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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 27.03.2000
Aktenzeichen: 3 Wx 53/00
Rechtsgebiete: WEG, BGB
Vorschriften:
WEG § 22 Abs. 1 Satz 1 | |
WEG § 14 Nr. 1 | |
BGB § 242 |
Wirkt sich eine bauliche Veränderung des Gemeinschaftseigentums durch einen Miteigentümer permanent nachteilig auf das Sondereigentum eines Wohnungseigentümers aus, indem ein Teil seines Kellers für die Führung zweier Kupferwasserleitungen mitbenutzt wird und dort zwei Deckendurchbrüche angelegt werden, so darf die Maßnahme nicht ohne Zustimmung dieses Sondereigentümers erfolgen.
2.
Eine im Gemeinschaftsverhältnis liegende besondere Treuepflicht gebietet nicht die Hinnahme eines substantiellen und fortdauernden Eingriffs in Gestalt der Mitbenutzung eines Teiles des Sondereigentums, um einem anderen Wohnungseigentümer die kostenintensivere aber durchaus mögliche und nicht von vornherein unzumutbare Verlegung von Wasserleitungen unter seinem Parkettboden zu ersparen.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF
BESCHLUSS
3 Wx 53/00 25 T 1034/99 LG Düsseldorf 291 II 67/99 WEG AG Düsseldorf
In dem Wohnungseigentumsverfahren
betreffend die Wohnungseigentumsanlage Düsseldorf,
hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss der 25. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 29. November 1999 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. Gottschalg und der Richter am Oberlandesgericht Dr. Schütz und von Wnuck-Lipinski
am 27. März 2000
beschlossen:
Tenor:
Der Beschluss des Landgerichts Düsseldorf vom 29. November 1999 wird aufgehoben und der Beschluss des Amtsgerichts Düsseldorf vom 31. August 1999 wieder hergestellt.
Der Beteiligte zu 2 trägt die gerichtlichen Kosten des Verfahrens.
Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.
Wert des Beschwerdegegenstandes: 5.000,- DM.
Gründe:
I.
Die Beteiligten sind Mitglieder der im Eingang bezeichneten Wohnungseigentümergemeinschaft.
Die Beteiligte zu 1 ist Sondereigentümerin einer im ersten Obergeschoss des Hauses gelegenen Wohnung, die sie nebst dazugehörendem Kellerraum vermietet hat. Der Beteiligte zu 2 hat seine Wohnung im Erdgeschoss des Hauses unmittelbar über dem im Sondereigentum der Beteiligten zu 1 stehenden Kellerraum.
In der Wohnungseigentümerversammlung vom 4. April 1997 erläuterte der Beteiligte zu 2 gegenüber den erschienenen Wohnungseigentümern ein für seine Wohnung in Aussicht genommenes Sanierungsvorhaben, wobei man den Beteiligten zu 2 bat, mit Rücksicht auf vorangegangene Rohrbrüche im Wasserleitungssystem auf die Rohrleitungserneuerung besonderen Wert zu legen.
