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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 13.03.2002
Aktenzeichen: 3 W 404/01
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 887
ZPO § 888
1. Ein Urteilsausspruch, der den Vermieter einer Eigentumswohnung zur sach- und fachgerechten Beseitigung der Feuchtigkeitsschäden und des Schimmelbefalls in der Wohnung des Mieters verpflichtet, ist nicht gemäß § 887 ZPO im Wege der Ersatzvornahme zu vollstrecken, wenn zunächst die Fassade (Gemeinschaftseigentum) abzudichten ist, worüber die Eigentümergemeinschaft zu beschließen hat.

2. Hängt die Handlung nicht ausschließlich vom Willen des Schuldners ab, so kommt die Vollstreckung nach § 888 ZPO (Anhaltung durch Zwangsgeld bzw. Zwangshaft) nicht in Betracht, wenn der Schuldner versucht hat, die Handlung vorzunehmen, indem er mit der gebotenen Intensität die erforderliche Mitwirkung (hier: der Eigentümergemeinschaft) betrieben hat.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

3 W 404/01

In der Zwangsvollstreckungssache

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die sofortige weitere Beschwerde der Gläubiger gegen den Beschluss der 25. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 19. November 2001 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. G..., der Richterin am Oberlandesgericht Dr. L... und des Richters am Oberlandesgericht von W... am 13. März 2002

beschlossen:

Tenor:

Das Rechtsmittel der Gläubiger wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Gesuch der Gläubiger um Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Wert des Beschwerdegegenstandes: 2.000,- €.

Gründe:

I.

Die Schuldnerin wurde am 08. Juni 2001 durch Versäumnisurteil des Amtsgerichts Düsseldorf verurteilt, den vertragsgemäßen Zustand der von den Gläubigern als Mieter inne gehaltenen Eigentumswohnung im Hause...,... Düsseldorf (WE 3) wieder herzustellen, indem die Feuchtigkeits- und Schimmelschäden im Bereich der hofseitig gelegenen Wand

a) in der Abstellkammer

b) im Bad und im Bereich um das Fenster sach- und fachgerecht beseitigt werden.

Unter dem 23. August 2001 haben die Gläubiger beantragt,

gegen die Schuldnerin wegen Nichtvornahme der Schadensbeseitigung ein Zwangsgeld, ersatzweise Zwangshaft gemäß § 888 ZPO, festzusetzen.

Das Amtsgericht hat am 05. Oktober 2001 gegen die Schuldnerin ein Zwangsgeld von 10.000,- DM, und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben wird, Zwangshaft von 2 Monaten festgesetzt.

Die Schuldnerin hat sich gegen die amtsgerichtliche Entscheidung mit der sofortigen Beschwerde gewendet.

Sie hat beanstandet, dass die Gläubiger zur Durchsetzung des Urteilsausspruches das falsche Zwangsvollstreckungsmittel gewählt hätten. Gegenstand der Zwangsvollstreckung sei nicht eine unvertretbare Handlung im Sinne des § 888 ZPO, sondern eine vertretbare Handlung (§ 887 ZPO). Überdies sei das Zwangsgeld auch überhöht.

Das Landgericht hat mit Beschluss vom 19. November 2001 die amtsgerichtliche Entscheidung geändert und den Antrag der Gläubiger vom 23. August 2001 zurückgewiesen.

Gegen diese Entscheidung wenden sich die Gläubiger mit ihrer sofortigen weiteren Beschwerde und beantragen Prozesskostenhilfe.

Inzwischen sind die Schäden beseitigt

Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die sofortige weitere Beschwerde der Gläubiger hat in der Sache keinen Erfolg.

1.

Das Landgericht hat ausgeführt, die Beseitigung der Feuchtigkeits- und Schimmelschäden seien als vertretbare Handlungen zu bewerten. Die Vollstreckung habe demnach gemäß § 887 ZPO und nicht nach § 888 ZPO zu erfolgen. Eine Handlung werde dann als vertretbar anzusehen sein, wenn es vom Standpunkt des Gläubigers gleichgültig sei, durch wen die Handking vorgenommen wird und vom Standpunkt des Schuldners rechtlich zulässig sei, dass ein anderer als er selbst die Handlung vornimmt. Vorliegend komme es den Gläubigern nicht darauf an, dass die Schuldnerin persönlich die Schäden beseitige, sondern auf die Herbeiführung des Erfolges.

2.

Die Ausführungen der Kammer sind nicht frei von rechtlichen Bedenken; ihre Entscheidung ist allerdings gleichwohl letztlich im Ergebnis zu bestätigen.

a)

Die von der Kammer befürwortete Vollstreckung im Wege der Ermächtigung zur "Ersatzvornahme" (§ 887 ZPO) kam vorliegend nicht in Betracht. Denn die Vollstreckung des Urteilsausspruchs vom 08. Juni 2001, nämlich die sach- und fachgerechte Beseitigung der Feuchtigkeitsschäden und des Schimmelbefalls in der Wohnung der Gläubiger ist nicht als vertretbare Handlung zu bewerten.

Vertretbar im Sinne des § 887 ZPO sind solche Handlungen, die selbständig von einem Dritten anstelle des Schuldners vorgenommen werden können, ohne dass das Erfüllungsinteresse des Gläubigers hiervon berrührt wird (OLG Köln MDR 2002, 294).

