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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 16.07.2002
Aktenzeichen: 4 U 204/01
Rechtsgebiete: VVG, DÜG, AVB, AVP, BGB, VAG, AUB 88, ZPO


Vorschriften:

VVG § 1
VVG § 5a
VVG § 5a Abs. 1
VVG § 5a Abs. 1 S. 1
VVG § 5a Abs. 2 S. 4
VVG § 6
VVG § 49
VVG § 116
VVG § 126
VVG § 126 Abs. 1
VVG § 126 Abs. 1 S. 1
VVG § 126 Abs. 1 S. 2
VVG § 126 Abs. 2
DÜG § 1
AVB § 2 A Nr. 2
AVP § 2 A
AVP § 2 A Abs. 1 S. 1
AVP § 2 A Nr. 1 a)
AVP § 2 A Nr. 2 Abs. 1 S. 1
AVP § 12 Nr. 1
BGB § 147 Abs. 2
VAG § 10a
AUB 88 § 7
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 543
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
ZPO § 713
1.

In der Tierversicherung wird der Versicherer nach § 126 Abs. 2 VVG von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der Versicherungsnehmer im Falle der Nottötung die in § 126 Abs. 1 VVG normierte gesetzliche Obliegenheit nicht beachtet, ohne dass es auf die Voraussetzungen des § 6 VVG und darauf ankommt, ob die Versicherungsbedingungen - etwa nach § 5a VVG - wirksam vereinbart sind.

2.

Die nach § 126 Abs. 1 S. 1 VVG vor der Nottötung einzuholende Einwilligung des Versicherers wird nach § 126 Abs. 1 S. 2 VVG in Eilfällen nur dann durch das Gutachten eines Tierarztes ersetzt, wenn dieser vor der Nottötung schriftlich festgestellt hat, dass die Tötung notwendig ist und die Erklärung des Versicherers nicht abgewartet werden kann.

3.

Die in § 126 Abs. 2 VVG angeordnete Verwirkung des Versicherungsschutzes steht nicht außer Verhältnis zu der Verletzung der gesetzlichen Obliegenheit des § 126 Abs. 1 VVG, wenn dem Versicherungsnehmer im Versicherungsschein unter "Hinweise für den Versicherungsnehmer" eine Telefonnummer genannt wurde, über die die Filialdirektion "im Schadensfall" sofort zu benachrichtigen sei.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

4 U 204/01

Verkündet am 16. Juli 2002

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 28. Mai 2002 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. S des Richters am Oberlandesgericht Dr. R und des Richters am Landgericht H

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 2. Oktober 2001 verkündete Urteil des Landgerichts Kleve wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Mit der Klage nimmt der Kläger die Beklagte auf Zahlung der Versicherungssumme aus einer Tierlebensversicherung in Anspruch.

Der Kläger beantragte unter Vermittlung eines Herrn J J im Mai 1998 bei der Beklagten den Abschluss einer Tierlebensversicherung für seinen Wallach Donaris. Die Versicherungssumme betrug 15.000 DM. Nach dem Nachtrag zum Versicherungsschein umfasst die Haftung der Beklagten u.a. die Tötung oder Nottötung infolge von Krankheit oder Unfall. Auf Seite 3 des Nachtrags ist unter der Überschrift "Hinweise für den Versicherungsnehmer" angegeben, im Schadensfall sei die Filialdirektion sofort unter der Telefonnummer 040/ zu benachrichtigen (GA Bl, 10). Als "Betreuer" bezeichnet der Nachtrag eine N W A GmbH (GA Bl. 8).

Die Allgemeinen Bedingungen der Beklagten für die Versicherung von Pferden und anderen Einhufern (AVP 01/95 der VTV (AVP)) bestimmen unter § 2 A Nr. 2 u.a., dass der Versicherungsnehmer eine Nottötung nur mit Einwilligung des Versicherers vornehmen darf, es sei denn, dass die Erklärung des Versicherers nicht abgewartet werden kann. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zu den Akten gereichte Kopie der Versicherungsbedingungen Bezug genommen (GA Bl. 33).