In der Folgezeit ließ der Beteiligte zu 2 Sanierungsarbeiten in seiner Wohnung ausführen. Dabei legte er in Bad, Küche und WC neue Fußböden, erneuerte die sanitären Anlagen und verlegte neue Wasserleitungen aus Kupferrohr. Im Bereich der Diele, wo Parkett verlegt ist, verzichtete der Beteiligte zu 2 auf eine Erneuerung des Fußbodens. Unterhalb des Fußbodenbelags verlaufen die aus nicht verzinktem Eisenrohr bestehenden bauseitig erstellten Wasserleitungen des Hauses, an die ein Anschluss von Kupferrohr wegen erhöhter Korrosionsgefahr vom Installateur nicht empfohlen wurde. Im Zuge der Sanierung ergab sich für den Beteiligten zu 2 die Notwendigkeit der Verlegung einer neuen Wasserleitung aus Kupfer zur Küche. Da der Beteiligte zu 2 es sich ersparen wollte, das Parkett in der Diele aufzunehmen, die unter dem dortigen Fußbodenaufbau verlegte alte Eisenleitung zu entfernen und nach Verlegung der neuen Kupferleitung den Fußboden zu erneuern, ließ er auf Empfehlung des Installateurs diese Wasserleitung vom Hauptverteiler neben dem Heizungskeller unterhalb der Decke des Gemeinschaftskellers bis unter seinen Küchenboden verlegen. Es führen deshalb zwei Kupferrohre bis in den im Sondereigentum der Beteiligten zu 1 stehenden Kellerraum. Diese werden dort auf einer Länge von 1,5 Meter unterhalb der Kellerdecke geführt und erreichen dann von unten durch zwei Deckendurchbrüche den Anschluss im Sondereigentum des Beteiligten zu 2. Diese Maßnahme war mit der Mieterin, nicht aber mit der Beteiligten zu 1 abgesprochen.
Die Beteiligte zu 1, die mit dieser Leitungsführung nicht einverstanden ist, hat die Entfernung der Leitungen begehrt.
Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 31. August 1999 ihrem Antrag entsprochen und den Beteiligten zu 2 verpflichtet, die im hofseitig gelegenen Keller des Hauses in D unterhalb de Kellerdecke verlegten Kupferrohre. zu entfernen und die Wand- und Deckendurchbrüche fachmännisch zu verschließen und zu streichen.
Zur Begründung hat der Amtsrichter ausgeführt, die Beteiligte zu l könne von dem Zweitbeteiligten nach § 1004 BGB in Verbindung mit § 15 Abs. 3 WEG die Entfernung der Rohrleitungen verlangen. Mit dem Durchbruch durch die im Gemeinschaftseigentum stehende Decke habe der Beteiligte zu 2 eine bauliche Veränderung vorgenommen, die nach § 22 WEG eine einstimmige Zustimmung erfordert habe. Zudem habe der Beteiligte zu 2 durch die Inanspruchnahme ihres Kellers unerlaubt in das Sondereigentum der Erstbeteiligten eingegriffen, was ihn zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes verpflichte. Dieses Verlangen sei auch nicht rechtsmißbräuchlich.
Auf die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 2, der die Beteiligte zu 1 entgegengetreten ist, hat das Landgericht mit Beschluss vom 29. November 1999 die amtsgerichtliche Entscheidung aufgehoben, den Antrag der Beteiligten zu 1 abgelehnt und Kostenerstattung zu ihrem Nachteil angeordnet.
Mit ihrer nicht mit einer Begründung versehenen sofortigen weiteren Beschwerde wendet sich die Beteiligte zu 1 gegen die Entscheidung des Landgerichts.
II.
Die gemäß § 45 Abs. 1 WEG, §§ 22 Abs. 1, 27; 29 FGG zulässige sofortige weitere Beschwerde hat in der Sache Erfolg, da die angefochtene Entscheidung auf einer Gesetzesverletzung beruht (§ 27 FGG).
1.
Das Landgericht hat ausgeführt, die Beteiligte zu 1 sei zur Duldung der in ihrem Kellerraum verlegten Rohrleitungen verpflichtet. Dies ergebe sich aus dem Gemeinschaftsverhältnis (§ 242 BGB) sowie aus dem Rechtsgedanken des § 14 Nr. 3 WEG, wonach jeder Eigentümer nicht nur Einwirkungen auf im gemeinschaftlichen Eigentum stehende Gebäudeteile, sondern auch auf sein Sondereigentum zu dulden habe, soweit sie auf einem nach § 14. Nr. l und 2 WEG zulässigen Gebrauch beruhen, der dann gegeben sei, wenn die Maßnahme im Wege der Instandhaltung erforderlich sei. Dies sei vorliegend "noch der Fall". Denn wenn auch die Verlegung der Versorgungsleitungen durch den Keller der Beteiligten zu 1 nicht die einzige Möglichkeit darstelle, das Bad und die Küche des Beteiligten zu 2 an die Wasserversorgung des Hauses anzuschließen, so sei doch die Verlegung an alter Stelle erheblich kostenaufwendiger, während der gewählte Weg wie sich aus dem Lichtbild (Bl. 522) ergebe - nachteilige Auswirkungen auf das Eigentum der Beteiligten zu 1 nicht habe. Das Beseitigungsverlangen der Beteiligten zu 1 sei deshalb rechtsmißbräuchlich, willkürlich und schikanös.
