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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 19.02.2003
Aktenzeichen: 3 Wx 8/03
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 21 Abs. 4
WEG § 21 Abs. 1
Die auf Beweissicherung und Abtretung von Ersatzansprüchen gerichtete Beschlussfassung der Gemeinschaft zur Vorbereitung der erstmaligen ordnungsgemäßen Herstellung des gemeinschaftlichen Eigentums durch Klärung der Ursache und Beschaffung von Mitteln zur Beseitigung der Kellerfeuchtigkeit im Wege der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen durch die Gemeinschaft aus abgetretenem Recht eines einzelnen Wohnungseigentümers kann nur dann ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen, wenn die mit der Durchführung der Maßnahmen verbundenen gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten in Anbetracht einer Erfolgsprognose der Rechtswahrung für die Gemeinschaft vertretbar erscheinen.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

3 Wx 8/03

In dem Verfahren

betreffend die Wohnungseigentümergemeinschaft ... in Rheinberg

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 und 2 gegen den am 4. Dezember 2002 verkündeten Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Kleve unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. G..., der Richterin am Oberlandesgericht S... und des Richters am Oberlandesgericht von W... am 19. Februar 2003

beschlossen:

Tenor:

Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung auch über die Kosten des dritten Rechtszuges an das Landgericht zurückverwiesen.

Wert des Beschwerdegegenstandes: 2.000,- €.

Gründe:

I.

Die Beteiligten zu 1 bis 3 sind die Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft ... in Rheinberg.

Die Beteiligten zu 1 und 2 erhielten ihre Miteigentumsanteile im Wege der Erbfolge von ihrem Vater H... S.... Dieser war ursprünglich Alleineigentümer des Grundbesitzes. Nach der Bildung von Sondereigentum verkaufte er einige Miteigentumsanteile verbunden mit dem Sondereigentum an einzelnen Wohnungen. Durch notariellen Vertrag vom 26. Juni 1992 erwarb unter anderem die Antragsgegnerin A... L... einen Miteigentumsanteil verbunden mit dem Sondereigentum an einer Wohnung. Sie ist die einzige aktuelle Miteigentümerin, die ihren Anteil unmittelbar von H... S... erworben hat. Alle weiteren aktuellen Miteigentümer mit Ausnahme der Antragsteller sind Zweiterwerber. Sie haben ihre Miteigentumsanteile von Personen erworben, die ihrerseits von H... S... erworben hatten.

Als Feuchtigkeitsschäden in einem im Gemeinschaftseigentum stehenden Kellerraum auftraten, vermuteten die Antragsgegner, der Veräußerer H... S... habe bei den Verkäufen einen Baumangel arglistig verschwiegen.

In der Eigentümerversammlung vom 21. August 2001 beschlossen die Eigentümer mit Stimmenmehrheit, die Miteigentümerin L... von allen Kosten für ein "Beweissicherungsverfahren" gegen die Erben des H... S..., die Beteiligten zu 1 und 2, freizustellen. Mit Beschluss vom 15. Januar 2002 hob das Amtsgericht Rheinberg diese Entscheidung der Eigentümergemeinschaft auf, weil dieser die Beschlusskompetenz gefehlt habe, da nicht ersichtlich sei, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft als solche Rechte gegen den Vater der Antragsteller hätte geltend machen können.

Die Eigentümergemeinschaft fasste an 24. April 2002 mit Stimmenmehrheit u.a. folgende Beschlüsse:

"TOP 3: Abtretung von Gewährleistungsansprüchen der Miteigentümerin L... gem. Muster

a) Der Verwalter erläuterte den Sinn und Zweck der Abtretung um aus abgetretenem Recht vorgehen zu können.

b) Die Gemeinschaft folgte dem Vorschlag der Verwaltung und nahm die Abtretung an.

c) Beschlußfassung: bis auf den Miteigentümer S... stimmten alle für den Beschlussvorschlag der Verwaltung.

TOP 4: Einleitung eines Beweissicherungsverfahren

b) Die Verwaltung erläuterte diesen Tagesordnungspunkt

c) Beschlußfassung: bis auf den Miteigentümer S... stimmten alle Eigentümer für die Einleitung eines Beweissicherungsverfahren unter Einschaltung von RA R...."

