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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 26.06.2001
Aktenzeichen: 4 U 205/00
Rechtsgebiete: ARB 75, AKB


Vorschriften:

ARB 75 § 4 (2) a
AKB § 7 I Abs. 2
1.

Der Versicherungsschutz in der Rechtsschutzversicherung ist nach § 4 (2) a ARB 75 wegen vorsätzlicher und rechtswidriger Verursachung des Versicherungsfalls durch den Versicherungsnehmer ausgeschlossen, wenn dieser nach einem behaupteten Fahrzeugdiebstahl seine Aufklärungsobliegenheit nach § 71 Abs. 2 AKB gegenüber seinem KFZ-Versicherer vorsätzlich verletzt hat und sich dabei als Versicherungsfachmann darüber im Klaren sein musste, dass er nach Aufdeckung der Falschangaben seine Ansprüche gegen den Fahrzeugversicherer gerichtlich werde durchsetzen müssen.

2.

Dem Leistungsausschluss sieht nicht entgegen, dass der Rechtsschutzversicherer eine Deckungszusage für die erste Instanz ohne Vorbehalt erteilt hat, wenn ihm zwar die Berufung des KFZ-Versicherers auf Leistungsfreiheit wegen Obliegenbeitsverletzung bekannt war, der Rechtsschutzversicherer aber nicht erkennen konnte, ob der Einwand der Obliegenheitsverletzung Erfolg haben würde.

3.

Hingegen kann sich der Rechtsschutzversicherer auf den Leistungsausschluss des § 4 (2) a ARB 75 nicht mehr mit Erfolg stützen, wenn er die Deckungszusage für das Berufungsverfahren seines Versicherungsnehmers ohne Vorbehalt erteilt hat, obwohl aufgrund der durch das erstinstanzliche Urteil offengelegten gewichtigen Verdachtsmomente bei der gebotenen sorgfältigen Bearbeitung ein Vorbehalt zu erwarten gewesen wäre, wenn er die endgültige Kostenübernahme noch von einer Prüfung des Risikoausschlusses abhängig machen wollte.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

4 U 205/00

Verkündet am 26. Juni 2001

In Sachen

pp.

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 29. Mai 2001 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. S und der Richter am Oberlandesgericht Dr. W und Dr. R

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 17. Oktober 2000 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Düsseldorf unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Das Versäumnisurteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 7. September 1999 bleibt aufrechterhalten, soweit der Beklagte verurteilt worden ist, an die Klägerin 8.164,40 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 26. Mai 1999 zu zahlen. Im übrigen wird das Versäumnisurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Auf die Widerklage wird die Klägerin verurteilt, an den Beklagten 5.448,11 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 26. November 1998 zu zahlen.

Der Beklagte trägt die durch seine Säumnis im Termin vom 7. September 1999 entstandenen Kosten. Die Kosten des Rechtsstreits (mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Streithelfer) tragen die Klägerin zu 53 % und der Beklagte zu 47 %.

Die den Streithelfern erwachsenen Kosten trägt die Klägerin für die erste Instanz zu 32 % und für das Berufungsverfahren zu 53 %. Im übrigen tragen die Streithelfer ihre Kosten selbst.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist nur teilweise begründet.

Die Klägerin kann gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB lediglich die Erstattung der Kosten verlangen, die sie als Rechtsschutzversicherer in Höhe von 8.164,40 DM für die Klage des Beklagten gegen die A Versicherungs-AG (LG Düsseldorf 11 O 44/96) aufgebracht hat, weil der Beklagte insoweit rechtsgrundlos bereichert ist. Demgegenüber muss sie für die Kosten des nachfolgenden Berufungsverfahrens (OLG Düsseldorf 1 U 3/97) aufkommen, da sie insoweit an ihre Deckungszusage vom 11. September 1996 gebunden bleibt.

I.

Die Kosten des Rechtsstreits zwischen dem Beklagten und der A Versicherungs-AG (im Folgenden: A) erster Instanz hat die Beklagte rechtsgrundlos getragen, da der Beklagte den Versicherungsfall vorsätzlich und rechtswidrig herbeigeführt hat, § 4 Abs. 2 a) ARB 75.

