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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 05.09.2000
Aktenzeichen: 4 U 180/99
Rechtsgebiete: VHB 84


Vorschriften:

VHB 84 § 11
Leitsatz:

§ 11 VHB 84, Geschäftsplanmäßige Erklärung zur Hausratversicherung

Erklären der Versicherungsnehmer und seine Ehefrau dem Versicherer, daß der Hausratversicherungsvertrag wegen ihrer bevorstehenden Scheidung ab denn Umzug der Ehefrau in eine neue Wohnung auf sie übergehen soll, so besteht der Versicherungsvertrag bis zum mitgeteilten Tag des geplanten Umzugs unverändert für die gemeinsame Wohnung fort mit der Folge, daß der Versicherungsnehmer, der vorher eine andere Wohnung bezieht, dort nach der geschäftsplanmäßigen Erklärung der Hausratversicherer Versicherungsschutz bis zum Umzugstermin der Frau hat.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

4 U 180/99 11 O 84/99 LG Düsseldorf

Verkündet am 5. September 2000

T., Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 15. August 2000 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. S, des Richters am Oberlandesgericht Dr. W und des Richters am Landgericht O

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 10. Juli verkündete Urteil der 1. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Düsseldorf abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 49.238 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 21. Oktober 1998 zu zählen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Der Kläger nimmt die Beklagte aus einer bei ihr seit 1994 unterhaltenen Hausratversicherung (VHB 84) in Anspruch.

Ursprünglich war der Kläger Versicherungsnehmer der Beklagten. Im Jahr 1998 bewohnte er mit seiner damaligen Ehefrau die Wohnung L straße in K. Der Mietvertrag wurde wegen der bevorstehenden Scheidung zum 31.8.1998 gekündigt. Der Kläger mietete mit Wirkung ab dem 1.7.1998 eine Wohnung im Hause in K, die Ehefrau ab dem 1.8.1998 eine Wohnung in K. Der Kläger und seine Ehefrau verständigten sich darauf, daß diese die Hausratversicherung übernehmen sollte.

Der Kläger schrieb unter dem 3.7.1998 an die Beklagte:

".. aufgrund unserer bevorstehenden Scheidung möchte ich Sie bitten, die o.gen. Verträge auf Frau M K H, K zu übertragen.

Sie ist damit einverstanden, daß bei gleichen Zahlungsbedingungen vom Bankkonto Nr. K BLZ abgebucht werden kann.

Die Anschrift von Frau M K gilt ab dem 01.09.1998. Bis zu diesem Zeitpunkt gilt die Ihnen bekannte Adresse.

Die neue Wohnung ist 74qm groß und erfordert eine Versicherungssumme von DM 90.000,--.

Sie liegt im 1. OG eines Mehrfamilienhauses im reinen Wohngebiet und hat ein bündig abschließendes Zylinderschloß..."

Das Schreiben ist auch von seiner Frau unterschrieben.

Der Kläger zog Mitte/Ende Juli 1998 in die Wohnung A um, seine Ehefrau am 29. August in ihre Wohnung H.

Am 8.8.1998 kam es in der neuen Wohnung des Klägers zu einem Brand, der einen (nicht von anderen Versicherern regulierten) Schaden in Höhe von 49.238 DM verursachte. (50.938 DM Gesamtschaden abzügl. 1.700 DM Zahlungen anderer Versicherer).

Unter dem 26.8.1998 lehnte die Beklagte eine Regulierung dieses Schadens ab und stellte sich auf den Standpunkt, aufgrund seines Schreibens vom 3.7.1998 habe zum Schadenszeitpunkt nur Versicherungsschutz für die Wohnung L straße in K bestanden.

Unter dem 04.09.1998 übersandte die Beklagte der Ehefrau des Klägers einen Nachtrag zum Versicherungsschein. Darin heißt es zum Ausfertigungsgrund:

"- Änderung der Versicherungssumme

- Änderung des Vertrags; Änderungsbeginn 01.09.1998".

Der Kläger meint, gemäß § 11 Abs. 1 VHB 84 habe zum Zeitpunkt des Schadenfalles Versicherungsschutz in der alten wie auch in seiner neuen Wohnung in K bestanden. Deshalb sei die Beklagte eintrittspflichtig.

Er hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 49.238 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 21.10.1998 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, aufgrund des Schreibens vom 3.7.1998 sei es zu einer sofortigen Vertragsübernahme durch die Ehefrau des Klägers gekommen.

Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Vertrag sei vor dem 8.8.1998 auf die Ehefrau des Klägers übertragen worden. Versicherungsschutz zugunsten des Klägers habe danach nicht mehr bestanden.

Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner form- und fristgerecht eingelegten Berufung.

Er trägt vor, eine Übertragung des Vertrages sei erst ab dem 1.9.1998 gewollt gewesen. Der Nachtrag vom 4.9.1998 mit Wirkung vom 1.9.1998 habe sich auch auf den Wechsel in der Person des Vertragspartners bezogen.

Der Kläger beantragt,

unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 49.238 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 21.10.1998 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt vor, Sinn und Zweck des Schreibens vom 3.7.1998 sei es gewesen, eine sofortige Vertragsübernahme herbeizuführen. Mit dem Schreiben habe der Kläger eindeutig erklärt, daß bis zum 31.8.1998 die Wohnung Lilienstraße und danach die neue Wohnung der Ehefrau versichert sein sollte.

Der Nachtrag vom 4.9.1998 habe sich lediglich auf die Versicherungssumme sowie das neue Versicherungsobjekt bezogen. Selbst wenn man annehmen wollte, der Kläger sei am 8.8.1998 noch Versicherungsnehmer gewesen, bestehe aber kein Versicherungsschutz, da nach seiner Erklärung seine eigene neue Wohnung nicht in den Vertrag einbezogen werden sollte. Deshalb genieße er aus der sogenannten geschäftsplanmäßigen Erklärung der Versicherer keinen Schutz.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg. Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung einer Brandentschädigung in Höhe von 49.238 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 21.10.1998 zu.

I.

Die Parteien sind sich darüber einig, daß es am 8.8.1998 in der Wohnung in K zu einem Brandschaden kam, für den die Beklagte nach den Versicherungsbedingungen in Höhe von 49.238 DM eintreten muß, wenn der Kläger zu dieser Zeit noch Versicherungsnehmer war.

II.

Davon geht der Kläger zu Recht aus und deshalb hat sich durch seinen Umzug aus der Wohnung L Straße in die Wohnung in K der Versicherungsschutz nach § 11 Abs. 1 VHB auf diese Wohnung verlagert.

1.

Durch das Schreiben des Klägers vom 3.7.1998 ist es nicht zu einer Vertragsübernahme durch seine Ehefrau mit Wirkung vor dem 1.9.1998 mit der Folge gekommen, daß der Kläger nicht mehr Vertragspartner war und keinen Versicherungsschutz mehr genoß.

Das Schreiben des Klägers vom 3.7.1998 kann schon nicht als Angebot auf sofortige Vertragsübernahme durch seine Ehefrau verstanden werden. Zwar enthält das Schreiben keine ausdrückliche zeitliche Vorgabe für den Vertragsübergang.

Aus Sinn und Zweck der abgegebenen Erklärung ergibt sich aber, daß eine Vertragsübernahme durch seine Ehefrau erst ab dem 1.9.1998 dem Willen des Klägers entsprach.

Denn im Vordergrund stand, daß der Ehefrau Versicherungsschutz in der alten ehelichen Wohnung erhalten bleiben und dieser sich auch in deren neuer Wohnung fortsetzen sollte. Zu diesem Zweck hatte der Kläger schon die neue, ab 1.9.1998 geltende, Adresse seiner Frau angegeben und die Größe der neuen Wohnung nebst der erforderlichen Versicherungssumme genannt. Dieses Interesse des Klägers erforderte vor dem 1.9.1998 keine Vertragsübernahme. Eine frühere Vertragsübernahme lief seinen Interessen sogar zuwider.

Durch die sogenannte geschäftsplanmäßige Erklärung der Versicherer (vgl. VerBAV 90, 179) war nämlich die von der Ehefrau des Klägers noch bis Ende August 1998 bewohnte eheliche Wohnung ohnehin auch nach Auszug des Klägers entgegen § 11 VHB ausnahmsweise noch vom Versicherungsschutz umfaßt, ohne daß es einer Vertragsänderung bedurfte.

Diese geschäftsplanmäßige Erklärung zur Hausratversicherung lautet:

"Bei Auszug des Versicherungsnehmers aus der Ehewohnung werden wir bis zu einer Änderung der Bedingungen künftig wie folgt verfahren:

Zieht bei einer Trennung von Ehegatten der Versicherungsnehmer aus der Ehewohnung aus und bleibt der Ehegatte in der bisherigen Ehewohnung zurück, so gilt als Versicherungsort die neue Wohnung des Versicherungsnehmers und die bisherige Ehewohnung. Dies gilt bis zu einer ändernden Vereinbarung, längstens jedoch bis zum Ablauf von drei Monaten nach der nächsten, auf den Auszug des Versicherungsnehmers folgenden Prämienfälligkeit. Danach besteht Versicherungsschutz nur noch in der neuen Wohnung des Versicherungsnehmers."