Seit Juni 1999 lahmte das Pferd immer wieder und befand sich deswegen in tierärztlicher Behandlung. Eine Besserung des Zustandes wurde auch durch Behandlung mit Antibiotika nicht erreicht. Darauf stellte Herr G, der behandelnde Tierarzt, die Gabe der Antibiotika im August 2000 ein. Nachdem auch ein Rehabilitationsversuch scheiterte, wurde das Pferd am 11. September 2000 wieder in seinen Stall eingestellt. Darauf ließ der Kläger Donaris am 13. September 2000 erneut untersuchen. Im Rahmen der Untersuchung nahm der Tierarzt eine Blutprobe. Das Pferd wurde, nach einer weiteren Untersuchung am 18. September 2000, durch den Tierarzt G eingeschläfert.

Von der Erkrankung und der Nottötung des Tiers erfuhr die Beklagte erst, nachdem Donaris bereits eingeschläfert worden war.

Unter dem 18. September 2000 bescheinigte der Tierarzt G er habe das Pferd Donaris aufgrund einer prognostisch infausten bakteriellen Infektion euthanasiert (GA Bl. 28).

Die Beklagte lehnte es am 26. Oktober 2000 ab, dem Kläger im Zusammenhang mit der Tötung des Pferdes eine Entschädigung zu leisten.

Der Kläger hat behauptet, der Wallach Donaris habe an einer fortgeschrittenen Borreliose-Erkrankung gelitten. Deren weitere Behandlung sei nicht medizinisch sinnvoll gewesen. Eine Besserung der Krankheit habe durch Antibiotika-Gaben nicht mehr erreicht werden können. Das Pferd sei am 18. September 2000 eingeschläfert worden, weil sich dessen Gesundheit gegenüber dem 15. September 2000 weiter verschlechtert habe und das Tier nach erheblichen Qualen mit Sicherheit an den Folgen der Erkrankung gestorben wäre.

Er hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 15.000 DM nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz gem. § 1 Diskontüberleitungsgesetz seit dem 26. Oktober 2000 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat gemeint, der Kläger habe nach § 2 A Nr. 2 AVP, § 126 VVG vor der Tötung des Tieres ihre Einwilligung einholen müssen. Dadurch, dass er dies versäumt habe, habe er eine ihn aus dem Vertrage treffende Obliegenheit verletzt. Sie sei deswegen nach § 126 Abs. 2 VVG von der Leistungspflicht frei geworden.

Die Beklagte hat behauptet, es sei dem Kläger jederzeit möglich gewesen, sie über ihre "Hotline" zu erreichen. Ihre Gesellschaftstierärzte seien außerhalb der regulären Geschäftszeiten über eine ständig besetzte "Assistance-Gesellschaft" zu erreichen. Zur Linderung der Leiden des Pferdes sei eine Tötung nicht erforderlich gewesen. Das Tier habe weiter als Weidepferd gehalten werden können.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, die Beklagte sei nach § 2 A Nr. 2 AVP i.V.m. § 126 VVG von der Leistungspflicht freigeworden, da der Kläger das Tier ohne Einwilligung der Beklagten habe töten lassen. Umstände, aus denen sich ergebe, dass die Einholung der Einwilligung der Beklagten wegen eines besonders dringenden Eilfalls nicht rechtzeitig habe erfolgen können, seien nicht ersichtlich. Ob diese Obliegenheitsverletzung weiteren Einfluss auf den Eintritt des Versicherungsfalls gehabt habe, sei unbeachtlich. Die Einwilligung der Beklagten sei auch nicht nach § 126 Abs. 1 S. 1 VVG entbehrlich gewesen.

