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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 23.10.2001
Aktenzeichen: 3 Ws 466/01
Rechtsgebiete: StGB, StPO


Vorschriften:

StGB § 57 Abs. 1
StGB § 68 f Abs. 2
StPO § 454 Abs. 1 Satz 3
StPO § 463 Abs. 3 Satz 1
StPO § 309
Ist der Verurteilte zur Frage der Aussetzung des Strafrestes und/oder zum Entfall der gesetzlichen Führungsaufsicht mündlich anzuhören, ist sein Recht auf faire Verfahrensgestaltung verletzt, wenn er von dem Anhörungstermin erst so spät erfährt, dass er nicht in der Lage ist, einen Rechtsbeistand seiner Wahl hinzuzuziehen.

Die verfahrensfehlerhafte mündliche Anhörung des Verurteilten führt zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz.


Oberlandesgericht Düsseldorf Beschluss

3 Ws 465-466/01

In der Strafsache gegen

pp.

wegen Steuerhinterziehung

hat der 3. Strafsenat am 23. Oktober 2001 auf die sofortigen Beschwerden des Verurteilten gegen die beiden Beschlüsse der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Wuppertal vom 17. August 2001 (1 StVK 641/01) nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft

beschlossen:

Tenor:

Die angefochtenen Beschlüsse werden aufgehoben.

Die Sachen werden zur neuen Entscheidung - auch über die Kosten der Beschwerdeverfahren - an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Wuppertal zurückverwiesen.

Gründe:

Durch die angefochtenen Beschlüsse hat die Strafvollstreckungskammer abgelehnt, die weitere Vollstreckung einer gegen den Beschwerdeführer verhängten Freiheitsstrafe gemäß § 57 Abs. 1 StGB zur Bewährung auszusetzen und von der Führungsaufsicht gemäß § 68 f Abs. 2 StGB abzusehen. Zur Vorbereitung der Entscheidungen hat die Strafvollstreckungskammer den Verurteilten gemäß §§ 454 Abs. 1 Satz 3 und 463 Abs. 3 Satz 1 StPO mündlich angehört. Den Termin hierzu hat der Richter am 2. August 2001 auf den 16. August 2001 festgesetzt und der JVA mitteilen lassen. Eine Benachrichtigung des Verurteilten ist nicht verfügt. Den vorliegenden Akten und den Unterlagen der JVA ist -wie der Senat auf Nachfrage erfahren hat - nicht zu entnehmen, ob der Verurteilte eine Terminsnachricht erhalten hat.

Mit seinen sofortigen Beschwerden macht der Verurteilte unwiderlegt geltend, von der Anhörung sei er erst am Morgen des 16. August 2001 in Kenntnis gesetzt worden. Daher sei ihm nicht genügend Zeit verblieben, seinen Anwalt zu benachrichtigen.

Das Rechtsmittel hat (vorläufigen) Erfolg.

Die mündliche Anhörung des Verurteilten, zu der dieser in der Kürze der Zeit einen Anwalt nicht herbeiholen konnte, leidet an einem gravierenden Verfahrensfehler, der die angefochtenen Beschlüsse erfasst und deren Aufhebung notwendig macht. Der im Rechtsstaatsprinzip wurzelnde Grundsatz des fairen Verfahrens gibt jedem Verurteilten das Recht, bei einer Anhörung im Verfahren zur Aussetzung des Strafrestes (§ 454 Abs. 1 Satz 3 StPO) einen Rechtsbeistand hinzuzuziehen (BVerfG NJW 1993, 2301). Für die Entscheidung über das Absehen von der Führungsaufsicht nach § 68 f Abs. 2 StGB, die ebenfalls nach vorheriger mündlicher Anhörung des Verurteilten getroffen wird (§ 463 Abs. 3 i.V.m. § 454 Abs. 1 Satz 3 StPO), gilt nichts anderes.

Nach den vom Bundesverfassungsgericht (a.a.O.) aufgestellten Grundsätzen hat allerdings der Strafgefangene in erster Linie selbst dafür Sorge zu tragen, dass sein Rechtsbeistand zum Anhörungstermin erscheint. Dies setzt aber voraus, dass die Strafvollstreckungskammer den Verurteilten so frühzeitig von dem Termin benachrichtigt, dass dieser auch in der Lage ist, einen Rechtsanwalt zu verständigen (Brandenburgisches Verfassungsgericht NStZ 2001, 110). Wieviel Zeit dabei zwischen der Benachrichtigung und der Anhörung liegen muss (vgl. dazu OLG Zweibrücken StV 1993, 315), bedarf hier keiner Entscheidung. Denn im vorliegenden Fall wurde der Verurteilte durch die Strafvollstreckungskammer überhaupt nicht und seitens der JVA nicht ausschließbar erst am Tag der Anhörung informiert. Dies war in jedem Fall zu kurzfristig.

Eine ordnungsgemäße mündliche Anhörung kann im Beschwerdeverfahren nicht nachgeholt werden, so dass - abweichend von der Regelung des § 309 Abs. 2 StPO - die Zurückverweisung an die Vorinstanz geboten ist (OLG Düsseldorf NStZ 1993, 406). Für die erneut durchzuführende mündliche Anhörung dürfte es sich empfehlen, eine Terminsnachricht nicht nur an die JVA, sondern - in schriftlicher Form - auch an den Verurteilten zu veranlassen.

Ende der Entscheidung

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