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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 30.08.2002
Aktenzeichen: 3 Wx 213/02
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 20
WEG § 21
WEG § 27

Entscheidung wurde am 23.09.2002 korrigiert: Vorschriften geändert und Leitsatz eingefügt
Die Übertragung der Entscheidungskompetenz der Wohnungseigentümergemeinschaft über die Frage der Erneuerung oder Reparatur der zentralen Heizungs- und Warmwasseranlage auf einen aus zwei Wohnungseigentümern bestehenden "Arbeitskreis" tangiert die Organisationsstrukturen der Gemeinschaft und kann daher nicht mit Stimmenmehrheit wirksam beschlossen werden.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

3 Wx 213/02

In dem Wohnungseigentumsverfahren

betreffend die Wohnungseigentümergemeinschaft H... 39/39 a in K...,

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2 bis 8 gegen den Beschluss der 06. Zivilkammer des Landgerichts Krefeld vom 29. Mai 2002 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. Gottschalg und der Richter am Oberlandesgericht Dr. Schütz und von Wnuck-Lipinski am 30. August 2002

beschlossen:

Tenor:

Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten zu 2-8 tragen die gerichtlichen Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde.

Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Wert des Beschwerdegegenstandes: 5.000,- €.

Gründe:

I.

Die Beteiligten zu 1 bis 8 sind Mitglieder der Eigentümergemeinschaft H... 39/39 a in K..; der Beteiligte zu 9 ist deren Verwalter.

Der Beteiligte zu 1 und Antragsteller war ursprünglich Alleineigentümer des Hauses H... 39, eines Altbaus, der kernsaniert und in Wohnungseigentum aufgeteilt worden ist. Im Rahmen der Sanierungsarbeiten wurde von der Firma U... J... GmbH eine neue Heizungsanlage in das Haus eingebaut. Da diese in der Folgezeit nicht ordnungsgemäß funktionierte, wurde auf Antrag eines Teiles der Antragsgegner im Oktober 2000 das Beweissicherungsverfahren 71 H 10/00 AG Krefeld eingeleitet. Der in demselben beauftragte Sachverständige Dipl.-Ing. B... stellte in seinem Gutachten vom 26. Februar 2001 eine Vielzahl erheblicher Mängel der Heizung fest.

Die Firma J... führte im Anschluss an das Gutachten Nachbesserungsarbeiten durch. Nach Abschluss der Arbeiten nahm der Sachverständige B... am 06. August 2001 eine zweite Überprüfung der Heizungsanlage vor. Er kam in seiner Stellungnahme vom 13. August 2001 zu dem Ergebnis, dass bis auf zwei Punkte sämtliche Mängel durch die Firma J... beseitigt worden waren.

Kurz nach der Überprüfung fiel die Heizungsanlage in dem Haus H... 39 komplett aus.

Die Firma J... bezifferte die Reparaturkosten mit 4.000,- DM bis 5.000,- DM. Zu einer Reparatur kam es allerdings nicht.

Mit Schreiben vom 20. August 2001 wurden die Beteiligten zu einer außerordentlichen Eigentümerversammlung mit dem ausschließlichen Tagesordnungspunkt 02.1. "Erneuerung/Reparatur der allgemeinen Heizungs- und Warmwasseranlage mit allen erforderlichen Nebengewerken" eingeladen.

In der Eigentümerversammlung vom 27. August 2001, bei der der Antragsteller nicht anwesend war, fassten die Eigentümer folgenden Beschluss:

"Die Sozietät Rae M..., Dr. J..., P... und Partner, vertreten durch den anwesenden Rechtsanwalt T... P..., wird beauftragt, einen vereidigten IHK-Sachverständigen für das Gewerk Heizung mit der Erstellung eines Gutachtens zu beauftragen. Der Gutachter soll den derzeitigen Zustand der im Haus vorhandenen Heizungs- und Warmwasseranlage überprüfen und zu dem Zustand Stellung beziehen.

Von der Empfehlung des Gutachters sollen alle Weiterungen in Bezug auf die Erneuerung der gesamten Heizungs- und Warmwasseranlage bzw. deren Reparatur abhängig gemacht werden.

Die Eigentümergemeinschaft überträgt die Entscheidungskompetenz über die Frage von Erneuerung oder Reparatur auf den gebildeten Arbeitskreis.

