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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 09.02.2000
Aktenzeichen: 3 Wx 340/99
Rechtsgebiete: WEG, BGB


Vorschriften:

WEG § 1 Abs. 3
WEG § 5 Abs. 4
WEG § 8 Abs. 2 Satz 1
WEG § 10 Abs. 1 Satz 2
WEG § 15 Abs. 3
BGB § 1004 Abs. 1 Satz 2
BGB § 242
WEG §§ 1 Abs. 3; 5 Abs. 4; 8 Abs. 2 Satz 1, 10 Abs. 1 Satz 2, 15 Abs. 3; BGB §§ 1004 Abs. 1 Satz 2; 242

Ein Zeitraum von knapp 6 Jahren seit der Möglichkeit, die Unterlassung der zweckwidrigen Nutzung von Keller-/Hobbyräumen zu Wohnzwecken geltend zu machen, reicht zur Annahme einer Verwirkung jedenfalls nicht aus, solange der Nutzer keinerlei Umstände vorgebracht hat, die darauf schließen lassen, dass und auf welche Weise er sich - etwa in Form von Vermögensdispositionen oder wirtschaftlichen Investitionen darauf eingerichtet hat, von Ansprüchen auf Unterlassung dieser Nutzung verschont zu werden bzw. zu bleiben.

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09. Februar 2000 - 3 Wx 340/99


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF

BESCHLUSS

3 Wx 340/99 19 T 182/99 LG Düsseldorf 27 II 21/98 WEG AG Neuss

In dem Wohnungseigentumsverfahren

betreffend die Wohnungseigentumsanlage 40668 Meerbusch,

Beteiligte:

1. M G 2. S M 3. W

Antragsteller,

Verfahrensbevollmächtigte zu 1 und 3: Rechtsanwälte 4. G M

Antragsgegner,

Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte

5. A, Verwalter,

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 4 gegen den Beschluss der 19. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 30. August 1999 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. Gottschalg und der Richter am Oberlandesgericht Dr. Schütz und von Wnuck-Lipinski am 09. Februar 2000 beschlossen:

Tenor:

Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

Der Beteiligte zu 4 trägt die gerichtlichen Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Wert des Beschwerdegegenstandes: 5.000,- DM.

Gründe:

I.

Die Beteiligten zu 1 bis 4 sind Mitglieder der im Eingang bezeicheten Wohnungseigentümergemeinschaft; der Beteiligte zu 5 ist deren Verwalter.

Das Grundstück war mit einem ursprünglich dem Beteiligten zu 4 gehörenden Mehrfamilienhaus bebaut.

1991/92 wurde das Hausgrundstück in Wohnungseigentum aufgeteilt. Die Beteiligten zu 1 und 3 bewohnten die nunmehr in ihrem Sondereigentum stehenden Wohneinheiten bereits seit 1988 bzw. 1984 als Mieter. Der Beteiligte zu 4 ist unter anderem Sondereigentümer der im Untergeschoss befindlichen, im Aufteilungsplan mit Nr. 7 und 8 gekennzeichneten als Hobbyraum bzw. Keller ausgewiesenen Räumlichkeiten. Die mit Nr. 7 bezeichneten Räume sind seit 1992 an Herrn vermietet. Die Stadt Meerbusch genehmigte die Nutzungsänderung mit der Baugenehmigung vom 14. Juli 1998.

Die Beteiligten zu 1 bis 3 haben u.a. beantragt, dem Beteiligten zu 4 zu untersagen, die in seinem Sondereigentum stehenden Räume im Souterrain des Hauses in Meerbusch (im Aufteilungsplan mit Nr. 7 und 8 gekennzeichnet) zu Wohnzwecken zu nutzen oder zu Wohnzwecken an Dritte zu überlassen.

Das Amtsgericht hat nach mündlicher Verhandlung mit Beschluss vom 30. März 1999 dem Gesuch hinsichtlich der im Aufteilungsplan mit Nr. 8 gekennzeichneten Räume stattgegeben und den Antrag im übrigen (bezüglich der Räume Nr. 7) abgelehnt.

Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Nach der Teilungserklärung dürften die in Rede stehenden, dort als Teileigentum bezeichneten, Räume nicht zu Wohnzwecken genutzt werden. Hinsichtlich der Räume Nr. 7 sei jedoch ein entsprechender Unterlassungsanspruch der Beteiligten zu 1 bis 3 verwirkt, da sämtlichen Beteiligten seit der Entstehung der Eigentümergemeinschaft die Nutzung derselben zu Wohnzwecken bekannt gewesen, der Unterlassungsanspruch indes erst 1998 geltend gemacht worden sei.

Auf die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 1 bis 3 hat das Landgericht am 30. August 1999 den angefochtenen Beschluss geändert und dem Beteiligten zu 9 aufgegeben, es (auch) zu unterlassen, die in seinem Sondereigentum stehenden, im Aufteilungsplan mit Nr. 7 gekennzeichneten, Räume im Souterrain des Hauses in Meerbusch zu Wohnzwecken zu nutzen oder zu Wohnzwecken an Dritte zu überlassen.

Mit seiner sofortigen weiteren Beschwerde, der die Beteiligten zu 1 bis 3 entgegentreten, erstrebt der Beteiligte zu 9 unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses, die das Gesuch der Beteiligten zu 1 bis 3 um Untersagung der Nutzung der Räume Nr. 7 zu Wohnzwecken ablehnende Entscheidung des Amtsgerichts wieder herzustellen.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die gemäß § 45 Abs. 1 WEG, §§ 22 Abs. 1, 27, 29 FGG zulässige sofortige weitere Beschwerde ist in der Sache unbegründet. Denn die Entscheidung des Landgerichts beruht nicht auf einer Verletzung gesetzlicher Vorschriften (§ 27 FGG).

1.

Das Landgericht hat ausgeführt, den Beteiligten zu 1 bis 3 stehe auch hinsichtlich der im Aufteilungsplan mit Nr. 7 bezeichneten Räumlichkeiten gegen den Beteiligten zu 4 ein aus §§ 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB, 15 Abs. 3 WEG folgender Anspruch auf Unterlassung der Nutzung dieser Räume zu Wohnzwecken zu. Die Räume seien nicht nur in der Teilungserklärung als Teileigentum und damit als nicht zu Wohnzwecken dienend (§ 1 Abs. 3 WEG) beschrieben, sondern seien zudem im Aufteilungsplan mit der Zweckbestimmung als Keller- bzw. Hobbyraum versehen, was die demgegenüber intensivere und konfliktträchtigere Nutzung zu Wohnzwecken ausschließe. Der damit gegebene Unterlassungsanspruch der Beteiligten zu 1 bis 3 sei nicht verwirkt. Da der Beteiligte zu 4 - wie insbesondere aus seinem Schriftsatz vom 25. August 1998 hervorgehe - noch in dem anhängigen Verfahren bestritten habe, die Räume zu Wohnzwecken zu nutzen, könne von einer entsprechenden Kenntnis der Beteiligten zu 1 bis 3 nicht ausgegangen werden. Soweit Niederschriften von Eigentümerversammlungen auf eine solche Nutzung schließen ließen, begründe dies keine Kenntnis der Beteiligten zu 1 bis 3, da die Protokolle nicht notwendig von ihnen wahrgenommen und in ihrer Bedeutung erkannt worden sein müßten. Überdies sei nicht ersichtlich, dass der Beteiligte zu 4 sich aufgrund der aus seiner Sicht vorliegenden Duldung der Vermietung der Räume zu Wohnzwecken darauf eingerichtet habe, die Beteiligten zu 1 bis 3 würden ihr Recht auf Unterlassung nicht mehr geltend machen. Die späte Geltendmachung des Rechts stelle sich für den Beteiligten zu 4 zumal mit Blick auf sein Bestreiten der Wohnnutzung im anhängigen Verfahren - nicht als mit Treu und Glauben unvereinbare Härte dar.

2.

Diese Ausführungen halten der dem Senat obliegenden rechtlichen Überprüfung in den entscheidenden Punkten stand.

a)

Das in Rede stehende Sondereigentum des Beteiligten zu 4 besteht nach dem mit "Teileigentum" überschriebenen Abschnitt der Teilungserklärung "an allen im Aufteilungsplan mit "7" bezeichneten Räumen im Keller links nebst Freisitz". Im Aufteilungsplan sind die mit "7" bezeichneten Räumlichkeiten als "Keller", "Hobbyraum" nebst "Freisitz" ausgewiesen.

