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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 02.04.2001
Aktenzeichen: 3 Wx 332/00
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 45 Abs. 2 Satz 2
Die Rechtskraft einer Entscheidung, in deren Rahmen als Vorfrage festgestellt wird, ein bestimmter Beschluss der Wohnungseigentümer sei gültig und für die Beteiligten bindend, steht einem späteren Antrag auf Feststellung, von dem betreffenden Beschluss "könne keine Rechtswirkung ausgehen", nicht entgegen.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

3 Wx 332/00 25 T 973/00 LG Düsseldorf 290 II 81/99 WEG AG Düsseldorf

In dem Wohnungseigentumsverfahren

betreffend die Wohnungseigentumsanlage

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1. gegen den Beschluss der 25. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 11. August 2000 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. Gottschalg sowie der Richter am Oberlandesgericht von Wnuck-Lipinski und Dr. Schütz am 2. April 2001

beschlossen:

Tenor:

Die angefochtene Entscheidung und der Beschluss des Amtsgerichts vom 10. April 2000 werden abgeändert.

Es wird festgestellt, dass der am 11.12.1980 zu TOP 4 gefasste Beschluss der Wohnungseigentümer "Änderung der Verteilung der gemeinschaftlichen Bewirtschaftungskosten" nichtig ist.

Die gerichtlichen Kosten des Verfahrens tragen die Beteiligten zu 2.

Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.

Wert des Beschwerdegegenstandes: 5.000 DM.

Gründe:

I.

Die o.a. Wohnungseigentumsanlage besteht aus mehreren Blöcken.

Am 11.12.1980 fand eine Versammlung der Wohnungseigentümer statt, in der es unter TOP 4 um eine Änderung der Verteilung der gemeinschaftlichen Bewirtschaftungskosten ging. Die Wohnungseigentümer waren sich einig, dass diese Kosten weiterhin nach der in der Gemeinschaftsordnung bestimmten Regelung sowie den ergangenen Beschlüssen der Gemeinschaft verteilt werden müssten.

Eine Änderung sollte aber ab 01.01.1981 dahin erfolgen, dass

a)

die Gartenpflegekosten nicht mehr getrennt nach Blöcken, sondern einheitlich auf alle Wohnungseigentümer nach dem Verhältnis der Miteigentumsanteile umzulegen seien.

b)

die Energiekosten (Brennstoff und Strom) des Betriebes der Heizanlage ab 01.01.1981 getrennt nach Blöcken und dem Verhältnis der Wohnfläche innerhalb der Blöcke verteilt werden sollten.

Als Ergebnis der Abstimmung ist in der Niederschrift der Versammlung festgehalten:

Dafür:

Dagegen: überwiegende Mehrheit

Enthaltung:

In dem Verfahren 290 II 59/95 WEG Amtsgericht Düsseldorf, in dem der Beteiligte zu 1. beantragt hatte, die Beschlüsse der Wohnungseigentümer hinsichtlich der Genehmigung der Jahresabrechnung für 1994 und der Entlastung des Verwalters für ungültig zu erklären, hat das Landgericht nach Beweisaufnahme festgestellt, dass die Niederschrift betreffend die Versammlung vom 11.12.1980 unrichtig ist und der Beschluss zu TOP 9 der genannten Versammlung mit überwiegender Mehrheit angenommen worden ist.

Der Senat hat in diesem Verfahren die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1. zurückgewiesen und in seiner Entscheidung ebenfalls ausgeführt, dass der zu TOP 9 in der Versammlung vom 11.12.1980 gefasste Beschluss der Wohnungseigentümer "gültig und für den Beteiligten zu 1. bindend" ist.

Der Beteiligte zu 1. hat nunmehr die Feststellung begehrt, dass der in der Versammlung vom. 11.12.1980 zu TOP 9 "Änderung der Verteilung der gemeinschaftlichen Bewirtschaftungskosten" beabsichtigte bzw. veranlasste oder angeblich gefasste Beschluss

a)

mit dem protokollierten Abstimmungsergebnis

"Dagegen: überwiegende Mehrheit"

keinerlei rechtliche Wirksamkeit im Sinne der mit den Beschlussformulierungen beabsichtigten Änderungen hat;

b)

auch mit dem durch das Landgericht Düsseldorf in dem Verfahren 290 II 59/95 - 25 T 929/98 mit Beschluss vom 28.06.1999 - zugestellt durch Niederlegung am 19.07.1999 - abweichend zum bis heute unverändert bestehenden Vers.-Protokoll verwalterbegünstigend bestimmten angeblichen Abstimmungsergebnis einer "mehrheitlichen Zustimmung der anwesenden bzw. vertretenen Miteigentümer" keine Gültigkeit hat, und auch im Falle der vom LG Düsseldorf nach angeblich "erlangter Überzeugung" unterstellten mehrheitlichen Beschlusszustimmung durch die WE-Versammlung vom 11.12.1980 ein verwalterbegünstigend unterstellter Genehmigungsbeschluss zu TOP 9 keine Gültigkeit hat, da mit diesem dann eine von der Teilungserklärung abweichende Verteilung der Bewirtschaftungskosten u.a. bewirkt wäre, eine Änderung der Teilungserklärung aber weder beantragt noch beschlossen worden ist und auch nicht erfolgt ist.

Das Amtsgericht hat den Antrag zurückgewiesen, die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 1. ist beim Landgericht ohne Erfolg geblieben.

