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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 08.02.2002
Aktenzeichen: 3 Wx 356/01
Rechtsgebiete: GG, PolGNW, FGG


Vorschriften:

GG Art. 2 Abs. 1
GG Art. 19 Abs. 4
PolGNW § 31
FGG § 20
FGG § 27
1. Der Zulässigkeit der Beschwerde gegen die nach § 31 PolGNW angeordnete Rasterfahndung steht nicht entgegen, dass die angeforderten Daten des Beschwerdeführers vollständig übermittelt und möglicherweise sogar bereits gelöscht worden sind. Der in Art. 19 Abs. 4 GG verbürgte Anspruch auf effektiven Rechtsschutz erfordert bei tiefgreifenden Grundrechtseinschnitten auch nachträglich die Überprüfung der Rechtmäßigkeit.

2. Bei der im Rahmen der Prüfung, ob eine gegenwärtige Gefahr im Sinne von § 31 Abs. 1 PolGNW vorliegt, anzustellenden Wahrscheinlichkeitsprognose ist zu berücksichtigen, dass an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts um so geringere Anforderungen zu stellen sind, je größer der zu erwartende Schaden und je ranghöher das Schutzgut sind.

3. Die angeordnete Rasterfahndung ist verhältnismäßig, wenn das Interesse der Allgemeinheit auf Sicherheit und Schutz das Interesse des Beschwerdeführers an der Wahrung seines aus dem Persönlichkeitsrecht fließenden Rechts auf informationelle Selbstbestimmung überwiegt. Bei der Abwägung der widerstreitenden Interessen ist insbesondere zu berücksichtigen, dass durch die Rasterfahndung unbeteiligte Dritte (Nichtstörer) betroffen werden, deren Inanspruchnahme sich nur aus dem Gesichtspunkt einer notstandsähnlichen Situation rechtfertigen läßt und die eine besonders strenge Beachtung des Übermaßverbotes erfordert.

Diejenigen Beschwerdeführer, welche die Staatsangehörigkeit eines der Länder besitzen, das nach dem Ermittlungsstand als verdächtig galt, haben eine - wenn auch schwache - Beziehung zu der im Oktober 2001 gegebenen notstandsähnlichen Situation.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

3 Wx 351/01 3 Wx 356/01

In dem polizeilichen Verwaltungsverfahren

betreffend terroristische Gewaltverbrechen durch Angehörige islamistischer Gruppierungen,

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2 gegen den Beschluss der 25. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 29. Oktober 2001 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. G..., des Richters am Oberlandesgericht Dr. S... und der Richterin am Oberlandesgericht S... am

8. Februar 2002

beschlossen:

Tenor:

Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

Die gerichtlichen Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde trägt der Beteiligte zu 2. Er hat darüber hinaus auch die dem Beteiligten zu 1 in der weiteren Beschwerdeinstanz notwendig entstandenen Kosten zu erstatten.

Wert des Beschwerdegegenstandes: 3000,00 Euro.

Gründe:

I.

Der am 24.3.1976 geborene Beteiligte zu 2 ist jordanischer Staatsangehöriger. Er wendet sich im vorliegenden Verfahren gegen die Übermittlung personenbezogener Daten im Zusammenhang mit der vom Amtsgericht Düsseldorf durch Beschluss vom 2. Oktober 2001 gemäß § 31 PolGNW angeordneten Rasterfahndung. Durch diesen Beschluss sind die Einwohnermeldeämter in Nordrhein-Westfalen, das Ausländerzentralregister in Köln und die Universitäten, Hochschulen und Fachhochschulen in Nordrhein-Westfalen verpflichtet worden, dem Antragsteller Geburtsnamen, Vornamen, Geburtsdatum, Geburtsort, Geburtsland, Staatsangehörigkeit und weitere personenbezogene Daten wie Familienstand, Anzahl der Kinder, Religionszugehörigkeit, Studienfachrichtung u.a. der zwischen dem 1.10.1960 und 1.10.1983 geborenen Männer zu übermitteln. Wegen der Einzelheiten der angeordneten Datenübermittlung wird auf den Beschluss des Amtsgerichts vom 2.10.2001 Bezug genommen.

