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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 20.10.2000
Aktenzeichen: 3 Wx 283/00
Rechtsgebiete: WEG, ZVG


Vorschriften:

WEG § 16
WEG § 28
ZVG § 56 Satz 2
1.

Der Erwerber von Wohnungseigentum im Wege der Zwangsvollstreckung haftet aus nach seinem Eintritt genehmigten Jahresabrechnungen nicht für Fehlbeträge, soweit diese auf rückständigen Beitragszahlungen des Rechtsvorgängers beruhen.

2.

Ein Eigentümerbeschluss über die Genehmigung ursprünglich beanstandungsfreier Jahresabrechnungen entspricht nicht ordnungsgemäßer Verwaltung, wenn er mit Blick auf den Eigentümerwechsel von dem Verwalter auf "Abrechnungsspitzen" geprüfte und ggf. im Sinne einer Differenzierung nach Beitragsrückständen und dieselben übersteigenden Nachforderungsbeträgen aktualisierte Jahresabrechnungen nicht zum Gegenstand hat.

3.

Vor einer Klärung des Erfordernisses einer Aufschlüsselung der Abrechnungsfehlbeträge im vorgenannten Sinne, die erst einen ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechenden Beschluss über die Genehmigung der Jahresabrechnungen aus den Abrechnungsperioden vor dem Eigentumswechsel ermöglicht, ist dem Verwalter Entlastung für seine Geschäftsführung in diesen Zeiträumen nicht zu erteilen.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

3 Wx 283/00 25 T 305/00 LG Düsseldorf 291 II 162/99 WEG AG Düsseldorf

In dem Wohnungseigentumsverfahren

betreffend die Wohnungseigentumsanlage Düsseldorf,

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2 und 3 gegen den Beschluss der 25. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 05. Juni 2000 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. Gottschalg und der Richter am Oberlandesgericht Dr. Schütz und von Wnuck-Lipinski

am 20. Oktober 2000

beschlossen:

Tenor:

Das Rechtsmittel wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die vom Landgericht getroffene Erstattungsanordnung hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten entfällt.

Die Beteiligten zu 2 und 3 tragen die gerichtlichen Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde.

Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Wert des Beschwerdegegenstandes: 14.188,88 DM.

Gründe:

I.

Frau I R war in der eingangs bezeichneten Wohnungseigentumsanlage Sondereigentümerin der Wohnung Nr. 21 und des Tiefgaragenplatzes G 16. Der Beteiligte zu 1 erwarb beides durch Zuschlagbeschluss vom 12. April 1999 im Wege der Zwangsversteigerung.

Die Eigentümerversammlung vom 24. Juni 1999 genehmigte die Jahresabrechnungen 1996 (TOP 3), 1997 (TOP 4) und 1998 (TOP 5) mit den Stimmen der anwesenden Wohnungseigentümer und erteilte der Verwalterin zu TOP 6 Entlastung für die Jahresabrechnungen 1996, 1997 und 1998.

Zu TOP 12 beschlossen die Eigentümer nach Beschlussfassung über den Wirtschaftsplan 1999 darüber hinaus einstimmig:

"Es wird weiterhin einstimmig beschlossen, daß die Verwalterin die Nachforderungen R aus Jahresabrechnungen 96, 97 und 98 vom Ersteigerer der Wohnung anfordert. Dieser ist telefonisch bereits informiert und hat Kopien der Abrechnungen erhalten. Es wird einstimmig beschlossen, daß diese Beträge nach Bezahlung von der Verwalterin in die Reparaturrücklage eingezahlt werden."

Diese Eigentümerbeschlüsse hat der Beteiligte zu 1 angefochten und hat beantragt,

"die in der Versammlung der Eigentümer der Wohnungseigentumsanlage Straße in Düsseldorf am 24.06.1999 zu den TOP 3, 4, 5, 6 und 12 (soweit beschlossen wurde," die Nachforderungen R aus den Jahresabrechnungen 96, 97 und 98 vom Ersteigerer der Wohnung = Antragsteller anzufordern) für ungültig zu erklären und aufzuheben."

