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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 10.06.2003
Aktenzeichen: 4 U 200/02
Rechtsgebiete: BB-BUZ


Vorschriften:

BB-BUZ § 2
Ein Versicherungsnehmer, der zunächst geschäftsführendes Vorstandsmitglied einer von einer Landesregierung initiierten Aktiengesellschaft für Beratungen und Qualifizierungsmaßnahmen "rund um Multimedia" war und danach aufgrund eines Beratungsvertrages mit der Landesregierung ähnliche Tätigkeiten entfaltete, ist als berufsunfähig anzusehen, ohne dass es einer näheren Klärung seines Tätigkeitsfeldes und daran etwa anknüpfender Verweisungsmöglichkeiten bedarf, wenn er aufgrund von Hirninfarkten und einer Belastungsinsuffizienz des Herzens jedweder Managertätigkeit schon ganz allgemein nicht mehr gewachsen ist.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

4 U 200/02

Verkündet am 10. Juni 2003

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 13. Mai 2003 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. S... sowie der Richter am Oberlandesgericht Dr. W... und Dr. R...

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 9. August 2002 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf - Einzelrichter - wird zurückgewiesen.

Der Urteilstenor wird zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger

1.

aus der Lebensversicherung mit Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (Vers.-Nr. ...) beginnend ab dem 1. Oktober 1998 bis längstens zum 31. August 2018 eine jährliche Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von 4.908,40 € (= 9.600 DM) in jeweils vierteljährlich im voraus zu entrichtenden Teilbeträgen von 1.227,10 € (= 2.400 DM),

2.

aus der Lebensversicherung mit Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (Vers.-Nr. ...) beginnend ab dem 1. Oktober 1998 bis längstens zum 31. Juli 2017 eine jährliche Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von 6.135,50 € (= 12.000 DM) in jeweils vierteljährlich im voraus zu entrichtenden Teilbeträgen von 1.533,88 € (= 3.000 DM) und

3.

aus der Lebensversicherung mit Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (Vers.-Nr. ...) beginnend ab dem 1. Oktober 1998 bis längstens zum 1. Dezember 2018 eine jährliche Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von 9.355,11 € (= 18.297 DM) in jeweils vierteljährlich im voraus zu entrichtenden Teilbeträgen vvon 2.338,78 € (= 4.574,25 DM

zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Berufsunfählgkeitsrenten zuzüglich der sich jeweils ergebenden Überschussbeteiligungen auszuzahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits fallen der Beklagten zur Last.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird gestattet, die Zwangsvollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Urteilsbetrags abzuwenden, sofern nicht der Kläger seinerseits Sicherheit in Höhe von 120 % der jeweils von ihm zu vollstreckenden Summe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger unterhält bei der Beklagten mehrere Lebensversicherungen mit jeweils einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung. Im vorliegenden Rechtsstreit geht es um Leistungen aus drei 1982 (GA 62 i)), 1984 (GA 62 b)) und 1986 (GA 62 f) ) abgeschlossenen Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherungen. In der Parallelsache 11 O 222/99 LG Düsseldorf = 4 U 199/02 OLG Düsseldorf (im folgenden: BA) streiten die Parteien um Ansprüche aus einer weiteren Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung aus 1996.

Der Kläger hat behauptet, seit September 1998 (vgl. GA 4: "Entlassung aus dem Krankenhaus in E...", das war der 9.9.1998, Hefter I Bl. 25 d. BA) wegen im Herbst 1997 sowie im Mai 1998 erlittener Hirninfarkte sowie wegen einer Herzerkrankung berufsunfähig (Versicherungsbedingungen = BUZ vgl. GA 23 ff.) zu sein. Er habe seine Berufstätigkeit als geschäftsführender Gesellschafter der d... (= D... C... C...) GmbH seitdem dauerhaft nicht mehr wahrnehmen können. Gegenstand seiner beruflichen Tätigkeit in der der d... GmbH - die als persönlich haftende Gesellschafterin der d... GmbH & Co KG fungierte (vgl. GA 524) - sei die Unternehmensberatung in Fragen gewesen, welche neuen Medien sinnbringend nutzbar zu machen seien. Qualitatives Hauptmerkmal seien seine Fähigkeit und sein Bemühen gewesen, immer auf dem neuesten Stand der Entwicklung zu sein (vgl. Schreiben v. 18.12.1998, BA 159 ff., ferner "Beschreibung einer willkürlichen Arbeitswoche", BA Bl. 354 ff.). Dem sei er nicht mehr gewachsen, weil u. a. sein Kurzzeit-Gedächtnis schwer geschädigt sei und er wegen der Herzerkrankung jegliche Belastungs- und Stress-Situation vermeiden müsse.

Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von Berufsunfähigkeitsrenten in Höhe von jeweils jährlich 9.600 DM, 12.000 DM sowie 18.297 DM verurteilt und überdies festgestellt, dass die Beklagte auch zur, Ausschüttung der Überschussanteile verpflichtet sei. Wegen der Einzelheiten, insbesondere wegen der vom Landgericht getroffenen Tatsachenfeststellungen, wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Mit ihrer Berufung beanstandet die Beklagte, der Kläger habe seine Berufstätigkeit, wie er sie zuletzt verrichtet gehabt habe, nach wie vor nicht substantiiert. Es bleibe offen, womit sich der Kläger für die d... KG - außer der angeblichen und bestrittenen Beratertätigkeit für die Landesregierung N...-W... und jedenfalls nach dem Auslaufen dieser Beratertätigkeit (vgl. BA Bl. 463 ff.) - beschäftigt habe. Das Landgericht habe den Kläger nicht allein aufgrund von dessen Angaben im Rahmen seiner richterlichen Anhörung (BA Bl. 514) als Berater in Sachen "neue Technologien" einstufen dürfen. Ihr, der Beklagten, sei es wegen der jeder Konkretisierung entbehrenden Darstellung des Klägers nicht möglich gewesen, sich im einzelnen mit den Behauptungen auseinanderzusetzen. Das Landgericht habe den Kläger überdies zu Unrecht für uneingeschränkt glaubwürdig gehalten. Auch sei die behauptete Berufsunfähigkeit nicht bewiesen. Die in der Parallelsache eingeholten Gutachten (BA Bl. 369 ff. u. Bl. 394 ff.) seien nicht aussagekräftig, weil die Gutachter sich nicht an einem zutreffenden und konkreten Berufsbild des Klägers zu orientieren in der Lage gewesen seien. Schließlich werde der Einwand der Leistungsfreiheit wegen Verletzung der Mitteilungsobliegenheiten des § 10 BUZ, gestützt auf unzureichende Beschreibung des Berufsbilds, aufrechterhalten.

Die Beklagte beantragt,

die Klage unter Abänderung des angefochtenen Urteils insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Berufsunfähigkeitsrente nur längstens bis zu den im angefochtenen Urteil genannten Endterminen begehrt werde.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die Berufung ist unbegründet.

Die Beklagte wendet sich ohne Erfolg dagegen, dass das angefochtene Urteil die Voraussetzungen für ihre Leistungsverpflichtung aus den streitgegenständlichen Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherungen für bewiesen gehalten hat. Die Feststellungen des Landgerichts sind für den Senat gem. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO bindend. Konkrete Anhaltspunkte nämlich, die Zweifel an der Richtigkeit insbesondere der Feststellung erwecken, dass der Kläger ab 1. Oktober 1998 zu mindestens 50 % berufsunfähig ist, sind nicht ersichtlich.