Der Antragsteller hat geltend gemacht, aufgrund der Terroranschläge in den Vereinigten Staaten vom 11.9.2001 bestehe eine gegenwärtige Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland, der Bundesländer sowie für Leib oder Leben der durch solche Anschläge gefährdeten Vielzahl von Menschen. Es habe sich herausgestellt, dass zwei der Attentäter in Bochum wohnhaft waren; darüber hinaus sei der Polizei bekannt, dass 42 weitere Personen des internationalen Netzwerkes unter Usama Bin Laden in Nordrhein-Westfalen als Kontaktpersonen oder Unterstützer präsent seien. Verschiedene Einrichtungen des Landes böten ein herausragendes, potentielles Anschlagsziel. Die Gefahr weiterer Anschläge müsse als unmittelbar bevorstehend angesehen werden, da eine zeitnahe Fortführung des religiösen Krieges und bei Beginn militärischer Aktionen der USA Vergeltungsschläge zu befürchten seien. Zur Abwendung der Gefahr sei die Rasterfahndung erforderlich und geeignet. Dem Antrag beigefügt war als Anlage 2 eine Liste der Staatsangehörigkeiten bzw. Herkunftsländer, die im Rahmen der beantragten Rasterfahndung als verdächtig anzusehen seien.

Die Beschwerde des Beteiligten zu 2 gegen den antragsgemäß erlassenen Beschluss des Amtsgerichts vom 2.10.2001 ist beim Landgericht ohne Erfolg geblieben. Gegen den Beschluss des Landgerichts hat der Beteiligte zu 2 am 19.11.2001 weitere Beschwerde eingelegt.

Die Einwohnermeldeämter haben dem Antragsteller aufgrund der vom Amtsgericht beschlossenen Rasterfahndung 4.669.224 Datensätze übermittelt, die Universitäten/Hochschulen und Fachhochschulen 474.517 und das Ausländerzentralregister 89.000 Datensätze. Anhand der Rasterkriterien wurden hieraus 10.937 Datensätze identifiziert, die übrigen übermittelten Daten sind gemäß § 19 Abs. 3 b) DSG i.V.m. §§ 31 Abs. 3, 32 Abs. 2 PolGNW am 10.12.2001 gelöscht worden.

Der Beteiligte zu 2 beantragt,

den Beschluss des Amtsgerichts Düsseldorf vom 2.10.2001 aufzuheben,

hilfsweise,

festzustellen, dass der Beschluss des Amtsgerichts Düsseldorf vom 2.10.2001 rechtswidrig ist.

Der Beteiligte zu 1 ist dem Rechtsmittel entgegengetreten.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Das gemäß § 31 Abs. 4 PolGNW, §§ 20, 27, 29 FGG zulässige Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg. Denn die Entscheidung des Landgerichts beruht nicht auf einem Rechtsfehler (§§ 27 FGG, 550 ZPO).

1. Der Zulässigkeit des Rechtsmittels steht nicht entgegen, dass die personenbezogenen Daten des Beteiligten zu 2 dem Antragsteller bereits übermittelt und möglicherweise am 10.12.2001 bereits gelöscht worden sind, so dass der Vorgang an sich abgeschlossen ist. Das Rechtsschutzinteresse des Beteiligten zu 2. besteht insoweit fort, als es nunmehr auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit der angeordneten Maßnahme gerichtet ist.

Bei der Rasterfahndung handelt es sich um einen maschinell-automatisierten Datenabgleich zwischen bestimmten auf einen Täter vermutlich zutreffenden Prüfungsmerkmalen. Der Beteiligte zu 2 gehört aufgrund seines Geschlechts, seines Alters und seines Wohnortes zu dem Personenkreis, dessen Daten zum Zwecke der Abgleichung dem Antragsteller übermittelt worden sind. Durch die Anordnung der Rasterfahndung werden die von der Maßnahme betroffenen Personen in ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung beeinträchtigt. Dieses unterliegt als Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG dem besonderen Schutz des Grundgesetzes. Das Bundesverfassungsgericht hat unter ausdrücklicher Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung mit seinem Beschluss vom 30.4.1997 (vgl. BVerfGE 96, 27 ff., 39) ausgeführt, dass bei tiefgreifenden Grundrechtseinschnitten der in Art. 19 Abs. 4 GG grundgesetzlich verbürgte Anspruch auf effektiven Rechtsschutz auch nachträglich die Überprüfung der Rechtmäßigkeit verlange. Dies gelte gerade für solche Maßnahmen, in denen der Betroffene eine gerichtliche Entscheidung der von der Prozessordnung vorgesehenen Instanz gegen die beeinträchtigende Maßnahme nach dem typischen Verfahrensablauf nicht erlangen könne. Hier sei vom Fortbestand eines Rechtsschutzinteresses auszugehen.

