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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 24.04.2001
Aktenzeichen: 4 U 169/00
Rechtsgebiete: AKB
Vorschriften:
AKB § 12 Nr. 1 I b |
- die Angaben zum Tatzeitraum in der Anzeige bei der Polizei und in der erst mehr als einem Monat später erstellten Schadensanzeige bei dem Versicherer differieren,
- ein Originalschlüssel sowie ein aus einem Originalrohling nachgefertigter Schlüssel vorgelegt worden sind und von letzterem nicht feststeht, daß er nicht zu den bei der Anlieferung des Fahrzeugs ausgehändigten Schlüsseln gehört,
- der Versicherungsnehmerin zwar in eineinhalb Jahren fünf Gebrauchtwagen gestohlen worden sind, bei denen die Schlüssel in einer verschlossenen Box am Fahrzeug angebracht waren, und danach noch zwei weitere Fahrzeuge, diese Diebstahlshäufung aber durch einen jährlichen Umsatz von ca. 1.000 Wagen relativiert wird und von dem Versicherer auch nicht zum Anlass genommen worden ist, den Versicherungsvertrag zu kündigen.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am 24. April 2001
In dem Rechtsstreit
pp.
hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 27. März 2001 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. S, des Richters am Oberlandesgericht Dr. W sowie des Richters am Landgericht S
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 18. Juli 2000 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf - Einzelrichter - abgeändert.
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 34.720,94 DM nebst 5 % Zinsen seit dem 7. November 1998 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung hat Erfolg.
Der Versicherungsfall - die Entwendung des bei der Klägerin zum Verkauf stehenden fabrikneuen Ford-Transit - ist bewiesen. Deshalb hat der Beklagte die der Höhe nach nicht bestrittenen Entschädigungsleistungen aus der Kraftfahrzeugversicherung zu erbringen.
1. Das äussere Bild der Entwendung ist von den vom Landgericht vernommenen Zeugen glaubhaft bestätigt worden. Davon geht auch das Landgericht aus. Dieser erleichterte Beweis genügt hier zum Nachweis der Entwendung des Fahrzeugs. Der Zeuge S - seinerzeit Verkaufsleiter der Klägerin - hat bestätigt (GA 112ff.), er habe eines Morgens bemerkt, dass der Platz, an dem das in Rede stehende Hochdach-Fahrzeug abgestellt gewesen sei, leer gewesen sei. Ihm würde es aufgefallen sein, wenn der Wagen dort schon am Vorabend nicht mehr gestanden haben würde. An genaue Daten konnte der Zeuge sich nicht erinnern, immerhin wusste er genau, noch am selben Tag veranlasst zu haben, dass der Zeuge B Diebstahlsanzeige bei der Polizei erstattete. Diese Aussage wird bestätigt durch die Angaben des Zeugen K (GA 111), der seinerzeit als Kraftfahrzeugmeister bei der Klägerin angestellt war. Auch nach dessen Bekundung war das Fahrzeug von einem Tag auf den anderen verschwunden; bis zur Anzeigenerstattung bei der Polizei könne keine längere Zeit verstrichen sein. Auch die Aussage der Zeugin V - seinerzeit Disponentin - passt ins Bild (GA 144), ebenso die Angaben des Zeugen B (GA 146). Dass die Zeugen keine Daten nennen konnten und auch Unstimmigkeiten bezüglich der Uhrzeit aufgetreten sind, zu der das Fahrzeug zuletzt gesehen und dessen Verschwinden dann bemerkt worden sei, ist mit einer verständlichen Ungenauigkeit der Erinnerung nach geraumer Zeit plausibel zu erklären. Die Zeugen berichten jedenfalls unzweifelhaft von ein und demselben Kerngeschehen, das den vorbezeichneten Ford-Transit betrifft.