Die Beteiligten zu 1 und 2, die meinen die Abtretung von Gewährleistungsansprüchen entspreche nicht ordnungsgemäßer Verwaltung, haben u.a. beantragt,

die in der Eigentümerversammlung vom 24. Februar 2002 unter TOP 3 und 4 gefassten Beschlüsse für ungültig zu erklären.

Das Amtsgericht hat nach mündlicher Verhandlung am 20. August 2002 die Anträge zurückgewiesen, weil es jedem Anspruchinhaber freistehe, an wen er seine Ansprüche abtreten wolle.

Hiergegen haben die Beteiligten zu 1 und 2 sofortige Beschwerde eingelegt und beantragt, den amtsgerichtlichen Beschluss aufzuheben und nach ihren erstinstanzlichen Anträgen zu erkennen.

Das Landgericht hat nach mündlicher Verhandlung am 4. Dezember 2002 die Beschwerde zurückgewiesen.

Gegen die Entscheidung der Kammer wenden sich die Beteiligten zu 1 und 2 mit ihrer sofortigen weiteren Beschwerde, der die Antragsgegner entgegentreten.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige sofortige weitere Beschwerde hat dahin Erfolg, dass die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung auch über die Kosten des dritten Rechtszuges an das Landgericht zurück zu verweisen ist.

1.

Das Landgericht hat zur Begründung ausgeführt, die Entscheidung über die Annahme der Abtretung und die Einleitung eines selbständigen Beweisverfahrens wegen dieser Ansprüche entspreche ordnungsgemäßer Verwaltung. Der Erwerb der Forderung und die Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens fördere die Verbesserung des gemeinschaftlichen Eigentums. Die Gemeinschaft verfolge damit nicht ausschließlich die Interessen der Antragsgegnerin A... L.... Der von ihr abgetretene Schadensersatzanspruch erstrecke sich zwar entgegen der Auffassung der Antragsgegner nicht auf den gesamten Minderwert des Gemeinschaftseigentums, sondern nur auf den Bruchteil, der die Antragsgegnerin A... L... betrifft. Gleichwohl bestehe für alle Miteigentümer mit Ausnahme der Antragsteller ein Interesse daran, dass eine Haftung gemäß § 463 BGB wegen der Feuchtigkeitsschäden im Keller geklärt wird. Die übrigen Wohnungseigentümer hätten zwar als sogenannte Zweiterwerber keine eigenen vertraglichen Ansprüche gegen den Veräußerer bzw. dessen Rechtsnachfolger. Dies allein beseitige indes nicht ihr Interesse an der Klärung dieser Rechtsfrage. Bestehe nämlich eine Haftung gemäß § 463 BGB, so könnten die übrigen Miteigentümer von den Voreigentümern, von denen sie das Sondereigentum erworben haben, möglicherweise gleichlautende Schadensersatzansprüche im Wege der Abtretung erwerben. Auf diese Art und Weise könnten die Miteigentümer damit die Erstattung der durch die anstehende Beseitigung der Feuchtigkeitsschäden entstehenden Kosten erlangen. Insgesamt sei damit der Erwerb der Forderung und die Einleitung eines selbständigen Beweisverfahrens eine Maßnahme, die im Rahmen des den Miteigentümern zustehenden Beurteilungsspielraumes einer ordnungsgemäßen Verwaltung entspreche. Ob ein solcher Schadensersatzanspruch tatsächlich bestehe, könne dabei dahinstehen. Denn dies solle erst im Wege des Beweisverfahrens weiter geklärt werden.

Die Abtretung sei auch nicht gemäß § 399 BGB unzulässig. Abgetreten seien Schadensersatzansprüche aus dem Kaufvertrag. Die Leistungspflicht sei nicht ausschließlich an die Person der Käuferin, A... L..., geknüpft.

