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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 09.06.1998
Aktenzeichen: 4 U 141/97
Rechtsgebiete: VVG, AUB
Vorschriften:
VVG § 16 | |
VVG § 17 | |
VVG 180 a Abs. 1 | |
AUB § 1 III |
Leitsatz:
Zur Frage, ob sich ein Unfallgeschehen so wie behauptet (Überrollen eines Fußes durch einen vorbeifahrenden LKW mit Folge der Amputation) zugetragen haben kann und ob der Versicherer die in § 180 a VVG bestimmte Vermutung der Unfreiwilligkeit des Unfallereignisses widerlegt hat (hier aufgrund der Umstände bejaht).
Urteil des 4. Zivilsenats des OLG Düsseldorf vom 9. Juni 1998 - (4 U 141/97) - rechtskräftig -
(Der BGH hat die Revsion mit Beschluß vom 16. Juni. 1999 - IV ZR 168/98 - nicht angenommen)
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 U 141/97 4 O 359/96 LG Duisburg
Verkündet am 9. Juni 1998
T., Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
In dem Rechtsstreit
PP.
hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 5. Mai 1998 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. S und der Richter am Oberlandesgericht Dr. W und Z für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers und die Anschlußberufung der Beklagten wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels des Klägers das am 30. Juni 1997 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt:
Es wird festgestellt, daß der Unfallversicherungsvertrag - Versicherungsschein-Nr.:, Versicherungsbeginn: 1. Mai 1996, bis zum 21. Mai 1998 fortbestanden hat, insbesondere nicht durch die Anfechtungs- und Rücktrittserklärungen der Beklagten aufgehoben worden ist.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 20.200 DM abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Sicherheitsleistung kann auch durch Bankbürgschaft erbracht werden.
Tatbestand
Am 29. April 1996 beantragte der Kläger bei der Beklagten den Abschluß eines Unfallversicherungsvertrages mit Dynamisierung und Progression bis 350 % bei Vollinvalidität zum 1. Mai 1996 (GA 19, 20). Das Antragsformular wurde von dem Agenten M ausgefüllt und vom Kläger unterzeichnet. Von den Gesundheitsfragen ist die Frage Nr. 1 "Leiden Sie an Krankheiten oder Gebrechen? Haben Sie schon Körperverletzungen durch Unfälle oder aus anderen Ursachen erlitten? Wenn ja, an welchen?" wie folgt beantwortet: "Ja - linke Hand bewegungsbehindert". Die Frage Nr. 2 -"Bestehen oder bestanden Unfallversicherungen? Wurden solche beantragt? Wenn ja, Versicherungsgesellschaft ... angeben" ist mit "ja -" beantwortet: Die Frage Nr. 3 "Wurden Unfallversicherungen abgelehnt oder gekündigt? Wenn ja, von wem und weshalb?" ist beantwortet mit "ja - nach Schadensfall gekündigt, RuV. - V.-Nr. nicht mehr bekannt". Dem Agenten gab der Kläger ferner einen Vorunfall vom 20. März 1996 an; seine Angaben dazu sind streitig.
Wegen dieses Unfalls befand sich der Kläger vom 20. bis 30. März 1996 in stationärer Behandlung bei Diagnose einer Scherensprunggelenks- und Unterschenkelprellung links mit Distorsion des Sprunggelenkes und Verdacht auf Außenbandinstabilität. Bei einer Kontrolluntersuchung am 24. April 1996 waren die Verletzungen ausgeheilt, eine Bewegungseinschränkung im Sprunggelenk bestand nicht mehr; es lagen keine Beschwerden mehr vor (GA 21).
Mit Versicherungsschein vom 20. Mai 1996 (GA 15, 16) nahm die Beklagte den Versicherungsantrag auf der Grundlage der AUB 94, auf die auch schon der Versicherungsantrag Bezug genommen hatte, an.
Am 23. Mai 1996 zog sich der Kläger eine schwere Verletzung am linken Fuß im Bereich des linken oberen Sprunggelenkes und der Fußwurzel zu. Bei Einlieferung in das Krankenhaus gab der Kläger an, ein LKW sei ihm über den linken Fuß gefahren. Im Verlauf des Krankenhausaufenthalts des Klägers vom 23. Mai bis 15. August 1996 wurde der linke Fuß im Bereich des Unterschenkels amputiert.
Mit Unfallanzeige vom 28. Mai 1996 (GA 23, 24) zeigte der Kläger der Beklagten das Unfallereignis an. Die Schadensanzeige ist, wie der Kläger im ersten Rechtszug ausgeführt hat, von seinem Sohn ausgefüllt und vom Kläger unterzeichnet worden. Bei der Frage nach bestehenden anderen Unfallversicherungen gab der Kläger die B Versicherung, die zum 30. Mai 1996 gekündigt war, nicht an und verwies zur Frage nach ehemaligen Unfällen auf seine infolge eines Unfalls aus dem Jahre 1991 bewegungsbehinderte Hand.
Mit weiteren Unfallschadenanzeigen vom 26 Juni 1996 meldete der Kläger das Unfallereignis auch der Versicherung und dem L (L ). In diesen Schadenanzeigen gab er die Unfallversicherung bei der Beklagten trotz entsprechender Fragen nicht an.
Mit Schreiben vom 11. Juli 1997 erklärte die Beklagte, wegen Verletzung vorvertraglicher Anzeigepflicht den Rücktritt vom Vertrag und focht den Versicherungsvertrag wegen arglistiger Täuschung an. Dazu führte sie aus, der Kläger habe weder den Versicherungsantrag noch die Unfallanzeige vollständig ausgefüllt. Mit Schreiben vom 18. Juli 1996 berief sich die Beklagte zudem auf vorsätzliche Aufklärungsobliegenheitsverletzung.
