfl. zu zahlen.

Die Vorsitzende der 5. Zivilkammer des Landgerichts Krefeld hat dem so gestellten Antrag stattgegeben und das Versäumnisurteil vom 31.05.2000 so wie von der Antragstellerin angegeben für in der Bundesrepublik Deutschland vollstreckbar erklärt. Dementsprechend ist die Vollstreckungsklausel erteilt worden.

Die Antragsgegnerin hat gegen den Beschluss des Landgerichts Beschwerde eingelegt. Sie wendet ein, die Ladung zur mündlichen Verhandlung vom 31.05.2000 sei ihr erst am 24.05.2000 zugestellt worden. Ihr alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer, der sich zu dieser Zeit in China aufgehalten habe, habe sich auf das Verfahren nicht eingelassen. Die Frist zwischen Zustellung der Klageschrift und Ladung zum Termin von einer Woche sei zu kurz bemessen. Die Zustellung der Klageschrift sei daher nicht rechtens im Sinne von Art. 27 EuGVÜ.

Die Antragstellerin ist der Auffassung, ein Verstoß gegen Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ liege nicht vor. Sie hat Anschlussbeschwerde eingelegt mit dem Antrag:

In Ergänzung bzw. Abänderung des Beschlusses des Landgerichts Krefeld vom 15. Oktober 2001 lautet die vollstreckbare Entscheidung wie folgt:

1.

Der Antragsteller ist verpflichtet, an die Antragstellerin für die Zeit vom 18.03.1998 bis zum 30.09.1998 laufenden monatlichen Unterhalt von 1.650 hfl. zu zahlen.

2.

Der Antragsgegner ist verpflichtet, für die Zeit ab 01.10.1998 laufenden monatlichen Unterhalt von 5.000 hfl. zu zahlen.

3.

Der Antragsgegner ist verpflichtet, für die Zeit ab 01.01.1999 monatlichen Unterhalt in Höhe von 5.165 hfl. zu zahlen.

4.

Der Antragsgegner ist verpflichtet, ab dem 01.01.2000 einen monatlichen Unterhaltsbetrag von 5.294,13 hfl. zu zahlen.

5.

Der Antragsgegner ist verpflichtet, ab dem 01.01.2001 einen monatlichen Unterhalt in Höhe von 5.468,84 hfl. zu zahlen.

6.

Der Antragsgegner ist verpflichtet, ab dem 01.01.2002 einen monatlichen Unterhaltsbetrag zu zahlen von 5.720,41 hfl.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die gemäß §§ 11, 12 AVAG, Art. 36 EuGVÜ zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin führt zur Aufhebung der landgerichtlichen Entscheidung. Das Landgericht hat zwar das Versäumnisurteil des Kantongerichts in Terneuzen vom 31.05.2000 zu Recht in der Bundesrepublik Deutschland für vollstreckbar erklärt, es hat jedoch in seiner Entscheidung den Wortlaut der zu vollstreckenden Entscheidung unrichtig wiedergegeben, so dass seine Entscheidung und auch die erteilte Vollstreckungsklausel der Korrektur bedarf. Insoweit war die landgerichtliche Entscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Behandlung nach Maßgabe der nachstehenden Gründe an das Landgericht zurückzugeben.

1.

Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin ist der Antrag der Antragstellerin auf Erteilung der Vollstreckungsklausel nicht aus einem der in Art. 27, 28 EuGVÜ angeführten Gründe abzulehnen. Nach Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ wird allerdings eine Entscheidung nicht anerkannt, wenn dem Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, das dieses Verfahren einleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück nicht ordnungsgemäß oder nicht so rechtzeitig zugestellt worden ist, dass er sich verteidigen konnte. Die Ordnungsmäßigkeit der Zustellung der Klageschrift nebst Terminsladung nach dem insoweit maßgeblichen niederländischen Recht wird von der Antragsgegnerin nicht in Zweifel gezogen. Das das Verfahren einleitende Schriftstück ist ihr unstreitig am 24.05.2000 in den Niederlanden zugestellt worden.

Der Antragsgegnerin ist das das Verfahren einleitende Schriftstück auch so rechtzeitig zugestellt worden, dass sie sich verteidigen konnte, auch wenn der insoweit maßgebende Zeitraum zwischen der Zustellung am 24.05. und dem Terminstag am 31.05.2000 nur eine Woche betrug.

