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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 18.12.2001
Aktenzeichen: 4 U 119/01
Rechtsgebiete: VVG, AKB


Vorschriften:

VVG § 61
AKB § 12 (1) II a
Der Versicherungsnehmer hat den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt, wenn er seinen LKW in unmittelbarer Nähe einer stark abschüssigen Abfahrtsrampe abgestellt hat und das Fahrzeug kurze Zeit nach dem Aussteigen die Rampe hinabgerollt ist, weil weder die Handbremse angezogen noch ein Gang eingelegt war.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

4 U 119/01

Verkündet am 18. Dezember 2001

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 4. Dezember 2001 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. S und der Richter am Oberlandesgericht Dr. W und Dr. R

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 8. Mai 2001 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung bleibt ohne Erfolg.

Der Klägerin steht wegen des Unfallschadens, der an dem bei der Beklagten vollkaskoversicherten Mercedes-Benz 310 D entstanden ist, kein Entschädigungsanspruch zu, weil ihr Mitgeschäftsführer den Schaden grob fahrlässig herbeigeführt hat und die Beklagte deshalb gemäß § 61 VVG leistungsfrei ist.

Grobe Fahrlässigkeit setzt einen objektiv schweren Verstoß gegen die im konkreten Fall gebotene Sorgfalt voraus. Grob fahrlässig handelt derjenige, der die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in hohem Maße außer Acht läßt und nicht beachtet, was unter den gegebenen Umständen jedem einleuchten muss. Darüber hinaus muss in subjektiver Hinsicht ein gegenüber einfacher Fahrlässigkeit gesteigertes Verschulden vorliegen, das das gewöhnliche Maß erheblich übersteigt und als schlechthin unentschuldbar anzusehen ist (BGH, VersR 1989, 469, 470; Senat VersR 1992, 1086; NVersZ 1999, 386; Römer, VersR 1992, 1187).

Der Mitgeschäftsführer der Klägerin, für dessen Verschulden sie einzustehen hat (Römer in Römer/Langheid, VVG, § 6 Rn 114), hat in objektiver Hinsicht grob fahrlässig gehandelt, als er den LKW auf einem Parkplatz außerhalb der besetzten Parkflächen in unmittelbarer Nähe oder bereits teilweise auf der stark abschüssigen Abfahrtrampe abgestellt hat, ohne einen Gang einzulegen oder die Handbremse anzuziehen (vgl. dazu OLG Köln, OLGR 1994, 306 = VersR 1994, 1414 LS). Zwar hat die Klägerin in der Berufungsbegründung geltend gemacht, sie sei sich mittlerweile nicht mehr so sicher, ob ihrem Mitgeschäftsführer tatsächlich ein solcher Fehler anzulasten ist, weil sich inzwischen bei der Benutzung eines Nachfolgemodells des unfallgeschädigten Fahrzeugs herausgestellt habe, dass mitunter - trotz Betätigung des Schalthebels - ein Gang nur eingelegt erscheine oder schon nach kurzer Zeit wieder herausspringe. Mit diesem Einwand kann sie jedoch nicht durchdringen. Denn dass ihr Mitgeschäftsführer die Sicherung des LKW gegen ein Wegrollen versäumt hat, hat sie schon in der Klageschrift - ebenso wie außergerichtlich in der Schadenanzeige - vorweggenommen gestanden (§ 288 ZPO). Dieses Geständnis wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Klägerin ihren ursprünglichen Sachvortrag als auf einer Schlussfolgerung beruhend dargestellt hat. Entscheidend ist allein, dass sie das Vorbringen der Beklagten explizit bestätigt und dadurch zum Ausdruck gebracht hat, dass sie es außer Streit stellen will. So und nicht anders kann aber ihre Erklärung nur verstanden werden, dass ihr Mitgeschäftsführer es - entgegen seiner sonstigen Übung - versehentlich unterlassen habe, die Handbremse zu bedienen und einen Gang einzulegen (GA 4). An dieses Geständnis bleibt die Klägerin auch in der Berufungsinstanz gebunden, da sie nicht nachweisen kann, dass es der Wahrheit nicht entspricht und durch einen Irrtum veranlasst ist (§§ 290, 532).

Die Nichtbetätigung einer Wegrollsicherung war unter den gegebenen Umständen auch objektiv grob fahrlässig. Denn entweder hat der Mitgeschäftsführer den LKW auf dem - voll belegten - Parkplatz so abgestellt, dass die Hinterreifen sich bereits jenseits der Blechschwelle befanden, die den eigentlichen Parkplatz von der Abfahrtrampe trennt, oder die Parkfläche wies ein - auf den vorliegenden Lichtbildern nicht erkennbares - so großes Gefälle auf, dass der LKW binnen kürzester Zeit die Geschwindigkeit entwickeln konnte, die notwendig war, um die Schwelle zu überwinden. Anders ist es nämlich nicht erklärlich, dass sich der Wagen - wie die Klägerin selbst vorträgt -, schon binnen 10-20 Sekunden, nachdem ihr Mitgeschäftsführer das unmittelbar angrenzende Geschäftslokal betreten hatte, in Bewegung gesetzt hat.

Ebenso ist auch in subjektiver Hinsicht der Vorwurf grober Fahrlässigkeit gerechtfertigt. Dabei kann zugunsten der Klägerin unterstellt werden, dass ihr Mitgeschäftsführer es sich beim Parken eines KfZ zur Gewohnheit gemacht hat, einen kleinen Gang einzulegen und die Handbremse zu betätigen, und dass er nur im Streitfall für einen Augenblick versagt hat. Denn der Ausdruck "Augenblicksversagen" beschreibt nur den Umstand, dass der Handelnde für eine kurze Zeit die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen hat. Diese Tatsache allein ist aber kein ausreichender Grund, den Schuldvorwurf herabzustufen, wenn die objektiven Merkmale der groben Fahrlässigkeit vorliegen. Dazu bedarf es vielmehr weiterer, besonderer Umstände, die das momentane Versagen in einem milderen Licht erscheinen lassen (BGH, VersR 1992, 1085, 1086). Ein solcher besonderer Umstand kann im Einzelfall gegeben sein, wenn der Versicherungsnehmer bei einem zur Routine gewordenen Handlungsablauf einen von verschiedenen Handgriffen vergisst (BGH, a.a.O.); 1989, 582; Senat, NVersZ 1999, 386; 01, 229). Das hindert den Vorwurf eines groben Verschuldens jedoch dann nicht, wenn dem versicherten Gegenstand in einer konkreten Situation große Gefahren drohen (BGH, VersR 1992, 1085, 1086). So liegen die Dinge aber hier, da beim Abstellen eines Kfz auf oder in nächster Nähe einer schiefen Ebene ohne Betätigung der Sicherungen gegen das Wegrollen stets die - sich förmlich aufdrängende - Gefahr besteht, dass der Wagen die Gefällestrecke herabrollt und - wie hier - bei der Kollision mit einer Absperrmauer zu Schaden kommt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Berufungsstreitwert und Beschwer der Klägerin: 28.112,08 DM. Es besteht keine Veranlassung, die Revision zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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