Der Kläger hat behauptet:
Bei Aufnahme des Versicherungsantrages habe er den Agenten M vollständig über die Vorunfälle aus dem Jahre 1991 und vom 20. März 1996 unterrichtet. Insbesondere habe er den Agenten auf den elftägigen Krankenhausaufenthalt im März 1996 hingewiesen. Zudem habe er ihm erklärt, die Versicherung habe diese Verletzung zum Anlaß genommen, die Versicherung zu kündigen.
Der Versicherungsfall sei eingetreten, als er auf einer Autobahnraststätte von hinten von einem LKW angefahren worden sei, der seinen linken Fuß überrollt habe. Obwohl der Lkw-Fahrer den Unfall bemerkt haben müsse, habe er sich vorsätzlich vom Unfallort entfernt. An den genauen Unfallverlauf, insbesondere an die Stellung seines Körpers vor dem Unfallgeschehen könne er sich nicht mehr erinnern. Da sich der LKW von hinten genähert habe, könne er auch keine exakten Angäben zu dessen Typ und Geschwindigkeit machen. Sein Sohn habe den LKW erst wahrgenommen, als dieser sich bereits der Ausfahrt des Parkplatzes genähert habe. Durch die Schreie des Klägers sei der Sohn erst auf den Unfall aufmerksam geworden.
In der Unfallanzeige vom 28. Mai 1996 habe er den Vorunfall vom 20. März 1995 und die gekündigte Unfallversicherung bei der R Versicherung nicht angegeben, weil er sich infolge der Behandlung mit Narkosemitteln nicht im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte befunden habe. Sein Sohn habe das Formular nach bestem Wissen ausgefüllt und er selbst habe das Formular dann ungeprüft unterschrieben.
Zu der Unfallanzeige gegenüber der R Versicherung sei es am 26. Juni 1996 gekommen, als ihm das Auslaufen der Versicherung erst zum 30. Mai 1996 bewußt geworden sei. Beim Ausfüllen der Unfallanzeige der Beklagten sei weder seinem Sohn noch ihm die Wirkung der Kündigung erst zum 30. Mai 1996 nicht geläufig gewesen.
Der Kläger hat beantragt,
1. festzustellen, daß der Unfallversicherungsvertrag, Versicherungsschein-Nr., Versicherungsbeginn 1. Mai 1996 unverändert fortbesteht, insbesondere nicht durch die Anfechtungs- und Rücktrittserklärungen der Beklagten aufgehoben ist;
2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 224.125 DM nebst 11,5 % Zinsen seit Rechtshängigkeit (27. November 1996) zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte bestreitet mit Nichtwissen, daß die Verletzung des Klägers auf dem von ihm geschilderten Unfall beruhe und beruft sich insoweit auf ein Gutachten des Gerichtsmediziners Prof. Dr. B, nach dessen Inhalt die Unfalldarstellung des Klägers nicht zutreffen könne, weil die Verletzung des Fußes des Klägers nur zu erklären sei, wenn der aufstehende Fuß in exponierter Haltung einer Quetschbelastung ausgesetzt worden sei.
Die Beklagte hat behauptet:
Der Kläger habe auf die Fragen des Agenten M lediglich angegeben, bei dem Unfall vom 20. März 1996 sei er zu Hause umgeknickt, das Bein sei leicht geschwollen gewesen. Der Kläger habe dieses Ereignis als Lappalie dargestellt und darauf hingewiesen, als Selbständiger arbeite man weiter. Aus diesem Grunde habe der Zeuge darin Angaben zu diesem Unfall nicht aufgenommen.
Die Beklagte hat sich weiterhin auf Obliegenheitsverletzung berufen, weil der Kläger in der Unfallanzeige weder den Vorunfall noch die weitere Unfallversicherung bei der Versicherung angegeben habe.
Durch das am 30. Juni 1997 verkündete Urteil hat das Landgericht die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Versicherungsvertrag sei aufgrund des Rücktritts der Beklagten erloschen, weil der Kläger bei Aufnahme des Versicherungsantrags die noch bestehende Versicherung bei der R Versicherung nicht mitgeteilt habe. Leistungen habe die Beklagte auch deshalb nicht zu erbringen, weil sie wegen Obliegenheitsverletzung des Klägers leistungsfrei sei, der ihr das Fortbestehen der weiteren Unfallversicherung beider R Versicherung verschwiegen habe. Wenn der Kläger die Unfallanzeige unterschrieben habe, ohne im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte zu sein, hätte er seine unrichtigen Angaben spätestens korrigieren müssen, als er Leistungen von der Versicherung gefordert habe.
Gegen dieses ihm am 17. Juli 1997 zugestellte Urteil hat der Kläger am 12. August 1997 Berufung eingelegt und diese innerhalb der ihm gewährten Fristverlängerung am 13. Oktober 1997 begründet.
Unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens wendet sich der Kläger gegen die Rechtsauffassung des angefochtenen Urteils und trägt ergänzend vor:
Der Agent M sei bei Aufnahme des Versicherungsantrags soweit informiert worden, wie erden Kläger befragt habe. Im übrigen fehle es an der Kausalität etwaiger Unvollständigkeiten, weil die Beklagte auch die erkennbar lückenhaften Angaben des Agenten M nicht zum Anlaß genommen habe, Nachfragen zu stellen.
Die Unfallanzeige habe sein Sohn im Büro des Versicherungsagenten M am 28. Mai 1996 bis auf die Unfallschilderung, die der Sohn selbst eingetragen habe, ausfüllen lassen. Die Angaben zur Person des Klägers und zur Vorgeschichte habe eine Angestellte des Agenten M den Versicherungsunterlagen entnommen. Die ausgefüllte Unfallanzeige habe ihm sein Sohn im Krankenhaus zur Unterschrift vorgelegt. An diesem Tag, einem operationsfreien Tag, habe er selbst noch unter starken Schmerz- und Beruhigungsmitteln gestanden und nur die Unterschrift geleistet.