Gegen die Entscheidung des Landgerichts wendet sich der Beteiligte zu 1. mit seiner - nicht näher begründeten - sofortigen weiteren Beschwerde.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die gemäß § 45 Abs. 1 WEG, §§ 22 Abs. 1, 27, 29 FGG zulässige sofortige weitere Beschwerde hat im wesentlichen Erfolg.

1.

Das Landgericht hat ausgeführt, über den Antrag des Beteiligten zu 1. sei bereits in dem Verfahren 290 II 59/95 WEG AG Düsseldorf rechtskräftig entschieden, so dass eine erneute Entscheidung über die Gültigkeit des Beschlusses, der Wohnungseigentümer vom 11.12.1980 zu TOP 4 nicht erfolgen könne.

Diese Erwägungen des Landgerichts begegnen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

Der vom Beteiligten zu 1. unter a) bis c) gestellte Antrag ist einheitlich dahin zu verstehen, dass der Beteiligte zu 1. die Feststellung begehrt, dass am 11.12.1980 unter TOP 4 kein gültiger Beschluss über die Änderung der Verteilung der gemeinschaftlichen Bewirtschaftungskosten gefasst worden ist.

2.

Dem Begehren des Beteiligten zu 1. steht die rechtskräftige Entscheidung in der Sache 92 II 59/95 WEG Amtsgericht Düsseldorf nicht entgegen.

Beschlüsse in Wohnungseigentumssachen sind nach allgemeiner Auffassung ebenso wie zivilprozessuale Entscheidungen der materiellen Rechtskraft fähig (BayObLG NJW-RR 1994, 1425; Staudinger-Wenzel, WEG Rn. 55 zu § 45). Nach der Bestimmung des § 45 Abs. 2 Satz 2 WEG sind sie für die Beteiligten mit der Folge bindend, dass über den Verfahrensgegenstand zwischen den selben Beteiligten keine weitere Entscheidung mehr getroffen werden kann.

Hier betraf das Verfahren 290 II 59/95 WEG Amtsgericht Düsseldorf die Anfechtung des die Jahresabrechnung 1994 genehmigenden Beschlusses der Wohnungseigentümer. Allerdings hing die Entscheidung über die Gültigkeit dieses Beschlusses - zumindest zum Teil - von der vorab zu klärenden Frage ab, ob in der Versammlung der Wohnungseigentümer vom 11.12.1980 ein gültiger Beschluss über eine von der Teilungserklärung abweichende Verteilung der Bewirtschaftungskosten gefasst worden war. Die Notwendigkeit, über diese Vorfrage zu entscheiden, änderte aber nichts daran, dass Verfahrensgegenstand bzw. Streitgegenstand des Verfahrens allein die Frage der Gültigkeit des die Jahresabrechnung genehmigenden Beschlusses der Wohnungseigentümer war.

Dass der Beteiligte zu 1. in dem genannten Verfahren im Rahmen der weiteren Beschwerde ausdrücklich die Feststellung begehrte; dass der "angeblich gefasste Beschluss zu TOP 4 vom 11.12.1980 keine Gültigkeit hat", konnte schon deshalb auf den Streitgegenstand keinen Einfluss haben, weil die Stellung eines neuen Antrages im Rechtsbeschwerdeverfahren grundsätzlich nicht zulässig ist.

Die lediglich im Rahmen der Entscheidung über die Vorfrage getroffenen Feststellung, der Beschluss vom 11.12.1980 sei gültig und für den Beteiligten zu 1. bindend, steht deshalb der nunmehr ausdrücklich beantragten Feststellung des Beteiligten zu 1., "von dem Beschluss könne keine Rechtswirkung ausgehen" nicht entgegen. Daran ändert nichts, dass der Senat in seiner Entscheidung vom 22.12.1999 unter ausdrücklicher Einbeziehung der gegenteiligen Auffassung bezüglich der Gültigkeit vereinbarungsersetzender Beschlüsse entsprechend der damals vorherrschenden Rechtsauffassung von der Gültigkeit und Wirksamkeit des genannten Beschlusses ausgegangen ist.

3.

Nach der grundlegenden Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 20.09.2000 (ZMR 2000 771 ff. = NZM 2000, 1189) ist ein Mehrheitsbeschluss, mit dem die in der Teilungserklärung geregelte Kostenverteilung geändert wird, mangels Beschlusskompetenz der Gemeinschaft grundsätzlich nichtig, weil eine solche Änderung einer Mehrheitsentscheidung grundsätzlich entzogen ist. Der hier gefasste Mehrheitsbeschluss der Wohnungseigentümer vom 11.12.1980 zu TOP 9 ist nach dieser Rechtsprechung der sich der Senat nunmehr anschließt, nichtig mit der Folge, dass bei künftigen Jahresabrechnungen der in der Teilungserklärung festgelegte Kostenverteilungsschlüssel anzuwenden ist, dass noch nicht bestandskräftige, eine Jahresabrechnung genehmigende Beschlüsse der Wohnungseigentümer auf Anfechtung für ungültig zu erklären sind und bestandskräftige Jahresabrechnungen als "abgeschlossene Sachverhalte" und Einzelfallregelungen unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben aufrechterhalten bleiben.

Die angefochtenen Entscheidungen waren danach abzuändern und dem Feststellungsantrag des Beteiligten zu 1. stattzugeben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 WEG. Es entspricht der Billigkeit, dass die Wohnungseigentümer die gerichtlichen Kosten des Verfahrens tragen.

Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten war nicht angezeigt.

Ende der Entscheidung

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