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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 26.09.2000
Aktenzeichen: 4 U 208/99
Rechtsgebiete: AKB, StGB


Vorschriften:

AKB § 12 Nr. 1 I b
StGB § 242
1.

Es liegt kein versicherter Diebstahl eines vermieteten Lastkraftwagens vor, wenn dieser vom Gelände des Vermieters durch den in Begleitung der Mieterin aufgetretenen Fahrer mittels eines vom Vermieter ausgehändigten Schlüssels weggefahren worden ist.

2.

Der Beweis einer versicherten Unterschlagung des Mietwagens ist nicht erbracht, wenn eine Beteiligung der Mieterin an der Unterschlagung durch den Fahrer nicht unwahrscheinlich ist.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Verkündet am 26. September 2000

pp.

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 5. September 2000 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. S, des Richters am Oberlandesgericht Dr. R und des Richters am Landgericht O

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 20. Oktober 1999 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer - Einzelrichterin - des Landgerichts Mönchengladbach wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 12.000,00 DM abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Sicherheit darf auch durch die Bürgschaft einer deutschen Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand:

Die Klägerin nimmt die Beklagte aus einer bei ihr unterhaltenen Fahrzeugvollversicherung auf Ersatz für einen angeblich entwendeten LKW Mercedes-Benz (7,5 Tonnen zulässiges Gesamtgewicht mit Kastenaufbau und Laderampe, BA 6) in Anspruch.

Den LKW, ein geleastes Fahrzeug, vermietete die Klägerin, die eine gewerbliche Autovermietung betreibt, am 20.12.1997 für drei Tage an die Zeugin D Bei der Anmietung wurde Frau D von dem Zeugen D begleitet, der anschließend die Zeugin mit seinem Privat-Kfz nach Hause fuhr und dann den LKW vom Gelände der Klägerin abholte.

Am 23.12.1997 meldete die Zeugin den LKW gestohlen und gab an, das Fahrzeug am 22.12.1997 abends auf der V in K abgestellt und es am 23.12.1997 morgens dort nicht mehr vorgefunden zu haben (BA 3).

Die M B L GmbH errechnete den sog. Abrechnungswert mit 70.908 DM. Die Beklagte lehnte die Regulierung unter dem 5.8.1998 ab.

Die Klägerin hat vorgetragen, der LKW sei in der Nacht vom 22.12.1997 auf den 23.12.1997 entwendet worden. Es handele sich nicht um ein von den Zeugen D und D vorgetäuschtes Ereignis.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 70.908 DM nebst 11,5 % Zinsen seit dem 2.11.1998 zu zahlen, hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, an die M B L GmbH, Geschäftsstelle D, 4 D. 70.908 DM nebst 11,5 % Zinsen seit dem 2.11.1998 zur Leasingvertragsnummer zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, eine Entwendung i. S. des § 12 AKB liege nicht vor. Nach den Umständen sei hier nicht von einer Entwendung, durch Dritte, sondern entweder von einem Betrug zu Lasten der Klägerin oder aber einer Unterschlagung durch den/die Mieter des Fahrzeuges auszugehen. Vieles spreche dafür, daß die Zeugen von vornherein nicht die Absicht gehabt hätten, den LKW zurückzugeben.

Das Landgericht hat nach Vernehmung der Zeugen D und D die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, das äußere Bild eines Diebstahls sei nicht bewiesen. Eine Unterschlagung durch den Zeugen D sei ebenfalls nicht nachgewiesen. Zudem müsse jedenfalls davon ausgegangen werden, daß eine Unterschlagung nicht ohne Mitwirkung der Zeugin D erfolgt sei. Sollte die Verschiebung bereits bei der Anmietung geplant gewesen sein, liege ein nicht versicherter Betrug vor.

Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Berufung.

Sie trägt vor, der Zeuge D habe der Zeugin D offenbar erfolgreich vorgeschwindelt, ihr eine Wohnung beschaffen zu können und sie so zur Anmietung des LKW für den Umzug veranlaßt. In Wirklichkeit sei es ihm darum gegangen, das Fahrzeug an sich zu bringen. D habe den noch nicht von der Mieterin D übernommenen LKW ohne deren Einwilligung vom Abstellplatz der Klägerin weggefahren, die ihren fortbestehenden Gewahrsam unfreiwillig an D verloren habe, was als Diebstahl zu werten sei.

Es lasse sich auch nicht feststellen, daß die Zeugin D sich den LKW durch einen unversicherten Betrug oder durch eine unversicherte Eigenunterschlagung als Allein- oder Mittäterin angeeignet habe. Die Zeugin D sei undoloses Werkzeug in den Händen des Zeugen D gewesen.

Die Klägerin beantragt,

abändernd die Beklagte zu verurteilen, an sie 70.908 DM nebst 11,5 % Zinsen seit dem 2.11.1999 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt vor, wenn als Alternative ein Diebstahl durch einen Dritten oder aber eine Unterschlagung durch den berechtigten Besitzer in Betracht komme, müsse der Versicherungsnehmer den Diebstahl beweisen. Hier sprächen zahlreiche Indizien für eine Unterschlagung durch die Zeugin D "Opfer" sei diese nicht gewesen. Auch ein unfreiwilliger Gewahrsamsverlust der Klägerin komme nicht in Betracht.

