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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 31.08.2001
Aktenzeichen: 4 Ausl 297/01 + 3 Ws 364/01
Rechtsgebiete: IRG, EGGVG
Vorschriften:
IRG § 61 | |
IRG § 66 | |
IRG § 67 | |
IRG § 77 | |
EGGVG § 28 Abs. 1 Satz 4 |
2. Bei fehlender Wiederholungsgefahr ist das "Fortsetzungsfeststellungsinteresse" in Bezug auf die gemäß § 66 Abs. 1 Nr. 2 IRG getroffene Maßnahme regelmäßig jedenfalls dann zu verneinen, wenn die Herausgabe nicht unter offenkundiger Verletzung der im Verhältnis zum ausländischen Staat geltenden rechtshilferechtlichen Vorgaben erfolgt ist und der Antragsteller an der Einholung einer präventiven Entscheidung gemäß § 61 Abs. 1 Satz 2, 2. Alternative IRG nicht durch äußere Umstände gehindert war.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS
In der Antragssache
hat der 3. Strafsenat am 31. August 2001 auf den Antrag des Antragstellers auf Entscheidung des Oberlandesgerichts gemäß § 61 Abs. 1 S. 2 IRG nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft
beschlossen:
Tenor:
Der Antrag wird als unzulässig verworfen.
Die der Staatskasse im Antragsverfahren erwachsenen Kosten werden dem Antragsteller auferlegt.
Gründe:
I.
Gegen den Antragsteller sind in Italien (Nr. 465/99 Staatsanwaltschaft beim Landesgericht Asti) und Deutschland (28 Js 602/00 StA Düsseldorf) Ermittlungsverfahren anhängig. Ihm wird zur Last gelegt, Mitglied einer europaweit mit der Erschleichung ungerechtfertigter Umsatzsteuererstattungen befassten kriminellen Vereinigung zu sein. Die auf diese Weise erlangten Gelder sollen zwecks Verschleierung ihrer Herkunft über die Konten der in Deutschland ansässigen Firma A M GmbH geflossen sein, deren Geschäftsführer der Antragsteller ist.
Im Zuge der in Deutschland eingeleiteten Ermittlungen wurden die Kontokorrentguthaben der Firma A M GmbH bei der Stadtsparkasse Wuppertal und der Deutschen Bank 24 AG in Remscheid durch die Beschlüsse des Amtsgerichts Wuppertal vom 30. Oktober 2000 (8 Gs 1729 und 1730/00) beschlagnahmt; eine Verlängerung der Beschlagnahmeanordnung erfolgte am 7. Mai 2001 (151 Gs 1489/01 AG Düsseldorf).
Auf das Rechtshilfeersuchen der italienischen Behörden vom 11. November 2000 - ergänzt durch Nachtrag vom 13. November 2000 - ordnete das Amtsgericht Wuppertal durch Beschluss vom 15. November 2000 (8 Gs 1814/00) ferner die Beschlagnahme der oben erwähnten Kontokorrentguthaben gemäß § 67 Abs. 1 IRG zum Zwecke der Herausgabe an den italienischen Staat an. Auch diese Beschlagnahmeanordnung wurde am 18. Mai 2001 um weitere drei Monate verlängert (151 Gs 1788/01 AG Düsseldorf).
Unter dem 6. Juni 2001 beantragte der Staat Italien die Genehmigung einer Überweisung aller beschlagnahmten Guthaben im Wege der Zurückgewinnungshilfe zu Gunsten des italienischen Fiskus (§ 111g StPO). Nach erfolgter Bewilligung der Rechtshilfe durch die Staatsanwaltschaft am 18. Juni 2001 ordnete das Amtsgericht Düsseldorf durch Beschluss vom 4. Juli 2001 (151 Gs 2406/01) die Zulassung der Zwangsvollstreckung in die beschlagnahmten Kontenguthaben gemäß § 111g Abs. 2 StPO zu Gunsten des italienischen Fiskus an. Am 16. Juli 2001 wurden die auf den Konten der Firma A M GmbH bei der Stadtsparkasse Wuppertal und der Deutschen Bank 24 AG Remscheid noch vorhandenen Guthaben in die Republik Italien transferiert.