Tiefgreifende Grundrechtseinschnitte kämen vor allem bei Anordnungen in Betracht, die das Grundgesetz vorbeugend dem Richter vorbehalten hat (vgl. BVerfGE 96, 27, 40). Das Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG ist anders als die in Art. 2 Abs. 2 GG geregelten Freiheitsrechte nicht grundgesetzlich mit einem Richtervorbehalt ausgestattet. Dies führt indes nicht dazu, für einen Eingriff in dieses Grundrecht ein geringeres Schutzbedürfnis zu bejahen. Das Persönlichkeitsrecht hat auch unter den Grundrechten einen besonders hohen Rang. Es erscheint nicht vertretbar, einem Betroffenen bei solchen Grundrechtsverletzungen das Rechtsschutzbedürfnis abzusprechen. Die Betroffenen werden nämlich vor der Übermittlung der erbetenen Daten nicht unterrichtet oder angehört. Würde man ihnen die Möglichkeit nehmen, eine solche Maßnahme nachträglich anzugreifen, würde dies dazu führen, dass den Betroffenen kein rechtliches Gehör gewährt wird und derartig gravierende Eingriffe rechtlich nicht überprüft werden könnten. Hiermit ist aber der Anspruch auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) nicht vereinbar.

2. Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die vom Amtsgericht durch Beschluss vom 02.10.2001 angeordnete Rasterfahndung hinsichtlich des Beteiligten zu 2 rechtmäßig war.

Gemäß § 27 FGG ist die landgerichtliche Entscheidung auf Rechtsfehler zu überprüfen. Maßgeblich dafür sind die Tatsachen im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung. Nachträglich eingetretene tatsächliche Veränderungen sind im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht zu berücksichtigen. Bezogen auf diesen Zeitpunkt (29.10.2001) hat die Kammer die gemäß § 31 PolGNW erforderlichen Voraussetzungen für die Anordnung der Rasterfahndung zu Recht bejaht.

2.1. Eine gegenwärtige Gefahr im Sinne von § 31 Abs. 1 PolGNW lag vor. Eine "konkrete" Gefahr ist bereits gegeben, wenn ein Schadenseintritt in naher Zukunft möglich ist; nicht erforderlich ist, dass die Realisierung des Schadens unmittelbar bevorsteht (vgl. BVerwG DÖV 1970, 714, 715; Denninger in Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 2. Aufl., Kapitel E Rn. 42 ). Die gegenwärtige Gefahr erfordert demgegenüber ein größeres Maß an zeitlicher Nähe, mit der zugleich eine Steigerung der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts verbunden ist (vgl. wie vor Rn. 43). Ist allerdings der zu erwartende Schaden sehr groß, sind an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts nur geringe Anforderungen zu stellen; hinreichend wahrscheinlich ist die Gefahr bei besonders großen Schäden bereits dann, wenn nur eine entfernte Möglichkeit eines Schadenseintritts besteht (vgl. BVerwG a.a.O; BVerwG 47, 31, 40.). Das Bundesverwaltungsgericht hat in der Entscheidung vom 26.6.1970 (DÖV 1970, 714, 715) ausgeführt, dass beispielsweise im Falle einer anonymen Bombendrohung die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts nach aller Erfahrung gering sei und nur die entfernte Möglichkeit des Schadenseintritts bestehe, aber dennoch dieser Gefahr nachgegangen werden müsse, da bei einer entgegen aller Wahrscheinlichkeit eingetretenen Verwirklichung der Gefahr der dann zu gewärtigende Schaden so groß wäre, dass ein Eingreifen trotz der nur entfernten Möglichkeit des Schadenseintritts nicht nur gerechtfertigt, sondern sogar geboten ist. In seiner Entscheidung vom 17.3.1981 (BVerwG 62, 36,38, 39) hat das Bundesverwaltungsgericht im Fall einer Ausweisung gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1 AuslG wegen Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland ausgeführt, "wegen des hohen Ranges des Schutzgutes und wegen der Art sowie des Ausmaßes der Schäden, die terroristische Anschläge zur Folge haben können", seien "die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts nur gering". Aufgrund dieser Entscheidungen ist die auch in der Literatur anerkannte Faustregel (vgl. Denninger a.a.O. Rn. 42) entstanden, dass an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts um so geringere Anforderungen zu stellen sind, je größer der zu erwartende Schaden und je ranghöher das Schutzgut sind. Dies gilt auch im Bereich der Gefahrenabwehr (vgl. Drews/Wacke/Vogel/Martens Gefahrenabwehr, 9. Aufl., S. 226 m.w.N.; Ring StV 1990, 372, 376).

