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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 20.02.2001
Aktenzeichen: 4 U 107/00
Rechtsgebiete: VVG


Vorschriften:

VVG § 38 Abs. 1 Satz 2
VVG § 39
VVG § 40 Abs. 2 Satz 1
1.

Beruft sich der Versicherungsnehmer darauf, dass sich die Erstprämie nach § 40 Abs. 2 Satz 2 VVG auf eine angemessene Geschäftsgebühr ermäßigt habe, weil die nicht fristgerechte Geltendmachung der Erstprämie als Rücktritt gelte, so muss der Versicherungsnehmer, der sich zur Begründung seiner nicht fristgerechten Zahlung auf deren verspätete Weiterleitung durch den Makler beruft, das Fehlen der vom Versicherer behaupteten Inkassovollmacht des Maklers beweisen.

2.

Entgegen § 40 Abs. 2 Satz 1 VVG gebührt dem Versicherer die Prämie bis zur Beendigung des Versicherungsjahres, das zum Zeitpunkt seiner Kündigung nach § 39 Abs. 3 VVG läuft, dann nicht, wenn er in dem vorangegangenen Versicherungsjahr unter qualifizierter Mahnung eine Zahlungsfrist gesetzt und danach die fristlose Kündigung rechtsmissbräuchlich bis in das Folgejahr hinausgezögert hat.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Verkündet am 20. Februar 2001

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 9. Februar 2001 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. S. und der Richter am Oberlandesgericht Dr. W. und Dr. R.

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 11. April 2000 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Düsseldorf unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 20.861,10 DM nebst 4 % Zinsen aus 10.149,84 DM für die Zeit vom 8. Juni 1998 bis zum 13. Juli 1999 und aus 20.861,10 DM seit dem 14. Juli 1999 sowie 10,-- DM vorgerichtliche Mahnkosten zu zahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin zu 57 % und die Beklagte zu 43 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Zwischen den Parteien hat ab 1. August 1997 eine - durch die Sch V GmbH vermittelte - gewerbliche Transport-, Reise- und Warenlagerversicherung für Juweliere (Valorenversicherung) mit einer Versicherungssumme von 1,5 Mio. DM bestanden (GA 61), für die die Beklagte vierteljährlich eine Versicherungsprämie in Höhe von 6.953,70 DM zu entrichten hatte.

Die Erstprämie zahlte die Beklagte am 6. November 1997 an den Versicherungsmakler, der den Betrag - nach Abzug der vereinbarten Provision - am 11. Dezember 1997 an die Klägerin weiterleitete. Weitere Prämienzahlungen leistete die Beklagte nicht.

Mit Schreiben vom 22. Mai (GA 28) und 7. August 1998 (GA 57) mahnte die Klägerin die ausstehenden Prämien nach § 39 Abs. 1 VVG an und setzte der Beklagten jeweils eine Zahlungsfrist von 2 Wochen.

Mit Schreiben vom 23. September 1998 ersuchte die Beklagte die Klägerin, die Versicherungssumme rückwirkend zum 1. August 1997 auf 400.000,-- DM herabzusetzen, weil ihre Geschäftsentwicklung rückläufig gewesen sei (GA 56). Nach telefonischen Verhandlungen erklärte sich die Klägerin gegenüber dem Versicherungsmakler S. mit Schreiben vom 9. Oktober 1998 (GA 55) grundsätzlich damit einverstanden, die Versicherungssumme wunschgemäß - allerdings erst ab dem 1. August 1998 - zu reduzieren und die Quartalsprämien ab demselben Zeitpunkt auf 1.948,30 DM zu ermäßigen. Zugleich bat sie um den Nachweis eines von der Beklagten erteilten Maklerauftrags. Darauf kamen in der Folgezeit weder die Beklagte noch der Makler S. zurück.

Mit Schreiben vom 13. November 1998 kündigte die Klägerin den Versicherungsvertrag nach § 39 Abs. 3 VVG fristlos (GA 54).

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihr stünden noch die Prämien für den Zeitraum vom 1. November 1997 bis zum 1. August 1999 zu, da der Prämienanspruch vom Ausspruch der fristlosen Kündigung unberührt bleibe und eine Ermäßigung der Versicherungssumme oder der -prämie zu keinem Zeitpunkt wirksam vereinbart worden sei.

Sie hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 48.675,90 DM nebst 7 % Zinsen aus 20.861,10 DM seit dem 4. August 1997 und aus 27.815,40 DM seit dem 4. August 1998 sowie 10.-- DM vorgerichtliche Mahnkosten zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat geltend gemacht: Der Klägerin stehe allenfalls eine - mit der Erstprämie zu verrechnende Geschäftsgebühr nach § 40 Abs. 2 Satz 2 VVG zu, weil wegen der verspäteten Weiterleitung der Prämie durch die - von der Klägerin nicht zum Inkasso bevollmächtigte Sch V GmbH die Rücktrittsfunktion des § 38 Abs. 1 Satz 2 VVG eingreife. Davon abgesehen habe sie - die Beklagte - schon durch Schreiben vom 16. April 1998, das der Klägerin entgegen deren Behauptung zugegangen sei, um eine Halbierung der Versicherungssumme nachgesucht (GA 29).