Der Kläger beantragt,
1. festzustellen, daß der Unfallversicherungsvertrag Versicherungsschein-Nr., Versicherungsbeginn: 1. Mai 1996 unverändert fortbesteht, insbesondere nicht durch die Anfechtungs- und Rücktrittserklärungen der Beklagten aufgehoben ist;
2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 224.125 DM nebst 11,5 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und trägt unter Bezugnahme auf ihr bisheriges Vorbringen ergänzend vor: Der Kläger sei, was die Unfallanzeige angehe, an sein Vorbringen im ersten Rechtszug, das als Geständnis zu werten sei, gebunden. Zudem habe der Kläger an dem Tage, an dem der Versicherungsantrag gestellt worden sei, einen Scheck der Versicherung über Krankentagegeld für das Unfallereignis vom 20. März 1996 eingelöst. Dann habe er aber entgegen den Angaben im Antragsformular die Versicherungsnummer der R Versicherung noch gekannt.
Des weiteren könne der Kläger schon deshalb nicht Versicherungsleistungen beanspruchen, weil er das Unfallereignis freiwillig erlitten habe. Dafür sprächen die gesamten Umstände. Die Unfallschilderung des Klägers sei nicht mit der Art der Unfallverletzung in Einklang zu bringen. Außerdem habe der Kläger schon alsbald nach Einlieferung ins Krankenhaus auf die Amputation seines linken Fußes gedrängt. Auffällig sei, daß der Kläger zu hohen Versicherungssummen bei mehreren Versicherern versichert sei. Des weiteren belaste den Kläger, daß er jeweils dem anderen Versicherer das Bestehen einer dritten Versicherung verschwiegen habe. Schließlich sei die Häufung von Unfallereignissen kurz nach Abschluß von Versicherungsverträgen, so schon im Oktober 1991, im März 1996 und im Mai 1996, auffallend.
Mit Schriftsatz vom 17. April 1998, dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers zugestellt am 21. April 1998, hat die Beklagte mit Rücksicht auf den anhängigen Rechtsstreit den Versicherungsvertrag vorsorglich gekündigt und zugleich Hilfswiderklage erhoben mit dem Antrag, festzustellen, daß das Versicherungsverhältnis zwischen den Parteien einen Monat nach Zustellung dieses Schriftsatzes endet.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 5. Mai 1998 hat der Kläger den Hilfswiderklageantrag anerkannt.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen W und den Kläger im Termin angehört.
Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme und aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung hat in der Sache teilweise Erfolg.
Dem Feststellungsbegehren ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang stattzugeben, während der Zahlungsantrag ohne Erfolg bleibt.
1. Das Feststellungsbegehren des Klägers, das gemäß § 256 ZPO schon deshalb zulässig ist, weil die Beklagte das Fortbestehen des Vertrages über den Termin ihres Rücktritts vom 18. Juli 1996 hinaus bestreitet, ist in der Sache begründet. Der Vertrag ist weder durch Rücktritt noch durch Anfechtung wegen arglistiger Täuschung, die die Beklagte mit Schreiben vom 18. Juli 1996 erklärt hat, erloschen. Er ist erst durch die Kündigungserklärung der Beklagten im Schriftsatz vom 17. April 1998 mit Wirkung zum 21. Mai 1998 beendet worden. Der Senat wertet das vom Kläger im Termin erklärte Anerkenntnis der Hilfswiderklage zugleich dahin, daß der Kläger den weitergehenden Feststellungsantrag nicht mehr verfolgen wolle. Insoweit ist von einer Teilklagerücknahme auszugehen (§ 269 ZPO).
Das Feststellungsbegehren ist mit der vom Kläger vorgenommenen zeitlichen Beschränkung begründet.
a) Die Voraussetzungen für einen Rücktritt nach § 16, 17 VVG liegen nicht vor. Der Kläger hat nämlich, die Richtigkeit des Vorbringens der Beklagten unterstellt, die vorvertragliche Anzeigepflicht nicht verletzt.
Im Versicherungsantrag hat er die Frage Nr. 1 "Leiden Sie an Krankheiten oder Gebrechen? Haben Sie schon Körperverletzungen durch Unfälle oder aus anderen Ursachen erlitten?" zutreffend bejaht. Darunter fiel zweifellos der Unfall vom Oktober 1991 wie auch der Unfall vom 20. März 1996. Mit der Bejahung der Unfälle hatte der Kläger seine Informationspflicht erfüllt. Denn die anschließende Frage "Wenn ja, an welchen?", die der Kläger mit "linke Hand bewegungsbehindert" beantwortet hat, war ebenfalls zutreffend und vollständig beantwortet. Diese Frage bezog sich nämlich nicht auf vorangegangene Unfälle, wie die Beklagte meint, sondern auf Krankheiten oder Gebrechen, auf die sich die erste Frage bezog. Dies wird durch den grammatikalischen Bezug "an welchen?" eindeutig zum Ausdruck gebracht. An Krankheiten oder Gebrechen litt der Kläger unstreitig aufgrund des Unfalls vom 20. März 1996 nicht mehr. Dieser war vollständig ausgeheilt (vgl. Attest GA 21). Allerdings darf der Versicherungsnehmer sich nicht auf den Wortlaut einer Frage berufen, wenn ihr Sinn unmißverständlich über den Wortlaut hinausgeht (vgl. BGH VersR 1993, 828). So liegen die Dinge hier aber nicht. Denn die letzte Teilfrage war durchaus sinnvoll nur in Verbindung mit der ersten Teilfrage. Dem Versicherer konnte es, für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer wie den Kläger erkennbar, ohne weiteres nur noch um Krankheiten und Gebrechen im Sinne von Dauerfolgen eines möglicherweise zuvor erlittenen Unfalls gehen. Dann war aber die Antwort zutreffend.