Danach war eine gegenwärtige Gefahr für die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder für Leib oder Leben einer Person zu bejahen; es lagen hinreichende Tatsachen vor, die für einen terroristischen Anschlag in Deutschland mit unvorstellbaren Personen- und Sachschäden sprachen: Im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung (29.10.2001) hatten die Vereinigten Staaten gerade mit den von ihnen angekündigten militärischen Gegenschlägen begonnen; die Unterstützung durch die NATO-Mitgliedsstaaten war angefordert und von Seiten der Bundesregierung auch zugesagt worden. Der Botschafter Afghanistans hatte umgehend Vergeltungsschläge an die an den amerikanischen Aktionen beteiligten Länder angedroht. Diese Drohungen konnten und durften nicht unbeachtet bleiben, auch wenn konkrete Anzeichen für Terroranschläge in Deutschland nicht bekannt waren. Zumindest war unter diesen Umständen eine Möglichkeit solcher Anschläge auch in Deutschland gegeben. Der Beteiligte zu 1 hat in seiner Antragsschrift vom 1.10.2001 dargelegt, dass der Polizei 42 Personen in Nordrhein-Westfalen bekannt sind, die als Unterstützer oder Kontaktpersonen im Netzwerk des Usama Bin Laden agieren; er hat weiterhin zahlreiche Objekte in Nordrhein-Westfalen aufgeführt, die als mögliches Ziel eines Anschlages in Betracht kommen. Dass bei einem terroristischen Anschlag durch Mitglieder extremistischer islamischer Gruppierungen mit gravierenden Schäden zu rechnen ist, haben die Anschläge vom 11.09.2001 in New York und Washington D.C. gezeigt. Sie sind weder vorhersehbar noch in ihrer Dimension kalkulierbar. Bei derartig gravierenden Schäden dürfen nach den oben dargestellten Grundsätzen keine zu hohen Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts gestellt werden. Insgesamt war nach der aufgrund dieser Tatsachen zu treffenden Wahrscheinlichkeitsprognose eine gegenwärtige Gefahr im Sinne von § 31 Abs. 1 PolGNW anzunehmen.

2.2. Die beantragte Rasterfahndung war auch verhältnismäßig; das gewählte Mittel und der gewollte Zweck standen in einem vernünftigen Verhältnis zueinander und war für den Beteiligten zu 2 zumutbar.

2.2.1. Ein Mittel ist geeignet, wenn das angestrebte Ziel mit seiner Hilfe erreicht werden kann. Geeignet ist eine Maßnahme nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts bereits dann, wenn mit ihrer Hilfe das gewünschte Ziel gefördert werden kann (vgl. BVerfGE 20, 213; 30, 316; 33, 187). In der Vergangenheit sind gewisse Erfolge mit der Rasterfahndung bei der Strafverfolgung erzielt worden (vg. Bäumler a.a.O. Kapitel J Rn. 212; Siebrecht, a.a.O., S. 91, 92; Sokoll in Polizei und Datenschutz, 1999, S. 188, 189, 196); auch der Geheimdienst bedient sich mit Erfolg des Mittels der Rasterfahndung(vgl. Siebrecht a.a.O., Fußnote 78 unter Hinweis auf Simon/Taeger, Rasterfahndung). Für den Bereich der Gefahrenabwehr ist die Rasterfahndung geeignet, wenn sie auch nur teilweise zur Realisierung des gesteckten Ziels führt und der verfolgte Zweck möglicherweise gefördert wird (vgl. Siebrecht, a.a.O., S. 92). Mit Hilfe der Rasterfahndung sollten potentielle extremistische islamistische Terroristen enttarnt werden. Nach den Ausführungen des Antragstellers ist aufgrund der bereits bekannten Angehörigen oder Unterstützer des Netzwerkes von Usama Bin Laden eine Vielzahl von Gemeinsamkeiten der gesuchten Personen erkennbar. Sind solche gemeinsamen Merkmale vorhanden, kann die elektronische Rasterung Personen, die die angegebenen Merkmale aufweisen, heraus filtern. Nicht erforderlich ist, dass alle heraus gefilterten Personen als Störer anzusehen sind; vielmehr reicht es aus, wenn auch nur die Möglichkeit der Identifizierung eines Täters besteht (vgl. Siebrecht, Rasterfahndung, Strafrechtliche Abhandlungen, Band 101, 1997, S. 92, 93) bzw. anhand des heraus gefilterten Datensatzes weitere konventionelle Ermittlungsmethoden lohnend scheinen (vgl. Bäumler in Lisken/Denninger a.a.O., Kapitel J Rn. 212). Angesichts der Schwere der befürchteten Verbrechen genügt eine nur geringe Aufklärungswahrscheinlichkeit (vgl. Siebrecht a.a.O., S. 96). Gemessen an diesen Anforderungen war die angeordnete Maßnahme geeignet.