Das Amtsgericht hat nach mündlicher Verhandlung am 9. Februar 2000 dem Antrag stattgegeben und beschlossen:

"Die in der Versammlung der Eigentümer der Wohnungseigentumsanlage in Düsseldorf am 24.06.1999 zu den Tagesordnungspunkten 3, 4, 5, 6 und 12 gefaßten Beschlüsse werden für ungültig erklärt, soweit beschlossen wurde, "die Nachforderungen R Jahresabrechnungen 96, 97 und 98 vom Ersteigerer der Wohnung = Antragsteller anzufordern"."

Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, der Antragsteller habe für die Abrechnungsfehlbeträge aus den Wirtschaftsjahren 1995/96 (8.763,13 DM), 1997 (2.393,63 DM) und 1998 (3.032,12 DM) nicht einzustehen, weil er erst in der Zwangsversteigerung am 12. April 1999 Eigentümer geworden sei. Soweit die Jahresabrechnungen Nachforderungen gegenüber dem Antragsteller begründen sollten, seien sie fehlerhaft. Da der Antragsteller nicht die kompletten Jahresabrechnungen, sondern nur seine Belastung mit Nachforderungen von insgesamt 14.188,88 DM habe angreifen wollen, seien die Abrechnungsbeschlüsse auch nur insoweit für ungültig zu erklären.

Die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 2 und 3 hat das Landgericht nach mündlicher Verhandlung am 05. Juni 2000 zurückgewiesen.

Mit ihrer sofortigen weiteren Beschwerde, der der Beteiligte zu 1 entgegentritt, verfolgen die Beteiligten zu 2 und 3 ihr ursprüngliches auf Ablehnung des Antrags des Beteiligten zu 1 gerichtetes Begehren weiter.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II. Die gemäß § 45 Abs. 1 WEG, §§ 22 Abs. 1, 27, 29 FGG zulässige sofortige weitere Beschwerde hat in der Sache - außer hinsichtlich der aufzuhebenden Erstattungsanordnung in Bezug auf die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens - keinen Erfolg. Denn die Entscheidung des Landgerichts beruht nicht auf einer Verletzung gesetzlicher Vorschriften (§ 27 FGG).

1.

Das Landgericht hat ausgeführt, die Genehmigung der Einzelabrechnungen aus den Jahren 1996 bis 1998 zu den Tagesordnungspunkten 3, 4 und 5 entspreche nicht ordnungsgemäßer Verwaltung: Diese Abrechnungen träfen den Beteiligten zu 1, der als Erwerber einer Eigentumswohnung nur für die ab Erwerb fällig gestellten Beträge hafte. Hierunter fielen aber entgegen der Auffassung der Beteiligten zu 2 und 3 nicht die Rückstände, die der frühere Eigentümer während seiner Eigentumszeit habe auflaufen lassen und die zu dieser Zeit bereits fällig gewesen seien. Deshalb entspreche eine Jahresabrechnung nicht ordnungsgemäßer Verwaltung, wenn sie nicht unterscheide zwischen den Rückständen, die bereits aufgrund beschlossener Wirtschaftspläne fällig gestellt gewesen und deshalb von dem früheren Eigentümer zu tragen seien, und solchen Beträgen, die erst als "Abrechnungsspitze" nach Ablauf des Wirtschaftsjahres und Abzug der fällig gestellten Vorauszahlungen von dem neuen Erwerber zu tragen seien. Diese notwendige Differenzierung wiesen die Abrechnungen, betreffend die Wirtschaftsjahre 1996, 1997 und 1998 nicht aus. Vielmehr finde sich in ihnen jeweils nur eine Abrechnungssumme aus zu begleichenden Kosten, auf die die frühere Eigentümerin Zahlungen nicht geleistet habe. In der Wohngeldabrechnung 1996 seien überdies Abrechnungsergebnisse aus 1995 mit aufgeführt. Derartigen Abrechnungen könne der Beteiligte zu 1 indes nicht entnehmen, welches tatsächlich die erstmals zu seiner Eigentümerzeit festgestellte "Abrechnungsspitze" sei, für die allein er hafte. Nur eine dies ausweisende Abrechnung entspreche ordnungsgemäßer Verwaltung. Soweit die Abrechnungen nicht an den Beteiligten zu 1, sondern an die frühere Eigentümerin R adressiert seien, ändere dies nichts daran, dass Beschlüsse der Wohnungseigentümerversammlung nur die jeweiligen Eigentümer zum Zeitpunkt der Beschlussfassung träfen. Deshalb habe der Beteiligte zu 1 ein berechtigtes Interesse an der Ungültigerklärung der sein Wohnungseigentum betreffenden, nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechenden Jahresabrechnung. Andernfalls bestehe die Gefahr, dass der Beteiligte zu 1 aus diesen Abrechnungen in Anspruch genommen werde, wie sich aus der Beschlussfassung zu TOP 12 ergebe.