Der Richter des Vollstreckungsstaates muss die Rechtzeitigkeit der Zustellung in eigener Zuständigkeit und Verantwortlichkeit ohne Bindung an die Feststellungen des ausländischen Gerichts beurteilen (BGH NJW 1986, 2197; OLG Köln 1995, 446, 447; OLG Düsseldorf IPrax 2000, 307, 308). Der Senat hält hier den Zeitraum von einer Woche, über den die Antragsgegnerin verfügte, um den Erlass einer vollstreckbaren Versäumnisentscheidung zu verhindern, für ausreichend. Dem steht nicht entgegen, dass die Bestimmung des § 274 Abs. 3 Satz 1 ZPO für Prozesse im Inland eine Einlassungsfrist von zwei Wochen als notwendig und angemessen ansieht, um einem Beklagten eine hinreichende Verteidigung zur Verhinderung eines Versäumnisurteils zu ermöglichen. Zwar soll Art. 27 EuGVÜ den Schutz des jeweiligen Beklagten und seinen Anspruch auf rechtliches Gehör sichern, dies bedeutet aber nicht, dass die Nichteinhaltung der Zweiwochenfrist des § 274 Abs. 3 ZPO im ausländischen Verfahren der Vollstreckbarerklärung eines dort ergangenen Versäumnisurteils in der Bundesrepublik Deutschland in jedem Fall entgegensteht. Nach den hier gegebenen besonderen Umständen des Falles ist vielmehr die der Antragsgegnerin zur Verfügung stehende Frist von einer Woche als ausreichend im Sinne des Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ anzusehen. Der alleinige Gesellschafter und Geschäftsführer der Antragsgegnerin war nämlich über alle Umstände des geltend gemachten Anspruchs bereits vorher umfassend informiert. Er selbst war zur Zahlung von Unterhalt an die Antragstellerin rechtskräftig verurteilt worden, das Urteil war bereits in der Bundesrepublik Deutschland für vollstreckbar erklärt worden. Er wusste auch von den Vollstreckungsversuchen der Antragstellerin, darunter auch den bei der Antragsgegnerin ausgebrachten Pfändungen. Er hat die nach niederländischem Recht erforderlichen Erklärungen, die letztlich zur Klage gegen die Antragsgegnerin geführt haben, nicht abgegeben und entzog sich, wie aus den Akten ersichtlich ist, jeder freiwilligen Unterhaltszahlung und allen Vollstreckungs- und Zustellungsversuchen. Es besteht vorliegend kein Anhalt dafür, dass die Antragsgegnerin dem aus Art. 477 a w.BRv resultierenden Anspruch der Antragstellerin auf Zahlung des gepfändeten Unterhalts derart umfangreiche oder komplexe Einwendungen entgegenzusetzen hatte, dass sie dazu nicht innerhalb der Frist von einer Woche in der Lage gewesen wäre.

2.

Der Beschluss des Landgerichts unterliegt aber gleichwohl der Aufhebung, denn das Versäumnisurteil des Gerichts in Terneuzen vom 31.05.2000 spricht keine Verurteilung der Antragsgegnerin zur Zahlung laufenden Unterhalts an die Antragstellerin aus, sondern verurteilt die Antragsgegnerin zur Zahlung eines rückständigen Unterhaltsbetrages von 86.773,45 hfl. nebst außergerichtlichen Inkassokosten von 3.400 hfl. sowie Prozesskosten, weil sie ungeachtet mehrfacher Pfändungen nicht die geforderten und gesetzlich vorgeschriebenen "Erklärungen" abgegeben hat.

Die Antragstellerin hat in ihrem Antrag vom 12.12.2000 den Wortlaut der zu vollstreckenden Entscheidung unrichtig angegeben. Sie hat ersichtlich den Tenor des Unterhaltsurteils des Gerichts in Mittelburg in der Fassung des Berufungsurteils des Gerichtshofs in SŽGravenhage angegeben.

Das führt aber nicht zur Zurückweisung des Antrages auf Vollstreckbarerklärung des am 31.05.2000 ergangenen Versäumnisurteils des Gerichts in Terneuzen. Das Landgericht hatte vielmehr insoweit Veranlassung, gemäß § 139 ZPO die Antragstellerin auf ihren Irrtum hinsichtlich des Wortlauts der zu vollstreckenden Entscheidung hinzuweisen und ihr entweder Gelegenheit zu geben, ihren Antrag "richtig zu stellen", oder aber den Wortlaut der zu vollstreckenden Entscheidung von sich aus in seinem Beschluss in Übereinstimmung mit der Fassung des niederländischen Gerichts anzugeben.

Die Anordnung der Vorsitzenden der 5. Zivilkammer des Landgerichts Krefeld und die erteilte Vollstreckungsklausel können daher keinen Bestand haben. Entsprechend § 575 ZPO war die Sache, insbesondere auch im Hinblick auf die neu zu erteilende Vollstreckungsklausel, an das Landgericht zurückzuverweisen.

3.

Die Anschlussbeschwerde der Antragstellerin hat aus den vorgenannten Gründen keinen Erfolg. Die beantragte ausdehnende Ergänzung des landgerichtlichen Beschlusses kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil das Versäumnisurteil vom 31.05.2000 eben keine Verurteilung der Antragsgegnerin zur Zahlung von laufendem Unterhalt ausspricht.

Wert des Beschwerdegegenstandes: 49.637,25 € (109.386,17 hfl.). Davon entfallen auf die Beschwerde 41.559,67 € (91.585,67 hfl.), auf die Anschlussbeschwerde 8.077,58 € (17.800,56 hfl.).

Ende der Entscheidung

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