Der Arbeitskreis besteht aus den Eigentümern A... K... und M... H....

Der Arbeitskreis wird gemeinsam mit dem Verwalter alle notwendigen Entscheidungen treffen und in Auftrag geben.

Die notwendigen Geldmittel werden als Sonderumlage von allen Eigentümern gesammelt. Die Sonderumlage ist 14 Tage nach Rechnungslegung durch den Verwalter fällig.

Die maximale Investitionssumme darf 25.000,- DM nicht übersteigen."

Der sodann mit der Erstellung des Gutachtens beauftragte Sachverständige Z... führte am 04. September 2001 einen Ortstermin durch und stellte fest, dass erhebliche Mängel an der Heizungsanlage vorhanden seien.

Mit Schreiben vom 06. September 2001 teilte der Verwalter dem Antragsteller mit, dass der Sachverständige den Austausch der gesamten Heizungsanlage empfohlen und der amtierende Arbeitskreis dem Austausch zugestimmt habe. Gleichzeitig forderte er den Antragsteller auf, seinen Anteil der Sonderumlage für die Erneuerung der Heizung in Höhe von insgesamt 4.146,17 € zu zahlen.

Die mit der Neuerstellung der Heizungsanlage beauftragte Firma H... stellte der Eigentümergemeinschaft für ihre Leistungen insgesamt 21.623,20 DM in Rechnung.

Der Antragsteller hat den Eigentümerbeschluss angefochten und die Auffassung vertreten, dieser sei unwirksam, weil zum einen die ausgetauschte Heizungsanlage mangelfrei, zum anderen der gebildete Arbeitskreis nicht befugt gewesen sei, diesen Beschluss zu fassen.

Der Antragsteller hat beantragt,

festzustellen, dass der Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft vom 27. August 2001 zu TOP 02. unwirksam ist.

Das Amtsgericht hat nach mündlicher Verhandlung am 28. Januar 2002 das Gesuch abgelehnt, u.a. weil es rechtlich unbedenklich sei, die Ausführung des Beschlusses auf eine Minderheit zu übertragen, da sich jeder Wohnungseigentümer durch Vollmacht in einer Eigentümerversammlung vertreten lassen könne.

Dagegen hat der Beteiligte zu 1 rechtzeitig sofortige Beschwerde eingelegt.

Das Landgericht hat nach abermaliger mündlicher Verhandlung am 29. Mai 2002 auf das Rechtsmittel den amtsgerichtlichen Beschluss geändert und festgestellt, dass der Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft vom 27. August 2001 zu TOP 02.1 unwirksam sei.

Hiergegen wenden sich die Beteiligten zu 2 bis 8 mit der sofortigen weiteren Beschwerde, der der Beteiligte zu 1 entgegen tritt.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die gemäß §§ 45 Abs. 1 WEG, 22 Abs. 1, 27, 29 FGG zulässige sofortige weitere Beschwerde ist in der Sache nicht begründet. Denn die Entscheidung des Landgerichts beruht nicht auf der Verletzung gesetzlicher Vorschriften (§ 27 FGG).

1.

Das Landgericht hat zur Begründung ausgeführt, es könne dahinstehen, ob die Heizungsanlage seinerzeit vollständig ausgefallen sei oder nur ein Verschleißteil habe erneuert werden müssen und ob es sich bei dem Einbau der neuen Heizung um eine Maßnahme der ordnungsgemäßen Verwaltung gehandelt habe. Denn die Entscheidung über die Frage einer Reparatur- oder einer Erneuerungsbedürftigkeit der Heizung habe nicht auf einen "Arbeitskreis" übertragen, sondern der Wohnungseigentümergemeinschaft vorbehalten bleiben müssen. Trotz der den Verwalter nach § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG treffenden Verpflichtung seien für die Durchführung der Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums als Maßnahme ordnungsgemäßer Verwaltung nach § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG in erster Linie die Wohnungseigentümer selbst zuständig, die darüber durch Mehrheitsbeschluss zu entscheiden hätten. Gemäß § 29 WEG habe selbst der von Wohnungseigentümern gewählte Verwaltungsbeirat keine eigenen Entscheidungs- bzw. Verwaltungsbefugnisse, um so weniger stehe diese Kompetenz einem von den Eigentümern ins Leben gerufenen "Arbeitskreis" zu.