2. Entgegen der Auffassung des Landgerichts muss die Klägerin nicht den Vollbeweis der Entwendung erbringen. Das wäre nur dann nötig, wenn eine erhebliche Wahrscheinlichkeit für eine bloße Vortäuschung spräche. Dies ist indes nicht der Fall:
a) Richtig ist zwar, dass die Klägerin in ihrer Schadenanzeige vom 25. September 1997 (GA 33) und dann auch in der Folgezeit angegeben hat, der Diebstahl habe sich in der Zeit vom 19. August abends bis zum 20. August morgens ereignet. In der von der Polizei unter dem Datum 22. August 1997 aufgenommenen Strafanzeige hingegen ist der Tatzeitraum eingegrenzt mit 20. August 1997, 12.00 Uhr, bis 22. August 1997, 8.30 Uhr (vgl. BA 13 UJs 7676/97 StA Aachen, Bl. 2). In diesem Widerspruch sieht der Senat jedoch kein auf eine Vortäuschung hindeutendes Indiz. Es fällt nämlich auf, dass die schriftliche Schadenanzeige, die zunächst an die Ford-Bank gerichtet wurde, erst über einen Monat nach der Entwendung erstellt worden ist. Die an den Beklagten gerichtete Schadenanzeige datiert erst vom 20. Oktober 1997 (GA 34) und trägt den Vermerk: "Verspätete Meldung, da Unterlagen versehentlich in der Buchhaltung abgeheftet". Aufgrund der zeitlichen Verzögerung mag es zu einer unrichtigen Angabe des Tatzeitraums gekommen sein. Bei der Klägerin, einem großen Autohaus, können naheliegend derartige. Meldungen zur geschäftsmäßigen Routine gehören, bei denen sich mangels persönlichem Betroffen-Seins des Ausfüllenden Fehler einschleichen können.
b) Auch aus dem Schlüssel-Komplex sind keine Umstände herzuleiten, die mit erheblicher Wahrscheinlichkeit auf eine Vortäuschung hindeuten. Es steht zwar fest, dass dem Beklagten und der Polizei nur ein Originalschlüssel, der vom Schlosshersteller stammt, vorgelegt worden ist, und dass es sich bei dem zweiten vorgelegten Schlüssel um einen aus einem Ford-Rohling mit übereinstimmendem Schlüsselkopf nachgefertigten Zweitschlüssel handelt. Daraus könnten jedoch nur dann Folgerungen zu Lasten der Klägerin gezogen werden, wenn feststünde, dass der Klägerin zwei andere als die vorgelegten Schlüssel bei Anlieferung des Fahrzeugs ausgehändigt worden waren. Davon jedoch ist mit der gebotenen Sicherheit nicht auszugehen:
Es ist zwar entsprechend der vom Sachverständigen Winter bei den Ford-Werken eingeholten Auskunft (GA 115/116) ungewöhnlich, dass das Werk ein Fahrzeug mit einem nachgefertigten Zweitschlüssel ausliefert, auszuschließen sei dies jedoch nicht. Dies entspricht den Erfahrungen des Senats, wonach es bisweilen vorkommt, dass ein Originalschlüssel im Werk in Verlust gerät und dann durch eine Nachfertigung ersetzt wird.
Des weiteren müsste es auch bei der Überprüfung der übergebenen Schlüssel im Hause der Klägerin nicht zwingend aufgefallen sein, dass der zweite Schlüssel ein Nachschlüssel war, und zwar auch nicht vor dem Hintergrund, dass der eine Schlüssel silberfarbig und der andere einen goldfarbigen Bart hatte (vgl. Fotos BA Bl. 36 u. lose in den Beiakten vor Bl. 35 liegendes Foto). Es ist nicht unplausibel, dass sich der mit der Abnahme des Fahrzeugs beschäftigte Zeuge O in erster Linie für die Übereinstimmung der Schließung interessiert hat und dass auch der Zeugin V, welche die Schlüssel dann in Verwahrung nahm (GA 145), farbliche Abweichungen nicht aufgefallen sind. Bei einer Vielzahl von Schlüsseln, wie sie in einem Autohaus im Umlauf sind, mag sich der Blick auf das Wesentliche konzentrieren, und das ist die Identität der Schließung.