1.

Den Versicherungsfall hat der Beklagte dadurch ausgelöst, dass er wissentlich und willentlich seine Aufklärungsobliegenheit gemäß § 7 I Abs. 2 AKB gegenüber der A als Fahrzeugversicherer verletzt hat, indem er sowohl in der Schadenanzeige vom 22. März 1995 als auch in dem von ihm am 28. März 1995 ausgefüllten Fragebogen fälschlicherweise angab, sein am 16. März 1995 in Posen entwendeter Audi 100 habe zum Diebstahlszeitpunkt eine Laufleistung von ca. 53.000 km aufgewiesen, obwohl sich nach dessen Sicherstellung am 14. April 1995 und Rückführung nach Deutschland herausgestellt hat, dass der Tachostand rd. 191.000 km betrug. Denn damit hat er begonnen, gegen Rechtspflichten i.S. von § 14 Abs. 3 S. 1 ARB 75 zu verstoßen. Dabei unterliegt keinem Zweifel, dass der Beklagte, der die Erfüllung des objektiven Tatbestandes einer Obliegenheitsverletzung nicht mehr in Abrede stellt, vorsätzlich gehandelt hat. Der 1. Zivilsenat des OLG Düsseldorf hat dazu im Vorprozess ausgeführt, selbst wenn der - der deutschen Sprache durchaus mächtige - Beklagte die Frage nach der "Laufleistung" - wie behauptet - dahin verstanden hatte, dass er gefragt werde, welche Wegstrecke er persönlich mit dem Fahrzeug zurückgelegt habe, seien seine Angaben bewusst falsch gewesen. Unstreitig habe er den Audi 100 mit einer Fahrleistung von knapp 27.000 km übernommen. Bereits daraus folge aber, dass er wahrend seiner zweijährigen Besitzzeit wesentlich mehr als nur 53.000 km gefahren sein müsse. Anderenfalls gäbe es keine nachvollziehbare Erklärung für den Kilometerstand von rd. 190.000 im Zeitpunkt der bereits wenige Wochen nach dem angeblichen Diebstahl erfolgten Sicherstellung des Kfz. Diese Erwägungen sind zwar für den Rechtsschutzprozess nicht bindend (BGH, NJW 1992, 1509 = VersR 1992, 568). Sie vermögen jedoch in vollem Umfang zu überzeugen. Der Senat hegt daher keine Bedenken, sich ihnen anzuschließen.

2.

Aus der Obliegenheitsverletzung gegenüber dem Fahrzeugversicherer allein ergibt sich allerdings noch nicht, dass der Beklagte den Versicherungsfall in der Rechtsschutzversicherung vorsätzlich und rechtswidrig herbeigeführt hat. Vielmehr muss auf Seiten des Versicherungsnehmers auch das Bewusstsein hinzutreten, dass die ihm anzulastende vorsätzliche Pflichtverletzung nach der Lebenserfahrung und dem gewöhnlichen Lauf der Dinge möglicherweise zu einer rechtlichen Auseinandersetzung und dadurch zur Entstehung von Kosten zu Lasten des Rechtsschutzversicherers führen werde (Harbauer, Rechtsschutzversicherung, 6. Aufl. § 4 ARB 75 Rn 147, 150 m.w.N.). Dass dem Beklagten dieses Bewusstsein fehlte, ist jedoch auszuschließen. Dagegen spricht hier nicht nur, dass er von der A über die rechtlichen Konsequenzen einer Obliegenheitsverletzung ordnungsgemäß belehrt worden ist, sondern vor allem die Tatsache, dass er sich im vorausgegangenen Rechtsstreit - ausweislich des Rubrums der Klageschrift - selbst als "Versicherungsfachmann" bezeichnet hat. Als Experte auf diesem Gebiet musste er sich aber von vornherein darüber im Klaren sein, dass der Kfz-Versicherer bei Aufdeckung der Falschangaben die Erbringung von Leistungen ablehnen und - sofern er sich damit nicht abfinden sollte - eine gerichtliche Auseinandersetzung unumgänglich werden würde.

3.