Der Antragsteller hat mit Schriftsatz vom 16. Juli 2001 Rechtsmittel gegen den amtsgerichtlichen Beschluss vom 4. Juli 2001 eingelegt und ferner die Abgabe der Sache an das Oberlandesgericht zwecks Prüfung der Voraussetzungen für die Leistung der Rechtshilfe beantragt. Auf diesen Antrag sind die Verfahrensakten dem Senat vorgelegt worden.
II.
Der Antrag auf Entscheidung des Oberlandesgerichts ist unzulässig. Hierbei mag die Frage dahinstehen, ob das in § 61 Abs. 1 S. 2 IRG vorgesehene Antragsrecht einer Privatperson nur dem von einer Auslandsherausgabe betroffenen "Dritten" im Sinne des § 66 Abs. 2 Nr. 3 IRG vorbehalten ist (so OLG Hamm NStZ 95, 455f.) oder auch für den im ausländischen Verfahren Beschuldigten gelten muss, der sich - wie hier - gegen die Herausgabe angeblicher "Beutegegenstände" gemäß § 66 Abs. 1 Nr. 2 wendet (so OLG Frankfurt a.M. NStZ-RR 98, 369f.; Lagodny, in Schomburg/Lagodny, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, 3. Aufl., § 61 IRG Rn. 14). Der Antrag ist jedenfalls deshalb unzulässig, weil er erst nach vollständiger Erledigung der Rechtshilfe durch Auskehr der beschlagnahmten Kontenguthaben an die italienischen Behörden bei Gericht angebracht wurde.
Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist für eine nachträgliche Sachentscheidung gemäß § 61 Abs. 1 Satz 2 IRG über die Zulässigkeit einer bereits vorgenommenen Rechtshilfehandlung nur dann Raum, wenn der Antragsteller insoweit ein berechtigtes Feststellungsinteresse geltend machen kann (§§ 77 IRG, 28 Abs. 1 S. 4 EGGVG analog); ein derartiges Interesse ist allerdings nur in Ausnahmefällen gegeben und wird insbesondere dann zu verneinen sein, wenn die Zulässigkeit der durch den Antragsteller beanstandeten Maßnahme ohnehin in einem bereits anhängigen oder noch zu erwartenden Verfahren zu klären ist (BGHSt 33, 199, 207). Letzterer Fall liegt hier vor; ein berechtigtes Feststellungsinteresse des Antragstellers fehlt.
Da die Kontenguthaben der Firma A M GmbH vollständig an den italienischen Staat ausgekehrt wurden und weiteres beschlagnahmefähiges Vermögen des Antragstellers oder des von ihm geführten Unternehmens nicht ersichtlich ist, besteht nicht die Gefahr einer Wiederholung etwaiger Herausgabehandlungen gemäß § 66 IRG.