Durch Urteil vom 11. April 2000 hat das Landgericht der Klage bis auf einen Teil der Zinsforderung stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, die Beklagte könne sich nicht auf die Rücktrittsfiktion des § 38 Abs. 1 Satz 2 VVG berufen, weil das Versicherungsverhältnis einvernehmlich fortgeführt worden sei. Ebensowenig sei es zu einer Herabsetzung der Versicherungssumme nach § 51 VVG gekommen, da die Beklagte nicht nachgewiesen habe, dass eine Überversicherung bestanden habe.

Dagegen wendet sich die Beklagte unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens mit der Berufung.

Sie beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Frage der Herabsetzung der Versicherungssumme verweist sie ergänzend auf die Sicherungsbestätigung (GA 58), die sie dem Kreditgeber der Beklagten, der Y v K. B A S, Düsseldorf, unter dem 30. September 1997 erteilt hat (GA 58).

Entscheidungsgründe:

Die Berufung hat teilweise Erfolg.

Der Klägerin steht nur die Restprämie für die am 1. August 1998 ausgelaufene Versicherungsperiode zu.

1.

Der Prämienanspruch für das erste Versicherungsjahr vom 1. August 1997 bis zum 1. August 1998, der sich nach Einzug der Erstprämie noch auf (6.953,70 x 3 =) 20.861,10 DM beläuft, ermäßigt sich nicht auf eine Geschäftsgebühr nach § 40 Abs. 2 S. 2 VVG, weil die Klägerin nicht vom Versicherungsvertrag zurückgetreten ist. Nach § 38 Abs. 1 S. 2 VVG gilt es als Rücktritt, wenn der Anspruch auf die Erstprämie nicht innerhalb von drei Monaten gerichtlich geltend gemacht wird. Voraussetzung dafür ist indes, dass die Beklagte die - frühestens mit Zugang des Versicherungsscheins vom 14. August 1997 fällige (§ 35 Satz 2 VVG) - Erstprämie nicht rechtzeitig gezahlt hat. Das bleibt jedoch unbewiesen. Allerdings hat die Sch V GmbH, bei der die erste Quartalsrate fristgerecht eingegangen war, diese erst im Dezember 1997 an die Klägerin weitergeleitet. Das ist jedoch unerheblich, da die Beklagt nur beweislos bestreitet, dass die Klägerin dem Makler Inkassovollmacht erteilt hat. Das geht zu ihren Lasten. Als Grundregel der Beweislast gilt: Wer das Bestehen eines Rechts leugnet, trägt die Beweislast für die rechtshindernden, rechtshemmenden und rechtsvernichtenden Einwendungen (BGH, NJW 1986, 2426, 2427 m.w.N.). Da ein wirksamer Rücktritt das Versicherungsverhältnis beendet, hätte die Beklagte demgemäß die Rücktrittsvoraussetzungen des § 38 Abs. 1 S. 2 VVG unter Beweis stellen müssen, was sie versäumt hat.

2.

Das Schreiben der Beklagten vom 16. April 1998 hat nicht zu einer Reduzierung der Versicherungssumme und - in der Konsequenz daraus - zu einer Ermäßigung der Prämie für das erste Versicherungsjahr geführt. Selbst wenn es sich dabei um ein Herabsetzungsverlangen i. S. des § 51 VVG gehandelt haben sollte und der Zugang bei der Klägerin bewiesen wäre, kamen ihm keine Rechtswirkungen zu, da das Versicherungsverhältnis durch die Sicherungsbestätigung vom 30. September 1997 in eine Versicherung für Rechnung des Kreditgebers der Beklagten umgewandelt worden ist und die Beklagte sich durch ihre - in die Sicherungsbestätigung aufgenommene - Erklärung vom 25. September 1997 ausdrücklich der Befugnis begeben hat, die Versicherung ohne Einwilligung des Kreditgebers im Betrag zu mindern. Seine Zustimmung hat sie indes nicht nachgewiesen.

3.

Demgegenüber wendet die Beklagte sich mit Recht dagegen, dass sie zur Zahlung der Prämie für das Folgejahr ab dem 1. August 1998 verurteilt worden ist.