Es ist nicht zu beanstanden, dass das Landgericht das maßgebliche Berufsbild des Klägers für ausreichend dargelegt und bewiesen erachtet hat. Der Kläger hat eine Fülle von Unterlagen zu den Akten gereicht, die belegen, dass er ab August 1996 (vgl. BA 11 O 222/99 LG D'dorf. = I-4 U 199/02 OLG D'dorf., Hefter II Bl. 1 ff.) geschäftsführendes Vorstandsmitglied der "T... N... AG" war. Dieses vom Land N...-W... initiierte Unternehmen bot Beratungen und Qualifizierungsmaßnahmen "rund um Multimedia" an (erwähnter Hefter Bl. 1 u. Bl. 22). Im Zuge der Umstrukturierung von "T.... N... AG" in eine GmbH übernahmen de facto der Kläger, de jure die vom Kläger betriebene d... GmbH &.Co. KG die Aufgabe, für die Übergangsphase die Kontinuität der Tätigkeiten zu wahren. Dies ist belegt durch das Angebotsschreiben des Klägers vom 1. Juli 1997 (erwähnte BA Hefter II Bl. 26) i.V.m. dem Beratervertrag vom 3./17. November 1997 (BA Bl. 464 ff.). Die von der Beklagten nach wie vor. bestrittene Authentizität des Beratervertrags lässt sich dem Anschreiben der Staatskanzlei vom 25. Februar 2002 (BA Bl. 463) und der durchlaufenden Fax-Kennung von Anschreiben und übersandtem Beratervertrag entnehmen.

Danach kann kein vernünftiger Zweifel daran bestehen, dass der Kläger von August 1996 bis zum Auslaufen des Beratervertrages, das auf vier Monate nach Vertragsunterzeichnung am 3./17. November 1997 festgelegt war (BA Bl. 468), als Unternehmensberater auf dem Gebiet der Multimedia-Techniken in herausgehobener Funktion tätig war. Dies ist das Berufsbild, das sich mit gewisser Konstanz in der Vergangenheit geprägt hatte und das für die Beurteilung der Berufsfähigkeit maßgeblich ist. In diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, ob der Kläger seine Beratungstätigkeiten im Rahmen des erwähnten Vertrags mit dem Land N...-W... im wesentlichen bereits Mitte Januar 1998 abgeschlossen hatte, wie das Schreiben der Staatskanzlei vom 25. Februar 2002 (BA Bl. 463) zu verstehen sein könnte. Für die Folgezeit mag das Vorbringen des Klägers zu seiner weiteren beruflichen Tätigkeit Fragen offenlassen. Das Landgericht führt aber zu Recht aus, dass es abwegig wäre anzunehmen, der Kläger habe nach Abschluss der Arbeiten für die Landesregierung eine anders geartete Tätigkeit verrichtet, die das Bild des von ihm ausgeübten Berufs zu prägen geeignet gewesen wäre. Allenfalls hat der Kläger möglicherweise schon nach dem im Schreiben der Staatskanzlei als Vertragsende genannten 15. Januar 1998, vielleicht mangels entsprechender Aufträge, im wesentlichen nach außen gar nichts getan. Dafür, dass sich der 1953 geborene Kläger Anfang 1998 dauerhaft aus nicht gesundheitsbedingten Gründen zur Ruhe gesetzt haben würde, spricht nichts. Demzufolge bleibt das bisherige Berufsbild maßgeblich.

Nicht von der Hand zu weisen ist an sich die weitere Beanstandung der Beklagten, das Bild, das der Kläger von seinen konkret ausgeübten Tätigkeiten gezeichnet habe, sei - trotz vielfältiger Nachfrage - verschwommen und wenig fassbar geblieben. Dies ist jedoch im vorliegenden Fall unschädlich, obgleich nach ständiger Rechtsprechung zur zuletzt ausgeübten Berufstätigkeit grundsätzlich ganz konkrete und detaillierte Angaben zu machen sind (vgl. BGH VersR 1992, 1386 u. r+s 1996, 116; OLG Frankfurt NVersZ 1999, 419). Erst vor dem Hintergrund der konkreten Berufstätigkeiten kann normalerweise der Stellenwert gesundheitlicher Beeinträchtigungen beurteilt werden. Dies ist hier deshalb anders, weil - wie - das Landgericht zu Recht und für den Senat bindend (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) angenommen hat - die gesundheitlichen Defizite des Klägers so gravierend sind, dass er keinerlei leitende Managerfunktion mehr auszuüben in der Lage ist. Ist der Kläger jedweder Managertätigkeit schon ganz allgemein nicht mehr gewachsen, bedarf es keiner Klärung der Verästelungen seines früheren Tätigkeitsfelds. Dann scheiden nämlich auch Verweisungen auf sonstige adäquate, auf gleichrangiger Ebene liegende Betätigungen aus, die der Versicherer im allgemeinen nur auffinden kann, wenn er das genaue Berufsspektrum kennt. Hier käme eine anders geartete Verweisung als eine solche auf Managerebene nicht in Betracht.