Letztere habe das Amtsgericht ebenfalls zu Recht für ungültig erklärt. Denn es widerspreche ordnungsgemäßer Verwaltung, dass die Wohnungseigentümer die Verwalterin ermächtigen, ohne rechtliche Grundlage Nachforderunggen aus den Jahresabrechnungen 1996, 1997 und 1998 von einem nicht zur Zahlung verpflichteten Eigentümer anzufordern.

Der Eigentümerbeschluss zu TOP 6, betreffend die Entlastung der Verwaltung, sei ebenfalls für ungültig zu erklären. Denn dem Verwalter könne für eine Jahresabrechnung, die nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entspreche, Entlastung nicht erteilt werden.

2.

Diese Ausführungen halten der dem Senat obliegenden rechtlichen Überprüfung stand.

a)

Zutreffend hat das Landgericht es zunächst für unschädlich erachtet, dass in den Einzelabrechnungen nicht der Antragsteller, sondern noch die Voreigentümerin genannt ist, da für alle Beteiligten erkennbar die Abrechnungen für die Wohnung Nr. 21 und den Garagenstellplatz G 16 bestimmt waren und zudem die Verpflichtung der aus der Eigentümergemeinschaft ausgeschiedenen Voreigentümerin ein unzulässiger Gesamtakt zu Lasten eines Dritten gewesen wäre (vgl. BGH ZMR 1999, 834, 836).

b)

Ohne Rechtsfehler haben die Vorinstanzen dem Gesuch des Antragstellers entsprechend, die in der Eigentümerversammlung am 24. Juni 1999 zu TOP 3, 4, 5,6 und 12 gefassten Beschlüsse für ungültig gehalten, soweit beschlossen wurde, die Nachforderungen gegen die Voreigentümerin R aus den Jahresabrechnungen 1996, 1997 und 1998 vom dem Antragsteller als Ersteigerer der Wohnung Nr. 12 und des Garageneinstellplatzes G 16 anzufordern.

aa)

Die Zahlungsverpflichtung des Antragstellers besteht im Umfang der in den Einzelabrechnungen errechneten Nachforderungen nicht, soweit diese auf rückständigen Beitragszahlungen der Voreigentümerin beruhen. Die Verpflichtung der Wohnungseigentümer zur Zahlung von Beitragsvorschüssen gelangt nicht schon mit der Entstehung der Lasten und Kosten, sondern nach § 28 Abs. 2 WEG erst durch den Beschluss der Wohnungseigentümer über den Wirtschaftsplan zur Entstehung (BGH ZMR 1996, 215). In der Jahresabrechnung werden dann die im Geschäftsjahr tatsächlich erzielten Gesamteinnahmen den geleisteten Gesamtausgaben gegenübergestellt und in die Einzelabrechnung nach dem geltenden Schlüssel auf die einzelnen Wohnungseigentümer verteilt (BGH a.a.O.). Von dieser Abrechnung zu trennen ist ihre Genehmigung durch einen Eigentümerbeschluss. Nach der Rechtsprechung des BGH (ZMR 1999, 834, 836) hat der Beschluss hinsichtlich etwaiger Zahlungsrückstände aus dem Wirtschaftsplan regelmäßig bloß eine diesen Plan bestätigende oder verstärkende Wirkung. Nur für den nach der Einzelabrechnung auf den jeweiligen Wohnungseigentümer entfallenden Betrag, der die nach dem Wirtschaftsplan beschlossenen Vorschüsse übersteigt, wird originär eine Schuld begründet (BGH ZMR 1996, 215; BGH a.a.O.).

Für die Beitragsrückstände des alten Eigentümers wird durch die Genehmigung der Jahresabrechnung demnach eine Schuld des Erwerbers nicht begründet. Denn der Erwerber haftet aus diesem Beschluss nach der Fälligkeitstheorie des BGH (ZMR 1989, 434) nur für die nach dem Eigentumsübergang fällig gewordenen Vorschüsse und Sonderumlagen.

bb)

Zu Recht haben die Vorinstanzen die Beschlussfassung der Eigentümerversammlung vom 24. Juni 1999 betreffend die Genehmigung der Jahresabrechnungen für 1996 bis 1998 für unwirksam gehalten.

