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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 02.08.2000
Aktenzeichen: 3 Wx 227/00
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 48
WEG § 48

Verlangt ein Wohnungseigentümer die Beseitigung einer baulichen Veränderung wegen einer nachteiligen Änderung des optischen Gesamteindrucks der Wohnanlage, so ist beim Fehlen konkreter, in Geld meßbarer Anhaltspunkte die Bestimmung des Geschäftswerts und der Beschwer Ermessenssache. Dabei ist eher von der Zulässigkeit eines Rechtsmittels auszugehen.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

3 Wx 227/00 6 T 271/00 LG Wuppertal 93 UR II 150/98 WEG AG Wuppertal

In der Wohnungseigentumssache

betreffend die Wohnungseigentumsanlage in Wuppertal,

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) gegen den Beschluß der 6. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal vom 9. Mai 2000 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. Gottschalg, der Richterin am Oberlandesgericht Dr. Krautter und des Richters am Oberlandesgericht Dr. Schütz am 2. August 2000

beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung auch über die Kosten des dritten Rechtszuges an das Landgericht zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Die Beteiligte zu 1) gehört der o. a. Wohnungseigentümergemeinschaft an, deren Verwalter der Beteiligte zu 2) ist.

Der Beteiligte zu 2) ließ im Jahre 1998 eine an der Giebelseite des Hauses liegende Teilfläche des Grundstücks, die bis dahin bepflanzt war (vgl. Skizze Bl. 70 d. A.), mit einer Verbundpflasterung versehen.

Die Beteiligte zu 1) nimmt den Beteiligten zu 2) auf Beseitigung der Pflasterung und Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes in Anspruch. Sie hat angegeben, sie sei zu keiner Zeit mit der auf Veranlassung des Beteiligten zu 2) durchgeführten Veränderung einverstanden gewesen.

Der Beteiligte zu 2) hat sich auf die Notwendigkeit der durchgeführten Maßnahme zur Verhinderung von Feuchtigkeitsschäden an der betreffenden Giebelwand, insbesondere in einer Souterrain-Wohnung der Anlage berufen.

Das Amtsgericht hat den Antrag zurückgewiesen und den Geschäftswert auf 2.000,00 DM festgesetzt.

Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 1) hat das Landgericht als unzulässig verworfen, weil die Beschwer der Beteiligten zu l) unter 1.500,00 DM liege, den Beschwerdewert hat es auf 1.200,00 DM festgesetzt.

Die Beteiligte zu 1) hat gegen die Entscheidung des Landgerichts sofortige weitere Beschwerde und gegen die Festsetzung des Beschwerdegegenstandes "vorsorglich" Beschwerde eingelegt.

Der Beteiligte zu 2) ist dem Rechtsmittel entgegengetreten.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Das zulässige Rechtsmittel der Beteiligten zu 1) führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht zur erneuten Behandlung und Entscheidung.

1)

Die sofortige weitere Beschwerde ist nach der Verwerfung der Erstbeschwerde als unzulässig ohne Rücksicht auf die Beschwer der Beteiligten zu 1) zulässig (BGHZ 119, 216, 217).

2)

Der Senat hält - entgegen der Auffassung des Landgerichts - auch die Erstbeschwerde für zulässig, denn der Wert des Beschwerdegegenstandes und damit die Beschwer der Beteiligten zu 1) ist mit mehr als 1.500,00 DM anzunehmen.

Das Landgericht hat insoweit ausgeführt, es komme allein auf das von möglichen Kosten unabhängige Interesse der Beteiligten zu 1) an der Wiederherstellung der bepflanzten Fläche an. Dabei sei von einem Bodenwert von 350,00 DM/m² auszugehen und zu berücksichtigen, daß die Nutzbarkeit und der Wert der "Teilfläche von ca. 5 m²" nicht vollständig entfielen, sondern lediglich die Verwendung und das Erscheinungsbild der Fläche verändert worden seien. Danach sei ein Bruchteil von 2/3 des Bodenwertes zugrunde zu legen, was letztlich zu einer Beschwer von ca. 1.200,00 DM führe.

Das Landgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, daß die Beschwer der Beteiligten zu 1) sich ausschließlich nach deren Interessen an der Abänderung der angefochtenen Entscheidung richtet (vgl. BGHZ 119, 216, 218). Die Heranziehung des Bodenwertes zur Ermittlung einer Beschwer in Fällen, in denen die Beseitigung einer baulichen Veränderung mit der Begründung verlangt wird, das äußere Erscheinungsbild der Anlage werde nachteilig verändert, erscheint jedoch nicht geeignet. Es kann nicht darauf ankommen, ob z. B. für die Anlegung eines gepflasterten Parkplatzes oder die Errichtung einer Spielfläche eine Fläche von etwa 15 m² oder für die Aufstellung einer Laterne nur eine solche von 1 m² benötigt wird. Die "Umwandlung" einer bis dahin bepflanzten Gartenfläche in eine gepflasterte Parkfläche beschwert auch einen einzelnen Wohnungseigentümer nicht deshalb mehr, weil der Bodenwert des Grundstücks höher ist als derjenige in einer Anlage, die in einem anderen Stadtviertel liegt. Bei dem Verlangen nach Beseitigung einer baulichen Veränderung wegen einer nachteiligen Veränderung des optischen Gesamteindrucks der Wohnanlage fehlt es meist an konkreten, in Geld meßbaren Anhaltspunkten (vgl. BayObLG WE 1995, 125, 126; Staudinger/Wenzel, WEG Rn. 25 zu § 48). Die Bestimmung des Geschäftswerts oder der Beschwer ist deshalb weitgehend Ermessenssache. In einem solchen Fall entspricht es nach der Auffassung des Bayerischen Obersten Landesgerichtes rechtsstaatlichen Grundsätzen, eher von der Zulässigkeit des Rechtsmittels auszugehen und in der Sache zu entscheiden. Dem schließt der Senat sich an.