Das durch die staatlichen Maßnahmen berührte Vermögensinteresse des Antragstellers begründet für sich allein kein nachwirkendes Bedürfnis für eine richterliche Kontrolle gerade des Rechtshilfeakts. Das Verfahren gemäß § 61 Abs. 1 S. 2 IRG dient weder einer Klärung der im Ausland gegen den Antragsteller erhobenen Vorwürfe noch einer Überprüfung der innerstaatlichen Beschlagnahmeakte, sondern beschränkt sich auf eine bloße Kontrolle der Herausgabemaßnahme unter dem Gesichtspunkt ihrer Übereinstimmung mit den im Verhältnis zum ausländischen Staat geltenden rechtshilferechtlichen Vorgaben. Eine in dieser Hinsicht offenkundige Rechtsverletzung, die das Bedürfnis des Antragstellers nach einem nachträglichen Gerichtsentscheid mit klarstellender Wirkung für den ausländischen Staat begründen könnte, ist nicht ersichtlich. Die dem Antragsteller im italienischen Ermittlungsverfahren vorgeworfenen Taten sind auch nach deutschem Recht strafbar, und bei den herausgegebenen Bankguthaben handelt es sich um Gegenstände im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 2 IRG (vgl. hierzu OLG Frankfurt a. M., NStZ-RR 98, 369), die zumindest möglicherweise durch die dem Ersuchen zugrunde liegenden Taten erlangt sind; eine weitergehende Überprüfung findet im Rechtshilfeverfahren ohnehin nicht statt (vgl. Lagodny, aaO, § 66 IRG 16 m.w.N.). Soweit der Antragsteller den gegen ihn erhobenen Tatvorwurf bestreitet und die herausgegebenen Kontenguthaben als rechtmäßig erzielte Einkünfte bezeichnet, bedürfen seine Einwendungen gegen die Berechtigung der italienischen Konfiszierungsmaßnahmen einer Klärung im dort anhängigen Ermittlungsverfahren.
Die Zulässigkeit des Antrags lässt sich schließlich auch nicht in Anwendung der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unter dem Gesichtspunkt bejahen, dass Rechtsschutz gegen erledigte Grundrechtseingriffe unabhängig vom Fortbestehen eines konkreten Feststellungsinteresses auch dann zu gewähren ist, wenn die direkte Belastung durch den angefochtenen Hoheitsakt nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne begrenzt ist, in der der Betroffene eine gerichtliche Rechtsmittelentscheidung in der prozessordnungsgemäß vorgegebenen Instanz kaum erlangen kann (BVerfGE 96, 27, 40f.; BVerfG StV 99, 295f. und NJW 99, 273). Letztere Voraussetzung trifft auf Anträge gemäß § 61 IRG nach dem typischen Verfahrensablauf schon im allgemeinen nicht zu. Überdies war der Antragsteller auch im hier vorliegenden Einzelfall nicht daran gehindert, beim Oberlandesgericht rechtzeitig um eine präventive Entscheidung über die Voraussetzungen der Rechtshilfe nachzusuchen. Nach der am 15. November 2000 auf Antrag der Staatsanwaltschaft erfolgten Beschlagnahme der Kontoguthaben zum Zwecke der Herausgabe an den italienischen Staat und nach Erhalt des mit Schreiben des Amtsgerichts Düsseldorf vom 20. Juni 2001 an den Verteidiger des Antragstellers übersandten italienischen Überweisungsersuchens war mit einer kurzfristigen Bewilligung der Rechtshilfe durch die Staatsanwaltschaft zu rechnen, so dass für den Antragsteller genügend Anlass und - im Hinblick auf die am 16. Juli 2001 schließlich erfolgte Überweisung der Gelder - auch ausreichend Zeit zur Einreichung eines Antrags beim Oberlandesgericht verblieb. Der Umstand, dass das Amtsgericht in seinem Anschreiben vom 20. Juni 2001 die Entscheidung im Verfahren gemäß § 111g Abs. 2 StPO von der vorherigen Bewilligung des Rechtshilfeakts abhängig gemacht hatte, rechtfertigte einerseits nicht den vorläufigen Verzicht auf eine Antragstellung gemäß § 61 Abs. 1 S. 2 IRG im Vertrauen auf eine noch bevorstehende förmliche Benachrichtigung von der Rechtshilfebewilligung; andererseits wäre selbst nach der am 12. Juli 2001 erfolgten Zustellung des amtsgerichtlichen Beschlusses vom 4. Juli 2001 noch ausreichend Zeit für eine umgehende Anbringung des Antrags im Hinblick auf die nunmehr erkennbar bewilligte und bald bevorstehende Rechtshilfemaßnahme verblieben.
Die Entscheidung über die der Staatskasse erwachsenen Kosten beruht auf einer analogen Anwendung des § 38 Abs. 4 S. 2 IRG (vgl. hierzu Lagodny, aaO, § 61 Rn. 32).
Ende der Entscheidung
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