Geschäftsplanmäßige Erklärungen begründen - ähnlich wie privatrechtliche Verträge zugunsten Dritter - unmittelbar Rechte des Versicherungsnehmers oder mitversicherter Personen (BGH NJW 1988, 2734; Senat VersR 1994, 719; Martin, r + g 1990, 181, 182).

Danach bestand - ohne Vertragsänderung - nach Umzug des Klägers für die Wohnung gemäß § 11 VHB Versicherungsschutz. Daneben genoß die Ehefrau Versicherungsschutz aufgrund der geschäftsplanmäßigen Erklärung für die bisherige Ehewohnung L Straße. Dieser bestand für beide Wohnungen auch noch zur Zeit des Schadenfalles am 8.8.1998, da die nächste Prämienfälligkeit erst am 1.1.1999 eintrat (GA 16).

Erst durch den Auszug der Ehefrau, der zum 1.9.1998 geplant war, wurde eine Änderung der Vertragsverhältnisse erforderlich, da nur dann, wenn die Ehefrau Vertragspartnerin wurde, sich der Versicherungsschutz auch auf ihre neue Wohnung erstreckte, § 11 VHB. Insoweit bietet die geschäftsplanmäßige Erklärung ihr nämlich keinen Schutz, da der ausziehende Ehegatte, der nicht Versicherungsnehmer ist, auch nach der geschäftsplanmäßigen Erklärung keinen Versicherungsschutz in der neuen Wohnung genießt.

Betrachtet man das persönliche Interesse des Klägers, entzog ihm eine Vertragsübernahme vor dem 1.9.1998 den nach Auszug auch für seine neue Wohnung A bestehenden Versicherungsschutz und verursachte noch vor dem Umzug den Zwang, sich für einen neuen Hausratversicherer zu entscheiden, ohne daß dies unbedingt erforderlich war, § 11 VHB.

Die Beklagte hingegen durfte nicht annehmen, daß der Kläger schon über Versicherungsschutz eines anderen Versicherers verfügte, da das Schreiben vom 3.7.1998 dafür keinerlei Anhaltspunkt bietet. Dieses Schreiben nennt zwar schon die neue Adresse des Klägers, läßt aber keinen Rückschluß darauf zu, daß der Kläger bereits einen neuen Versicherungsvertrag abgeschlossen hatte. Zudem stellte der Kläger keinerlei Abrechnungsverlangen, verlangte die bereits erfolgte Prämienzahlung für das zweite Halbjahr 1998 nicht einmal teilweise zurück, obwohl die Prämie gerade erst fällig und eingezogen worden war (GA 71). Wollte der Kläger aber der Beklagten die gesamte von ihm gezahlte Prämie noch belassen, kann auch angenommen werden, daß er von der Beklagten noch - soweit möglich - die gesamte vertragliche Leistung erwartete.

Es gab danach insgesamt keinen Anhaltspunkt für die Beklagte, daß eine Vertragsübernahme schon vor dem 1.9.1998 Sinn und Zweck der Erklärung vom 3.7.1998 sowie der Interessenlage des Klägers und seiner Frau entsprach.

2.

Offensichtlich hat die Vertragsabteilung der Beklagten das Schreiben vom 3.7.1998 auch so verstanden, da sie keine auf den Zeitraum vor dem 1.9.1998 bezogene Vertragsänderung dokumentiert hat. Auf das Schreiben des Klägers hat die Beklagte nämlich seiner geschiedenen Ehefrau am 4.9.1998 ab "Änderungsbeginn 1.9.1998" einen Versicherungsschein für deren neue Wohnung erteilt. Bis zum 1.9.1998 galt der bisherige Vertragszustand, d.h. die Adresse L Straße. Danach kam dem Kläger auch aus Sicht der Beklagten bis Ende August 1998 noch § 11 VHB 84 zugute, während die Ehefrau des Klägers aufgrund der geschäftsplanmäßigen Erklärung Versicherungsschutz in der bisherigen Ehewohnung genoß.

3.

Der Anspruch auf Ersatz der Verzugszinsen ergibt sich aus den §§ 284, 286, 288 BGB.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Zur Zulassung der Revision besteht gemäß § 546 Abs. 1 ZPO kein begründeter Anlaß.

Streitwert für die Berufungsinstanz und Beschwer der Beklagten: 49.238 DM.

Ende der Entscheidung

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