Die Frage Nr. 2 hat der Kläger allerdings unvollständig beantwortet, weil er lediglich als weitere bestehende Unfallversicherung diejenige beim L angegeben hat. Dies war der Beklagten aber ohne weiteres erkennbar, weil aus der Frage Nr. 3 deutlich hervorging, daß bei der R Versicherung eine weitere Unfallversicherung zumindest bestanden hatte, was vom Inhalt der Frage Nr. 2 umfaßt war. Zudem ist unstreitig, daß der Agent M als Auge und Ohr der Beklagten (vgl. BGHZ 107, 322; 102, 194) vom Kläger über den Unfall vom 20. März 1996 informiert worden war. Streitig ist nur, inwieweit dies geschehen ist (vgl. GA 5, 196), ob der Kläger den Unfall insbesondere bagatellisiert hat. Dann konnte sich aber die im Versicherungsantrag angegebene Kündigung nach dem Schadensfall auf dieses Unfallereignis beziehen.
Jedenfalls ergab sich aus der Erwähnung beider Versicherungen eine Pflicht zur Rückfrage der Beklagten, wenn sie von einer vollständigen und richtigen Beantwortung der Frage Nr. 2 den Abschluß des Versicherungsvertrages abhängig machen wollte. Daß die Versicherung "nach Schadensfall gekündigt" war, mußte keineswegs bedeuten, daß dieser Vertrag bereits beendet war und nicht noch bis zum Ablauf der Kündigungsfrist fortbestehen konnte. Soweit der Agent hinzugefügt hat, "V.-Nr. nicht mehr bekannt", spricht zwar im Hinblick auf die am selben Tage vom Kläger vorgenommene Einlösung des Schecks für Krankentagegeldleistungen der R Versicherung viel dafür, daß diese Angabe des Klägers falsch war. Sicher läßt sich dies aber nicht feststellen, weil eine aus vielen Stellen bestehende Versicherungsnummer kaum jemandem in Erinnerung bleibt. Allerdings hat die Beklagte auch behauptet, der Kläger habe erklärt, über keine Unterlagen zu verfügen (GA 198). Die in bezug genommene Passage auf Seite 10 der Klageerwiderung nebst Beweisangebot (GA 43) enthält die Behauptung, der Kläger habe dem Zeugen M erklärt, über keine Unterlagen zu verfügen, ersichtlich nicht. Schließlich kam es der Beklagten ausweislich des Antragsformulars (GA 51) auf mündliche Erklärungen des Versicherungsnehmers überhaupt nicht an. Ausschließlich an schriftliche Angaben wollte sich die Beklagte gebunden fühlen.
Im übrigen war zu Frage Nr. 3 nach der Versicherungsschein-Nr. gar nicht gefragt worden. Unter diesen Umständen hätte die Beklagte zur Ergänzung der Antworten zu Frage Nr. 2 nachfragen müssen und durfte sich nicht einen Rücktrittsgrund "auf Lager" legen. Vielmehr ist der Versicherer dem künftigen Versicherungsnehmer im Sinne einer Risikoprüfungsobliegenheit gegenüber gehalten, Rückfragen zur Abrundung seines bereits gegebenen Kenntnisstandes sofort und nicht erst nach dem Versicherungsfall zu stellen (vgl. BGH VersR 1995, 80, 81). Da die Beklagte unstreitig Nachfrage nicht gehalten hat, kann sie ihren Rücktritt nicht mit Erfolg darauf stützen, daß der Kläger ihr die bei der R Versicherung noch bestehende Unfallversicherung nicht angezeigt hat.
Allerdings ist der Versicherungsnehmer nach § 16 Abs. 1 Satz l VVG auch ohne ausdrückliche Fragen des Versicherers gehalten, bei Schließung des Vertrages alle ihm bekannten Umstände, die für die Übernahme der Gefahr erheblich sind, dem Versicherer anzuzeigen. Insoweit kommt der von der Beklagten unter Beweis gestellte Umstand, der Kläger habe Umfang und Ausmaß des Vorunfalls vom 20. März 1986 dem Agenten M verschwiegen, in Betracht. Einer Verletzung der Anzeigepflicht steht hier jedoch § 18 VVG entgegen, weil, wie zuvor schon ausgeführt worden ist, nach Art und Umfang des Vorunfalls in dem Antragsformular gerade nicht schriftlich gefragt worden war.
Daß der Kläger den Unfall indessen arglistig verschwiegen hätte, läßt sich nicht feststellen. Dabei kann unterstellt werden, daß der Kläger das Unfallereignis bagatellisiert hat. Indessen läßt sich nicht feststellen, daß er mit der Gefahrerheblichkeit rechnete. Denn der Bescheinigung des St. V-Hospitals vom 22. August 1996 (GA 21) ist zu entnehmen, daß die Behandlung am 24. April 1996 abgeschlossen war, weil alle Zeichen der Sprunggelenks- und Unterschenkelprellung sowie der Distorsion des Sprunggelenkes ausgeheilt waren. Eine Bewegungseinschränkung im Sprunggelenk bestand nicht mehr. Es lagen auch keine Beschwerden mehr vor. Unter diesen Umständen konnte der Kläger von der Bedeutungslosigkeit des Unfallereignisses für den Abschluß eines neuen Vertrages über- zeugt sein, auch wenn das Unfallereignis einen elftägigen Krankenhausaufenthalt zur Folge gehabt hatte.
b) Im Hinblick auf das Verhalten des Klägers läßt sich auch nicht annehmen, daß er die Beklagte beim Vertragsabschluß arglistig getäuscht hat. Er hat keine unrichtigen, sondern allenfalls unvollständige, insoweit aber widersprüchliche An- gaben gemacht, die nicht Grundlage der arglistigen Täuschung sein können (§§ 123 BGB, 22 VVG).