Schließlich steht einem Risikoausschluss gemäß § 4 Abs. 2 a) ARB 75 auch nicht entgegen, dass es bei einem Verstoß gegen die Aufklärungsobliegenheit nur um die Verletzung einer versicherungsvertraglichen Nebenpflicht geht. Denn auch durch eine wissentliche Verletzung von Nebenpflichten kann der Versicherungsfall vorsätzlich und rechtswidrig herbeigeführt werden. Voraussetzung ist dann allerdings, dass dieser Pflichtverstoß der rechtlichen Auseinandersetzung sein Gepräge gibt (Harbauer, a.a.O., § 4 ARB 75 Rn 147). Das war hier indes der Fall, da die A bei Leistungsablehnung ganz maßgeblich auf den Gesichtspunkt der Obliegenheitsverletzung abgestellt hat (BA 37). Dass sie erstinstanzlich auch den Eintritt des Versicherungsfalls in Abrede gestellt hat, steht dem nicht entgegen, weil sie auch zur Begründung der Vortäuschung des Diebstahls insbesondere auf die falschen Angaben des Beklagten zur Laufleistung abgehoben hat.

4.

Dem daraus folgenden Leistungsausschluss steht nicht entgegen, dass der Klägerin bei Erteilung ihrer Deckungszusage für die erste Instanz am 27. Februar 1996 bereits das Schreiben des anwaltlichen Vertreters des Beklagten vom 7. September 1995 vorlag, aus dem sich ergab, dass die A sich voraussichtlich auf einen Verstoß gegen die Aufklärungsobliegenheit berufen würde. Zwar handelt es sich bei der Kostendeckungszusage um ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis, das dem Versicherer Einwendungen und Einreden entziehen kann. Voraussetzung dafür ist indes, dass ihm das Vorliegen der Einwendung bei Abgabe der Zusage bekannt ist oder dass er damit zumindest rechnet (Senat, VersR 1996, 844; 1985, 728, 729 im Anschluss an BGH, VersR 1984, 383, 384; weitergehend OLG Köln VersR 1997, 1274 m. abl. Anm. Kurzak, VersR 1998, 291). Davon ist aber nur auszugehen, wenn der Versicherer sämtliche Umstände kennt, die die Schlussfolgerung auf das Eingreifen eines Risikoausschlusses zulassen (Senat, VersR 1996, 844). Das war hier jedoch bei Erteilung der Deckungszusage für die erste Instanz noch nicht der Fall. Dass die A mit dem Einwand der Obliegenheitsverletzung möglicherweise Erfolg haben würde, konnte die Klägerin anhand des Schreibens vom 7. September 1995 noch nicht erkennen. Denn daraus ergab sich für sie, dass selbst der objektive Tatbestand einer Obliegenheitsverletzung noch im Streit stand. Überdies ging daraus nicht einmal hervor, welche Laufleistung der Beklagte gegenüber der A angegeben hatte, so dass die Klägerin auch nicht die rechtliche Relevanz der Pflichtverletzung beurteilen konnte.

Bei dieser Sachlage konnte der Beklagte von der Klägerin auch nicht nach Treu und Glauben erwarten, dass sie ihre Deckungszusage nur unter der Prämisse erteilte, dass der Risikoausschluss des § 4 Abs. 2 a) ARB 75 nicht eingreift. Wollte man nämlich den Rechtsschutzversicherer selbst auf einer derart dürftigen Tatsachengrundlage für verpflichtet halten, seine Erklärung mit einem Prüfungsvorbehalt zu versehen, so würde dieser Vorbehalt de facto zu einem rituellen Zusatz zu jeder Deckungszusage verkommen (Kurzak, a.a.O., 292).