Allerdings lässt die unter dem 13. November 1998 wegen nicht rechtzeitiger Prämienzahlung ausgesprochene fristlose Kündigung den Prämienanspruch der Klägerin an sich unberührt. Denn nach § 40 Abs. 2 S. 1 VVG, der jedenfalls keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet (BVerfG, NJW 1999, 2959; BGH, NJW 1992, 107), gebührt dem Versicherer die Prämie bis zur Beendigung der - zum Zeitpunkt der Kündigung nach § 39 Abs. 3 VVG - laufenden zweiten Versicherungsperiode. Dementsprechend kann der Versicherer, der in einer früheren Versicherungsperiode eine - die Voraussetzung für die fristlose Kündigung bildende - qualifizierte Mahnung gemäß § 39 Abs. 1 VVG ausgesprochen hat und bereits mit Ablauf der von ihm gesetzten Zahlungsfrist nach § 39 Abs. 2 VVG leistungsfrei geworden ist, ohne eine von ihm zu erbringende Gegenleistung noch die Jahresprämie für das Folgejahr verdienen, wenn er die Kündigung erst in der nächsten Versicherungsperiode erklärt (Römer in: Römer/Langheid, VVG, § 40 Rn. 6; a.A. - jedoch nicht überzeugend - Prölss in: Prölss/Martin, VVG, § 6. Aufl., § 40 Rn. 5. m.w.N., der den Prämienanspruch bereits ab Eintritt der Leistungsfreiheit nach § 39 Abs. 2 VVG entfallen lassen will). Sein Zahlungsbegehren ist jedoch treuwidrig (§ 242 BGB), wenn er die fristlose Kündigung rechtsmissbräuchlich bis in das Folgejahr hinauszögert (BVerfG, a.a.O., 2960; Römer a.a.O., § 40 Rn. 6).

So liegen die Dinge im Streitfall zu Lasten der Klägerin. Obwohl sie bereits mit Schreiben vom 22. Mai 1998 erstmals qualifiziert gemahnt und eine Zahlungsfrist von zwei Wochen gesetzt hatte, hat sie nämlich von ihrer Kündigungsbefugnis - trotz Ausbleibens der Prämienzahlung - zunächst keinen Gebrauch gemacht, sondern den Beginn der folgenden Versicherungsperiode abgewartet, dann am 7. August 1998 erneut qualifiziert gemahnt und schließlich im November 1998 gekündigt. Das widerspricht Treu und Glauben. Zwar ist der Versicherer nicht gehalten, seine Kündigung schon mit der qualifizierten Mahnung zu verbinden (§ 39 Abs. 3 S. 2 VVG). Vielmehr darf er deren Erfolg abwarten. Der Vorwurf des Missbrauchs ist jedoch gerechtfertigt, wenn er selbst nach Ablauf der von ihm gesetzten Zahlungsfrist die Vertragsbeendigung nicht binnen angemessener Zeit herbeiführt (Römer, a.a.O.). Die ihr dafür zuzubilligende Zeitspanne hat die Klägerin indes eindeutig überschritten. Obschon der genaue Zugangszeitpunkt nicht bekannt ist, war für sie jedenfalls nach Ablauf der zweiwöchigen Zahlungsfrist Mitte Juni 1998 klar erkennbar, dass ihre Mahnung fruchtlos, geblieben war. Ungeachtet dessen hat sie den bis zum Ablauf des ersten Versicherungsjahres am 1. August 1998 noch verbleibenden Zeitraum von rund sechs Wochen nicht zur Kündigung genutzt. Dafür ist ein anderes Motiv, als durch das Hinausschieben der Kündigung risikolos auf Kosten der Beklagten Gewinn zu erzielen, nicht ersichtlich.

Der Einwand der Klägerin; sie habe das Vertragsverhältnis auch im Interesse der Beklagten fortgesetzt, verfängt nicht. Richtig ist zwar, dass die Beklagte im Spätsommer 1998 einen (erneuten) Vorstoß zur Herabsetzung der Gesamtversicherungssumme bei gleichzeitiger Ermäßigung des Prämienanspruchs unternommen hat. Auf die bis Anfang Oktober 1998 geführten Verhandlungen kann sich die Klägerin aber nicht mehr berufen, weil sie bis dahin den Schwebezustand - bei redlichem Geschäftsgebaren - längst hätte beendet haben müssen. Davon abgesehen lässt die außergerichtliche Korrespondenz auch nicht den Schluss zu, dass der Beklagte an der Fortsetzung des Vertragsverhältnisses ernsthaft gelegen war. Obwohl die Klägerin sich grundsätzlich mit der Herabsetzung der Versicherungssumme einverstanden erklärt hatte, ist die Beklagte nämlich auf deren Offerte, die nur noch eine Quartalsprämie von 1.948,30 DM vorsah, nicht mehr zurückgekommen. Ebensowenig hat sie die herabgesetzte Vergütung entrichtet. Daraus kann aber nur gefolgert werden, dass sie entweder an der Fortführung des Vertragsverhältnisses kein Interesse mehr hatte oder dass sie selbst die ermäßigten Quartalsprämien nicht mehr aufbringen konnte.

4.

Verzugszinsen kann die Klägerin gemäß 288 BGB nur in dem zuerkannten Rahmen beanspruchen, weil der Ausspruch einer früheren Mahnung oder die Vereinbarung kalendermäßig bestimmter Fälligkeitstermine nicht substantiiert dargetan ist.

5.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Berufungsstreitwert: 48.675,90 DM.

Beschwer des Klägers: 27.814,80 DM.

Beschwer der Beklagten: 20.861,10 DM.

Ende der Entscheidung

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