2. Die Klage ist jedoch unbegründet, soweit sie auf Zahlung einer Versicherungsentschädigung von 224.125 DM gerichtet ist.
Ein bedingungsgemäßer Unfall ist dem Kläger auch nach Auffassung der Beklagten widerfahren, weil er die Quetschverletzungen an seinem linken Fuß unzweifelhaft durch äußere Einwirkungen im Sinne von § 1 III AUB 94 (GA 45 ff.), die dem Versicherungsverhältnis unstreitig zugrundeliegen, erlitten hat.
Ob damit schon der Versicherungsfall im Sinne der Bedingungen dargelegt ist, mag zweifelhaft sein. Der Anspruchsteller muß im Streitfall den Richter davon überzeugen, daß ein Unfallereignis stattgefunden hat, daß die Gesundheitsbeschädigung eingetreten ist und daß das Unfallereignis für die Gesundheitsbeschädigung kausal war (vgl. BGH VersR 1987, 1007). Welches Beweismaß besonders im Falle eines Anzeichenbeweises erfüllt sein muß, ist Sache der persönlichen Gewißheit des Tatrichters. Allerdings räumt das Gesetz dem Versicherungsnehmer eine bedeutsame Beweiserleichterung ein. Nach § 180 a Abs. 1 VVG wird die Unfreiwilligkeit der Gesundheitsbeschädigung vermutet, es sei denn, der Versicherer beweise das Gegenteil. Damit ist die Beweislast für alle Merkmale des Unfallbegriffs geregelt, soweit diese Unfreiwilligkeit erfordern. Weitere Verschiebungen des Eintrittsrisikos zu Lasten des Versicherers legt die Interessenlage der Parteien im Hinblick auf das bedingungsgemäße Risiko des Versicherungsvertrags aber nicht nahe (BGH a.a.O.).
Danach steht hier schon nicht der Hergang des Ereignisses fest, das nach Darstellung des Klägers für seine Gesundheitsbeschädigung - Quetschung des linken Fußes - ursächlich geworden ist.
Einen Augenzeugen für das Unfallgeschehen gibt es nicht. Der Zeuge W, Sohn des Klägers, hat allerdings bekundet, während er abseits in den Büschen des Parkplatzes an der Autobahn A. uriniert habe, habe er seinen Vater schreien hören. Danach habe er noch einen großen LKW mit grauer Plane wegfahren sehen. Sein Vater habe hinter dem PKW verdeckt gelegen; er habe ihn dann mit verdrehtem linken Fuß gefunden. Da der Zeuge außerdem bekundet hat, sein Vater sei zuvor unverletzt gewesen, muß nach Darstellung des Zeugen der Unfall während der kurzfristigen Abwesenheit des Zeugen vom PKW stattgefunden haben.
An der Richtigkeit der Aussage des Zeugen W hat der Senat jedoch erhebliche Zweifel. Sieht man einmal davon ab, daß der Kläger durchgehend behauptet hat, er habe aufgrund des mit großen Schmerzen verbundenen Geschehens keine konkrete Erinnerung an den Unfallablauf und könne sich nur auf Schlußfolgerungen beschränken, was der Kläger auch bei seiner Anhörung vor dem Senat bekräftigt hat ("Wie es dann passiert ist, kann ich nicht mehr sagen; da fehlt mir etwas."), so ist doch festzustellen, daß der Kläger entgegen seiner durchgehend aufrechterhaltenen Behauptung, auf dem Autobahnparkplatz "S" angefahren worden zu sein, als er dem Fahrzeug den Rücken zugekehrt habe, in anderer Weise den Unfall erlitten haben muß. Der Kläger selbst hält es für möglich, daß er sich, nachdem er ein Klappergeräusch an dem Fahrzeug wahrgenommen hatte, gebückt oder hingekniet hat und dabei den linken Fuß nach hinten vom Körper weg herausgestreckt hat, so daß dieser in exponierter Stellung überfahren werden konnte, ohne daß weitere Körperpartien verletzt wurden. Dabei mag durchaus, was der Kläger durch Sachverständigenbeweis unter Beweis stellt, unterstellt werden, daß sich Patienten nach schweren Unfällen an den genauen Unfallablauf nicht erinnern können oder Erinnerungslücken haben.
Entscheidend ist nämlich, daß der von einem weiteren Unfallversicherer (L) beauftragte Rechtsmediziner Prof. Dr. B - insoweit vom Kläger unwidersprochen - dargelegt hat, daß sich das am linken Fuß des Klägers festgestellte Verletzungsmuster mit der Überrollung durch einen LKW zwar durchaus vereinbaren lasse, daß sich diese Überrollung aber nicht so ereignet haben könne, wie sie der Kläger ihm geschildert habe (Gutachten Seite 27 unten - Anlage zu GA 232 - und GA 243 ff.). Vielmehr muß die Quetschung vom Fußrücken her, also bei einem mit der Sohle auf einer Unterlage stehenden Fuß, erfolgt sein. Auch die Knochensprengung am vorderen Rand der Gelenkfläche des Schienbeins spricht für eine Quetschung vom Fußrücken her. Die Weichteilverletzungen mit der ausgedehnten Unterminierung der Haut sind in diesem Zusammenhang durch eine gleichzeitig tangential zur Haut wirkende Kraft erklärbar. Es ist daher zwar durchaus möglich, daß die Verletzung des linken Fußes durch Überrollung eines Fahrzeugs erfolgt ist. Einen Schadenshergang, der für die Quetschung des linken Fußes, wie sie der Gutachter beurteilt hat, ursächlich geworden sein könnte, hat der Kläger aber weder gegenüber dem Gutachter (vgl. GA 243 ff.) noch im Verlaufe des Rechtsstreits geschildert. Während er nämlich dem Sachverständigen erklärt hat, er sei von dem LKW angefahren worden, als er gestanden habe, ohne daß er sagen könne, wo genau er gestanden habe, hat er während des Rechtsstreits gemutmaßt, er habe sich hinter seinem Fahrzeug hingekniet und dabei den linken Fuß nach hinten vom Körper weg gestreckt. Beide Darstellungen lassen sich jedoch mit den objektiven Feststellungen des Gutachters B nicht vereinbaren.