2.
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
a)
Entgegen der Auffassung des Landgerichts hat die Beteiligte zu 1 einen Anspruch gegen den Beteiligten zu 2 auf Beseitigung der beeinträchtigend in das gemeinschaftliche Eigentum und in ihr Sondereigentum eingreifenden baulichen Maßnahme aus § 1004 BGB, den sie allein und ohne Ermächtigung durch die übrigen Wohnungseigentümer gerichtlich geltend machen kann (Senatsbeschluss - 3 Wx 54/99 - vom 19. Juli 1999; Niedenführ/Schulze, WEG 4. Aufl., § 21 Rdz. 5 d, § 22 Rdz. 11 c; Weitnauer, WEG 8. Aufl., § 22 Rdz. 18).
Zutreffend ist der rechtliche Ansatzpunkt des Amtsgerichts, dass die vom Beteiligten zu 2 verlegte Wasserleitung zur Versorgung von Küche und Bad seiner Wohnung eine bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 1 WEG mit sich bringt. Denn die Wasserleitung aus Kupfer zweigt von einer Leitung ab, die im Gemeinschaftskeller verlegt ist und somit mangels abweichender Anhaltspunkte im gemeinschaftlichen Eigentum aller Wohnungseigentümer steht (§ 1 Abs. 5 WEG). Die Leitung verläuft sodann an der Decke des Gemeinschaftskellers und durchbricht nach einem Verlauf von etwa 1,5 Metern an zwei Stellen die Decke im zum Sondereigentum der Beteiligten zu 1 gehörenden Kellerraum. Jedenfalls durch die zwischen Kellergeschoss und Erdgeschoss geführten Deckendurchbrüche wird notwendigerweise gemeinschaftliches Eigentum in Anspruch genommen (vgl. auch BayObLG WE 1992, 84; OLG Zweibrücken NJW-RR 1987, 1367, 1368). Einen Anspruch auf diese bauliche Veränderung könnte der Beteiligte zu 2 allenfalls dann haben, wenn die Erneuerung der Wasserleitung in der gewählten Form eine Maßnahme der ordnungsgemäßen Instandhaltung oder Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums darstellte. Denn in diesem Falle könnte nach § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG eine Maßnahme der ordnungsgemäßen Verwaltung vorliegen, auf deren Durchführung jeder Wohnungseigentümer gemäß § 21 Abs. 4 WEG grundsätzlich einen Anspruch gegen die übrigen Wohnungseigentümer hat. Als bauliche Veränderung im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 WEG kommen allerdings auch Umgestaltungen des gemeinschaftlichen Eigentums in Betracht, die zwar an sich Instandhaltung oder Instandsetzung sind, aber nach den Umständen des Einzelfalles nach billigem Ermessen nicht den Interessen der Gesamtheit der Wohnungseigentümer entsprechen und sich deshalb nicht im Rahmen ordnungsgemäßer Instandhaltung oder Instandsetzung im Rechtssinne halten (Bärmann/Pick/Merle 8. Auflage 2000 § 22 Rdz. 9). So ist es hier. Denn die bauliche Veränderung des Gemeinschaftseigentums hat eine permanente nachteilige Auswirkung auf das Sondereigentum der Beteiligten zu 1, indem ein Teil ihres Kellers für die Führung zweier Kupferwasserleitungen mitbenutzt wird und dort zwei Deckendurchbrüche angelegt wurden. Hierdurch steht zugleich fest, dass die Baumaßnahme auch nicht gemäß §§ 22 Abs. 1 Satz 2, 14 Nr. 1 WEG ohne Zustimmung der Beteiligten zu 1 erfolgen kann. Denn