Die Kammer geht zu Recht davon aus, dass in dieser Bezeichnung eine die Nutzung des Teileigentums einschränkende Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter nach §§ 1 Abs. 3, 5 Abs. 4, 8 Abs. 2 Satz 1, 10 Abs. 1 Satz 2, 15 Abs. 1 WEG liegt (BayobLG NJW-RR 1996, 463; 464; WuM 1999, 178, NZM 2000, 44; Bärmann/Pick/Merle WEG 8. Auflage 2000 § 13 Rdz. 51), die das Vertrauen begründet, dass jedenfalls keine Nutzung zulässig ist, die mehr stört oder beeinträchtigt als die angebenene.

Ebenfalls rechtlich einwandfrei ist das Landgericht in diesem Zusammenhang davon ausgegangen, dass - nach der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise (BayObLG NZM 2000, 44; WuM 1999, 178; Senat vom 08.11.1999 - 3 Wx 321/99) - sich die Nutzung von Keller- bzw. Hobbyräumen zu Wohnzwecken gegenüber einer solchen gemäß der Zweckbestimmung als intensivere und konfliktträchtigere Nutzung darstellt und daher prinzipiell ausgeschlossen ist.

b)

Das den Beteiligten zu 1 bis 3 nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB in Verbindung mit § 15 Abs. 3 WEG zustehende Recht, von dem Beteiligten zu 4 die Unterlassung der Nutzung der im Aufteilungsplan mit Nr. 7 bezeichneten Räumlichkeiten zu Wohnzwecken zu verlangen, ist - wie das Landgericht im Ergebnis rechtsfehlerfrei entschieden hat - nicht verwirkt (§ 242 BGB).

Voraussetzung einer Verwirkung ist, dass seit der Möglichkeit, das Recht geltend zu machen, längere Zeit verstrichen ist (Zeitmoment) und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung des Rechts als gegen Treu und Glauben verstoßend, erscheinen lassen (Umstandsmoment). Erforderlich ist insoweit, dass sich der Verpflichtete aufgrund des gesamten Verhaltens des Berechtigten darauf einrichten durfte und auch eingerichtet hat, dieser werde in Zukunft das Recht nicht mehr geltend machen (vgl. z.B. BGHZ 105, 298; NJW 1984, 1684; BayObLG WE 1995, 157, 158).

Diese Voraussetzungen halt der Senat vorliegend für nicht gegeben.

aa)

Zwar ist davon auszugehen, dass die Beteiligten zu 1 bis 3 etwa 6 Jahre lang Kenntnis von der in Rede stehenden zweckwidrigen Nutzung hatten, ehe sie von der Möglichkeit, diese untersagen zu lassen, Gebrauch gemacht haben.

Die Räumlichkeiten werden nämlich seit Bildung der Eigentümergemeinschaft im Jahre 1992 - und schon zuvor - zur Zeit der Mietnutzung der Beteiligten zu 1 und 3 - ununterbrochen als Wohnung genutzt. Es spricht nichts dafür, dass den Beteiligten zu 1 bis 3 diese Nutzung verborgen geblieben ist. Der Mieter H ist in den Räumlichkeiten ein- und ausgegangen. Dieselben waren - wie die Augenscheinseinnahme des Amtsrichters vom 17. September 1998 ergeben hat - mit einer Klingel und einem Namensschild versehen. Bereits im Protokoll der Eigentümerversammlung vom 5. Oktober 1992 werden die in der Teilungserklärung mit "7" bezeichneten Räume im Keller links nebst Freisitz" (66/1000) als "Wohnung 7" geführt und wird ihre Fläche zur Basis für die Erhebung von Nebenkosten (2,DM/qm) und einer Rücklage (1,- DM /qm) genommen. Die von den Beteiligten unterzeichnete Niederschrift der Eigentümerversammlung vom 26. November 1992 führt aus, dass Grundlage der Heizkostenberechnung "die bewohnte Wohnfläche sowie die Anzahl der Personen" sei. Dort heißt es: "W 7 43,80 qm 1 Pers. 12 Monate", was unzweideutig belegt, dass die Beteiligten im Gegensatz zu "W 8" (Z.Zt. noch unbewohnt") von einer aktuellen und durchgehenden Nutzung der Einheit "W 7" zu Wohnzwecken durch eine Person ausgingen. Die Erwägung der Kammer, dass die Protokolle "nicht notwendig von diesen wahrgenommen und in ihrer Bedeutung erkannt worden sein müssen", ist eine nicht durch Tatsachen belegte Spekulation und daher als Begründung rechtlich nicht haltbar. Gegebenenfalls hätte in dieser Richtung eine entsprechende Sachaufklärung erfolgen müssen. Entgegen der Auffassung des Landgerichts steht auch das Vorbringen des Beteiligten zu 4 in seinem Schriftsatz vom 25. August 1998 einer Kenntnis der Beteiligten zu 1 bis 3 nicht entgegen, zumal die Behauptung, die Einheit "7" Herrn H als Hobbyräume vermietet zu haben in Verbindung mit der Auskunft der Behörde, dass dieser dort nicht als wohnhaft gemeldet sei, nicht zwingend den Vortrag beinhaltet, die Räumlichkeiten würden nicht zu Wohnzwecken genutzt.