Zwar mögen die Abrechnungen selbst ursprünglich ordnungsgemäßer Verwaltung entsprochen haben. Denn zur Zeit ihrer Erstellung hatte der Beteiligte zu 1 die Wohnung Nr. 21 und den Garageneinstellplatz G 16 noch nicht im Wege der Zwangsversteigerung erworben und bedurfte es der vom Landgericht geforderten Differenzierung der ausgewiesenen Fehlbeträge von insgesamt 14.188,88 DM in die nach den Wirtschaftsplänen geschuldeten Vorauszahlungen und etwa diese übersteigende "Abrechnungsspitzen" demnach nicht. Anders lagen die Dinge zum Zeitpunkt der Beschlussfassung am 24. Juni 1999. Denn inzwischen hatte der Beteiligte zu 1 am 12. April 1999 die Wohneinheit nebst Stellplatz im Wege der Zwangsversteigerung erworben. Nunmehr kam seine Haftung als Erwerber für nach Eigentumsübertragung fällig gewordenes Wohngeld in Gestalt etwaiger durch den Eigentümerbeschluss vom 24. Juni 1999 fällig zu stellender "Abrechnungsspitzen" in Betracht. Da dieser Eigentümerbeschluss aber mit Blick auf solche "Abrechnungsspitzen" von der Verwalterin geprüfte und ggf. im Sinne einer Differenzierung nach Beitragsrückständen und dieselben übersteigenden Nachforderungsbeträgen aktualisierte Jahresabrechnungen nicht zum Gegenstand hatte, der Beteiligte zu 1 als Erwerber demnach die Berechtigung seiner Belastung mit Nachzahlungen nicht überprüfen konnte, entsprach die Beschlussfassung nicht ordnungsgemäßer Verwaltung und haben die Vorinstanzen diese zu Recht für ungültig erklärt.

cc)

Ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden ist, dass das Landgericht den Eigentümerbeschluss zu TOP 12 hinsichtlich der Ermächtigung des Verwalters zur Einziehung der Rückstände aus den Jahresabrechnungen 1996, 1997 und 1998 für ungültig erklärt hat. Denn ungeachtet der Frage, ob durch diesen Beschluss bereits eine Zahlungsverpflichtung des Antragstellers begründet wird, belastet ihn diese Beschlussfassung, weil hierdurch die äußere Legitimation für den Verwalter geschaffen wird, von dem Antragsteller Zahlungen zu verlangen, die er nicht schuldet.

dd)

Den Eigentümerbeschluss zu TOP 6 betreffend die Entlastung der Verwaltung für die Abrechnungsjahre 1996, 1997 und 1998 hat das Landgericht ebenfalls zu Recht für ungültig erklärt.

Durch die Entlastung billigen die Wohnungseigentümer die Geschäftsführung des Verwalters und stellen ihn von der Verpflichtung frei, über das betreffende Abrechnungsjahr weitere Auskünfte zu erteilen; darüber hinaus verzichten die Eigentümer mit der Entlastung auf Schadensersatzansprüche gegen den Verwalter (vgl. Senatsbeschluss - 3 Wx 180/00 - vom 12. Juni 2000).

Die Entlastung der Beteiligten zu 3 ist hiernach verfrüht und entspricht nicht ordnungsgemäßer Verwaltung, da nicht klargestellt ist, ob die in den Jahresabrechnungen 1996 bis 1998 ausgewiesenen Salden die nach den maßgeblichen Wirtschaftsplänen von der Voreigentümerin R geschuldeten Vorauszahlungen übersteigen und demnach eine Erwerberhaftung des Beteiligten zu 1 für etwaige "Abrechnungsspitzen" in Betracht kommt, was nach den bislang getroffenen Feststellungen jedenfalls nicht auszuschließen ist.

c)

Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 Satz 1 WEG. Eine Erstattungsanordnung in Bezug auf die außergerichtlichen Kosten aus Billigkeitsgründen ist weder im dritten Rechtszug noch im Beschwerdeverfahren - insoweit war die landgerichtliche Entscheidung zu ändern - veranlasst, § 47 Satz 2 WEG.

Ende der Entscheidung

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