Nach den Ausführungen des Gutachters treten die bei dem Kläger festgestellten knöchernen Verletzungen mit einem Bruch des Sprung- und Fersenbeins sowie einer subtalaren Luxation typischerweise bei einem Sprung aus größerer Höhe auf, ein Geschehen, das hier auch nach der Unfalldarstellung des Klägers ausscheidet, oder, wenn auf den am Boden stehenden Fuß vom Fußrücken her auf die Fußwurzel eine quasi statische oder dynamische Gewalteinwirkung erfolgt. Auch in diesem Fall ergibt sich eine Belastung, die derjenigen beim Sprung aus der Höhe entspricht, so daß auch hierbei Brüche des Sprung- und Fersenbeins entstehen können. Auch der ärztlicherseits beschriebene Verrenkungsbruch zwischen dem Os cuneiforme mediale und laterale läßt sich durch eine gewaltsame Abplattung des Fußgewölbes erklären, die durch eine den Fußrücken treffende Gewalteinwirkung verursacht wird (Gutachten Seite 29). Dies ist aber nur denkbar, wenn der Körper des Klägers dem Fahrzeug nicht abgewandt, sondern zugewandt war. Dann ist es möglich, daß das Fahrzeug, ohne den Körper sonst zu verletzen (vgl. dazu Gutachen Seite 29 bis 31), den aufstehenden Fuß überrollt hat. Soweit der Kläger dazu auf erhebliche Prellungen der linken Körperseite verweist, (GA 86), hat er dies noch dem Gutachter Prof. Dr. B gegenüber richtiggestellt (Gutachten Seite 31).
Hinzu tritt aber noch, daß der Gutachter Prof. Dr. B im Hinblick auf die Örtlichkeit und die Fahrweise des LKW erwartet hat, daß ein zwei- oder gar dreiachsiger LKW den linken Fuß nicht nur einmal, sondern zwei- oder dreimal überrollt hätte. Eine so starke Richtungsänderung des LKW auf der zur Verfügung stehenden Fahrbahnbreite des Parkplatzes, daß die Überrollung z.B. nur durch einen rechten Vorderreifen erfolgen konnte, ist bei der Fahrt eines LKW durch den Parkplatz kaum möglich (Gutachten Seite 32, 33; Fotos dazu im Anhang hinten in GA).
Im Hinblick darauf, daß der Fuß aufstehend überrollt worden sein muß, muß der Kläger, der zunächst dem LKW den Rücken zugekehrt hatte, durch einen einseitig treffenden Stoß gegen seinen Körper in eine Rotationsbewegung um 180 Grad versetzt worden sein (Gutachten Seite 23 unten, 24). Dies ist aber nach den Feststellungen des Sachverständigen auszuschließen. Zwar mag eine ausreichend höhe Kollisionsgeschwindigkeit noch angenommen werden, weil der Sohn des Klägers und auch der Kläger selbst das Fahrzeug haben zügig davon fahren sehen. Eine solche Geschwindigkeit, die die entsprechende Rotation hätte herbeiführen können, hätte aber zugleich zu einem Wegstoßen des Körpers des Klägers geführt mit der Konsequenz, daß der Angefahrene aus der Fahrspur des LkW befördert wird und eine Überrollung eines Körperteils nicht mehr möglich ist (Gutachten Seite 24). Zudem waren bei einem Anstoß, der eine Rotation um 180 Grad hätte bewirken können, erhebliche Verletzungen der Oberkörperpartie zu erwarten, die indessen nicht festgestellt worden sind (Gutachten Seite 31 oben).
Darüber hinaus erscheint dem Senat der Geschehensablauf, der zu dem Unfallereignis geführt haben soll, als konstruiert, auch wenn der Kläger und der Zeuge W ihn übereinstimmend geschildert haben. Es bedurfte nämlich einer ungewöhnlich großen Anzahl von Zufälligkeiten, damit es zu dem behaupteten Unfallereignis gerade auf dem kleinen Autobahnparkplatz "S" kommen konnte: Zunächst mußte die Fahrt an der Ausfahrt H der Autobahn A abgebrochen werden, weil weder der Kläger noch der Zeuge W den für die Durchführung des Auftrags erforderlichen Fotoapparat eingepackt hatten. Dann überkam den Zeugen W während der Rückfahrt das Bedürfnis, sein Geschäft sofort im Bereich der Autobahn zu erledigen, weshalb der Autobahnparkplatz S angefahren wurde. Während sich der Zeuge W zum Urinieren in das naheliegende Gebüsch entfernt hatte, verließ der Kläger sein Fahrzeug, um im Kofferraum nach seinem Musterkoffer mit Preislisten und anderen Unterlagen zu sehen. Daß er zuvor außer dem Fotoapparat den Aktenkoffer insgesamt oder Teile seines Inhalts vermißt hatte, hat der Kläger nicht behauptet. Insofern bestand im Hinblick darauf, daß der Zeuge W alsbald zu dem Fahrzeug zurückkehren würde und beide schon Zeit eingebüßt hatten, keine Veranlassung, daß Fahrzeug zu verlassen. Zufällig hatte sich während der Fahrt auch noch ein "Tickern" am Fahrzeug eingestellt, das dem Kläger Anlaß gab, sich hinter das Fahrzeug zu knien und bei ausgestrecktem Fuß unter den Wagen zu blicken. Eine derartige Häufung von Zufällen mag auftreten. Im Zusammenhang mit den Feststellungen des Gutachters B wirkt sie aber konstruiert, um das Unfallereignis als schlüssig erscheinen zu lassen.