§ 887 ZPO gilt aber nicht, wenn die Vornahme der Handlung davon abhängt, dass ein Dritter mitwirkt oder sie freiwillig duldet (Thomas-Putzo, ZPO 24. Auflage 2002 § 887 Rdz. 1 a).

So liegt der Fall hier. Denn unstreitig war zur Beseitigung der Feuchtigkeitswirkungen vorliegend zunächst die Fassade abzudichten, also das Gemeinschaftseigentum betroffen, worüber deshalb - wie geschehen - die Eigentümergemeinschaft zu beschließen hatte, also die Mitwirkung Dritter erforderlich war.

Die Vollstreckung konnte vorliegend auch nicht nach § 888 ZPO erfolgen.

aa)

Die Anwendbarkeit dieser Vorschrift setzt voraus, dass der zu vollstreckende Anspruch zu einer Handlung verpflichtet, die durch einen Dritten nicht vorgenommen werden kann, die somit ausschließlich vom Willen des Schuldners abhängig ist (OLG Düsseldorf NJW-RR 1999, 1769), jedoch nicht in der Abgabe einer Willenserklärung (§ 894 ZPO) besteht. Ausgeschlossen ist die Vornahme der Handlung durch einen Dritten, wenn er sie überhaupt nicht oder nicht so wie der Schuldner vornehmen kann oder nach dem Schuldtitel nicht vornehmen darf. Letzteres wird zum Beispiel auch in den Fällen angenommen, in denen die Vornahme einer vertretbaren Handlung (§ 887) das Betreten von im Besitz eines Dritten befindlichen Räumen erfordert und für die Zwangsvollstreckung nach § 887 ZPO dessen Einverständnis zur Vornahme der Handlung (Duldungstitel gegen ihn) nicht vorliegt. So ist etwa die Zwangsvollstreckung zur Verschließung eines Mauerdurchbruchs in einer vermieteten Eigentumswohnung nach § 888 ZPO vorzunehmen; die Zustimmung des Dritten muss notfalls mit gerichtlicher Hilfe erzwungen werden (BayObLG NJW-RR 1989, 462). Ausnahmsweise kann eine unvertretbare Handlung, die der Mitwirkung eines Dritten bedarf, nach § 888 ZPO vollstreckt werden, wenn nur der Wille des Schuldners zu beugen ist (Zöller-Stöber ZPO 23. Auflage 2002 § 888 Rdz. 2).

bb)

Unanwendbar ist § 888 ZPO allerdings, wenn die Handlung nicht ausschließlich vom Willen des Schuldners abhängt. Kann der Schuldner die Handlung nur vornehmen, wenn andere Personen mitwirken, z.B. bei Instandsetzungsmaßnahmen an einer Eigentumswohnung (KG OLGZ 90, 467), so muss er solche Personen zur Mitwirkung veranlassen (KG NJW 1973, 1135), dies zumindest versuchen (BayObLG NJW-RR 1989, 462), notfalls klagen. In diesen Fällen ist die Zwangsvollstreckung nach § 888 ZPO, insbesondere jedes Zwangsmittel indes ausgeschlossen, wenn der Schuldner vorher mit der gebotenen Intensität versucht hat, die Handlung vorzunehmen (Thomas-Putzo ZPO 24. Auflage 2002 § 888 Rdz. 3).

Vorliegend war es nicht möglich, die Feuchtigkeitseinwirkungen in der Wohnung der Gläubiger nachhaltig zu beseitigen, ohne die im Gemeinschaftseigentum stehende Fassade abzudichten. Auf alle hierzu erforderlichen Maßnahmen hat die Schuldnerin über die Hausverwaltung hingewirkt, mit der Folge, dass Eigentümerbeschlüsse über Vornahme und Finanzierung der Maßnahme und Einrüstung der Fassade gefasst wurden, die Fassade sodann mit einem Gerüst versehen und der Schaden an der Fassade und in der Wohnung der Gläubiger beseitigt wurde. Anhaltspunkte dafür, dass der Schuldnerin in diesem Zusammenhang Versäumnisse anzulasten sind, insbesondere sie die Sache nicht mit der gebotenen Intensität verfolgt hat, sind weder dargetan noch sonst ersichtlich. Von daher war für eine Maßnahme nach § 888 ZPO kein Raum.

c)

Überdies sind nach dem übereinstimmenden Vorbringen der Parteien die Schäden in der Wohnung der Gläubiger inzwischen beseitigt, also ist die im Versäumnisurteil vom 08. Juni 2001 titulierte Verpflichtung erfüllt. Erledigungserklärungen sind mit Blick auf das Verfahren oder das Rechtsmittel nicht abgegeben worden.

Damit war für die mit der weiteren Beschwerde verfolgte Aufhebung der den Vollstreckungsantrag zurückweisenden Entscheidung des Landgerichts kein Raum und das Rechtsmittel der Gläubiger im Ergebnis mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Das Gesuch der Gläubiger um Prozesskostenhilfe war mangels Erfolgsaussicht abzulehnen, § 114 ZPO.

Ende der Entscheidung

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