sie ist durch die Mitbenutzung ihres Kellers in Gestalt der dort verlegten Versorgungsleitungen mehr als ganz, geringfügig beeinträchtigt. Der Nachteil geht auch über das bei einem geordneten Zusammenleben erforderliche Maß hinaus, letzteres schon deshalb, weil die Mitbenutzung des Sondereigentums der Beteiligten zu 1 zur Versorgung der Wohnung des Beteiligten zu 2 mit Wasser unstreitig nicht zwingend erforderlich ist. Wirkt sich aber eine bauliche Veränderung - ohne zwingendes Erfordernis - dauerhaft auf ein Sondereigentum aus, so besteht eine Duldungspflicht nur, wenn der Betroffene nach § 22 Abs. 1 WEG zugestimmt hat (vgl. Staudinger-Kreuzer WEG 1997 § 14 Rdz. 38).
b)
Darin, dass der Beteiligte, zu 2 die beiden Kupferrohre zur Versorgung seiner Wohnung mit Wasser ohne Einverständnis und Absprache mit der Beteiligten zu 1 durch den in deren Sondereigentum stehenden Keller geführt und dort die Decke durchbrochen hat, liegt eine Eigentumsverletzung.
Diese muss die Beteiligte zu 1 - so bereits zutreffend das Amtsgericht- nicht dulden. Denn die Beschwerdeführerin ist aus keinem rechtlichen Grund, auch nicht aus dem Gesichtspunkt von "Treu und Glauben" (§ 242 BGB) bzw. aus dem Gemeinschaftsverhältnis verpflichtet, einen substantiellen und fortdauernden Eingriff in ihr Sondereigentum in Gestalt der Mitbenutzung eines Teiles ihres Sondereigentums hinzunehmen, um dem Beteiligten zu 2 die kostenintensivere aber durchaus mögliche und keineswegs von vornherein unzumutbare Variante der Verlegung der Wasserleitungen an alter Stelle, nämlich unter seinem Parkettboden zu ersparen.
Auch ein "das Wohnungseigentumsrecht beherrschender Grundsatz von Rücksichtnahme und Treu und Glauben" kann - dies verkennt die Kammer - nicht dazu führen, dass das Beseitigungsverlangen sich als rechtsmissbräuchlich oder gar schikanös darstellt und der Beteiligten zu 1 deshalb ein entsprechender Anspruch zu versagen sei. Ein Defizit an Rücksichtnahme ist eher dem Beteiligten zu 2 vorzuwerfen, der ohne zwingende Notwendigkeit, allein zum Zwecke der für ihn einfachen und kostengünstigen Lösung seines Problems der Leitungsführung eigenmächtig nicht nur in das gemeinschaftliche Eigentum, sondern darüber hinaus auch in das Sondereigentum der Beteiligten zu 1 eingegriffen hat.
c)
Die Rückbauverpflichtung des Beteiligten zu 2 ergibt sich aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB, da die Beseitigung der fortdauernden Beeinträchtigung durch bauliche Maßnahmen regelmäßig nur dadurch erfolgen kann, dass diese rückgängig gemacht werden (BayObLG WE 1996, 195 f.; Staudinger-Bub WEG a.a.O. § 22 Rdz. 220 mit Nachw.).
Nach alledem war auf das Rechtsmittel der Beteiligten zu 1 der landgerichtliche Beschluss aufzuheben und die Entscheidung des Amtsgerichts wieder herzustellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG. Für die Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten im dritten Rechtszug bestand keine Veranlassung.
Ende der Entscheidung
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