Unter diesen Umständen ist schon nicht der Nachweis geführt, daß das vom Kläger geschilderte oder vermutete Geschehen für die konkret eingetretene Gesundheitsbeschädigung kausal geworden ist (vgl. BGH VersR 1987, 1007).
3. Jedenfalls hat die Beklagte aufgrund der Feststellungen des Gutachters B die Unfreiwilligkeitsvermutung des § 180 a VVG widerlegt. Kann sich nämlich der Unfall nur so ereignet haben, daß der Kläger den aufstehenden Fuß in exponierter Stellung einer Gewalteinwirkung ausgesetzt hat, so stellt dies schon ein ganz erhebliches Indiz dafür dar, daß das Unfallereignis nicht unfreiwillig zu einer Gesundheitsbeschädigung geführt hat, sondern daß der Kläger den gestrecken Fuß bewußt der äußeren Einwirkung ausgesetzt hat.
Hinzu kommt, daß der Kläger aufgrund der erheblichen Verletzungen seines linken Fußes von drei Unfallversicherern Leistungen in nicht unbeträchtlicher Höhe zu erwarten hatte.
Im vorliegenden Fall geht es im Falle von Invalidität um eine Versicherungssumme von 250.000 DM, die je nach Invaliditätsgrad bis zu 350 % Progression nach sich ziehen kann. Diese ergibt bei einem geltend gemachten Invaliditätsgrad von 45 % eine Erhöhung auf 85 %, mithin auf 212.500 DM allein für die Kapitalzahlung. Außerdem ist bei einem Invaliditätsgrad ab 50 % eine Unfallrente zugesagt. Hinzukommen 11.625 DM Krankenhaustage- und Genesungsgeld.
Bei der R Versicherung ist unstreitig eine Versicherungssumme von 400.000 DM vereinbart gewesen, aus der der Kläger für den hier in Rede stehenden Unfall bei einem Invaliditätsgrad von 45 % einen Kapitalbetrag von 180.000 DM zu beanspruchen hätte. Tatsächlich fordert der Kläger sogar 360.450 DM. Dies läßt ebenfalls auf die Vereinbarung einer Progressionsstaffel schließen.
Bei dem Versicherer L (L), Beklagter des Rechtsstreits 8 O 140/97 LG Duisburg, ist der Kläger zu einer Invaliditätssumme von 128.000 DM versichert und fordert aufgrund vereinbarter progressiver Invaliditätsstaffel zuzüglich Krankenhaustage- und Genesungsgeld 131.410 DM (BA 9, 10).
Insgesamt beläuft sich die Gesamtforderung des Klägers aufgrund des behaupteten Unfallereignisses auf 715.985 DM (GA 213).
Neben den hohen finanziellen Vorteilen, die für den Kläger mit einem Unfallereignis verbunden wären, fallen die zeitlichen Zusammenhänge auf, die zwischen dem Abschluß der Versicherung mit der Beklagten und dem Unfallereignis bestehen. Zwar hat der Kläger den Vertrag bei der Beklagten schon etwa vier Wochen vor dem behaupteten Unfallereignis beantragt. Mangels vorläufiger Deckung wußte er aber erst aufgrund des ihm übersandten Versicherungsscheins vom 20. Mai 1996, der ihm frühestens am 21. Mai 1996 zugegangen sein kann (GA 15), frühestens zwei Tage vor dem Unfallereignis, daß er Versicherungsschutz haben würde. Auf der anderen Seite lief der Versicherungsschutz bei der R Versicherung zum 30. Mai 1996 aus, nachdem dieser Versicherer dem Kläger mit Schreiben vom 24. April 1996, zugegangen am 26. April 1996, den Unfallversicherungsvertrag gekündigt hatte (GA 237, 238). Der Senat hält es nicht für Zufall, daß das "Unfallereignis" in den Zeitraum von nur neun Tagen fiel, die dem Kläger zur Verfügung standen, damit er in den Genuß der Versicherungssummen aller drei Unfallversicherer kam.
Hinzu kommt, daß der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat eingeräumt hat, per 1. Februar 1996 auch noch bei der Großhandels- und Lagerei-Berufsgenossenschaft in Essen Versicherungsschutz beantragt zu haben. Dabei wurden als Versicherungssumme nochmals 120.000 DM zugrundegelegt, die bei einer Invalidität von 40 % eine monatliche Rente von 2.666,67 DM ergeben würden, sofern der Kläger indem parallelen Rechtsstreit vor dem Sozialgericht Duisburg erfolgreich wäre.
Das Bestreben, sich Versicherungsschutz mehrerer Versicherer und in großem Ausmaß zu beschaffen, ist bei dem Kläger auch in der Vergangenheit schon zu beobachten gewesen. So versuchte er kurz vor dem Unfallereignis vom 20. März 1996 die Invaliditätssumme beim L am 23. Februar 1996 auf 250.000 DM mit Einschluß der Progression von 300 % aufzustocken (GA 37). Bei der Versicherung gelang es dem Kläger am 1. Februar 1996, die Versicherungssumme, die zwischenzeitlich auf 328.000 DM herabgesetzt worden war, wieder auf 400.000 DM, den ursprünglichen Kapitalbetrag, heraufzusetzen (GA 212). Hinzu kam der Versuch des Klägers vom 20. Februar 1996, Tagegeld- und Krankenhaustagegeldversicherungen abzuschließen (GA 212).
Ähnlich verhielt es sich schon vor dem Unfallereignis vom 5. Oktober 1991, aus dem der Kläger insgesamt Versicherungsleistungen von mehr als 900.000 DM bezogen hat (GA 37, 212). Am 27. September 1991 beantragte er beim L mit Versicherungsbeginn zum 1. Oktober 1991 den Abschluß der Unfallversicherung, aus derer schon fünf Tage später Leistungen in Anspruch nahm.