Es ist mithin nicht widerlegt, dass die ausgehändigten Schlüssel exakt diejenigen sind, welche bei der Klägerin auch eingeliefert worden waren. Überdies hat die Überlegung der Klägerin einiges für sich, dass dann, wenn unredlicherweise ein Nachschlüssel im Hause der Klägerin gefertigt worden wäre, der Täter wohl eher das Original zurückgelegt haben würde als den andersfarbigen Nachschlüssel. Letztlich würde eine Manipulation anhand eines falschen Schlüssels und eine damit erfolgte Entwendung des Fahrzeugs als, echter und damit versicherter Diebstahl zu qualifzieren sein, wenn diese Handlung durch einen ungetreuen Mitarbeiter hinter dem Rücken der Betriebsleitung erfolgt wäre. Auch diese Möglichkeit muss in Betracht gezogen werden, zumal der Beklagte selbst die Geschäftsleitung eines Verschiebens des Wagens ausdrücklich nicht verdächtigt hat (GA 58). Entgegen der Rechtsmeinung des Beklagten würde ein solches Verhalten als Diebstahl und nicht etwa als unversicherte Unterschlagung zu qualifizieren sein.
c) Der weitere, auf den ersten Blick verdachterregende Umstand, dass die Klägerin innerhalb von eineinhalb Jahren fünfmal Opfer von Fahrzeugdiebstählen geworden ist (vgl. GA 30), wozu nach dem vorliegenden Fall noch zwei weitere hinzugetreten sind (GA 31), relativiert sich vor dem Hintergrund, dass die Klägerin jährlich ca. 1.000 Autos umschlägt. Zudem sind die früheren Diebstahlsfälle, die Gebrauchtfahrzeuge betroffen hatten, nachvollziehbar mit der damals verbreiteten Praxis erklärt, die Fahrzeugschlüssel in einer am Fahrzeug selbst angebrachten verschlossenen Box aufzubewahren, wodurch Diebe die Möglichkeit hatten, sich leicht in den Besitz der Schlüssel zu bringen. Der Beklagte selbst kann die Häufung von Diebstahlsfällen nicht als bedrohlich empfunden haben, sonst würde er den Versicherungsvertrag mit der Klägerin nicht fortgesetzt haben.
d) Dass die schriftliche Diebstahlsanzeige erst verzögerlich erstattet worden ist, reicht ebensowenig - auch bei einer Gesamtschau aller auffäligen Umstände - zur Begründung einer erheblichen Wahrscheinlichkeit aus wie die Tatsache, dass das streitgegenständliche Fahrzeug schon länger auf Lager stand und demzufolge möglicherweise nur schwer abzusetzen war.
2. Der Beklagte ist auch nicht unter dem Blickwinkel der Obliegenheitsverletzung leistungsfrei.
a) Auch wenn die Angaben in der Schadenanzeige zum Diebstalszeitraum falsch waren, folgt daraus nicht Leistungsfreiheit. Wie schon dargelegt, kommt allenfalls ein Versehen in Betracht, dass, sollte man es als grob fahrlässig einstufen wollen, doch letztlich keine Auswirkungen auf die Feststellung des Versicherungsfalls oder die Entschädigungshöhe gehabt hat.
b) Auch eine Verspätung der schriftlichen Schadenmeldung mag grob fahrlässig zu verantworten sein. Diese Verspätung aber hat sich ebenfalls ersichtlich auf die Ermittlungen zur Schadenfeststellung und zum Schadenumfang nicht ausgewirkt.
c) Dass in einer der Schadenanzeigen von einem "offenen" Betriebsgelände die Rede ist (GA 33), von dem das Fahrzeug gestohlen worden sei, ist nicht falsch. Offenes Betriebsgelände lässt sich als Gegensatz zu Halle oder Ausstellungsraum verstehen. Damit ist nicht zugleich gesagt, dass keine Schranken und Umzäunungen vorhanden gewesen seien.
d) Die von der Berufung als unzureichend bemängelte Angabe, als Zeugen für das Abstellen stünden "verschiedene Mitarbeiter" (GA 34) zur Verfügung, rechtfertigt ersichtlich nicht Leistungsfreiheit. Der Beklagte hätte nachfragen können.
3. Der Höhe nach ist die im Zinspunkt in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat reduzierte Klageforderung unbestritten. Der zugesprochene Zinssatz von 5 % rechtfertigt sich aus den §§ 288 Abs. 1 a.F. BGB, 352 HGB.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92, 269 Abs. 2, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision sind nicht erfüllt.
Berufungsstreitwert und Beschwer des Beklagten: 34.720,94 DM.
Ende der Entscheidung
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