Die von der Beteiligten zu 1) geltend gemachte Störung des ästhetischen Eindrucks der Anlage durch die Beseitigung der Gartenfläche und die Pflasterung dieser Fläche ist angesichts der gebotenen großzügigen Schätzung auch nicht von vornherein mit unter 1.500,00 DM zu bewerten.

3)

Das Landgericht hat danach die Erstbeschwerde zu Unrecht als unzulässig verworfen. Die Sache war deshalb unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung an die Kammer zurückzuverweisen, denn für eine eigene Entscheidung des Senats fehlt es an hinreichenden Grundlagen.

Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts kann nach den getroffenen Feststellungen nicht angenommen werden, daß es sich bei der durchgeführten Maßnahme um eine solche der Instandhaltung oder Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums handelt.

Es steht weder fest, daß die an der Außenwand des Hauses aufgetretenen Feuchtigkeitsschäden auf eine "Versickerung" des Wassers und einen möglichen Stau vor der Wand zurückgehen, noch, daß die Umgestaltung der vor der Wand liegenden Fläche zu einer endgültigen Beseitigung der Feuchtigkeitsschäden geführt hat. Es kann nämlich nicht ausgeschlossen werden, daß eine mangelhafte oder ganz fehlende "Isolierung" der Wand zum Eintritt der Feuchtigkeit geführt hat und die nunmehr durchgeführte Verlegung einer Drainage sowie die Aufbringung eines Feuchtigkeitsschutzes an der Außenwand auch ohne die Pflasterung der hier in Rede stehenden Grünfläche ein weiteres Auftreten von Feuchtigkeitsschäden verhindert hätte.

Es ist daher zunächst davon auszugehen, daß es sich bei der Umgestaltung der Grünfläche um eine bauliche Veränderung im Sinne des § 22 Abs. 1 WEG gehandelt hat, die der Zustimmung aller Wohnungseigentümer und damit auch der Beteiligten zu 1) bedurfte, wenn ihr über das in § 14 WEG bestimmte Maß hinaus ein Nachteil erwuchs. Als ein solcher Nachteil kommt auch eine nicht ganz unerhebliche "nachteilige" Veränderung des optischen Gesamteindrucks einer Wohnanlage in Betracht (vgl. BGHZ 116, 392, 396).

Ob und gegebenenfalls in welchem Ausmaß der optische Gesamteindruck der Wohnanlage nachteilig verändert worden ist, läßt sich mangels hinreichender Feststellungen der Vorinstanzen nicht beurteilen. Die bei den Akten befindlichen Fotos zeigen nur den jetzigen Zustand der hier in Rede stehenden Giebelseite der Wohnanlage, sie lassen einen Vergleich mit dem nicht näher festgestellten früheren Zustand dieses Grundstücksteils und den übrigen Grünflächen vor der Wohnanlage nicht zu. Die Äußerung des Beteiligten Trimborn in der mündlichen Verhandlung vom 16.04.1999, die "Grünfläche sei praktisch vorher eine Wildfläche gewesen, auf der alles mögliche gesprießt habe", beschreibt lediglich den - möglicherweise ungepflegten - Zustand der Fläche vor Durchführung der Maßnahme, läßt aber insbesondere nicht erkennen, wie die ehemalige Grünfläche vor der betreffenden Giebelwand insgesamt gestaltet war, ob eine Abtrennung durch den auf den Fotos ersichtlichen Jägerzaun schon vorhanden war und ob vor der Giebelwand möglicherweise ein zweiter Nadelbaum als "optisches Gegengewicht" zu dem noch dort befindlichen Baum gestanden hat.

Die bei den Akten befindlichen Fotos können kein gesamtheitliches Erscheinungsbild der gepflasterten und der Gartenflächen vermitteln. Wie sich die durchgeführte Veränderung der hier in Rede stehenden Teilfläche auf das gesamte Erscheinungsbild des Gebäudes in Verbindung mit den davorliegenden Flächen auswirkt, kann nur nach einer Inaugenscheinseinnahme und Feststellung des früher bestehenden ordnungsgemäßen Zustandes festgestellt werden.

Die Sache war demgemäß zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.

Den Wert des Beschwerdegegenstandes und den Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren setzt der Senat auf 3.000,00 DM fest. Einer Entscheidung über die "vorsorgliche" Beschwerde der Beteiligten zu 1) gegen die Festsetzung des Beschwerdegegenstandes bedarf es deshalb nicht mehr.

Ende der Entscheidung

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