Die hohen finanziellen Vorteile, die dem Kläger aus den Unfallversicherungen zugeflossen sind oder die er durch entsprechende Vertragsgestaltungen anstrebte, können durchaus für eine Selbstverstümmelung das Motiv abgeben. Wie der Gutachter Prof. Dr. B ausgeführt hat, ist die Meinung, es sei psychologisch unwahrscheinlich, daß sich jemand für einen finanziellen Vorteil eine Verletzung beibringe, ja gelegentlich sogar eine Gliedmaße abtrenne, in der Fachliteratur nicht mehr vertreten. Mögen auch am häufigsten Selbstbeschädigungen im Finger- und Handbereich vorkommen, weil sich diese leichter durch den Versicherten selbst herbeiführen lassen, so ist es grundsätzlich nicht auszuschließen, daß auch an anderen Gliedmaßen Selbstbeschädigungen, die primär durch eine traumatische Amputation oder sekundär deshalb zum Verlust einer Gliedmaße führen, weil die Schwere der Verletzung eine Erhaltung des betroffenen Gliedes nicht gestattet, vom Versicherten herbeigeführt werden, mag auch ihre Häufigkeit, wohl im wesentlichen aufgrund technischer Schwierigkeiten, deutlich geringer sein (Gutachten Seite 20).
Des weiteren ist in diesem Zusammenhang von Bedeutung, daß der Kläger die Beklagte im Formularantrag vom 29. April 1996 zumindest nicht vollständig über die noch immer bestehende Unfallversicherung bei der Versicherung aufgeklärt hat, mag es auch der Beklagten oblegen haben, insoweit beim Kläger Rückfrage zu halten. Die ungenaue Beantwortung von Fragen der Beklagten setzt sich fort in der unvollständigen Schadensanzeige vom 28. Mai 1996, in der ein Hinweis auf die noch bestehende Versicherung bei der fehlt, mag der Kläger auch infolge der Einwirkungen von Unfallfolgen die Schadensanzeige nicht in vollem Bewußtsein der Unvollständigkeit unterzeichnet haben.
Nicht zuletzt spielt auch im Zusammenhang mit dem von der Beklagten zu führenden Freiwilligkeitsbeweis die zuvor schon hervorgehobene Häufung von Zufällen bei der Anbahnung des Unfallgeschehens eine Rolle. Dabei fällt zusätzlich auf, daß der Kläger und der Zeuge W nicht das nächstliegende Krankenhaus, St.-V-H in D, aufgesucht haben, sondern zum St. B in D-M gefahren sind. Angesichts der Schwere der Verletzung des Klägers ist es kaum nachzuvollziehen, daß der Kläger noch in der Lage gewesen sein will, Überlegungen darüber anzustellen, welches das für ihn geeignetere Krankenhaus sein könnte.
Insgesamt hält der Senat hiernach den Freiwilligkeitsbeweis durch die Beklagte für geführt. Es ist darüber hinaus nicht von Bedeutung, ob der Kläger gegenüber dem behandelnden Arzt Dr. B in auffälliger Weise schon im frühen Behandlungsstadium auf eine Amputation seines linken Fußes gedrängt hat, wofür der Inhalt des Protokolls, das der Gutachter B über ein Gespräch mit Dr. B aufgesetzt und von diesem hat gegenzeichnen lassen, spricht (GA 224).
Der Kläger vermag das Beweisergebnis auch nicht mit der Behauptung zu erschüttern, es sei ihm persönlich technisch unmöglich gewesen, sich die Verletzung selbst beizubringen. Dies mag durchaus als richtig unterstellt werden, weil die Verletzung durchaus mit Wissen und Wollen des Klägers dadurch zustandegekommen sein kann, daß eine weitere Person die Gewalteinwirkung auf den Fuß durch Überrollung mit einem Fahrzeug oder durch Belastung und Quetschung mit einem anderen schweren Gegenstand verursacht hat.
4. Bei diesem Beweisergebnis kommt es schließlich auch nicht darauf an, ob die Beklagte wegen Obliegenheitsverletzung des Klägers leistungsfrei ist.
5. Eine Entscheidung über die Hilfswiderklage der Beklagten erübrigt sich dadurch, daß der Kläger mit seinem Anerkenntnis, wie eingangs ausgeführt worden ist, konkludent die Feststellungsklage teilweise zurückgenommen hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92 Abs. 2, 269 Abs. 3 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Streitwert für die Berufungsinstanz: 226.933 DM (Zahlungsantrag 224.125 DM; Feststellungsbegehren 2.808 DM) Beschwer des Klägers: 224.125 DM; Beschwer der Beklagten: 2.808 DM.
BESCHLUSS
I. Auf Antrag der Beklagten wird das Urteil des Senats vom 9. Juni 1998 dahin berichtigt, daß auf S. 12 in den Zeilen 3 und 4 (das sind die Zeilen 10 und 11 der Kanzleifassung) der Satz "Dafür hat die Beklagte indes keinen Beweis angetreten" gestrichen wird.
II. Der Tatbestandsberichtigungsantrag des Klägers vom 3. Juli 1998 wird zurückgewiesen.
Gründe
Dem Antrag der Beklagten war zu entsprechen, weil sich der entsprechende Beweisantritt auf Seite 5 der Berufungserwiderung (GA 196) befindet.
Der Antrag des Klägers ist unbegründet, weil sich ein Bestreiten des Klägers, gegenüber dem Sachverständigen die von diesem seiner Bewertung zu Grunde gelegte Sachverhaltsschilderung abgegeben zu haben, in den Akten nicht findet. Dann ist aber die geltend gemachte Beanstandung der Passage in den Entscheidungsgründen nicht gerechtfertigt, weil die von dem Sachverständigen auf der Grundlage jenes Sachverhalts gezogenen Schlüsse vom Kläger nicht angezweifelt worden sind.
Ende der Entscheidung
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