2.

Diese Erwägungen halten der dem Senat obliegenden rechtlichen Überprüfung stand.

a)

Die gesetzliche Regelung der §§ 20, 21, 27 WEG geht davon aus, dass die Eigentümergemeinschaft die notwendigen Entscheidungen über das "Ob" und das "Wie" von Instandsetzungs- und Instandhaltungsmaßnahmen grundsätzlich selbst treffen muss. Da es auch aus Sicht der Eigentümergemeinschaft sinnvoll sein kann, ein weniger "schwerfälliges" Organ als diese mit der Entscheidung und Durchführung von Instandsetzungs- oder Instandhaltungsmaßnahmen zu betrauen, können in gewissen Grenzen weitere Befugnisse sowohl auf den Verwalter als auch auf den Verwaltungsbeirat übertragen werden (vgl. OLG Frankfurt, OLGZ 1988, 188 [189]; Senat, ZMR 2001, 303, 304; 1997, 605 ;Bärmann/Pick/Merle, WEG 8. Auflage 2000 § 29 Rdz. 48 a).

Die nach Maßgabe der §§ 20, 21, 27 WEG der Eigentümerversammlung vorbehaltene Entscheidung über Art und Umfang von Instandsetzungs- und Instandhaltungsmaßnahmen kann regelmäßig allein durch eine Vereinbarung im Sinne des § 10 Abs. 1 WEG auf ein anderes Organ delegiert werden, da dadurch eine grundlegende Zuständigkeitsänderung zwischen diesen drei Organen vorgenommen wird. In engen Grenzen ist eine solche Kompetenzverlagerung allerdings auch im Beschlusswege möglich (vgl. Senat a.a.O.; Gottschalg, ZWE 2000, 50, 55).

b)

Dies vorausgeschickt kann vorliegend dahinstehen, ob die Voraussetzungen für eine Kompetenzverlagerung im Beschlusswege auf ein anderes Organ gegeben sind. Denn es steht nicht die Übertragung der Entscheidungskompetenz der Eigentümerversammlung auf ein anderes nach dem WEG vorgesehenes Organ in Rede, sondern die Delegierung der Entscheidungsbefugnis auf einen aus zwei Mitgliedern der Gemeinschaft bestehenden "Arbeitskreis". Eine derartiges "Organ" ist dem Wohnungseigentumsrecht unbekannt. Die Übertragung auf ein solches Gremium tangiert deshalb die in § 20 WEG niedergelegten grundlegenden Organisationsstrukturen der Wohnungseigentümergemeinschaft (Gottschalg a.a.O.) und kann schon von daher - ungeachtet der im Beschluss angesprochenen Zusammenarbeit mit dem Verwalter ("gemeinsam mit dem Verwalter") - nicht mit Stimmenmehrheit beschlossen werden.

Ohne Erfolg wenden die Antragsgegner ein, durch die Übertragung der Entscheidungsbefugnis auf den "Arbeitskreis" werde lediglich eine mit der Stimmrechtsbevollmächtigung vergleichbare Situation geschaffen. Dies trifft nicht zu. Denn die Vollmacht zur Stimmabgabe kann prinzipiell jederzeit widerrufen werden (§168 BGB); auch ist eine Vollmacht mit der Maßgabe, dass der Vollmachtgeber auf die eigene Ausübung des Stimmrechts verzichtet, unzulässig ( Bärmann/Pick/Merle, a.a.O., § 25 Rdz. 57). Bei Annahme einer wirksamen Kompetenzzuweisung an den "Arbeitskreis" wäre indes den Wohnungseigentümern im von der Zuweisung erfassten Bereich (Erneuerung oder Reparatur der Heizungsanlage für maximal 25.000,- DM) jegliche eigene Einflussmöglichkeit entzogen.

Das Rechtsmittel war hiernach zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG. Es entspricht billigem Ermessen, dass die Antragsgegner die gerichtlichen Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde tragen. Dagegen bestand aus Billigkeitsgründen keine Veranlassung, eine Erstattung außergerichtlicher Kosten anzuordnen.

Ende der Entscheidung

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