Das Landgericht hat bindend festgestellt, dass der Kläger als Folge der von der Neurologischen Klinik der Universität E... diagnostizierten (erwähnte BA Bl. 64 ff.) und vom gerichtlichen Sachverständigen bestätigten (erwähnte BA Bl. 369/391) -vor September 1998 erlittenen - Hirninfarkte nichts mehr tun kann, was in besonderem Maße Gedächtnis, Konzentration und Aufmerksamkeit sowie schnelle Reaktionen erfordert. All das sind für hochrangige Managerfunktionen unabdingbare Voraussetzungen. Ebensowenig kann ernstlich bezweifelt werden, dass der Kläger jedenfalls ab September 1998 (erwähnte BA Hefter I Bl. 25) dauerhaft an einer Belastungsinsuffizienz des Herzens leidet, wie das von der Beklagten selbst eingeholte Gutachten der Medizinischen Klinik der Universtität M... vom 30. September 1999 (BA Hefter I Bl. 11 ff.) bestätigt. Wegen der Herzprobleme kann der Kläger Arbeiten mit. hohem Leistungsdruck, hohen Stresssituationen und ungeregelten, häufig wechselnden Arbeitszeiten nicht mehr ausüben (BA Hefter I Bl. 23).

Diese dauerhaften gesundheitlichen Beeinträchtigungen schränken die Fähigkeit zu jedweder freiberuflich ausgeübten Beratungstätigkeit, bei der man es mit dem Führungspersonal von Wirtschaftsunternehmen zu tun hat, entscheidend ein. Ein Unternehmensberater, der auch akquirieren muss, ist zwangsläufig Stress und unregelmäßigen Lebensverhältnissen ausgesetzt. Ein Unternehmensberater mit verlangsamter Reaktion, Konzentrationsstörungen und Gedächtnislücken - Zustände, die den inneren Stress noch zu steigern geeignet sind - hat auf dem Markt keine Chance. Deshalb ist das auch von den gerichtlichen Gutachtern gezogene Fazit einleuchtend, dass der Kläger keinerlei "Management-Aufgaben" mehr wahrnehmen kann.

Nach alledem ist die Beklagte auch nicht leistungsfrei wegen Verletzung der Mitwirkungsobliegenheiten, welche die Beklagte darin sieht, dass der Kläger sein früheres Tätigkeitsfeld nur unzulänglich geschildert und unbelegt gelassen habe. Wie sich aus der Vereinbarung nur temporärer Leistungsfreiheit (§ 14 BUZ, GA 62 d) und GA 62 h); § 8 BUZ GA 62 k) R) im Falle der Verletzung der Mitwirkungsobliegenheiten ergibt, soll zugunsten des Versicherers dadurch nur gewährleistet sein, dass er erst zur Leistung verpflichtet ist, sobald ihm die erforderlichen Beurteilungsgrundlagen zur Verfügung stehen. Hier hätte auch die Beklagte weitergehenderer Informationen über das Tätigkeitsfeld des Klägers aus den oben genannten Gründen nicht bedurft.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision sind nicht erfüllt.

Berufungsstreitwert: 114.894,48 €. (vgl. vorläufige Festsetzung des Senats vom. 3. Dezember 2002, GA 288).

Ende der Entscheidung

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