2.2.2. Wie bereits das Amtsgericht ausgeführt hat, war die beantragte Anordnung der Rasterfahndung auch erforderlich, da andere, weniger belastende Maßnahmen zur Erreichung desselben Ziels nicht zur Verfügung standen. Anders als bei herkömmlichen Straftaten knüpft die Ermittlungsarbeit im Bereich der organisierten Kriminalität regelmäßig an den Verdacht einer Straftat an, nicht aber an einen angezeigten Strafverdächtigen; gerade bei den sich ihrer Umwelt gegenüber unauffällig verhaltenden Straftätern sind die üblichen Ermittlungsmethoden wie Durchsuchung, Beschlagnahme und Vernehmung untauglich (vgl. Siebrecht a.a.O., S. 93 und 95; Kniesel/Vahle DÖV 1990, 646, 648). Eine Einzelüberwachung erscheint angesichts der Vielzahl von Betroffenen weder sinnvoll noch weniger belastend. Eine etwaige Überwachung des Telefonverkehrs würde ebenfalls die vorherige Übermittlung der Daten der Betroffenen voraussetzen und dürfte mit einem noch schwereren Grundrechtseingriff verbunden sein, da hier auch persönliche Lebensbereiche betroffen wären.

2.2.3. Die angeordnete Rasterfahndung steht nicht zu dem angestrebten Erfolg außer Verhältnis. Die Verhältnismäßigkeit des Mittels ist gewahrt, wenn das Allgemeininteresse das Interesse des Beteiligten zu 2 an der Wahrung seines aus dem Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 Abs. 1 GG fließenden Rechts auf informationelle Selbstbestimmung überwiegt. Dieses ist - wie bereits das Bundesverfassungsgericht in seinem Volkszählungsurteil vom 15.12.1983 (vgl. BundesVerfGE 63, 1, 43) ausgeführt hat - nicht schrankenlos gewährleistet. Danach hat "der einzelne nicht ein Recht im Sinne einer absoluten, uneingeschränkten Herrschaft über seine Daten... Information, auch soweit sie personenbezogen ist, stellt ein Abbild sozialer Realität dar, das nicht ausschließlich dem Betroffenen allein zugeordnet werden kann"; die Spannung Individuum-Gemeinschaft ist deshalb im Sinne der Gemeinschaftsbezogenheit und Gemeinschaftsgebundenheit der Person zu entscheiden mit der Folge, dass der Einzelne Einschränkungen seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung im überwiegenden Allgemeininteresse hinnehmen muss (vgl. BundesVerfG a.a.O., S. 44). Ein überwiegendes Allgemeininteresse folgt hier aus dem Anspruch aller übrigen Bürger auf Sicherheit und Schutz. Der Polizei obliegt der unbedingte Auftrag, Störungen zu vermeiden und Gefahren abzuwehren. Allerdings knüpft die Einräumung solcher Befugnisse zum Zweck der Gefahrenvorsorge und Gefahrenerforschung nicht mehr an die Abwehr konkreter Gefahren und das Störerprinzip an (vgl. Sokoll a.a.O., S. 191 m.w.N.; Kniesel/Vahle DÖV 1990, 646, 648). Es geht vielmehr um Vorfeldbefugnisse der Polizei, die tendenziell Eingriffsmöglichkeiten gegen jedermann eröffnen (vgl. Kniesel/Vahle a.a.O.). Bei der Abwägung der widerstreitenden Interessen ist daher in besonderem Maße zu berücksichtigen, dass durch die Rasterfahndung in das grundgesetzlich geschützte informationelle Selbstbestimmungsrecht eines Nichtstörers eingegriffen wird. Indes ist dies inzwischen auch für andere Bereiche anerkannt, so zum Beispiel für die Fluggastkontrollen nach § 29c LuftVG. Dabei handelt es sich ebenfalls um eine Kontrolle von Nichtstörern zur Abwehr einer großen Gemeingefahr; die Berechtigung zu einer solchen Maßnahme wird aus einer notstandsähnlichen Situation hergeleitet, indem man die Betroffenen aufgrund einer besonderen räumlichen oder zeitlichen Nähe zu der polizeilichen Situation für sozialpflichtig hält (vgl. Lisken in Polizei und Datenschutz 1999, S. 39). Die mit den Fluggastkontrollen verbundenen Eingriffe hat schon Benda (in: Bende/Maihofer/Vogel, Hdb. des VerfR., 1. Aufl. 1984, S. 120, 121) als hinzunehmen erachtet, denn "der Fortschritt der Technik bewirkt erhöhte Gefährdungen, denen bislang nicht anders als durch den Rückgriff auf die primitive Vermutung begegnet werden kann, daß jedermann potentiell ein Flugzeugentführer oder ein Terrorist sei. Solange man von einer ernsthaften Gefahrenlage ausgehen muß, gegen die eine wirksame Abhilfe nicht gefunden ist, werden solche Eingriffe hinzunehmen sein". Dies gilt auch etwa für Personenkontrollen an Fußballstadien und bei anderen Großveranstaltungen, bei denen gewalttätige Aktionen befürchtet werden. Die Inanspruchnahme unbeteiligter Dritter läßt sich jedoch nur in engen Grenzen rechtfertigen und erfordert eine besonders strenge Beachtung des Übermaßverbotes (vgl. Lisken/Denninger a.a.O., Kapitel D, Rn. 10; Siebrecht a.a.O., S. 65).