Mit seiner Berufung rügt der Kläger, das Landgericht habe die Voraussetzungen, unter denen eine Nottötung zulässig sei, verkannt und zu unrecht eine Obliegenheitsverletzung angenommen.

Er behauptet unter Ergänzung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens nunmehr, ihm seien die Versicherungsbedingungen der Beklagten erstmals mit dem an seine erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten gerichteten Schreiben vom 7. Februar 2001 (GA Bl. 91) übermittelt worden. Nachdem der Tierarzt G am 15. September 2000 durch das Labor über das Ergebnis der Blutuntersuchung informiert worden sei, habe er Donaris am 18. September 2000 nochmals untersucht und das Testergebnis mit ihm - dem Kläger - besprochen. Die Untersuchung habe ergeben, dass sich der gesundheitliche Zustand des Pferdes weiter verschlechtert habe, Beine und Gelenke des Tieres seien dick geschwollen gewesen. Donaris habe sich nur mit großer Mühe hinlegen können. Wegen dieses Zustandes, dessen Besserung nach dem Untersuchungsergebnis nicht zu erwarten gewesen sei, habe der Tierarzt zu einer sofortigen Tötung geraten, um dem Pferd weitere Leiden zu ersparen. Eine Entscheidung der Beklagten habe folglich nicht mehr abgewartet werden können.

Zudem habe er am 1. September 2000 telefonisch mit Herrn D der ihn inzwischen "versicherungsmäßig" betreue, Kontakt aufgenommen. Der habe ihm zugesagt, in der Sache mit der N W A GmbH Verbindung aufzunehmen. Herr D habe ihn nicht darauf hingewiesen, dass die Beklagte vor einer Tötung zu informieren sei. Vielmehr habe er gesagt, dass dies erst im Schadensfalle, also nach der Tötung, zu erfolgen habe.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Kleve vom 2. Oktober 2001 zu verurteilen, an ihn 7.669,38 Euro (15.000 DM) nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab dem 26. Oktober 2000 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung behauptet, dass eine Schmerzbehandlung - ggf. verbunden mit einer Gelenkbehandlung - dazu geeignet gewesen wäre, einen tierschützerisch hinnehmbaren Zustand des Pferdes zu gewährleisten.

Soweit der Kläger unzureichend durch Herrn D bzw. die N W A GmbH unterrichtet worden sei, sei ihr das, so meint die Beklagte, nicht zuzurechnen. Dazu behauptet sie, die N W A GmbH sei eine unabhängige Versicherungsmaklerin.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

I.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung einer Versicherungsleistung in Höhe von 7.669,38 Euro aus §§ 1, 49, 116 VVG i.V.m. §§ 2 A Nr. 1 a), 12 Nr. 1 AVP wegen der am 18. September 2000 erfolgten Tötung seines Pferdes Donaris.

Denn die Beklagte ist nach § 126 Abs. 2, Abs. 1 S. 1 VVG wegen einer Obliegenheitsverletzung des Klägers leistungsfrei geworden.

1.

Zwischen den Parteien ist ein wirksamer Versicherungsvertrag zustande gekommen.

Der Kläger hat im Mai 1998 bei der Beklagten - schriftlich wie mangels gegenteiligen Vorbringens nach der Lebenserfahrung zu unterstellen ist - den Abschluss einer Tierlebensversicherung auf das Leben des Wallachs Donaris beantragt. Diesen Antrag hat die Beklagte mit Übersendung des Versicherungsscheins (Nachtrag) vom 8. Mai 1998 angenommen. Zu diesem Zeitpunkt war die Bindung des Klägers an seinen Antrag noch nicht erloschen. Denn nach § 147 Abs. 2 BGB ist der Antragende bis zu dem Zeitpunkt an sein Angebot gebunden, in dem er den Eingang der Antwort unter regelmäßigen Umständen erwarten kann. Diese Frist war bei Übersendung des Nachtrags vom 8. Mai 1998 noch nicht verstrichen. Der bis zur Annahme des Angebots verstrichene Zeitraum von allenfalls acht Tagen war nicht unangemessen lang.

