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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 26.06.2003
Aktenzeichen: 3 Wx 121/03
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 15 Abs. 1
WEG § 13 Abs. 2
Die Wohnungseigentümer können einem Miteigentümer ein Sondernutzungsrecht an einem dem Gemeinschaftseigentum unterliegenden Spitzboden ihres Hauses durch Vereinbarung, die auch konkludent oder durch stillschweigendes Verhalten zustande kommen kann, einräumen.

Ein auf diese Weise eingeräumtes Sondernutzungsrecht kann nicht durch einen (Mehrheits-)Beschluss entzogen werden.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

3 Wx 121/03

In dem Wohnungseigentumsverfahren

betreffend die Wohnungseigentumsanlage O. in,

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 3 gegen den Beschluss der 11. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg vom 19. Februar 2003 unter Mitwirkung der Richter am Oberlandesgericht Dr. S. und von W sowie der Richterin am Oberlandesgericht S. am 26. Juni 2003

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 3 wird die angefochtene Entscheidung teilweise abgeändert:

Der Beschluss des Amtsgerichts vom 04.10.2002 wird aufgehoben, soweit er den Antrag des Beteiligten zu 3 zurückweist.

Es wird festgestellt, dass der zu TOP 2 der Eigentümerversammlung vom 21.12.2001 gefasste Beschluss nichtig ist.

Die gerichtlichen Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz tragen die Beteiligten zu 1 und 2 sowie der Beteiligte zu 3 je zur Hälfte. Die gerichtlichen Kosten des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde werden den Beteiligten zu 1 und 2 auferlegt.

Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet Wert des Beschwerdegegenstandes: 10.000,- Euro.

Gründe:

Die Beteiligten zu 1 bis 3 sind Miteigentümer der Wohnungsetgentumsanlage O in. Der Beteiligte zu 3 baute in der Vergangenheit den von seinem Sondereigentum aus zugänglichen, zum Gemeinschaftseigentum gehörenden Spitzboden im Dach des Hauses aus und nutzt diesen seither. In einer Wohnungseigentümerversammlung vom 21.04.1999, an der sämtliche Eigentümer teilgenommen hatten, trafen die Miteigentümer zu TOP 8 folgende Regelung.

"Ausscheiden des Herrn A."

Nach eingehender Diskussion wurde, zur Ausräumung der bestehenden Probleme folgendes vereinbart:

...

die installierte Sauna wird durch A. bei Auszug ausgebaut, das Blockhaus verbleibt in Gemeinschaftseigentum.

- der durch A. durchgeführte Dachausbau wird nachträglich genehmigt, es wird ihm jedoch auferlegt, eine Baugenehmigung oder Unbedenklichkeitsbescheinigung beizubringen ...

Mit den vorstehenden Vereinbarungen erklärten sich alle einverstanden."

Gemäß Protokoll vom 02.05.2000 beschlossen die Miteigentümer später einstimmig, dass das Saunagebäude nach Ausscheiden des Beteiligten zu 3 den übrigen Eigentümern zur alleinigen Nutzung überlassen wird und im Gegenzug hierzu der Spitzboden in der Wohnung des A. dem nachfolgenden Eigentümer der Wohnung zur alleinigen Verfügung steht.

In einer weiteren Eigentümerversammlung wurde gemäß Protokoll vom 20.02.2001 unter TOP 4 festgehalten, dass - wie bereits auf der vorhergehenden ordentlichen Eigentümerversammlung beschlossen, der vormals im Gemeinschaftseigentum stehende Spitzboden im Sondereigentum des A. verbleibt.

In der Eigentümerversammlung vom 21.12.2001 fassten die Miteigentümer mehrheitlich unter TOP 2 folgenden Beschluss:

"Rückbau Spitzboden"

Herr A hat unverzüglich bis zum 31.01.2002 den widerrechtlich in Besitz genommenen Spitzboden des Haupthauses zu verschließen und der Gemeinschaft wieder zu übereignen."

Mit Schriftsatz vom 30.01.2002 hat der Beteiligte zu 3 u.a. diesen Beschluss angefochten. Er vertritt die Ansicht, die nunmehr getroffene Regelung widerspreche den früheren Beschlüssen und sei daher ungültig.

Das Amtsgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 3 ist beim Landgericht ohne Erfolg geblieben. Gegen den Beschluss der Kammer wendet sich der Beteiligte zu 3 nunmehr mit seiner sofortigen weiteren Beschwerde.

Im Einzelnen wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Das zulässige Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg. Die angefochtene Entscheidung beruht auf einer Verletzung des Gesetzes (§ 27 FGG).

Die Kammer hat zur Begründung ihrer Entscheidung ausgeführt: Der Beteiligte zu 3 habe den Beschluss zu TOP 2 der Eigentümerversammlung nicht rechtzeitig innerhalb der nach § 23 Abs. 4 Satz 2 WEG bestimmten Monatsfrist angefochten. Diese Ausschlussfrist gelte zwar nicht für nichtige Beschlüsse. Mit dem von dem Beteiligten zu 3 beanstandeten Beschluss verlange die Eigentümergemeinschaft Rückgabe des im Gemeinschaftseigentum befindlichen Spitzbodens. Ein solcher Beschluss sei als Mehrheitsbeschluss nur dann nichtig, wenn er dem Beteiligten zu 3 ein zuvor wirksam eingeräumtes Sondernutzungsrecht entziehen würde. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes im Beschluss vom 20.09.2000 könnten Sondernutzungsrechte nicht durch Mehrheitsbeschluss begründet, geändert oder aufgehoben werden. Dem Beteiligten zu 3 sei aber zuvor ein Sondernutzungsrecht nicht wirksam eingeräumt worden. Bei der zu TOP 5 der Eigentümerversammlung vom 02.05.2000 getroffenen Regelung handele es sich um einen bloßen Beschluss, der die erforderliche Vereinbarung nicht ersetze. Der Wohnungseigentümergemeinschaft habe die Beschlusskompetenz für eine solche Regelung gefehlt. Daher sei auch in der Eigentümerversammlung vom 20.02.2001 ein Sondernutzungsrecht für den Beteiligten zu 3 nicht begründet worden. Im übrigen ergebe sich aus dem Protokoll, dass die Eigentümergemeinschaft in dieser Versammlung gar keinen Beschluss über eine Sondernutzung habe fassen wollen, da sie irrtümlich davon ausgegangen sei, dies sei bereits geschehen. In der Eigentümerversammlung vom 21.04.1999 hätten die Eigentümer lediglich Vereinbarungen hinsichtlich des Blockhauses u.a. getroffen, der Spitzboden sei nicht geregelt worden.

Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Landgericht ist zunächst zu Recht davon ausgegangen, dass die Ausschlussfrist des § 23 Abs. 4 Satz 2 WEG nicht für nichtige Beschlüsse gilt und ein nichtiger Beschluss vorliegt, wenn durch einen bloßen Mehrheitsbeschluss ein einem Miteigentümer eingeräumtes Sondernutzungsrecht entzogen wird.

Entgegen der Ansicht der Kammer war indes dem Beteiligten zu 3 ein solches Sondernutzungsrecht an dem Spitzboden eingeräumt worden, und zwar in der Eigentümerversammlung vom 21.04.1999. Wohnungseigentümer können gemäß § 15 Abs. 1 WEG den Gebrauch des Gemeinschaftseigentums durch Vereinbarung regeln. Sie können auch in Abänderungen des § 13 Abs. 2 WEG vereinbaren, dass einem Wohnungseigentümer unter Ausschluss der übrigen Wohnungseigentümer ein alleiniges Nutzungsrecht an bestimmten Räumen des Gemeinschaftseigentums zusteht (Staudinger/Kreuzer, 12. Aufl., § 15 WEG Rdnr. 12; Palandt/Bassenge, 61. Aufl., § 13 WEG Rdnr. 7). Durch eine solche Vereinbarung wird die Teilungserklärung abgeändert. Grundsätzlich können Vereinbarungen von Wohnungseigentümern auch konkludent, durch stillschweigendes Verhalten zustande kommen (Bärmann/Pick/Merle, 8. Aufl., § 10 Rdnr. 57). Das ist hier geschehen. Ausweislich der zur Akte gereichten Ablichtung des Protokolls waren sämtliche Miteigentümer in der Versammlung vom 21.04.1999 anwesend und haben zu TOP 8 diverse "Vereinbarungen" getroffen. Unter anderem haben die Miteigentümer einstimmig die an dem Spitzboden erfolgten baulichen Veränderungen durch den Beteiligten zu 3 nachträglich genehmigt. In dieser Vereinbarung steckt gleichzeitig die ( konkludente ) Zustimmung einer entsprechenden Nutzung durch den Beteiligten zu 3. Allen Miteigentümern war bekannt, dass der Beteiligte den Spitzboden seit dem Ausbau nutzt. Wenn sie unter diesen Umständen den baulichen Veränderungen zustimmen, erklären sie sich konkludent auch mit einer (Sonder-)Nutzung durch den Beteiligten zu 3 einverstanden, zumal der Spitzboden lediglich aus der Wohnung des Beteiligten zu 3 erreichbar ist. Es sind keinerlei Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass es sich etwa um eine bloße Duldung oder eine lediglich vorläufige Regelung handeln sollte. Dies wäre auch weder mit den später gefassten Beschlüssen der Miteigentümer noch mit den übrigen in TOP 8 getroffenen Regelungen vereinbar. Die dort von den Miteigentümern behandelten Gegenstände standen in einem Gegenseitigkeitsverhältnis. Dem Beteiligten zu 3 sollte als Ausgleich für die Überlassung des von ihm erbauten Saunagebäudes nach seinem Ausscheiden die Nutzung des Spitzbodens, der ohnehin nur aus seiner Wohnung erreichbar ist, erlaubt werden. Diese ausdrücklich als Vereinbarung überschriebene Regelung ist durch den Beschluss vom 02.05.2000 dahin ergänzt worden, dass die Sondernutzung auch einem Rechtsnachfolger der Wohnung des Beteiligten zu 3 zustehen sollte. In einer weiteren Eigentümerversammlung haben die Miteigentümer gemäß Protokoll vom 20.02.2001 unter Bezugnahme auf frühere Versammlungen wiederholend festgestellt, dass der Spitzboden im "Sondereigentum" des Beteiligten zu 3 stehe. All diese Regelungen ergeben nur dann einen Sinn, wenn dem Beteiligten zu 3 ein Sondernutzungsrecht eingeräumt worden war.

Dieses Sondernutzungsrecht konnte dem Beteiligten zu 3 nicht durch einen (Mehrheits-)Beschluss in der Eigentümerversammlung vom 21.12.2001 entzogen werden, weil der Eigentümergemeinschaft für einen solchen Beschluss die Beschlusskompetenz fehlte ( vgl. BGH, Beschluss vom 20.09.2000, NJW 2000, 3500 f.). Dies hat zur Folge, dass der Beschluss zu TOP 2 der vorgenannten Eigentümerversammlung nichtig ist. Die angefochtene Entscheidung des Landgerichts und der Beschluss des Amtsgerichts waren daher abzuändern.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 Satz 1 WEG. Zur Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten bestand aus Billigkeitsgründen kein Anlass.

Ende der Entscheidung

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