Eine abweichende Beurteilung ist auch nicht veranlasst, weil die Klägerin von dem gegen den Beklagten eingeleiteten Ermittlungsverfahren Kenntnis besaß. Denn dazu geht aus ihrem Schreiben vom 24. Oktober 1995 lediglich hervor, dass ihr der Vorwurf der Vortäuschung einer Straftat bekannt war. Daraus konnte sie aber bestenfalls ableiten, dass die A als Anzeigenerstatter das Vorliegen eines Kfz-Diebstahls bestreiten würde. Ob der Verdacht gerechtfertigt war, blieb jedoch aus ihrer Sicht offen, zumal der Beklagte auch ihr gegenüber darauf beharrte, dass seine Forderung gegen den Kfz-Versicherer berechtigt war. Erst recht bot die Kenntnis des insoweit bestehenden Verdachts aber keinen Anhaltspunkt dafür, dass sich der Vorwurf einer Obliegenheitsverletzung als begründet erweisen würde.

II.

Dagegen ist das Rückzahlungsbegehren der Klägerin wegen der von ihr bislang für das Berufungsverfahren des Klägers getragenen Kosten nicht gerechtfertigt. Denn bei Erteilung der - nicht mit einem Überprüfungsvorbehalt versehenen -Kostendeckungszusage für die zweite Instanz waren ihr bereits in einem solchen Maße Indizien bekannt, dass sich ihr die Schlussfolgerung, der Kläger habe den Versicherungsfall vorsätzlich und rechtswidrig herbeigeführt, geradezu aufdrängen musste. So konnte sie aus dem ihr übersandten erstinstanzlichen Urteil unschwer entnehmen, dass der äußere Tatbestand der zur Leistungsfreiheit führenden Obliegenheitsverletzung nunmehr außer Streit stand. Das hat auch der erstinstanzliche Prozessbevollmächtigte des Beklagten bei der Beantragung des Rechtsschutzes für die Berufungsinstanz nicht langer in Frage gestellt. Weiter ergab sich aus den Entscheidungsgründen, dass das Landgericht das vom Beklagten behauptete Missverständnis bei der Frage nach der Laufleistung nicht für glaubwürdig hielt. Nimmt man hinzu, dass der Kläger, auch im Rubrum des Urteils als Versicherungsfachmann bezeichnet wurde, so konnte eigentlich kaum noch zweifelhaft sein, dass er die ihn treffende Aufklärungspflicht vorsätzlich verletzt hatte. Demgegenüber kann sich die Klägerin nicht darauf berufen, ihr sei die für die Entscheidung des Berufungsgerichts tragende Erwägung, das behauptete Missverständnis sei mit dem Tachostand bei dem Fahrzeugerwerb durch den Beklagten nicht in Einklang zu bringen, noch nicht bekannt gewesen. Denn selbst wenn sie unter den Umständen noch berechtigte Zweifel an der vorsätzlichen und rechtswidrigen Verursachung des Versicherungsfalls gesehen haben sollte, waren die ihr gegenüber offengelegten Verdachtsmomente doch so gewichtig, dass von ihr bei der gebotenen sorgfältigen Bearbeitung ein Vorbehaltserklärung zu erwarten gewesen wäre, wenn sie die endgültige Kostenübernahme noch von einer Prüfung des Risikoausschlusses gem. § 4 Abs. 2 a) ARB 75 abhängig machen wollte (vgl. Prölss in: Prölss/Martin, VVG, 26. Aufl., § 17 ARB 75 Rn. 14).

III.

Aus denselben Gründen bleibt die Berufung auch insoweit ohne Erfolg, als die Klägerin sich gegen ihre Verurteilung aufgrund der Widerklage des Beklagten wendet. Denn aufgrund ihres Anerkenntnisses muss sie auch noch die von ihr - in Kenntnis des Berufungsurteils - nicht mehr übernommenen Kosten der zweiten Instanz in Höhe von - unstreitig - 5.448,11 DM tragen.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO. Bei der Entscheidung über die Kosten der Nebenintervention hat der Senat berücksichtigt, dass die Streithelfer erster Instanz nur die Abweisung der Klage beantragt haben, wahrend sie im Berufungsverfahren auch insoweit die Zurückweisung des Rechtsmittels begehrt haben, als die Klägerin aufgrund der Widerklage des Beklagten unterlegen war.

Die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Berufungsstreitwert: 17.435,76 DM.

Beschwer der Klägerin: 9.271,36 DM, Beschwer des Beklagten: 8.164,40 DM.

Es besteht keine Veranlassung, die Revision zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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