Allerdings ist der Versicherungsvertrag nicht bereits mit Übersendung des Versicherungsscheins zustande gekommen, sondern erst im Zeitraum Mai/Juni 1999 mit Ablauf der Widerspruchsfrist des § 5a Abs. 2 S. 4 VVG. § 5a Abs. 1 VVG bestimmt i.V.m. § 10a VAG, dass dem Versicherungsnehmer die Versicherungsbedingungen und bestimmte Verbraucherinformationen zu übergeben sind. Dies nachzuweisen ist Sache des Versicherers (§ 5a Abs. 2 S. 2 VVG). Ob die Beklagte dieser Verpflichtung nachgekommen ist, ist in der Berufungsinstanz streitig geworden. Der Kläger bestreitet den Erhalt der Versicherungsbedingungen. Die Beklagte behauptet zwar, ohne dies näher darzulegen, es sei technisch unmöglich, dass die Versicherungsbedingungen nicht zusammen mit dem Versicherungsschein übermittelt worden seien, hat dies jedoch weder näher substantiiert noch gar unter Beweis gestellt. Deshalb ist zu ihren Lasten davon auszugehen, dass die Versicherungsbedingungen dem Kläger nicht übermittelt worden sind.

Dies hat dazu geführt, dass der Vertrag zunächst schwebend unwirksam geschlossen wurde. Nach § 5a Abs. 1 S. 1 VVG gilt der Vertrag erst dann als geschlossen, wenn dem Versicherungsnehmer die erforderlichen Unterlagen überlassen wurden und er nicht innerhalb einer Frist von 14 Tagen nach Überlassung dem Vertragsschluss widerspricht. Bis zum Ablauf der Frist ist der Vertrag schwebend unwirksam (vgl. Senat VersR 2001, 837; Römer/Langheid, VVG, § 5a Rdnr. 25; Prölss/Martin, VVG, § 5a Rdnr. 56). Da nicht von der Überlassung der Versicherungsbedingungen auszugehen ist, begann die zweiwöchige Widerspruchsfrist zunächst nicht zu laufen.

Dennoch ist der Versicherungsvertrag wirksam geworden. Nach § 5a Abs. 2 S. 4 VVG erlischt das Recht zum Widerspruch unabhängig von der Übergabe der Unterlagen spätestens ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie. Damit wird der Vertrag rückwirkend wirksam (vgl. Senat a.a.O.; Prölss/Martin, a.a.O. Rdnr. 56). Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte ist nach der Lebenserfahrung davon auszugehen, dass der Kläger die von der Beklagten mit dem Nachtrag vom 8. Mai 1998 angeforderte erste Prämie alsbald - noch im Zeitraum Mai/Juni 1998 - gezahlt hat, so dass der Vertrag ein Jahr darauf wirksam geworden ist.

Es kann dahinstehen bleiben, ob der Versicherungsvertrag nach Ablauf der Jahresfrist unter Einbeziehung der bei Antragstellung geltenden Versicherungsbedingungen des Versicherers zustande kommt, wie es von einem Teil der Literatur angenommen wird (vgl. Römer/Langheid, a.a.O., Rdnr. 46; Prölss/Martin, a.a.O., Rdnr. 57), weil es im Ergebnis nicht darauf ankommt. Denn der vertragliche Obliegenheit aus § 2 A 2 Abs. 1 S. 1 AVP entspricht die gesetzlichen Obliegenheit aus § 126 Abs. 1 S. 1 VVG.

2.

Der Kläger hat eine nach § 126 Abs. 2 VVG zur Leistungsfreiheit führende Obliegenheitsverletzung begangen, als er sein Pferd töten ließ, ohne zuvor die Einwilligung der Beklagten einzuholen. Nach § 126 Abs. 1 S. 1 VVG darf der Versicherungsnehmer eine Nottötung nur mit Einwilligung des Versicherers vornehmen, es sei denn, dass die Erklärung des Versicherers nicht abgewartet werden kann.

Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Dabei kann dahinstehen, ob sich die Voraussetzungen einer Nottötung, die dann gegeben sind, wenn die Tötung notwendig ist, um unzumutbares Leiden des Tieres abzuwenden und der Zustand des Tiers eine Wiederherstellung nicht mehr erwarten lässt (vgl. amtl. Begründung, zitiert bei BGH VersR 1990, 970, 971; ebenso Prölss/Martin, a.a.O., § 126 Rdnr. 2; Römer/Langheid, a.a.O., § 126 Rdnr. 2), bereits aus dem Befund des Tierarztes G ("infauste Prognose quoad restitutionem") ergeben, weil es im Ergebnis nicht darauf ankommt.

Denn die Voraussetzungen, unter denen ausnahmsweise von der vorherigen Einschaltung des Versicherers abgesehen werden kann, lagen nicht vor.

Es lässt sich nicht feststellen, dass die regelmäßig kurzfristig zu erlangende Erklärung (vgl. BGH a.a.O.) des Versicherers aus überwiegenden Gründen des Tierschutzes nicht abgewartet werden konnte.

Die Regel des § 126 Abs. 1 S. 1 VVG soll, da die Nottötung ein Fall der vorsätzlichen Herbeiführung des Versicherungsfalls ist, dem Versicherer die Gelegenheit verschaffen, seine Interessen angemessen wahrzunehmen. Die Nottötung gewinnt also ihre versicherungsrechtliche Rechtfertigung grundsätzlich erst durch die Einwilligung des Versicherers (vgl. Sieg, Die Nottötung in der Tierversicherung, VersR 1991, 280). Deswegen ist dem Versicherungsnehmer von Gesetzes wegen eine entsprechende Obliegenheit auferlegt worden, deren Nichterfüllung aufgrund gesetzlicher Anordnung grundsätzlich die Leistungsfreiheit des Versicherers nach sich zieht (vgl. BGH a.a.O.).

Der Kläger hat auch im Berufungsverfahren Umstände, aus denen sich ergibt, dass es ausnahmsweise nicht erforderlich war, vor der Nottötung die Entscheidung der Beklagten abzuwarten, nicht substantiiert dargetan. Das wirkt sich zu seinen Lasten aus, da ihn auch insoweit die Beweislast trifft.

Wenn sich der gesundheitliche Zustand des Pferdes zwischen dem 15. September 2000, einem Freitag, an dem das Pferd nach dem Vorbringen des Klägers nicht mehr in der Lage war, sich aus eigener Kraft zu erheben, und den 18. September 2000, einem Montag, nochmals verschlechtert haben sollte und das Pferd deswegen an zunehmenden Schmerzen litt, mögen die Voraussetzungen einer Nottötung vorgelegen haben. Der vom Kläger vorgetragene und unter Beweis gestellte gesundheitliche Zustand des Pferdes rechtfertigte es jedoch nicht, das Tier zu töten, ohne zuvor die Versicherung einzuschalten.

Der Kläger oder der Tierarzt hätten die Beklagte noch am 18. September 2000 telefonisch - über die im Nachtrag zu dem Versicherungsschein mitgeteilte "Hotline" - über den gesundheitlichen Zustand des Tiers informiert können, so dass den Tierärzten der Beklagten eine unverzügliche Entscheidung möglich gewesen wäre. Dass das Pferd an diesem Tage an so unerträglichen und auch durch Gabe von Schmerzmitteln nicht zu mindernden Qualen litt, dass auch eine kurzfristig herbeizuführende Entscheidung der Beklagten nicht abgewartet werden konnte, ist weder substantiiert dargetan worden noch lässt sich dies den tierärztlichen Berichten entnehmen. Der Kläger sah sich, auch nachdem sich der Gesundheitszustand von Donaris nach dem 15. September 2000 weiter verschlechtert hatte, nicht dazu veranlasst, über das Wochenende einen Tierarzt hinzuzurufen. Er ließ Donaris erst wieder am 18. September 2000, dem regulären Besuchstermin, untersuchen. Ein solches Verhalten wäre unverständlich, hätte das Pferd an so erheblichen, nicht linderbaren Qualen und Schmerzen gelitten, dass auch ein kurzes Abwarten aus Gründen des Tierschutzes unzumutbar gewesen wäre.