bb)

Es erscheint aber bereits fraglich, ob der vorliegend gegebene Zeitraum von knapp 6 Jahren seit der Möglichkeit der Geltendmachung des auf Unterlassung der zweckwidrigen Wohnnutzung gerichteten Anspruchs grundsätzlich geeignet ist, den Erfordernissen des Zeitmoments zu genügen. Die Rechtsprechung hat nämlich bislang ganz überwiegend nur das Verstreichenlassen längerer Zeiträume seit der Möglichkeit der Geltendmachung eines Rechts zum Anlass der Prüfung einer Verwirkung genommen (z.B. 26 Jahre - BayObLG WuM 1993, 558; 20 Jahre - BayObLG WE 1997,76; 16 Jahre - BayObLG NJW-RR 1991, 1041; OLG Köln ZMR 1998, 111; 14 Jahre, Senatsbeschluss vom 13.12.1999 (3 Wx 326/99) und 10 Jahre BayObLG NJW-RR 1991, 1041).

cc)

Hält man - was letztlich offen bleiben mag - das Zeitmoment für gegeben, so ist des weiteren nicht ersichtlich, ob und aufgrund welcher Tatsachen sich der Beteiligte zu 4 darauf hat einrichten dürfen, dass die Wohnnutzung der Einheit Nr. 7 auch in Zukunft geduldet werde. Soweit die Protokolle zweier Wohnungseigentümerversammlungen aus dem Jahre 1992 dafür sprechen, dass die Beteiligten damals von einer Wohnnutzung ausgegangen sind, begründet dies allein nicht schon ein Vertrauen dahin, der diesbezügliche Unterlassungsanspruch werde auch in Zukunft nicht geltend gemacht, zumal nicht ersichtlich ist, dass Nebenkosten auf der Basis der bewohnten Fläche der Einheit "7" auch in den Folgejahren umgelegt worden sind. Auch daraus, dass die Beteiligter zu 1 bis 3 den Unterlassungsanspruch nicht in das Verfahren 27 II 27/97 WEG Amtsgericht Neuss eingeführt haben, konnte der Beteiligte zu 4 bei verständiger Würdigung nicht schließen, dass die übrigen Wohnungseigentümer die zweckwidrige Nutzung der fraglichen Räumlichkeiten auch in der Zukunft hinnehmen und nicht zum Gegenstand eines Unterlassungsbegehrens machen würden.

dd)

Schließlich - und dies ist letztlich entscheidend - kommt aber vorliegend eine Verwirkung des Unterlassungsanspruch deshalb nicht in Betracht, weil der Beteiligte zu 4 in den Tatsacheninstanzen keinerlei Umstände vorgebracht hat, die darauf schließen lassen, dass und auf welche Weise er sich - etwa in Form von Vermögensdispositionen oder wirtschaftlichen Investitionen (vgl. BGHZ 67, 68; NJW 1984, 1684) darauf eingerichtet hat, von Ansprüchen der Beteiligten zu 1 bis 3 gemäß §§ 1004, Abs. 1 Satz 2 BGB, 15 Abs. 3 WEG auf Unterlassung der Nutzung der fraglichen Souterrainräume als Wohnung verschont zu werden bzw. zu bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 Satz 1 WEG. Eine Erstattungsanordnung in Bezug auf die außergerichtlichen Kosten aus Billigkeitsgründen ist im dritten Rechtszug nicht veranlasst, § 47 Satz 2 WEG.



Ende der Entscheidung

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