Der Beteiligte zu 2 ist durch die angeordnete Maßnahme nicht übermäßig beeinträchtigt worden. Dass eine notstandsähnliche Situation vorlag, ergibt sich aus den vorstehenden Ausführungen zum Merkmal "gegenwärtige Gefahr". Der Beteiligte zu 2 stand als Nichtstörer in einer - wenn auch schwachen - Beziehung zu dieser Situation, denn er besitzt eine Staatsangehörigkeit, die in der Anlage 2 zur Antragsschrift als verdächtig aufgeführt ist. Dass er deshalb unter den Personenkreis fällt, dessen Daten übermittelt wurden, ist nicht zu beanstanden. Wie bereits ausgeführt, sind der Polizei nach der Antragsschrift 42 Personen bekannt, die als Unterstützer oder Kontaktpersonen im Netzwerk des Usama Bin Laden gelten. Wenn sie aufgrund dieser Erkenntnisse bestimmte Staatsangehörige als verdächtig einstuft, beruht dies auf ermittlungsbedingt begründeten Tatsachen. Bei einer Einschränkung des Personenkreises etwa auf Männer islamischer Religionszugehörigkeit wäre der Beteiligte zu 2 zwar möglicherweise nicht von der Datenübermittlung betroffen gewesen; eine solche Beschränkung wäre aber untauglich gewesen, da die Religionszugehörigkeit weder beim Einwohnermeldeamt noch bei Universitäten, Hochschulen und Fachhochschulen offenbart werden muss, somit potentielle Täter nicht erfasst worden wären. Mit der angeordneten Rasterfahndung werden auch keine unzumutbaren intimen Angaben über den Beteiligten zu 2 verlangt, so dass der vom Bundesverfassungsgericht für unantastbar gehaltene Bereich (vgl. BerfGE 65, 1) hier nicht tangiert ist.

Die Abwägung der widerstreitenden Interessen - Recht auf informationelle Selbstbestimmung/Allgemeininteresse - führt, bezogen auf den Beteiligten zu 2 und auf den Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung, zu einem Vorrang der Interessen der Allgemeinheit an einer Gefahrenabwehr mit Hilfe der beantragten und vom Amtsgericht angeordneten Rasterfahndung.

Das Rechtsmittel konnte danach keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 13 a Abs. 1 Satz 2 FGG.

Ende der Entscheidung

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