Der Kläger konnte auch nicht nach § 126 Abs. 1 S. 2 VVG davon absehen, eine Entscheidung der Beklagten einzuholen. Nach dieser Bestimmung bedarf es in Eilfällen ausnahmsweise keiner Einwilligung des Versicherers, wenn durch ein Gutachten eines Tierarztes festgestellt ist, dass die Tötung notwendig ist und die Erklärung des Versicherers nicht abgewartet werden kann. Auf diese Vorschrift kann sich der Kläger nicht mit Erfolg berufen, weil kein entsprechendes tierärztliches Gutachten vorlag. Gutachten i.S. des § 126 Abs. 1 S. 2 VVG ist nur eine in Schriftform abgefasste ärztliche Stellungnahme. Auch wenn es sich aus dem Wortlaut des Gesetzes nicht unmittelbar ergibt, dass das Gutachten schriftlich verfasst sein muss, folgt aus Sinn und Zweck der Regelung, dass nur eine zuvor erfolgte schriftliche Feststellung den Erfordernissen des § 126 Abs. 1 S. 2 VVG genügt. So wie im Anwendungsbereich des § 7 AUB 88, der ebenfalls die Beachtung der Schriftform nicht ausdrücklich erfordert, nur ein schriftliches Gutachten als ausreichend und genügend angesehen wird (vgl. Senat r+s 1999, 391; Prölss/Martin, AUB 88, S. 7 Rdnr. 10), ist auch im Rahmen des § 126 VVG ein schriftliches Gutachten erforderlich. Denn die gesetzliche Regelung bezweckt es, nicht anders als die Bestimmung des § 7 AUB 88, Rechtssicherheit zu schaffen und Beweise zu sichern. Dies erfordert eine schriftliche Feststellung der Voraussetzung der Nottötung vor der Tötung des Tiers.

Die tierärztliche Bescheinigung vom 18. September 2000 (GA Bl. 28) genügt diesen Anforderungen schon deswegen nicht, weil sie erst nach der Tötung des Tiers verfasst sein muss. Dies ergibt sich daraus, dass der Tierarzt darin die Euthanasie des Pferdes bescheinigt, was die vorausgehende Tötung des Tiers logisch voraussetzt.

Da der Kläger einen Tierarzt hinzugezogen hat, kann er sich auf die Begutachtung des Sachverhalts durch andere sachkundige Personen nicht mit Erfolg berufen. Abgesehen davon, dass auch von diesen Personen kein den aufgezeigten Anforderungen entsprechendes schriftliches Gutachten erstattet worden ist, lässt das Gesetz die Begutachtung durch andere sachkundige Personen nur dann ausreichen, wenn die Hinzuziehung eines Tierarztes untunlich ist, also nicht rechtzeitig erfolgen konnte. Das war nicht der Fall.