Die Beiakten 35 Js 212/98 StA Krefeld haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat ihre Klage zu Recht abgewiesen. Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Anspruch aus den §§ 1, 49 VVG, § 12 Nr. 1 I b) AKB zu, denn eine versicherte Entwendung liegt nicht vor.

I.

Versichert ist nach § 12 Nr. 1 I b) AKB das Abhandenkommen eines Kfz durch Diebstahl oder Unterschlagung, wobei diese Begriffe, strafrechtlich zu verstehen sind (BGH VersR 75, 225, 226; OLG Hamm VersR 73, 660; Knappmann in Prölss/Martin, VVG, 26. Aufl., § 12 AKB Rn. 13). Erlangt der Täter das Kfz durch Betrug, ist dies nicht versichert (BGH VersR 75, 225, 226; OLG Jena VersR 99, 305; OLG Karlsruhe NVersZ 98, 129; OLG Hamm VersR 85, 490). Hat - wie hier - der Versicherungsnehmer das Kfz zum Gebrauch an einen Dritten überlassen, hat er darzulegen und zu beweisen, daß das Fahrzeug gestohlen oder durch eine andere Person als den Dritten unterschlagen wurde (BGH NJW 1993, 1014f. = VersR 93, 472f.).

1.

Der Nachweis eines Diebstahls i. S. des § 242 StGB auf der V. in K. ist der Klägerin nicht gelungen. Dem Versicherungsnehmer kommt zwar eine Beweiserleichterung zugute. Er genügt seiner Beweislast schon dann, wenn er das äußere Bild einer bedingungsgemäßen Entwendung des Fahrzeugs darlegt und dieses beweist, also ein Mindestmaß an Tatsachen, die nach der Lebenserfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit den Schluß auf die Entwendung zulassen. Dieses äußere Bild ist gegeben, wenn der Versicherungsnehmer oder ein anderer Berechtigter das Fahrzeug an einer bestimmten Stelle zu einem bestimmten Zeitpunkt abgestellt und es später dort gegen seinen Willen nicht mehr vorgefunden hat (BGH VersR 95, 909; Römer, NJW 1996, 2329, 2330).

Zu Recht ist das Landgericht aber in der angefochtenen Entscheidung davon ausgegangen, daß das äußere Bild einer Entwendung auf der V in K nicht nachgewiesen ist. Vielmehr waren sowohl die Aussage der Zeugin D als auch die Aussage des Zeugen D unergiebig. Die Zeugin D hat angegeben, sie selbst habe das Fahrzeug nicht an der V in K abgestellt. Der Zeuge D hat erklärt, er sei in die Anmietung des LKW überhaupt nicht einbezogen gewesen.

2.

Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich ein versicherter Diebstahl nicht daraus, daß der Zeuge D den LKW vom Gelände der Klägerin abholte und ihn sodann möglicherweise nach Polen verschob. Unterstellt man diesen Sachverhalt als richtig, fehlt es jedenfalls an einem Gewahrsamsbruch i. S. des § 242 StGB. Ein Gewahrsamsbruch scheidet aus, wenn der Gewahrsamsinhaber den Gewahrsam freiwillig aufgibt.

Nimmt man an, die Klägerin habe solange zumindest Mitgewahrsam an dem LKW gehabt, wie er auf ihrem Gelände stand, hat sie diesen Mitgewahrsam nicht gegen ihren Willen verloren, sondern war mit der Abholung des von der Zeugin D im Beisein des Zeugen D angemieteten LKW einverstanden, hatte sie das Fahrzeug doch zum Gebrauch vermietet.

Gleiches ergibt sich, wenn man auf den Gewahrsam der Zeugin D abstellt, der dadurch begründet wurde, daß sie die Schlüssel zu dem LKW erhielt. Denn auch sie hat ihren Gewahrsam freiwillig zugunsten des Zeugen D aufgegeben, als sie ihm die Schüssel zu dem LKW aushändigte. Sie behielt keinerlei Gewahrsam an dem LKW, da ihr eine Zugriffsmöglichkeit auf das Fahrzeug nicht verblieb.

3.

Es ist nicht davon auszugehen, daß die Beklagte eine Unterschlagung gestanden hätte i. S. des § 288 ZPO und deshalb an dieses Geständnis gebunden wäre, § 532 ZPO. Ein Geständnis ist das ausdrückliche Zugestehen der Richtigkeit einer Tatsachenbehauptung des Gegners (BGH MDR 90, 324). Die Beklagte hat aber entgegen der Auffassung der Berufungsbegründung die Tatsachen, die den Tatbestand einer Unterschlagung ausfüllen, nicht gestanden. Einmal hat die Beklagte zwar schriftsätzlich erklärt, der LKW sei unterschlagen worden (GA 29). Dabei handelt es sich aber nur um eine Rechtsansicht. Zum einen hat die Beklagte nämlich in unmittelbarem Anschluß an die zitierte Stelle vorgetragen, D allein oder im Zusammenwirken mit der Zeugin D hätten "wahrscheinlich" einen Betrug begangen (GA 29). Dies entspricht auch ihrem Vorbringen (GA 26), sie gehe von einem Betrug aus.