Der Beschlussfassung stehe auch nicht die rechtskräftige Entscheidung des Amtsgerichts Rheinberg vom 15. Januar 2002 entgegen. Zum einen handele es sich um einen Beschluss aus einer späteren Eigentümerversammlung. Die Ungültigerklärung eines Eigentümerbeschlusses entfalte keine Rechtskraftwirkung bei einem Verfahren über einen neuen Beschluss gleichen Inhalts. Nunmehr gehe es um den Erwerb von Ansprüchen und die Geltendmachung eigener Ansprüche in einem selbständigen Beweisverfahren. Ob die Antragsgegner damit das gleiche Fernziel, nämlich die Realisierung von Schadensersatzansprüchen gegen die Antragsteller verfolgen, sei unerheblich, weil das Amtsgericht darüber nicht rechtskräftig entschieden habe. Die Geltendmachung der Ansprüche durch die Wohnungseigentümergemeinschaft stelle sich auch nicht als rechtsmissbräuchlich dar. Denn die gesamte Wohnungseigentümergemeinschaft habe letztlich ein Interesse daran, die Frage klären zu lassen, ob eine Haftung des Veräußerers besteht. Dieses Interesse entfalle nicht allein dadurch, dass der Antragsgegner selbst noch Miteigentümer der Wohnungseigentümergemeinschaft sei.

2.

Diese Erwägungen halten der dem Senat obliegenden rechtlichen Nachprüfung nur zum Teil stand.

Zutreffend hat das Landgericht zunächst die angefochtenen Eigentümerbeschlüsse unter dem Gesichtspunkt geprüft, ob dieselben mit den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung (§ 21 Abs. 1, 4 WEG) in Einklang stehen. Auch gegen die Ansicht der Kammer, dass eine Förderung der Verbesserung - oder hier erstmaligen ordnungsgemäßen Herstellung - des gemeinschaftlichen Eigentums ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht, ist prinzipiell nichts einzuwenden. Richtig ist auch, dass der Forderungserwerb und die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens mit dem Ziel der Feststellung der Feuchtigkeitsursache der Verfolgung dieses Zieles förderlich sein können.

Dies rechtfertigt indes nicht bereits den von der Kammer gezogenen Schluss, dass vorliegend der Erwerb der angeblichen Forderung der Antragsgegnerin L... gegen den Veräußerer seitens der Gemeinschaft und die Einleitung des selbständigen Beweisverfahrens einer ordnungsgemäßen Verwaltung entsprechen. Der Gemeinschaft ist zwar sowohl bei der Entschließung wie auch bei der Durchführung von Verwaltungsmaßnahmen (hier: Vorbereitung der erstmaligen ordnungsgemäßen Herstellung des gemeinschaftlichen Eigentums durch Klärung der Ursache und Beschaffung von Mitteln zur Beseitigung der Kellerfeuchtigkeit im Wege der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen) ein gewisser Ermessensspielraum (nicht: Beurteilungsspielraum) zuzugestehen.

Die Entscheidung des Landgerichts lässt indes ausreichende Feststellungen vermissen, die eine Überprüfung ermöglichen, ob die Gemeinschaft von einem solchen Ermessen bei ihrer Beschlussfassung fehlerfreien Gebrauch gemacht hat. Insbesondere fehlt es an der tatsächlichen Grundlegung für die Beurteilung, ob ein nicht verjährter Schadensersatzanspruch der Antragsgegnerin L... gegen die Beteiligten zu 1 und 2 als Rechtsnachfolger des Veräußerers, z.B. aus dem Gesichtspunkt einer Vertragsverletzung in Form arglistigen Verschweigens eines ursprünglich vorhandenen Feuchtigkeitsmangels im Keller des Hauses, überhaupt (nach Abtretung) mit einiger Aussicht auf Erfolg geltend gemacht werden kann. Unklar ist in diesem Zusammenhang nicht zuletzt, ob das angestrebte Beweisverfahren überhaupt voraussichtlich geeignet ist, die subjektive Seite (arglistiges Verschweigen eines Feuchtigkeitsschadens im Keller) etwa 10 Jahre nach dem Erwerb des Wohnungseigentums durch die Antragsgegnerin L... zu objektivieren.

Ohne dahin gehende - vom Senat als Rechtsbeschwerdegericht nicht nachholbare - Feststellungen fehlt indes die Basis für die Einschätzung, ob die entsprechenden Beschlussfassungen sich unter Berücksichtigung des eingeräumten Ermessens im Rahmen ordnungsgemäßer Verwaltung halten, hierbei im Besonderen, ob die mit der Durchführung des Beweisverfahrens und der Geltendmachung der von der Antragsgegnerin L... abgetretenen angeblichen Ansprüche gegen die Beteiligten zu 1 und 2 verbundenen gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten für die Gemeinschaft in Anbetracht einer Erfolgsprognose der Rechtswahrung vertretbar erscheinen.

Die angefochtene Entscheidung war danach aufzuheben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.

Ende der Entscheidung

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