Da das Gesetz in § 126 Abs. 2 VVG die Folgen der Obliegenheitsverletzung regelt, ist die Beklagte von der Leistungspflicht freigeworden, ohne dass die Voraussetzungen des § 6 VVG erfüllt sein müssen. Die Bestimmung des § 6 VVG findet auf gesetzliche Obliegenheiten nur dann Anwendung, wenn das Gesetz nicht auch die Verwirkungsfolgen normiert und es deswegen durch vertragliche Verwirkungsabreden ergänzt werden muss (vgl. Prölss/Martin, VVG, § 6 Rdnr. 1; Römer/Langheid, § 6 Rdnr. 3). Um eine solche gesetzliche Obliegenheit, die die Anwendung der Bestimmungen des § 6 VVG ausschließt, handelt es sich bei der Obliegenheit aus § 126 Abs. 1 S. 1 VVG (vgl. BGH VersR 1990, 970, 971), denn das Gesetz regelt in § 126 Abs. 2 VVG auch die Folgen der Obliegenheitsverletzung. An dem Charakter dieser Obliegenheit würde sich auch dann nichts ändern, wenn die Bestimmungen der § 2 A Nr. 2 Abs. 1 S. 1 AVP wirksam in den Vertrag einbezogen worden wären, denn die unveränderte Übernahme von gesetzlichen Obliegenheiten in die Versicherungsbedingungen ändert nichts an dem gesetzlichen Charakter der Obliegenheit (vgl. BGH VersR 1987, 477, 478; Berliner Kommentar, § 6 Rdnr. 20; Römer/Langheid, § 6 Rdnr. 3).

Der Beklagten ist es auch nicht nach Treu und Glauben versagt, sich auf die in § 126 Abs. 2 VVG angeordnete Rechtsfolge zu berufen.

Die durch § 126 Abs. 2 VVG angeordnete Verwirkung des Versicherungsschutzes wegen Verstoßes gegen eine gesetzliche Obliegenheit beinhaltet eine "Strafbestimmung" von erheblicher Schärfe, die zu unbilligen Ergebnissen führen kann. Der Versicherer bleibt daher nach dem das Versicherungsverhältnis in besonderem Maße prägenden Grundsatz von Treu und Glauben zur Leistung verpflichtet, wenn die Verwirkung des Versicherungsschutzes im Einzelfall außer Verhältnis zu Schwere der Obliegenheitsverletzung steht (vgl. BGH VersR 1987, 477, 478 zu § 71 VVG).

Der Verlust des Versicherungsschutzes steht nicht außer Verhältnis zur Schwere der Obliegenheitsverletzung. Es kann erwartet werden, dass ein Versicherungsnehmer, der ein Pferd auch für den Fall der Nottötung versichert, weiß, dass er die Tötung des Tiers nicht ohne vorherige Zustimmung des Versicherers veranlassen darf (vgl. Senat, VersR 1994, 1297) und sich danach richtet. Aus dem Versicherungsschein lässt sich nichts anderes herleiten. Der aus dem Empfängerhorizont auszulegende Hinweis, "im Schadensfall ist die Filialdirektion sofort unter der Telefon-Nr. ... zu benachrichtigen", lässt sich, werden die Besonderheiten der Tierversicherung berücksichtigt, nur so verstehen, dass der Schadensfall nicht die Nottötung als solche ist. Vielmehr sind damit die sie rechtfertigenden Umstände gemeint.

Soweit sich der Kläger darauf beruft, Herr D habe ihm gegenüber auf Befragen erklärt, es genüge, wenn er der Beklagten die Tötung unverzüglich anzeige, vermag ihn das nicht zu entlasten. Die Beklagte muss sich dessen irreführende Angaben nicht zurechnen lassen, denn es ist nicht ersichtlich, dass es sich bei Herrn O um einen Agenten der Beklagten handelte. Herr D ist Agent der Versicherung (GA Bl. 94). Dagegen wurde der Versicherungsvertrag über die N W A GmbH geschlossen, die im Versicherungsschein als Betreuer angegeben wurde (vgl. GA Bl. 8). Dass Herr D dennoch Agent der Beklagten, einem Unternehmen der Gruppe, war, ist unter diesen Umständen nicht ersichtlich.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit rechtfertigt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision findet ihre Grundlage in § 543 ZPO.

III.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 7.669,38 Euro festgesetzt.

Die Beschwer des Klägers beträgt 7.669,38 Euro.

Ende der Entscheidung

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