Zum anderen lassen die der strafrechtlichen Bewertung zugrundeliegenden - von der Beklagten vorgetragenen - Tatsachen gerade nicht den Schluß zu, es sei zu einer Unterschlagung gekommen. Schon in I. Instanz hat die Beklagte nämlich erklärt, der Tatplan sei vor der Anmietung gefaßt, die Anmietung zum Zwecke der Verschiebung erfolgt (GA 29). Dieser Vortrag entspricht in der strafrechtlichen Subsumtion einem mittäterschaftlich begangenen Betrug der Zeugin.

4.

Unabhängig von der Frage, ob die Klägerin schlüssig zu einer Unterschlagung vorträgt oder ob auch nach ihrem eigenen Vorbringen, die D sei undoloses Werkzeug des P gewesen, ein unversicherter Betrug durch D gegeben wäre (vgl. dazu OLG Karlsruhe NVersZ 1998, 129f.), hat sie jedenfalls nicht den Beweis geführt, daß eine versicherte Unterschlagung erfolgte. Denn nach dem eingangs Ausgeführten setzte dies voraus, daß die Zeugin D nicht an der Unterschlagung beteiligt war (vgl. BGH NJW 93, 1014).

5.

Für deren Beteiligung sprechen im Rahmen einer Gesamtwürdigung aber so viele Umstände, daß der Nachweis nicht erbracht ist.

Nicht nachvollziehbar ist schon, daß die Zeugin bereit gewesen sein soll, in eine Wohnung zu ziehen, die sie noch nicht gesehen hatte. Zudem hing der Bezug der Wohnung nach ihren Angaben von der Aufnahme einer Geschäftsführertätigkeit in dem zu eröffnenden Bistro des Zeugen D ab. Es ist undenkbar, daß sie die Aufnahme der Tätigkeit zugesagt hat, ohne näheres über Art und Umfang der Tätigkeit und Verdienst abgesprochen zu haben.

Es erscheint in sich widersprüchlich, daß sie einen LKW anzumieten bereit gewesen sein will, ohne daß Klarheit über die Bezugsmöglichkeit der Wohnung bestand. Abwegig ist die Vorstellung, daß der LKW reserviert würde, ohne den Mietpreis mit der Zeugin abzustimmen. Es ist auch nicht erklärlich, daß die arbeitslose Zeugin einen großen LKW für drei Tage zu dem für sie hohen Preis von 1.138,05 DM angemietet hat. Denn die Zeugin D verfügte nur über ein Einkommen von 1.400 DM monatlich, was an sich die teuere Anmietung und eine Anzahlung von 950 DM nicht zuließ (BA 8, GA 38). Für die Durchführung des Umzuges hätte ein Tag oder sogar ein halber Tag genügt. Gewiß wäre auch die Anmietung eines kleineren Wagens ausreichend gewesen, weil sie zu dieser Zeit in der Wohnung ihres Sohnes lebte und nur über wenig Hausrat verfügte (BA 27). Schon danach ist wahrscheinlich, daß es auch der Zeugin D darum ging, ein möglichst wertvolles, neues Fahrzeug (Kilometerstand 8.500; EZ Juni 1997; BA 6, 8, GA 38) zu mieten, um es alsbald ins Ausland zu verschieben, was gerade bei einer Mietzeit von drei Tagen erleichtert wurde.

Für die Beteiligung der Zeugin spricht auch, daß sie ohne zunächst bei dem Zeugen D nachzufragen, den LKW gestohlen meldete. Nichts hätte näher gelegen, als sich bei ihm nach dem Verbleib zu erkundigen. In der Folge hat sie sich bei ihren Vernehmungen wechselnd/widersprüchlich eingelassen. In der Schadenanzeige hat sie erklärt, sie selbst habe den LKW gefahren und an der V Straße abgestellt. Später hat sie sich eingelassen, der Zeuge D habe den LKW in Besitz genommen. Auch hinsichtlich der Frage, wann der LKW abgestellt worden sein soll, erklärte sie sich wechselnd. Zunächst hieß es dazu, D habe den LKW am Montagabend abgestellt. In ihrer Vernehmung vor dem Landgericht (GA 79) erklärte sie abweichend, samstags habe D erklärt, den LKW zurückgebracht zu haben. Dies legt nahe, daß es sich insoweit um ein erfundenes Geschehen handelt.

Einer erneuten Zeugenvernehmung bedarf es insoweit nicht mehr, da die Zeugen D und D in I. Instanz bereits zu dem äußeren Bild und auch zu der Frage vernommen wurden, ob sie mit dem "Verschwinden" des LKW zu tun haben.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Streitwert für die Berufungsinstanz und Beschwer der Klägerin: 70.908,00 DM.

Ende der Entscheidung

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